Zweifacher Kündigungsschutz – Mutterschutz – Elternzeit
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31.03.1993, 2 AZR 595/92
Leitsatz:
- Die Kündigungsverbote nach § 9 Abs 1 MuSchG und § 18 BErzGG bestehen nebeneinander, so daß der Arbeitgeber bei Vorliegen von Mutterschaft und zusätzlich Erziehungsurlaub für eine Kündigung der Zulässigkeitserklärung der Arbeitsschutzbehörde nach beiden Vorschriften bedarf.
Tatbestand
Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 1. Januar 1987 als technische Kundenberaterin mit einem monatlichen Gehalt vom 2.350,– DM brutto beschäftigt; die Beklagte war im Computergeschäft von Hard- und Software tätig. Sie befindet sich auf Grund Beschlusses vom 13. Februar 1989 in Liquidation, die inzwischen in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossen ist.
Für die Klägerin bestand ab 19. Dezember 1988 Mutterschutz. Am 9. Februar 1989 wurde sie von einem ersten Kind entbunden. Aufgrund des Liquidationsbeschlusses vom 13. Februar 1989 zeigte die Beklagte am 14. Februar und 31. Mai 1989 eine Massenentlassung nach § 17 KSchG beim Arbeitsamt an. Sie stellte am 22. Februar 1989 beim Amt für Arbeitsschutz der Freien und Hansestadt Hamburg den Antrag nach § 9 Abs. 3 MuSchG. Die Klägerin nahm ab 7. April 1989 bis zum 9. Februar 1990 den Erziehungsurlaub in Anspruch. Am 5. Mai 1989 erklärte das Amt für Arbeitsschutz die beabsichtigte Kündigung nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes für zulässig. Die Beklagte sprach alsdann mit Schreiben vom 18. Mai 1989 zum 30. Juni 1989 eine erste Kündigung aus. Mit dem 9. Juni 1989 lief das viermonatige Kündigungsverbot nach § 9 MuSchG ab. Im Oktober/November 1989 wurde die Klägerin erneut schwanger. Am 17. Dezember 1989 stellte die Beklagte beim Amt für Arbeitsschutz vorsorglich einen Antrag nach § 18 BErzGG. Am 18. Januar 1990 bot die Klägerin die Wiederaufnahme der Arbeit zum 11. Februar 1990 an, ohne von ihrer erneuten Schwangerschaft Mitteilung zu machen. Am 31. Januar 1990 erklärte das Amt für Arbeitsschutz die beantragte Kündigung nach den Bestimmungen des Bundeserziehungsgeldgesetzes für zulässig. Alsdann sprach die Beklagte mit Schreiben vom 9. Februar 1990 zum 31. März 1990 die zweite Kündigung aus. Mit Schreiben vom 20. Februar 1990 ließ die Klägerin durch ihren Prozeßbevollmächtigten auf die erneut vorliegende Schwangerschaft hinweisen. Die Beklagte stellte daraufhin beim Amt für Arbeitsschutz am 26. Februar 1990 erneut einen Antrag nach § 9 MuSchG sowie gleichzeitig nach § 18 BErzGG. Hierauf teilte das Amt für Arbeitsschutz am 7. März 1990 mit, eine erneute Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei nicht erforderlich; da keine neuen Tatsachen vorgetragen seien, sei auf die Anträge vom 20. Februar und 7. Dezember 1989 zu verweisen; die erneute Schwangerschaft der Klägerin ändere insoweit nichts am Sachverhalt. Mit Schreiben vom 13. März 1990 wies die Klägerin unter Vorlage eines Arztattestes ihre zweite Schwangerschaft nach.
Die Klägerin hat geltend gemacht, beide Kündigungen seien rechtsunwirksam: Hinsichtlich der ersten Kündigung fehle es an einem Bescheid nach § 18 BErzGG, da sie inzwischen den Erziehungsurlaub nach der ersten Schwangerschaft angetreten habe; im Falle der zweiten Kündigung fehle es an einem Bescheid nach § 9 Abs. 3 MuSchG, weil sie inzwischen zum zweitenmal schwanger gewesen sei. Nach Kenntnis von der zweiten Schwangerschaft habe auch keine Verpflichtung zu deren vorzeitiger Mitteilung bestanden; sie habe jedenfalls nicht arglistig gehandelt, zumal sie mit einer erneuten Kündigung nicht gerechnet habe. Die Klägerin verlangt (nach ursprünglich weitergehender Klage auf Urlaubsabgeltung und Zahlung anteiligen 13. Gehaltes) noch die anteilige Vergütung ab 9. Februar 1990 für diesen Monat mit dem der Höhe nach unstreitigen Betrag von 1.566,67 DM brutto.
Die Klägerin hat beantragt,
1.
festzustellen, daß weder durch die Kündigung der Beklagten vom 18. Mai 1989, noch durch die Kündigung vom 9. Februar 1990 das Arbeitsverhältnis aufgelöst ist,
2.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.566,67 DM brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat sich mit ihrem Klageabweisungsantrag darauf berufen, im Falle der ersten Kündigung vom 18. Mai 1989 decke der Bescheid des Amtes für Arbeitsschutz vom 5. Mai 1989 auch die erforderliche Zulässigerklärung einer Kündigung während des Erziehungsurlaubs ab, zumal für die Zustimmung der Behörde die Liquidation und die Einstellung des gesamten Geschäftsbetriebes maßgeblich gewesen sei. Im Falle der zweiten Kündigung sei ihr die Schwangerschaft der Klägerin entgegen § 5 Abs. 1 MuSchG nicht mitgeteilt worden; es sei arglistig, wenn die Klägerin auch im Arbeitsangebot vom 18. Januar 1990 hiervon nicht Mitteilung gemacht habe. Im übrigen habe die Arbeitsschutzbehörde im Schreiben vom 7. März 1990 erklärt, daß es einer erneuten Zulässigerklärung nicht bedürfe.
Inzwischen hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis „aus Gründen äußerster Vorsorge“ erneut mit Schreiben vom 11. Februar zum 31. März 1992 gekündigt. Mangels Nachweis eines früheren Zugangs als am 20. Februar 1992 hat das Arbeitsgericht Hamburg durch Urteil vom 28. April 1992 (25 b Ca 120/92) unter teilweiser Klageabweisung rechtskräftig entschieden, das Arbeitsverhältnis bestehe bis zum 30. Juni 1992 fort.
Hinsichtlich der Kündigungen vom 18. Mai 1989 und 9. Februar 1990 hat das Arbeitsgericht in den ursprünglich getrennten Kündigungsprozessen nach dem Klageantrag erkannt und die Beklagte zur Zahlung von 1.566,67 DM brutto verurteilt. Die weitergehende Klage wegen Urlaubsabgeltung und anteiligem 13. Gehalt ist rechtskräftig abgewiesen. Die von der Beklagten jeweils eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Mit den vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionen erstrebt die Beklagte in den beim Bundesarbeitsgericht verbundenen Kündigungsprozessen die Klageabweisung.
Begründung
Die Revisionen der Beklagten sind nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht sowohl die Kündigung vom 18. Mai 1989 als auch die Kündigung vom 9. Februar 1990 für unwirksam angesehen.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidungen wie folgt begründet: Die Kündigung vom 18. Mai 1989 sei nach §§ 18 Abs. 1 BErzGG, 134 BGB unwirksam, weil bei ihrem Zugang die nach § 18 Abs. 1 BErzGG erforderliche Zulässigkeitserklärung der Arbeitsschutzbehörde nicht vorgelegen habe. Seit dem 7. April 1989 habe sich die Klägerin in Erziehungsurlaub befunden. Die Tatsache, daß bei Zugang der Kündigung auch noch das vier Monate dauernde Kündigungsverbot nach § 9 Abs. 1 MuSchG bestanden und der Zustimmungsbescheid nach § 9 Abs. 3 MuSchG am 5. Mai 1989 vorgelegen habe, ändere nichts daran, daß auch noch ein gesonderter Bescheid der zuständigen Behörde nach § 18 Abs. 1 BErzGG erforderlich gewesen sei. Im sogenannten Überlappungszeitraum, wenn sich nämlich die Schutzzeiten nach § 9 Abs. 1 MuSchG und § 18 Abs. 1 BErzGG bei den Kündigungsverboten überlappten, gelte der besondere Kündigungsschutz für Erziehungsurlaubsberechtigte neben dem mutterschutzrechtlichem Kündigungsverbot. Dies folge insbesondere daraus, daß beide Gesetze unterschiedliche Zielsetzungen verfolgten: So bestehe das Anliegen des mutterschutzrechtlichen Kündigungsverbotes in erster Linie darin, der werdenden Mutter und der Wöchnerin trotz ihrer evtl. mutterschaftsbedingten Leistungsminderung oder Arbeitsunfähigkeit den Arbeitsplatz als wirtschaftliche Existenzgrundlage zu erhalten, während die primäre Zielsetzung des BErzGG darin bestehe, einem Elternteil zu ermöglichen, sich in der ersten Lebensphase des Kindes dessen Betreuung und Erziehung zu widmen. Auch wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Ausnahme vom Kündigungsverbot nahezu wortgleich seien, ändere dies nichts daran, daß der Gesetzgeber die Kündigungsverbote nicht harmonisiert, sondern getrennte Verbote ausgesprochen habe. Der am 5. Mai 1989 ergangene Bescheid der Behörde stelle aber entsprechend dem auf § 9 MuSchG gestützten Antrag der Beklagten nur auf diese Vorschrift ab, so daß eine Genehmigung zur Kündigung gemäß § 18 BErzGG fehle.
Was die Kündigung der Beklagten vom 9. Februar 1990 angehe, fehle es nunmehr umgekehrt an der Zulässigkeitserklärung der Arbeitsschutzbehörde gemäß § 9 Abs. 3 MuSchG. Die Beklagte habe zwar vor dieser Kündigung mit Antrag vom 17. Dezember 1989 die nach § 18 Abs. 1 BErzGG erforderliche Zulässigkeitserklärung eingeholt (Bescheid vom 31. Januar 1990); am 9. Februar 1990 zur Zeit der zweiten Kündigung sei die Klägerin aber erneut schwanger gewesen, so daß es diesmal einer zusätzlichen Genehmigung nach § 9 Abs. 3 MuSchG bedurft hätte. Auch trage der Zustimmungsbescheid vom 5. Mai 1989 diese Kündigung nicht, weil dieser Bescheid sich auf die erste Schwangerschaft der Klägerin bezogen habe. Der Bescheid vom 31. Januar 1990 beziehe sich eindeutig nur auf das Kündigungsverbot nach § 18 Abs. 1 BErzGG, nicht aber die zweite Schwangerschaft der Klägerin. Aus Gründen der Rechtssicherheit könnten auch nicht die Zulässigkeitserklärungen der Arbeitsschutzbehörde untereinander ausgetauscht werden; auch sei es nicht angängig, zu prüfen, ob die Arbeitsbehörde eventuell eine entsprechende Genehmigung nach § 9 Abs. 3 MuSchG für die erneute Kündigung vom 9. Februar 1990 erteilt hätte und ob eine andere Entscheidung der Arbeitsschutzbehörde bei rechtmäßiger Ermessensausübung nicht vorstellbar gewesen wäre. Auch für diese Fallsituation sei an dem Erfordernis der Zulässigkeitserklärungen nach § 18 BErzGG wie auch nach § 9 MuSchG festzuhalten.
Der Klägerin sei auch nicht verwehrt, sich darauf zu berufen, daß die Beklagte die falsche Zustimmungserklärung eingeholt habe. Für die Klägerin habe nämlich keine Mitteilungspflicht nach § 5 Abs. 1 MuSchG bestanden. Hierbei handele es sich nur um eine Sollvorschrift. Die werdende Mutter sei aufgrund des Mutterschutzgesetzes dem Arbeitgeber gegenüber gerade nicht zur Offenbarung ihres Zustandes verpflichtet. Ein im Einzelfall angenommenes eigenes betriebliches Interesse an der baldigen Mitteilung der Schwangerschaft lasse sich im übrigen vorliegend nicht begründen, zumal nicht ersichtlich sei, inwiefern die Klägerin Anlaß gehabt haben sollte, von einer weiteren Kündigungsabsicht der Beklagten auszugehen. Ein arglistiges Verhalten könne der Klägerin daher nicht nachgesagt werden. § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG mute dem Arbeitgeber zu, auch noch nach Ausspruch einer Kündigung von einer Schwangerschaft informiert zu werden.
Der aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges geltend gemachte anteilige Gehaltsanspruch für Februar 1990 in unstreitiger Höhe von 1.566,67 DM brutto sei infolge der unwirksamen Kündigung der Beklagten begründet.
II.
Den ausführlich begründeten Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts tritt der Senat bei. Ein Rechtsfehler bei der Anwendung der §§ 9 MuSchG, 18 BErzGG liegt nicht vor.
1. Gegen die Zulässigkeit der Revisionen bestehen nicht etwa deshalb Bedenken, weil sich die Revisionsgründe nicht gesondert mit der Abweisung des auf § 615 BGB gestützten anteiligen Gehaltsanspruchs für Februar 1990 befassen. Denn die Existenz eines solchen Anspruchs hängt insofern von der Entscheidung über die Wirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung vom 18. Mai 1989 zum 30. Juni 1989 ab, als bei deren Wirksamkeit die Beklagte das Arbeitsangebot der Klägerin vom 18. Januar 1990 nicht anzunehmen brauchte, sich also nicht in Annahmeverzug befand, §§ 615, 293 f. BGB. Dies hat das Bundesarbeitsgericht für den Fall der Kündigungsschutzklage und der davon abhängigen Gehaltsansprüche nach § 615 BGB bereits entschieden (Urteil vom 16. Juni 1976 – 3 AZR 1/75 – AP Nr. 27 zu § 72 ArbGG 1953 Streitwertrevision; vgl. ferner Senatsurteil vom 2. April 1987 – 2 AZR 418/86 – AP Nr. 96 zu § 626 BGB, zu B I 1 der Gründe).
2. Der von der Beklagten angestrebten Klageabweisung steht nicht schon die neue Erkenntnis im Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 28. April 1992 – 25 b Ca 120/92 – entgegen, durch das das Arbeitsgericht festgestellt hat, das Arbeitsverhältnis der Parteien bestehe bis zum 30. Juni 1992 fort. Der Tenor dieses Urteils ist anhand der Entscheidungsgründe auszulegen. In dieser Entscheidung ging es um eine erneute – äußerst vorsorgliche – Kündigung der Beklagten vom 11. Februar 1992 zum 31. März 1992, die mangels nachweisbarer Zustellung vor dem 20. Februar 1992 die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 1992 ohne Einhaltung der Sechs-Wochen-Frist (§ 622 Abs. 1 BGB) nicht bewirken konnte. Die Beklagte hatte in diesem Prozeß ausdrücklich darauf hingewiesen (im Schriftsatz vom 8. April 1992), sie gehe von der Auflösung des Arbeitsverhältnisses bereits aufgrund der früheren Kündigungen aus. Nach den gemeinsamen Vorstellungen der Parteien ist der Ausspruch des Arbeitsgerichts dahin zu verstehen, daß das Arbeitsverhältnis aufgrund der dritten, durch die Liquidation betriebsbedingten, Kündigung nicht mit dem 31. März 1992, sondern erst mit dem 30. Juni 1992 ende. Dabei hat das Arbeitsgericht in seinem Urteil auf die noch nicht rechtskräftige Entscheidung über die Kündigungen vom 18. Mai 1989 und 9. Februar 1990 ausdrücklich hingewiesen, so daß die Rechtskraft seiner Entscheidung über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses unter dem Vorbehalt einer eventuell durch frühere Kündigungen bewirkten Auflösung desselben steht (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 12. Juni 1986 – 2 AZR 426/85 – AP Nr. 17 zu § 4 KSchG 1969, zu C am Ende der Gründe). Wegen dieses Vorbehalts kann der Entscheidung deshalb eine weitergehende Rechtskraftwirkung nicht beigemessen werden, was letztlich auch die Klägerin – so versteht der Senat ihre Ausführungen anläßlich der mündlichen Verhandlung – nicht anders sieht.
3. Die Revision rügt erfolglos eine Verletzung der §§ 9 Abs. 3 MuSchG und 18 Abs. 1 BErzGG. Sie meint, für eine Verdoppelung des Kündigungsschutzes, wovon das Landesarbeitsgericht ausgehe, gebe der Gesetzeswortlaut nichts her, zumal die Ausnahmetatbestände in § 9 Abs. 3 MuSchG und § 18 Abs. 1 BErzGG vom Wortlaut her identisch seien.
a) Zuzugeben ist, daß der Wortlaut der beiden Ausnahmebestimmungen in der Tat übereinstimmt, d. h. die Arbeitsschutzbehörde hat in beiden Situationen zu prüfen, ob ein besonderer Fall vorliegt, der ausnahmsweise die Kündigung zulässig macht. Wenn die Arbeitsschutzbehörde wie hier mit dem Bescheid vom 5. Mai 1989 nur „die Kündigung der Klägerin für zulässig“ erklärt hätte, wäre damit bei dieser verkürzten Wiedergabe der behördlichen Erklärung weder positiv noch negativ etwas zu der Frage gesagt, ob wegen des insoweit gleichen Wortlauts eine Zustimmung unter den beiden rechtlich in Frage kommenden Schutzgesichtspunkten, nämlich § 9 Abs. 3 MuSchG und § 18 Abs. 1 BErzGG a. F. (das BErzGG ist mit Wirkung vom 1. Januar 1992 in § 18 geändert, ohne daß sich die Änderung im Wortlaut vorliegend auswirkt), vorliegt oder nicht. Von der Revision wird jedoch schon der Wortlaut des Zustimmungsbescheides unvollständig wiedergegeben: Im Bescheid vom 5. Mai 1989 wird nämlich eine Kündigung der Klägerin nach § 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG und im Bescheid vom 31. Januar 1990 eine Kündigung der Klägerin nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG a. F. für zulässig erklärt. Wesentlich ist daher nicht allein, wie die Ausnahmebestimmung, auf die die Revision abstellen will, sondern wie der behördliche Bescheid lautet, der Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung ist und ohne den die Kündigung unheilbar nichtig ist, § 134 BGB (so Gröninger/Thomas, MuSchG, Stand: Mai 1992, § 18 BErzGG Rz 16, 18; Grüner/Dalichau, BErzGG, Stand: Dezember 1990, § 18 Anm. II 1; Halbach, DB 1986, Beil. 1, S. 16; Heilmann, MuSchG, 2. Aufl., vor §§ 9, 10 Rz 8; KR-Becker, 3. Aufl., § 18 BErzGG Rz 10; Meisel/Sowka, MuSchG, 3. Aufl., § 18 BErzGG Rz 12; Wiegand, BErzGG, § 18 Rz 8; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, MuSchG, 6. Aufl., § 18 BErzGG Rz 19).
b) Das aber führt bei systematischer Würdigung zu der Erkenntnis, daß wenn unter zwei rechtlichen Gesichtspunkten zur Zeit der Kündigung am 18. Mai 1989 ein Erlaubnisvorbehalt bestand, nämlich sowohl nach § 9 Abs. 3 MuSchG als auch nach § 18 Abs. 1 BErzGG, grundsätzlich auch zwei Erlaubnisse vorliegen müssen. Unzweifelhaft müssen in anderen Fällen von doppelten Erlaubnisvorbehalten, z. B. nach § 9 MuSchG und § 103 BetrVG oder nach § 15 SchwbG und nach § 18 BErzGG die Erlaubnisse beider zuständigen Stellen nebeneinander vorliegen. Zuzugeben ist der Revision zwar, daß in den Beispielsfällen unterschiedliche Stellen, nämlich die Arbeitsschutzbehörde und der Betriebsrat, im zweiten Fall die Hauptfürsorgestelle und die Arbeitsschutzbehörde zustimmen müssen, während im Streitfall ein und dieselbe Stelle, nämlich die Arbeitsschutzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg tätig geworden ist. Das allein kann aber nicht die Annahme rechtfertigen, die Behörde habe entgegen dem deutlichen Wortlaut ihrer Bescheide mit der Genehmigung (nach § 9 Abs. 3 MuSchG) gleichzeitig auch die andere nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG erteilt. Dagegen spricht – abgesehen von Sinn und Zweck der in Rede stehenden Regelung (vgl. noch unter c) – vielmehr schon die Tatsache, daß es sich in beiden Fällen um für den Arbeitnehmer belastende Verwaltungsakte handelt (vgl. BVerwG Urteile vom 29. Oktober 1958 – V C 88.56 – AP Nr. 14 zu § 9 MuSchG und vom 18. August 1977 – V C 8.77 – AP Nr. 5 zu § 9 MuSchG 1968; siehe ferner KR-Becker, aaO, § 18 BErzGG Rz 31 und § 9 MuSchG Rz 96), die in sich dem Bestimmtheitserfordernis entsprechen müssen, d. h. für den belasteten Bürger muß ersichtlich sein, auf welche Rechtsgrundlage, nämlich § 9 Abs. 3 MuSchG oder § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG die Behörde unter jeweiliger Anwendung ihres Ermessensspielraums (vgl. dazu KR-Becker, aaO, § 9 MuSchG Rz 113 f., 120 sowie § 18 BErzGG Rz 35) die Ausnahmegenehmigung stützt. Die Arbeitsschutzbehörde hat sich dabei unter anderem an dem mit dem jeweiligen Kündigungsverbot verfolgten gesetzgeberischen Zweck zu orientieren. Dem entspricht es auch, daß schon der Antrag inhaltlich bestimmt genug sein muß, d. h. es muß für die Behörde erkennbar sein, nach welcher Bestimmung der Arbeitgeber eine Zulässigerklärung begehrt, ohne daß die Gesetzesbestimmung genau wiederzugeben ist; aber der wesentliche Tatbestand muß gemäß der Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers (§ 26 Abs. 2 VwVfG) geschildert werden. Dazu gehört unter anderem die Angabe, ob die Erlaubnis entgegen einer vorliegenden Schwangerschaft bzw. Mutterschaft oder entgegen einem beantragten (§ 18 Abs. 1 Satz 1 BErzGG n. F.) oder angetretenen Erziehungsurlaub (§ 18 Abs. 1 Satz 1 BErzGG a. F.) begehrt wird. Insofern wurde und wird die Beklagte nicht überfordert, denn ihr war im Falle der ersten Kündigung vom 18. Mai 1989 seit langem sowohl die Mutterschaft der Klägerin als auch die Tatsache bekannt, daß die Klägerin am 7. April 1989 ihren mit Schreiben vom 23. Februar 1989 beantragten Erziehungsurlaub, den die Beklagte mit Schreiben vom 2. März 1989 ausdrücklich bestätigt hat, angetreten hatte. Die Beklagte hätte daher ihren Antrag vom 22. Februar 1989 an die Arbeitsschutzbehörde gemäß § 9 MuSchG nach Eingang des klägerischen Schreibens vom 23. Februar 1989 auf den Antrag nach § 18 BErzGG ausdehnen müssen, was offensichtlich versäumt worden ist.
c) Nicht nur diese systematischen Gesichtspunkte sprechen für das Erfordernis einer ausdrücklichen Zustimmungserklärung nach beiden Vorschriften, sondern – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – insbesondere auch die unterschiedliche Zwecksetzung der beiden Kündigungsverbote.
aa) Die in § 18 BErzGG ausnahmsweise in besonderen Fällen vorgesehene behördliche Erlaubnis für den Ausspruch von Kündigungen soll die Intention des Gesetzgebers umsetzen, einerseits eine wirtschaftliche Existenzgefährdung des Arbeitgebers zu verhindern, andererseits einem Elternteil – sowohl Vater wie Mutter – zu ermöglichen, sich in der ersten Lebensphase des Kindes dessen Betreuung und Erziehung zu widmen (vgl. BT-Drucks. 10/3792, S. 20). Das Gesetz gewährt unter bestimmten Voraussetzungen dem betreuenden Elternteil, der vor der Geburt des Kindes in einem Arbeitsverhältnis steht, einen Anspruch auf Erziehungsgeld und räumt ihm einen Anspruch auf Erziehungsurlaub ein. Demgegenüber besteht das Anliegen des mutterschutzrechtlichen Kündigungsschutzes darin, der werdenden Mutter und der Wöchnerin trotz ihrer etwa mutterschaftsbedingten Leistungsminderung oder Arbeitsunfähigkeit den Arbeitsplatz als wirtschaftliche Existenzgrundlage zu erhalten (vgl. BAG Großer Senat Beschluß vom 26. April 1956 – BAGE 3, 66, 70 = AP Nr. 5 zu § 9 MuSchG, zu I 3 der Gründe). Dem mutterschutzrechtlichen Kündigungsschutz kommt allerdings insofern eine Doppelfunktion zu, als er neben den aufgezeigten wirtschaftlichen Schutzbelangen der Arbeitnehmerin diese zugleich vor den psychischen Belastungen eines Kündigungsschutzprozesses schützen will (vgl. KR-Becker, aaO, § 9 MuSchG Rz 6).
bb) Diese unterschiedlichen Zielrichtungen der beiden gesetzlichen Regelungen verkennt auch die Revision nicht; sie meint indessen, die Anforderungen an einen Zustimmungsbescheid seien nicht höher oder geringer zu bewerten, abgestimmt danach, ob es sich um einen Bescheid nach § 9 Abs. 3 MuSchG oder nach § 18 Abs. 1 BErzGG handele. Dies zu bewerten, ist nicht Sache des Arbeitgebers (so auch Großer Senat in BAGE 3, 66, 70 = AP aaO, zu I 3 der Gründe), sondern – wie oben bereits ausgeführt – gehört zur Ermessensentscheidung der Arbeitsschutzbehörde (vgl. dazu noch unter d). Es genügt in diesem Zusammenhang der Hinweis, daß die Zwecksetzung der Kündigungsverbote, wie die Auswertung der Gesetzesmaterialien zeigt, unterschiedlicher Art ist, ohne daß es auf eine qualitätsmäßige Einstufung ankäme. Sollen aber – kurz zusammengefaßt – im einen Falle eine psychische und physische Unterstützung der Mutter, im anderen Falle eine möglichst problemlose Anfangserziehung des Kindes gewährleistet, also unterschiedliche Rechtsgüter (vgl. Art. 6 GG) geschützt werden, so bedarf es dazu aufgrund der vorliegenden gesetzlichen Regelungen je eines gesonderten, nicht notwendig urkundenmäßig getrennten Ausnahmebescheides.
d) Folgte man der Auffassung der Revision, die an die Zulässigkeitserklärung zu stellenden Anforderungen seien je nach dem geschützten Rechtsgut gleichgewichtig und deshalb komme es für den Überlappungszeitraum nicht darauf an, ob neben dem Zustimmungsbescheid nach § 9 MuSchG auch noch ein solcher nach § 18 BErzGG vorliege und umgekehrt, so bliebe es austauschbar, welchen Antrag der Arbeitgeber gestellt und zu welchem Kündigungsverbot die Behörde sich geäußert hätte. Dem Verwaltungsakt würde damit im nachhinein eine andere Bestandskraft unterlegt. Mit anderen Worten: Die Revision geht praktisch von einer einzigen Verbotsnorm aus, obwohl sich der Gesetzgeber gerade nicht für eine einheitliche Verbotsnorm – eventuell unter Erweiterung des § 9 MuSchG -, sondern neben § 9 MuSchG für eine eigene, getrennte Regelung im BErzGG entschieden hat. Auch wenn es unverständlich erscheinen mag, weshalb der Gesetzgeber beide Kündigungsverbote nicht harmonisiert und in einer Kündigungsschutzvorschrift zusammengefaßt hat (so Meisel/Sowka, aaO, § 18 BErzGG Rz 11), ist die derzeitige Gesetzeslage von zwei Kündigungsschutzbestimmungen geprägt, die beide Anspruch auf Beachtung haben. Ausnahmen hiervon oder Verweisungen auf die jeweils andere Vorschrift sind nicht geregelt. Eine Einschränkung der Anwendung derartiger Kündigungsverbotsnormen erscheint daher nicht angängig. Dies gilt gerade auch im Hinblick auf die Abänderung des früher in § 9 a MuSchG verankerten Kündigungsverbots bei Mutterschaftsurlaub durch die Neuregelung im BErzGG. Bei der Verabschiedung des § 18 BErzGG hat im Unterschied zu § 9 MuSchG a. F. auch nicht die Absicht bestanden, § 9 MuSchG für eine bestimmte Zeit zu verdrängen, vielmehr hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, den Kündigungsschutz des § 9 MuSchG hinsichtlich der Dauer und des geschützten Personenkreises anders zu regeln (vgl. Zmarzlik/Zipperer/Viethen, aaO, § 9 MuSchG Rz 53). Deshalb wird auch in der einschlägigen Literatur die Auffassung vertreten, beide Vorschriften bestünden selbständig und unabhängig nebeneinander (vgl. Grüner/Dalichau, aaO, § 18 BErzGG Anm. II 1 und Anm. II 6; Heilmann, aaO, vor §§ 9, 10 Rz 11; KR-Becker, aaO, § 18 BErzGG Rz 41; Wiegand, aaO, § 18 BErzGG Rz 4).
4. Das gleiche rechtliche Schicksal, nämlich rechtliche Unwirksamkeit nach §§ 9 MuSchG, 134 BGB teilt auch die Kündigung der Beklagten vom 9. Februar 1990 zum 31. März 1990. Dies ergibt sich aus den vorstehenden rechtlichen Überlegungen unter II 3 a bis d, wobei für die nunmehr vorliegende umgekehrte Fallsituation – Vorliegen einer Zulässigkeitserklärung der beabsichtigten Kündigung nach § 18 BErzGG aufgrund des Zustimmungsbescheides vom 31. Januar 1990 und Ausspruch der Kündigung am 9. Februar 1990 ohne Vorliegen der Zulässigkeitserklärung nach § 9 Abs. 3 MuSchG – nichts anderes gilt. Die gesetzgeberische Wertung ist in der umgekehrten Fallsituation dieselbe: Die Klägerin war bei Auslaufen des Erziehungsurlaubs am 9. Februar 1990 erneut, nämlich zum zweiten Male schwanger, womit das Kündigungsverbot nach § 9 Abs. 1 MuSchG eingriff. Demnach bedurfte es einer zusätzlichen Erklärung der Arbeitsschutzbehörde, und zwar diesmal nach § 9 Abs. 3 MuSchG. Diese fehlt und kann auch nicht in dem früheren Bescheid vom 5. Mai 1989 gesehen werden, der sich auf die frühere Mutterschaft der Klägerin, also einen anderen Ausgangssachverhalt, bezieht. Das verkennt auch die Revision nicht. Es ist auch allgemein anerkannt (vgl. Bulla/Buchner, aaO, § 9 MuSchG Rz 10; Halbach, aaO, S. 17; Grüner/Dalichau, aaO, § 18 BErzGG Anm. II 6), daß die werdende Mutter sich bei erneut vorliegender Schwangerschaft wiederum auf den Mutterschutz „berufen“ kann. Ein Vorwurf des Rechtsmißbrauchs kann gegenüber der Berufung auf den Kündigungsschutz aufgrund der zweiten Schwangerschaft grundsätzlich nicht in Betracht kommen (so auch Bulla/Buchner, aaO, § 9 MuSchG Rz 10, m.w.N.). Von diesem Grundsatz vorliegend etwa abweichende Umstände hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Seine Ausführungen, ein im Einzelfall mögliches eigenes betriebliches Interesse an der alsbaldigen Mitteilung der Schwangerschaft sei ebensowenig vorliegend begründet wie ersichtlich sei, inwiefern die Klägerin Anlaß gehabt haben sollte, von einer erneuten Kündigungsabsicht der Beklagten auszugehen, werden von der Revision nicht angegriffen. Sie sind auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. In der Revisionsinstanz wird auch nicht mehr problematisiert, ob das Schreiben der Arbeitsschutzbehörde vom 7. März 1990 auf den erneuten Antrag der Beklagten vom 26. Februar 1990 – diesmal nach § 9 MuSchG und § 18 BErzGG – Auswirkungen auf die zuvor am 9. Februar 1990 ausgesprochene Kündigung haben kann. Dies ist aus Rechtsgründen nicht der Fall, weil ausnahmslos davon auszugehen ist, daß eine Zulässigerklärung der Arbeitsschutzbehörde vor Ausspruch der Kündigung vorliegen muß. Demnach kann dahingestellt bleiben, ob das Schreiben der Arbeitsschutzbehörde vom 7. März 1990 überhaupt dahin ausgelegt werden kann, die Behörde erteile damit einen genehmigenden Verwaltungsakt nach den genannten Vorschriften.
5. Aus der Unwirksamkeit der Kündigung vom 18. Mai 1989 folgt, daß die Beklagte der Klägerin zu Unrecht die Wiederaufnahme der Arbeit nach dem 9. Februar 1990 verweigert hat, so daß sie ihr – wie von den Vorinstanzen zugesprochen – die anteilige Vergütung für den Monat Februar gemäß §§ 615, 293 f. BGB schuldet. Die Revision erhebt dazu auch keine gesonderten Einwände.
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Vorinstanzen: LAG Hamburg, Urteil vom 10.08.1992 4 Sa 104/89; ArbG Hamburg, Urteil vom 02.11.1989, 25 b Ca 163/89