Wiedereinstellungsanspruch
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 04.12.1997, 2 AZR 140/97
Amtliche Leitsätze
- Entscheidet sich der Arbeitgeber, eine Betriebsabteilung stillzulegen und kündigt deshalb den dort beschäftigten Arbeitnehmern, so ist er regelmäßig zur Wiedereinstellung entlassener Arbeitnehmer verpflichtet, wenn er sich noch während der Kündigungsfrist entschließt, die Betriebsab teilung mit einer geringeren Anzahl von Arbeitnehmern doch fortzuführen (Bestätigung des Senatsurteils vom 27. Febru ar 1997 – 2 AZR 160/96 – AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wie dereinstellung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
- Bei der Auswahl der wiedereinzustellenden Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber soziale Gesichtspunkte (Alter, Betriebszu gehörigkeit, Unterhaltspflichten der Arbeitnehmer) zu be rücksichtigen.
- Haben die Arbeitsvertragsparteien noch während der Kündi gungsfrist durch einen gerichtlichen Vergleich das Ar beitsverhältis gegen Zahlung einer Abfindung aufgehoben, so kann dieser Vergleich wegen Wegfalls der Geschäfts grundlage an die geänderte betriebliche Situation anzupas sen sein, u.U. mit dem Ergebnis, daß der Arbeitnehmer wie dereinzustellen ist und die Abfindung zurückzuzahlen hat.
- Unentschieden bleibt, ob ein Wiedereinstellungsanspruch auch dann entstehen kann, wenn der Arbeitgeber erst nach Ablauf der Kündigungsfrist die Unternehmerentscheidung, die zur Entlassung geführt hat, aufhebt oder ändert (Ab grenzung zu BAG Urteil vom 6. August 1997 – 7 AZR 557/96 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 17. Januar 1997 – 18 a Sa 42/96 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Tatbestand
Der 1955 geborene, verheiratete und fünf Kindern unterhaltspflichtige Kläger war bei der Beklagten, einem Unternehmen der Maschinenbaubranche, seit 1977 als gewerblicher Arbeitnehmer tätig, zuletzt in der Glockenmesserfertigung zu einem Bruttomonatseinkommen von 4.400,00 DM. Die Beklagte beschloß im Juni 1995, wegen mangelnder Rentabilität die Glockenmesserfertigung zum 31. Dezember 1995 stillzulegen. Die Produktion der Glockenmesser (Spezialmesser in Glockenform zum sog. Lederschärfen) sollte in Italien durch ein anderes Unternehmen fortgeführt werden. Am 20. Juni 1995 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat einen Interessenausgleich, der den Abbau aller 11 Arbeitsplätze vorsah. Außerdem wurde ein Sozialplan vereinbart, wonach dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 27.700,00 DM zustand. Mit Schreiben vom 21. Juni 1995 kündigte die Beklagte dem Kläger betriebsbedingt zum 31. Dezember 1995. In dem hiergegen vom Kläger angestrengten Kündigungsschutzprozeß schlossen die Parteien am 11. Oktober 1995 vor dem Arbeitsgericht folgenden Vergleich:
„1. Die Parteien sind sich darüber einig, daß ihr Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung der Beklagten vom 21.06.1995 mit dem 31.12.1995 sein Ende finden wird.
2. Wegen des Verlustes des sozialen Besitzstandes zahlt die Beklagte an den Kläger einen Abfindungsbetrag in Höhe von 40.000,00 DM gemäß den §§ 9, 10 KSchG. Die Parteien sind sich darüber einig, daß in diesem Betrag der in dem Sozialplan vom 20.06.1995 ausbedungene Betrag in Höhe von 27.700,00 DM enthalten ist.
Die Gesamtsumme in Höhe von 40.000,00 DM wird fällig jeweils zum Monatsende in zwölf gleichen Raten, beginnend mit dem 31.01.1996.
3. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.“
Nachdem Ende August/Anfang September 1995 bereits zwei Vorläufe mit je 100 Messern in Italien produziert worden waren, gelang es der Beklagten, im Fertigungsprozeß der Messer die Schleifzeiten erheblich zu reduzieren und damit die Herstellungskosten stark zu senken. Da die nunmehr kalkulierten Preise der Messer unter den Preisvorstellungen des italienischen Anbieters lagen, wurde die Zusammenarbeit mit dem italienischen Unternehmen im November 1995 beendet. Die Beklagte errechnete aufgrund der für 1996 geplanten Produktionszahlen der Messer einen Bedarf von 5 Arbeitnehmern in der Glockenmesserfertigung. Am 27. November 1995 beschloß die Beklagte den Verbleib der Glockenmesserfertigung in ihrem Betrieb mit fünf Arbeitsplätzen. Sie sprach deshalb die letzten vier geplanten Kündigungen gegenüber vier ebenfalls langjährig beschäftigten Arbeitnehmern nicht mehr aus und teilte dem bereits gekündigten Arbeitnehmer P mit, er werde über den 31. Dezember 1995 hinaus weiterbeschäftigt. Der Mitarbeiter P ist verheiratet, geboren am 18. März 1942 und gehört dem Betrieb seit dem 9. November 1981 an. Er genießt tariflichen Sonderkündigungsschutz nach § 4 Ziff. 4.4. des MTV für die Beschäftigten in der Metallindustrie in Südwürttemberg-Hohenzollern und hatte zuvor mit Schreiben vom 21. Juni 1995 eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31. Dezember 1995 erhalten. Mit Schreiben vom 4. Dezember 1995 machte der Kläger einen Anspruch auf Wiedereinstellung geltend und erklärte, ggf. sei er zur Erstattung der gezahlten Abfindung bereit.
Mit seiner am 18. Dezember 1995 eingereichten Klage verlangt der Kläger seine Weiterbeschäftigung über den 31. Dezember 1995 hinaus, hilfsweise seine Wiedereinstellung zum 1. Januar 1996. Er meint, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1995 durch die Kündigung und den Vergleich stehe zwar fest, es gehe auch nicht um die Beseitigung der Wirksamkeit des Vergleichs, da beide Parteien Gründe haben könnten, an dem Vergleich festzuhalten. Er habe trotzdem einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung, zumindest Wiedereinstellung, da der Vergleich unter der Voraussetzung einer völligen Schließung der Betriebsabteilung zustandegekommen sei. Bei der Auswahl der weiterzubeschäftigenden Arbeitnehmer hätte die Beklagte nach den Grundsätzen der sozialen Auswahl vorgehen oder zumindest im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung soziale Gesichtspunkte berücksichtigen müssen. Er sei insbesondere aufgrund seiner Unterhaltspflichten schutzbedürftiger als die in der Abteilung verbliebenen fünf Arbeitnehmer und hätte deshalb weiterbeschäftigt bzw. wiedereingestellt werden müssen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 31.12.1995 hinaus zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen
hilfsweise
die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot vom 04.12.1995 auf seine Wiedereinstellung zum 01.01.1996 zu den bisherigen Arbeitsbedingungen (Arbeiter, zuletzt in der Glockenmesserfertigung, Lohngruppe V, monatliches Bruttoeinkommen 4.400,00 DM) unter Anrechnung der bisherigen Tätigkeitszeit seit dem 15.08.1977 anzunehmen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat behauptet, sie habe dem Mitarbeiter P vor dem Schreiben des Klägers vom 4. Dezember 1995 die Weiterbeschäftigung zugesagt. Sie meint, es fehle insbesondere auch angesichts des geschlossenen Vergleichs an einer Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers, im übrigen seien die verbliebenen fünf Mitarbeiter sozial schutzbedürftiger als der Kläger.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.
Begründung
Die Revision ist unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche schon deshalb nicht zu, weil die Beklagte ihre unternehmerische Entscheidung, die Glockenmesserfertigung ab 1. Januar 1996 mit verringertem Personalbestand weiterzuführen, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise betrieblich dadurch umgesetzt hat, daß sie anstatt des Klägers fünf andere Arbeitnehmer auf den verbliebenen Arbeitsplätzen beschäftigt.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, den vom Kläger geltend gemachten Ansprüchen stehe jedenfalls der wirksame Vergleich vom 11. Oktober 1995 entgegen. Zwar könne bei nachträglichem Wegfall der betriebsbedingten Kündigungsgründe ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn sich die der betriebsbedingten Kündigung zugrundeliegende Prognosegrundlage bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist als falsch erwiesen habe. In einem solchen Fall könne, wenn die Parteien vor Wegfall der Kündigungsgründe einen Abfindungsvergleich geschlossen hätten, die Geschäftsgrundlage dieses Vergleichs weggefallen sein mit dem Ergebnis, daß entweder der Vergleich unwirksam oder in seinem Inhalt an die veränderte Sachlage anzupassen sei. Dies setze jedoch voraus, daß sich zumindest eine Partei auf die Unwirksamkeit des Vergleichs berufe. Dies sei beim Kläger nicht der Fall, der bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung von der Wirksamkeit des Vergleichs ausgegangen sei. Die Beklagte verstoße auch durch die Ablehnung des Angebots auf Aufhebung des Vergleichs wegen Änderung der Unternehmerentscheidung nicht gegen Treu und Glauben.
B. Dem folgt der Senat nur im Ergebnis.
I. Die Klage ist zulässig. Ihr steht insbesondere nicht der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) entgegen. Zwar streiten die Parteien im vorliegenden Verfahren darüber, ob der Vergleich, der den Vorprozeß erledigt hat, in der vorliegenden Form aufrechterhalten bleiben kann. Macht jedoch eine Partei nach Abschluß eines rechtswirksamen gerichtlichen Vergleichs geltend, die Geschäftsgrundlage des Vergleichs sei weggefallen, so ist diese Frage nicht durch Fortsetzung des durch den Vergleich erledigten Rechtsstreits, sondern in einem neuen Prozeß zu entscheiden (BGH Urteil vom 6. Juni 1966 – II ZR 4/64 AP Nr. 11 zu § 794 ZPO; BAG Urteil vom 20. Juni 1969 – 2 AZR 282/67 – AP Nr. 16, aaO). Im vorliegenden Fall kommt eine Fortsetzung des durch den Vergleich erledigten Kündigungsschutzverfahrens schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger seine Weiterbeschäftigung bzw. Wiedereinstellung verlangt, also Ansprüche geltend macht, die nicht Streitgegenstand des Kündigungsschutzverfahrens waren.
II. Die Klage ist jedoch unbegründet.
1. Mit dem Hauptantrag verlangt der Kläger seine Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen für den Fall, daß sich die Beklagte im Hinblick auf den nach Vergleichsabschluß geänderten Kündigungssachverhalt weder auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung noch auf dessen Beendigung durch den gerichtlichen Vergleich berufen darf.
Dieser Antrag ist jedenfalls unbegründet. Ist eine Kündigung im allein maßgeblichen Zeitpunkt ihres Ausspruches durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen, bedingt und liegen die übrigen Voraussetzungen des § 1 KSchG vor, so wird ihre Wirksamkeit nicht dadurch in Frage gestellt, daß sich die tatsächlichen Umstände nach Ausspruch der Kündigung ändern (Senatsurteil vom 27. Februar 1997 – 2 AZR 160/96 – AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Wiedereinstellung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Zu Unrecht macht der Kläger geltend, der Arbeitgeber könne sich bei einem Wegfall des Kündigungsgrundes während der Kündigungsfrist nach Treu und Glauben nicht auf die Wirksamkeit seiner Kündigung berufen. Mit der Argumentation, der Arbeitgeber könne sich unter bestimmten Umständen nicht auf die Wirksamkeit der Kündigung berufen, wird der Beurteilungszeitpunkt für die Wirksamkeit der Kündigung in unzulässiger Weise verschoben und es werden zur Beurteilung Gründe herangezogen, die erst nach Zugang der Kündigung entstanden sind (Senatsurteil vom 27. Februar 1997, aaO).
Dies muß erst recht dann gelten, wenn die Arbeitsvertragsparteien im Kündigungsschutzprozeß das Arbeitsverhältnis vergleichsweise gegen Zahlung einer Abfindung beendet haben. Ist in einem solchen Fall der Arbeitgeber nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet, die Anpassung des Vergleichs wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage an die geänderte Sachlage hinzunehmen, so geht die Anpassung des Vergleichs jedenfalls nicht so weit, daß der gegen Zahlung einer Abfindung vergleichsweise aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedene Arbeitnehmer besser zu stellen ist als ein Arbeitnehmer, dessen Kündigungsschutzprozeß noch läuft und der wegen der geänderten Umstände nach Treu und Glauben ebenfalls seine Weiterbeschäftigung unter Rücknahme der Kündigung nicht verlangen kann.
2. Soweit der Kläger mit dem Hilfsantrag seine Wiedereinstellung, also den Abschluß eines neuen Arbeitsvertrages zu den bisherigen Arbeitsbedingungen unter Anrechnung seiner bisherigen Betriebszugehörigkeit verlangt (§ 894 ZPO), geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, daß ein solcher Wiedereinstellungsanspruch gerechtfertigt sein kann, wenn sich nach Ausspruch der Kündigung noch während der Kündigungsfrist der Kündigungssachverhalt ändert (Senatsurteil vom 27. Februar 1997, aaO). Beruht eine betriebsbedingte Kündigung auf der Prognose des Arbeitgebers, bei Ablauf der Kündigungsfrist könne er den Arbeitnehmer (z.B. wegen Betriebsstillegung) nicht mehr weiterbeschäftigen, und erweist sich die Prognose noch während des Laufs der Kündigungsfrist als falsch, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitgeber mit Rücksicht auf die Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat und ihm die unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Der Arbeitgeber verhält sich rechtsmißbräuchlich (§ 242 BGB), wenn er bei Wegfall des betriebsbedingten Kündigungsgrundes noch während der Kündigungsfrist den veränderten Umständen nicht Rechnung trägt und dem Arbeitnehmer nicht die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Kündigungszeitpunkt hinaus anbietet bzw. sich mit einem regelmäßig in der Wiedereinstellungsklage liegenden entsprechenden Vertragsangebot des Arbeitnehmers einverstanden erklärt.
Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt bei einer Änderung des Kündigungssachverhalts noch innerhalb der Kündigungsfrist (Senatsurteil vom 27. Februar 1997, aaO). Sie gelten nicht, wenn nach Ablauf der Kündigungsfrist ein neuer Kausalverlauf in Gang gesetzt wird, also z.B. bei einer sozial gerechtfertigten betriebsbedingten Kündigung unvorhergesehen nach Ablauf der Kündigungsfrist im Betrieb eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit entsteht (BAG Urteil vom 6. August 1997 – 7 AZR 557/96 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Unentschieden bleibt damit die auch im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserhebliche Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen auch bei einer Aufhebung oder Änderung der Unternehmerentscheidung nach Ablauf der Kündigungsfrist ein Wiedereinstellungsanspruch des betroffenen Arbeitnehmers entstehen kann. Die Verneinung eines solchen Wiedereinstellungsanspruchs hätte z.B. zur Folge, daß der Arbeitgeber bei einer Massenkündigung wegen Betriebsstillegung, wenn er sich später doch zur Fortführung des Betriebes entschließt, nur die Arbeitnehmer wieder einzustellen hätte, deren Kündigungsfrist im Zeitpunkt der Änderung seines Entschlusses noch nicht abgelaufen war. Problematisch wäre es auch, wenn nach Auslaufen der Kündigungsfristen aufgrund einer geplanten Stillegung und damit verfolgter „personeller Sanierung“ ein Betriebsübernehmer nicht zur Wiedereinstellung verpflichtet wäre (vgl. BAG Urteil vom 13. November 1997 – 8 AZR 295/95 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Entscheidet sich der Arbeitgeber, nicht den ganzen Betrieb, sondern eine Betriebsabteilung stillzulegen und kündigt deshalb den dort beschäftigten Arbeitnehmern, so gilt, auch darin ist dem Berufungsgericht zu folgen, nichts anderes. Der Arbeitgeber ist nach den oben dargelegten Grundsätzen zur Wiedereinstellung entlassener Arbeitnehmer verpflichtet, wenn er sich noch während der Kündigungsfrist entschließt, die Betriebsabteilung doch fortzuführen.
3. Haben die Arbeitsvertragsparteien mit Rücksicht auf den vom Arbeitgeber angegebenen Kündigungsgrund (z.B. Stillegung einer Betriebsabteilung) und die deshalb ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung das Arbeitsverhältnis einverständlich aufgehoben, so kann dieser Aufhebungsvertrag nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzupassen sein, wenn sich der Arbeitgeber noch während des Laufs der Kündigungsfrist entschließt, die Abteilung doch fortzuführen (Senatsurteil vom 27. Februar 1997 – 2 AZR 160/96 – aaO, zu II 4 b und 4 d aa der Gründe).
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts sind Geschäftsgrundlage die bei Abschluß des Vertrages zu Tage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien hierauf aufbaut (BGHZ 25, 390, 392; BAGE 52, 273, 276 = AP Nr. 7 zu § 242 BGB Geschäftsgrundlage, zu 2 b der Gründe; Senatsurteile vom 12. Dezember 1992 – 2 AZR 269/92 – AP Nr. 27 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag und vom 29. Januar 1997 – 2 AZR 292/96 – AP Nr. 131 zu § 626 BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
b) Das Landesarbeitsgericht hat danach zutreffend angenommen, daß eine Anpassung des im Kündigungsschutzverfahren abgeschlossenen Vergleichs wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage im vorliegenden Fall grundsätzlich in Betracht kam. Die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von der Stillegung der Glockenmesserfertigung zum 31. Dezember 1995, auf denen ihr Geschäftswille aufbaute, haben sich während des Laufs der Kündigungsfrist geändert. Während bei Ausspruch der Kündigung und noch bei Abschluß des Prozeßvergleichs beide Parteien übereinstimmend von der Stillegung der entsprechenden Betriebsabteilung ausgingen, hat sich die Beklagte nach Abschluß des Vergleichs überraschend entschlossen, die Abteilung doch fortzuführen. Das Parteivorbringen enthält auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Abänderung des Stillegungsbeschlusses durch die Beklagte zu dem vom Kläger mit dem Vergleichsabschluß übernommenen Risiko zählen sollte. Es sind zwar Fälle denkbar, in denen auch ein möglicherweise später entstehender Wiedereinstellungsanspruch durch einen Abfindungsvergleich mit abgegolten ist, etwa wenn bei einer Kündigung wegen Betriebsstillegung der Arbeitnehmer bei Vergleichsabschluß davon Kenntnis hat, daß nunmehr die Möglichkeit einer Betriebsübernahme besteht. Im vorliegenden Fall spricht jedoch nichts dafür, daß die Parteien beim Abschluß des Vergleichs, insbesondere bei der Berechnung der Abfindungshöhe die Möglichkeit in Erwägung gezogen hätten, die Beklagte könnte ihren Stillegungsbeschluß abändern.
4. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch entscheidend darauf abgestellt, der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Wiedereinstellung scheitere bereits daran, daß das Arbeitsverhältnis aufgrund des wirksamen Vergleichs beendet sei und der Kläger sich nicht ausdrücklich auf die Unwirksamkeit des Vergleichs „berufe“. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage führt bei einem Prozeßvergleich regelmäßig gerade nicht dazu, daß die prozeßbeendigende Wirkung des Vergleichs rückwirkend beseitigt wird, sonst wäre das ursprüngliche Verfahren fortzusetzen; vorrangig ist stets die Vergleichsanpassung an die geänderten Umstände (Senatsurteil vom 20. Juni 1969 – 2 AZR 282/67 – AP Nr. 16 zu § 794 ZPO). Dem trägt der Kläger sowohl in seiner Antragstellung als auch in seiner Klagebegründung hinreichend Rechnung. Er macht nicht in dem durch den Vergleich abgeschlossenen Kündigungsschutzverfahren die Unwirksamkeit des Vergleichs geltend, sondern beruft sich in einem neuen Prozeß auf Gründe, die aus seiner Sicht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Anpassung des Prozeßvergleichs an die neue Sachlage erfordern. Welche Anpassung er begehrt, nämlich seine Wiedereinstellung, ggf. gegen Rückzahlung der vereinbarten Abfindung (vgl. § 894 Abs. 1 Satz 2 ZPO), ist hinreichend konkret bezeichnet.
5. Das Berufungsurteil erweist sich allerdings aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 563 ZPO). Es kann dabei offenbleiben, ob der Entschluß der Beklagten, die Glockenmesserfertigung doch fortzuführen, unter den gegebenen Umständen eine Vergleichsanpassung in der Weise rechtfertigen würde, daß die Beklagte den Kläger (evtl. Zug um Zug gegen Rückzahlung der Abfindung) wieder einzustellen hätte, wenn sie nach wie vor in der Glockenmesserfertigung elf Arbeitnehmer beschäftigen würde. Da die Beklagte ab 1. Januar 1996 nach dem geänderten Konzept nur noch fünf Arbeitnehmer beschäftigen konnte, mußte sie, selbst wenn alle gekündigten Arbeitnehmer grundsätzlich einen Wiedereinstellungsanspruch hatten, eine Auswahl treffen. Ein Anspruch des Klägers auf Wiedereinstellung kann deshalb nur dann gerechtfertigt sein, wenn die von der Beklagten getroffene Auswahl rechtsfehlerhaft war. Dies ist nicht der Fall.
a) Kündigt der Arbeitgeber wegen beabsichtigter Stillegung des Betriebes bzw. einer Betriebsabteilung und entschließt sich dann noch während der Kündigungsfrist, den Betrieb bzw. die Abteilung mit einer geringeren Anzahl von Arbeitnehmern fortzuführen, so hat er bei der Auswahl der wiedereinzustellenden Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte (Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten der Arbeitnehmer) zu berücksichtigen. Beim Wegfall des Kündigungsgrundes während der Kündigungsfrist stellt der Wiedereinstellungsanspruch ein notwendiges Korrektiv dafür dar, daß die Rechtsprechung allein aus Gründen der Rechtssicherheit, Verläßlichkeit und Klarheit bei der Prüfung des Kündigungsgrundes auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs abstellt und schon eine Kündigung aufgrund einer Prognoseentscheidung (z.B. „wegen beabsichtigter Stillegung einer Betriebsabteilung“) zuläßt, obwohl der Verlust des Arbeitsplatzes, vor dem der Arbeitnehmer durch § 1 KSchG geschützt werden soll, erst mit der Entlassung, also dem Ablauf der Kündigungsfrist eintritt (Senatsurteil vom 27. Februar 1997 – 2 AZR 160/96 – aaO).
b) Berücksichtigt man, daß der in derartigen Fällen gewährte Wiedereinstellungsanspruch den in § 1 KSchG geregelten Bestandsschutz sicherstellen soll, so ist zu erwägen, ob nicht der Arbeitgeber eine soziale Auswahl entsprechend § 1 Abs. 3 KSchG vorzunehmen hat, wenn er nach Wegfall des betriebsbedingten Kündigungsgrundes während der Kündigungsfrist zur Wiedereinstellung der entlassenen Arbeitnehmer verpflichtet ist, infolge des geänderten Unternehmenskonzepts aber nur Beschäftigungsmöglichkeiten für einen Teil der gekündigten Arbeitnehmer bestehen (Preis, Anm. zu LAG Köln Urteil vom 10. Januar 1989 – 4/2 Sa 860/88 – LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1; Hambitzer, NJW 1985, 2239, 2241; Boemke, WiB 1997, 874; Zwanziger, BB 1997, 42, 43). Der Senat hat bisher – allerdings im Fall einer Änderung des Kündigungssachverhalts nach Ablauf der Kündigungsfrist – eine analoge Anwendung des § 1 Abs. 3 KSchG auf den Wiedereinstellungsanspruch abgelehnt (Urteil vom 15. März 1984 – 2 AZR 24/83 – AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu 2 b der Gründe mit insoweit zust. Anm. von Wank; ablehnend auch Mummenhoff, SAE 1985, 305, 307 f.; Weller/Dorndorff in: Dorndorff/Weller/Hauck, KSchG, § 1 Rz 947; Brahm/Rühl, NZA 1990, 753, 757). Ob an dieser Rechtsprechung überhaupt oder unter welchen weiteren Voraussetzungen festgehalten werden kann, kann im vorliegenden Fall offenbleiben.
c) Selbst wenn § 1 Abs. 3 KSchG nicht entsprechend angewandt wird, ist der Arbeitgeber in seiner Auswahlentscheidung nicht völlig frei. Er ist verpflichtet, soziale Belange der betroffenen Arbeitnehmer mitzuberücksichtigen. Erst die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers konkretisiert, welchem Arbeitnehmer ein Wiedereinstellungsanspruch zu versagen ist und welche der vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigungen damit im Ergebnis zur Entlassung des betroffenen Arbeitnehmers führt. Es ist in der Rechtsprechung inzwischen anerkannt, daß eine derartige Auswahlentscheidung des Arbeitgebers nicht willkürlich erfolgen darf, sondern entsprechend § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu treffen ist und, um nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu verstoßen, ohne Vorrang der betrieblichen Interessen soziale Belange angemessen berücksichtigen muß (Senatsurteile vom 15. Dezember 1994 – 2 AZR 320/94 – BAGE 79, 66 = AP Nr. 66 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung und vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 1019/94 – AP Nr. 55 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX; BAG Urteil vom 19. Januar 1995 – 8 AZR 914/93 – BAGE 79, 128, 136 = AP Nr. 12 zu Art. 13 Einigungsvertrag zu II der Gründe; Urteil vom 11. September 1997 – 8 AZR 4/96 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Auch wenn der Arbeitgeber aufgrund nachträglich während der Kündigungsfrist eintretender Änderungen im Kündigungssachverhalt nur einige aus einer größeren Anzahl gekündigter Arbeitnehmer wieder einstellen kann, gelten diese Grundsätze. Jedenfalls wenn die betroffenen Arbeitnehmer für eine Weiterbeschäftigung innerhalb des geänderten Unternehmenskonzepts gleichermaßen geeignet sind, kann der Arbeitgeber nicht frei wählen, welchem der gekündigten Arbeitnehmer er die nach wie vor bestehenden Arbeitsplätze anbietet; er hat vielmehr, wenn auf derartige Fälle nicht überhaupt – was der Senat offenlassen kann – § 1 Abs. 3 KSchG analog anzuwenden ist, zumindest unter den betroffenen Arbeitnehmern eine den §§ 242, 315 BGB genügende Auswahlentscheidung anhand betrieblicher Belange und sozialer Gesichtspunkte vorzunehmen, die den Anforderungen der zitierten Rechtsprechung entspricht.
d) Die von der Beklagten getroffene Auswahlentscheidung genügt sowohl dem Maßstab der §§ 242, 315 BGB, als auch den schärferen Anforderungen des § 1 Abs. 3 KSchG. Zu Unrecht rügt der Kläger, die Beklagte hätte anstatt der ab 1. Januar 1996 tatsächlich weiterbeschäftigten Arbeitnehmer ihn wieder einstellen müssen.
aa) Dies gilt zunächst für die vier Arbeitnehmer, denen die Beklagte bei Abschluß des Vergleichs im Kündigungsschutzverfahren und bei Änderung ihrer Unternehmerentscheidung noch nicht gekündigt hatte. Die von diesen vier Arbeitnehmern besetzten Arbeitsplätze standen für eine Wiedereinstellung des Klägers von vornherein nicht zur Verfügung. Es ist schon äußerst fraglich, ob eine analoge Anwendung des § 1 Abs. 3 KSchG bzw. die Berücksichtigung der §§ 242, 315 BGB beim Wiedereinstellungsanspruch überhaupt zu einer Pflicht des Arbeitgebers führen können, zur Durchsetzung eines Wiedereinstellungsanspruchs einem bisher nicht gekündigten Arbeitnehmer (betriebsbedingt?) zu kündigen, ganz abgesehen von den Schwierigkeiten, denen sich der Arbeitgeber bei der Durchsetzung einer derartigen Austauschkündigung in dem Kündigungsschutzverfahren des betroffenen Arbeitnehmers und einem evtl. personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmungsverfahren ausgesetzt sähe. Im vorliegenden Fall scheitert die Berücksichtigung der vier Arbeitnehmer, denen die Beklagte noch nicht gekündigt hatte, schon daran, daß insoweit die Geschäftsgrundlage des Vergleichs nicht weggefallen ist. Bei Abschluß des Vergleichs in seinem Kündigungsschutzprozeß war dem Kläger bekannt oder mußte ihm zumindest bekannt sein, daß die Beklagte diesen vier Arbeitnehmern noch nicht gekündigt hatte, obwohl bei ihnen der gleiche betriebsbedingte Kündigungsgrund (Stillegung der Glockenmesserfertigung) vorlag und sich auch aus deren Sozialdaten (teilweise höheres Alter und längere Betriebszugehörigkeit als der Kläger) ergab, daß ihnen längst hätte gekündigt sein müssen, um ihr Arbeitsverhältnis rechtzeitig zum 31. Dezember 1995 zu beenden. Die Auswahlentscheidung, anstatt dieser vier Arbeitnehmer den Kläger zu entlassen, hatte die Beklagte bei Vergleichsabschluß schon getroffen. Der Kläger hatte damit – was durch das Parteivorbringen in diesem Prozeß bestätigt wird – bewußt das Risiko übernommen, daß die Beklagte diese vier Arbeitnehmer weiterbeschäftigte, während er gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis ausschied.
bb) Auch die Entscheidung der Beklagten, den bereits gekündigten Mitarbeiter P anstelle des Klägers weiterzubeschäftigen, ist nicht rechtsfehlerhaft. Es fehlt insoweit weder an einer ausreichenden Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte bei der Auswahlentscheidung (§ 1 Abs. 3 KSchG), noch erweist sich die getroffene Auswahl, gemessen am Maßstab der §§ 242, 315 BGB als fehlerhaft. Diese in erster Linie der Tatsacheninstanz obliegende Abwägung hat zwar das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus konsequent – nicht vorgenommen. Der Senat kann jedoch insoweit abschließend entscheiden, weil die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen lückenlos feststehen (st. Rspr., vgl. BAG Urteil vom 9. Juni 1967 – 3 AZR 352/66 – AP Nr. 5 zu § 611 BGB Lohnzuschläge; BAG Urteil vom 13. Mai 1987 – 5 AZR 125/86 – BAGE 55, 275, 281 = AP Nr. 4 zu § 305 BGB Billigkeitskontrolle, zu II 4 der Gründe, m.w.N.).
Es kann dahinstehen, ob allein bei Betrachtung der Sozialdaten es noch als ausreichende Berücksichtigung sozialer Belange angesehen werden kann, wenn die Beklagte anstatt des Klägers den fast 13 Jahre älteren Arbeitnehmer P wieder eingestellt hat, obwohl dieser eine vier Jahre geringere Betriebszugehörigkeit aufweist und erheblich weniger Unterhaltspflichten als der Kläger hat. Jedenfalls durfte die Beklagte bei ihrer Auswahlentscheidung zugunsten des Arbeitnehmers P die Tatsache entscheidend mitberücksichtigen, daß dieser nach dem einschlägigen Tarifvertrag besonderen Kündigungsschutz genoß. Ein Arbeitnehmer, dem tarifvertraglich nicht mehr ordentlich gekündigt werden kann, darf nach § 626 BGB wegen eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes (z.B. Abteilungsstillegung), der normalerweise nur eine ordentliche Kündigung rechtfertigen kann, seinen Arbeitsplatz nur dann verlieren, wenn für den Arbeitgeber jede andere zumutbare Lösungsmöglichkeit ausscheidet. Mit der Festlegung der tariflichen Voraussetzungen für eine derartige Alterssicherung gewichten die Tarifpartner die auch bei der Sozialauswahl zu berücksichtigenden Sozialdaten. Einem Arbeitgeber, der bei seiner Entscheidung, welchen Arbeitnehmer er in derartigen Fällen wiedereinstellt, sich für den Arbeitnehmer entscheidet, dem er wegen einer tariflichen Alterssicherung nur nach § 626 BGB außerordentlich kündigen konnte, kann nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe soziale Belange der betroffenen Arbeitnehmer nicht ausreichend berücksichtigt. Dies gilt zumindest dann, wenn die Auswahlentscheidung zwischen Arbeitnehmern mit in etwa vergleichbaren Sozialdaten zu treffen ist. Da der Wiedereinstellungsanspruch die Funktion hat, bezogen auf den Entlassungszeitpunkt den Kündigungsschutz der betroffenen Arbeitnehmer sicherzustellen, darf der Arbeitgeber bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigen, daß der Kündigungsschutz des tariflich nicht mehr ordentlich kündbaren Arbeitnehmers von vornherein erheblich stärker ausgeprägt war als der des ordentlich kündbaren Arbeitnehmers. Wegen der Personalverringerung auf fünf Arbeitnehmer allein hätte die Beklagte zum 31. Dezember 1995 aber nur dem Kläger kündigen können. Auf die umstrittene Frage, ob tariflich unkündbare Arbeitnehmer überhaupt nach § 1 Abs. 3 KSchG in die Sozialauswahl einbezogen werden können, was im Extremfall zu einer Umkehrung der Grundsätze der Sozialauswahl führen würde (vgl. dazu BAG Urteil vom 8. August 1985 – 2 AZR 464/84 – AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, 12. Aufl., § 1 Rz 456; KR-Etzel, 4. Aufl., § 1 KSchG Rz 574 a), kommt es damit nicht mehr an. Ein solcher Extremfall liegt jedenfalls nicht vor, der Arbeitnehmer P hat im Gegenteil den tariflichen Sonderkündigungsschutz bei vergleichbar längerer Betriebszugehörigkeit dadurch erlangt, daß er erheblich älter als der Kläger und in einem solch fortgeschrittenen Alter ist, daß er anderweitig kaum mehr einen vergleichbaren Arbeitsplatz finden dürfte.
Dr. Etzel Bitter Bröhl
Nipperdey Kuemmel-Pleißner
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Vorinstanzen:
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.01.1997, 18 a Sa 42/96
ArbG Stuttgart, Urteil vom 24.04.1996, 29 Ca 11984/95