BAG – 2 AZR 227/97

Tariflicher Ausschluß der ordentlichen Kündigung

Bundesarbeitsgericht,  Urteil vom 05.02.1998, 2 AZR 227/97

Leitsatz des Gerichts:

  1. Die außerordentliche Kündigung gegenüber einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer kann aus betriebsbedingten Gründen ausnahmsweise unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zulässig sein, wenn der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers weggefallen ist und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch unter Einsatz aller zumutbaren Mittel, ggf. durch Umorganisation seines Betriebes, nicht weiterbeschäftigen kann.
  2. Für die Anwendung der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist in solchen Fällen kein Raum, da der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit einen Dauertatbestand darstellt.
  3. Hinsichtlich der Sozialauswahl und der Betriebs- bzw. Personalratsbeteiligung steht diese außerordentliche Kündigung einer ordentlichen Kündigung gleich. § 1 Abs. 3 KSchG, § 102 Abs. 3 – 5 BetrVG und § 79 Abs. 1 – 2 BPersVG sind entsprechend anwendbar.

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 26. Februar 1997 – 8 Sa 118/96 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.


Tatbestand:

Die 1937 geborene, unverheiratete Klägerin war bei der beklagten Immobilienfirma seit 1. Oktober 1984 als Sekretärin der Geschäftsführung zu einem Monatsgehalt von zuletzt 7.080,00 DM brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft vertraglicher Bezugnahme die jeweiligen Bestimmungen der Tarifverträge für die Angestellten der Wohnungswirtschaft Anwendung. Nach Ausscheiden des Geschäftsführers W., für den die Klägerin tätig war, zum Ende des Jahres 1995 wurde dessen Position entsprechend einem Beiratsbeschluß vom 7. Februar 1996 nicht wieder besetzt und die Aufgaben der Geschäftsführung wurden insgesamt von dem verbliebenen Geschäftsführer S. wahrgenommen. Daraufhin entschloß sich die Beklagte, auch den Arbeitsplatz der zweiten Geschäftsführungssekretärin, also der Klägerin entfallen zu lassen.

Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte am 19. März 1996 das Arbeitsverhältnis der Klägerin zunächst ordentlich zum 30. September 1996. Gegenüber dieser Kündigung berief sich die Klägerin auf ihre tarifliche Alterssicherung. § 17 Abs. 4 des Manteltarifvertrags für die Beschäftigten der Wohnungswirtschaft (MTV) vom 28. Mai 1993 lautet:

Beschäftigte, die mindestens 10 Jahre dem Betrieb angehören und 55 Jahre alt sind, oder die 15 Jahre dem Betrieb angehören und 50 Jahre alt sind, sind nur aus wichtigem Grund kündbar. Ausgenommen sind zumutbare Änderungskündigungen und Kündigungen als Folge erheblicher Einschränkung durch Fortfall wesentlicher Unternehmensaufgaben.

Mit Schreiben vom 27. Juni 1996 kündigte die Beklagte daraufhin nach erneuter Anhörung des Betriebsrats das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. Oktober 1996 bzw. unter Wahrung einer der tariflichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist zum 31. Dezember 1996. In der Revisionsinstanz streiten die Parteien nur noch über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung mit einer Auslauffrist zum 31. Dezember 1996. Die Entscheidung der Vorinstanzen, daß die ordentliche Kündigung der Beklagten das Arbeitsverhältnis nicht und die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht zum 31. Oktober 1996 aufgelöst haben, wird von der Beklagten nicht mehr angegriffen.

Die Klägerin hält die außerordentliche Kündigung für unwirksam. Sie macht geltend, § 17 MTV schließe auch eine außerordentliche, betriebsbedingte Kündigung für den Fall aus, daß nicht wesentliche Unternehmensaufgaben fortgefallen seien. Die Reduzierung der Geschäftsführung auf einen Geschäftsführer und der hierauf gestützte Fortfall des Arbeitsplatzes einer weiteren Sekretärin bedeute jedoch noch nicht, daß auch wesentliche Unternehmensaufgaben fortgefallen seien. Die unstreitige Reduzierung der Beschäftigtenzahl der Beklagten von 31 Arbeitnehmern Anfang 1995 auf heute weniger als 20 Arbeitnehmer reiche insoweit nicht aus. Jedenfalls hätte die Beklagte in die Sozialauswahl die übrigen Sekretärinnen und auch weitere Arbeitnehmerinnen mit einbeziehen müssen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei versäumt, weil der Wegfall ihres Arbeitsplatzes spätestens im März 1996 festgestanden habe. Auch der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung mit Schreiben vom 27. Juni 1996 mit sozialer Auslauffrist zum 31. Dezember 1996 nicht beendet worden ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Sekretärin der Geschäftsführung weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, seit die gesamte Geschäftsführung bei dem verbliebenen Geschäftsführer konzentriert worden sei, habe dessen Sekretärin sämtliche Sekretariatsarbeiten zu verrichten, wozu sie auch in der Lage sei. Auch die getroffene Sozialauswahl sei ordnungsgemäß, da unstreitig die verbliebene Geschäftsführungssekretärin seit ca. 25 Jahren beschäftigt sei und von den drei weiteren Sekretärinnen zwei eine erheblich längere Betriebszugehörigkeit (seit 1966 bzw. 1972) aufwiesen und die dritte Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG genieße und außerdem ebenfalls länger als die Klägerin beschäftigt sei. Auch andere Möglichkeiten, die Kündigung etwa durch Umsetzung der Klägerin zu vermeiden, seien nicht vorhanden gewesen. Es sei ihr unzumutbar, die Klägerin ohne Beschäftigungsmöglichkeit bis zum Ablauf der vorgesehenen Laufzeit des Arbeitsvertrages im Jahre 2002 weiter zu entlohnen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage mit dem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung zum 31. Dezember 1996 und mit dem Weiterbeschäftigungsantrag abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision der Klägerin.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten hat das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1996 aufgelöst.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Arbeitsverhältnis sei aus wichtigem Grund kündbar, auch wenn keine wesentlichen Unternehmensaufgaben fortgefallen seien. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sei auch unter Berücksichtigung des tariflichen Sonderschutzes der Klägerin gegen ordentliche Kündigungen darin zu sehen, daß die Beklagte die Klägerin noch fünf Jahre lang hätte vergüten müssen, ohne sie als Sekretärin beschäftigen zu können. Angesichts des Alters und des Gesundheitszustands der Klägerin sei es der Beklagten auch nicht zumutbar gewesen, die Klägerin über einen längeren Zeitraum in eine neue Tätigkeit einzuarbeiten, um sie ggf. zu geänderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Zum Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung sei die Klägerin noch mit Abwicklungsarbeiten befaßt gewesen, die am 7. Februar 1996 getroffene Unternehmerentscheidung sei damit auch Ende Juni 1996 noch nicht voll umgesetzt gewesen. Darüber hinaus sei zweifelhaft, ob in derartigen Fällen die Frist schon mit dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit beginne, oder ob nicht vielmehr die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit einen Dauertatbestand darstelle, während dessen auch noch später als zwei Wochen nach Wegfall des Arbeitsplatzes außerordentlich gekündigt werden könne.

II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und auch in wesentlichen Teilen der Begründung.

1. Die rechtskräftige Entscheidung über die erste, auf dieselben Kündigungsgründe gestützte ordentliche Kündigung stellt einer materiellen Prüfung dieser Kündigungsgründe im vorliegenden Revisionsverfahren nicht entgegen. Ist in einem Kündigungsrechtsstreit entschieden, daß das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst worden ist, so kann der Arbeitgeber eine erneute Kündigung nur dann nicht auf die Kündigungsgründe stützen, die er schon zur Begründung der ersten Kündigung vorgebracht hat, wenn diese in dem ersten Kündigungsschutzprozeß materiell geprüft worden sind mit dem Ergebnis, daß sie die Kündigung nicht rechtfertigen können (Senatsurteil vom 2 (5. August 1993 – 2 AZR 159/93 – BAGE 74, 143 = AP Nr. 113 zu § 626 BGB). Kündigt der Arbeitgeber wie im vorliegenden Fall wegen derselben Kündigungsgründe zunächst ordentlich, dann außerordentlich und stützt das Gericht die Feststellung der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung allein darauf, daß bei der Arbeitnehmerin die ordentliche Kündigung tariflich ausgeschlossen ist, so hat eine materielle Prüfung der Kündigungsgründe nicht stattgefunden und eine Bindungswirkung kann deshalb nicht eintreten.

Die Beklagte hatte auch ersichtlich durch den Anspruch der ordentlichen Kündigung nicht konkludent auf ihr Recht verzichtet, der Klägerin unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist im Hinblick auf ihre tarifliche Unkündbarkeit außerordentlich zu kündigen.

2. Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ist nicht, wie die Revision geltend macht, bereits nach § 17 Abs. 4 MTV ausgeschlossen.

a) Wenn die Tarifpartner in § 17 Abs. 4 Satz 1 MTV bestimmen, Beschäftigte mit entsprechender Betriebszugehörigkeit und entsprechendem Lebensalter seien "nur noch aus wichtigem Grund kündbar", so schließt dies die Möglichkeit, diesen Arbeitnehmern außerordentlich aus wichtigem Grund zu kündigen, gerade nicht aus, sondern nimmt auf § 626 BGB Bezug. § 17 Abs. 4 Satz 2 MTV enthält demgegenüber keine Regelung für die nach § 17 Abs. 4 Satz 1 MTV zulässige außerordentliche Kündigung, sondern läßt nur in bestimmten Ausnahmefällen (erhebliche Einschränkung durch Fortfall wesentlicher Unternehmensaufgaben) die ordentliche Änderungskündigung bzw. Kündigung der nach § 17 Abs. 4 Satz 1 MTV sonst nur außerordentlich kündbaren Beschäftigten zu. Weder der Wortlaut, noch der Gesamtzusammenhang, noch Sinn und Zweck der Tarifregelung bieten hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß § 17 Abs. 4 Satz 2 MTV bei betriebsbedingten Kündigungsgründen, soweit keine erhebliche Einschränkung durch Fortfall wesentlicher Unternehmensaufgaben vorliegt, auch eine außerordentliche Kündigung der nach § 17 Abs. 4 Satz 1 MTV besonders geschützten Arbeitnehmer ausschließen wollte.

b) Abgesehen davon würde eine Tarifnorm, die eine außerordentliche Kündigung ausschließt, auch erheblichen Bedenken unterliegen. Nach allgemeiner Meinung kann das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) nicht ausgeschlossen werden (BAG Urteile vom 6. November 1956 – 3 AZR 42/55 – BAGE 3, 168 = AP Nr. 14 zu § 626 BGB; vom 11. Juli 1958 – 1 AZR 366/55 – BAGE 6, 109 = AP Nr. 27, aaO; vom 19. Dezember 1974 – 2 AZR 565/73 – BAGE 26, 417 = AP Nr. 3 zu § 620 BGB Bedingung; vom 22. Juli 1992 – 2 AZR 84/92 – EzA § 626 BGB n.F. Nr. 14; Erman/Hanau, BGB, 9. Aufl., § 626 Rz 15; Kittner/Trittin, KSchR, 3. Aufl., § 626 BGB Rz 2; KR-Hillebrecht, 4. Aufl., § 626 BGB Rz 37; a.A. Gamillscheg, AuR 1981, 105). Für Kündigungsgründe, wie sie die Beklagte im vorliegenden Verfahren geltend macht, ergibt sich die Unabdingbarkeit des außerordentlichen Kündigungsrechts des Arbeitgebers darüber hinaus schon aus verfassungsrechtlichen Überlegungen: Zu den Freiheitsrechten privatautonomen Handelns gehört das der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG immanente Grundrecht des Arbeitgebers, Arbeitsverhältnisse privatautonom zu begründen, aber auch zu beenden. Da der Arbeitgeber prinzipiell die Möglichkeit haben muß, sein Unternehmen aufzugeben, muß er wirksam kündigen können. Er muß auch das Recht haben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung sein Unternehmen haben soll. Kündigungsbeschränkungen, die diese Entscheidungsfreiheit beseitigen, sind verfassungsrechtlich angreifbar. Art. 12 Abs. 1 GG schließt es ebenso aus, vom Arbeitgeber zu verlangen, ein unzumutbares Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten. Unverzichtbar sind danach z.B. Beendigungsmöglichkeiten, die der Anpassung des Arbeitnehmerbestandes an die Entwicklung des Unternehmens dienen (Papier, RdA 1989, 138; Zöllner, Gutachten zum 52. Deutschen Juristentag, D 100 ff.; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, 290 f.; vgl. auch BVerfG Urteil vom 23. Januar 1990 – 1 BvL 44/86 und 48/87 – BVerfGE 81, 156, 200 f.). Eine Tarifnorm, die vom Arbeitgeber Unmögliches bzw. evident Unzumutbares verlangt und damit in dessen unternehmerische Freiheit eingreift, ist insoweit verfassungswidrig und schon im Wege der geltungserhaltenden Reduktion dahingehend einzuschränken, daß sie für derartige Ausnahmefälle nicht gilt (Bröhl, Festschrift Schaub 1998 S. 55, 65 ff.).

c) Auch die Hilfserwägung der Revision, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund sei bei den durch § 17 Abs. 4 Satz 1 MTV geschützten Arbeitnehmern im Falle betriebsbedingter Kündigungsgründe nur bei erheblichen Einschränkungen durch Fortfall wesentlicher Unternehmensaufgaben zulässig, findet in der Tarifnorm keine Stütze. § 17 Abs. 4 Satz 2 MTV regelt ausschließlich die ausnahmsweise zulässige ordentliche Kündigung. Bei der außerordentlichen Kündigung nach § 17 Abs. 4 Satz 1. MTV ist der wichtige Grund nicht näher definiert. Die Tarifpartner nehmen damit auf § 626 BGB Bezug (Senatsurteil vom 12. September 1974 – 2 AZR 535/73 – AP Nr. 1 zu § 44 TVAL II). Die nach dem Tarifvertrag ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer sind bereits dadurch hinreichend geschützt, daß § 626 BGB die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung verlangt, so daß unter Berücksichtigung des tariflichen Sonderschutzes eine außerordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen nur in eng umrissenen Ausnahmefällen zulässig ist.

3. Die danach grundsätzlich zulässige außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 27. Juni 1996 hat das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1996 aufgelöst.

a) Die Anwendung des § 626 Abs. 1 BGB durch das Berufungsgericht kann vom Revisionsgericht nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob der Sachverhalt unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben, und ob bei der erforderlichen Interessenabwägung alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls daraufhin überprüft worden sind, ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zur ordentlichen Beendigung bzw. Beendigungsmöglichkeit fortzusetzen. Die Bewertung der für und gegen die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung sprechenden Umstände liegt weitgehend im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz. Hält sich die Interessenabwägung im Rahmen des Beurteilungsspielraums, kann das Revisionsgericht die angegriffene Würdigung nicht durch eine eigene ersetzen (BAG Urteile vom 26. August 1976 – 2 AZR 377/75 -, vom 2. April 1987 – 2 AZR 418/86 – und vom 29. Januar 1997 – 2 AZR 292/96 – AP Nr. 68, 96 und 131 zu § 626 BGB, letzteres auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Dieser eingeschränkten Überprüfung halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts stand.

b) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, daß im Falle der tariflichen Unkündbarkeit von Arbeitnehmern im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB ein besonders strenger Prüfungsmaßstab anzulegen ist (Senatsurteil vom 3. November 1955 – 2 AZR 39/54 – BAGE 2, 214 = AP Nr. 4 zu § 626 BGB). Dringende betriebliche Erfordernisse können regelmäßig nur eine ordentliche Arbeibgeberkündigung nach § 1 KSchG rechtfertigen. Eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung kann nur ausnahmsweise zulässig sein, denn zu dem vom Arbeitgeber zu tragenden Unternehmerrisiko zählt auch die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist. Die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers kann dem Arbeitgeber aber insbesondere dann unzumutbar sein, wenn eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen ist und der Arbeitgeber deshalb dem Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum hin sein Gehalt weiterzahlen müßte, obwohl er z.B. wegen Betriebsstillegung für dessen Arbeitskraft keine Verwendung mehr hat (Senatsurteil vom 28. März 1985 – 2 AZR 113/84 – BAGE 48, 220 = AP Nr. 86 zu § 626 BGB; BAG Urteile vom 8. Oktober 1957 – 3 AZR 136/55 – BAGE 5, 20 – AP Nr. 16 zu § 626 BGB; vom 12. September 1974 – 2 AZR 535/73 – AP Nr. 1 zu § 44 TVAL II; vom 22. Juli 1992 – 2 AZR 84/92 – EzA § 626 BGB n.F. Nr. 141 und vom 12. Juli 1995 – 2 AZR 762/94 – AP Nr. 7 zu § 626 BGB Krankheit).

c) Der Arbeitgeber hat auch bei einer danach zulässigen außerordentlichen Kündigung die gesetzliche oder tarifvertragliche Kündigungsfrist einzuhalten, die gelten würde, wenn die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen wäre. Es würde einen Wertungswiderspruch darstellen, den Arbeitnehmer mit besonderem tariflichen Kündigungsschutz durch eine fristlose Kündigung schlechter zu stellen als den Arbeitnehmer, dem gegenüber eine ordentliche Kündigung zulässig ist und dem aus demselben Kündigungsgrund (z.B. Betriebsstillegung) nur ordentlich gekündigt werden könnte. Mit einer "sozialen" Auslauffrist, also einem besonderen sozialen Entgegenkommen des Arbeitgebers hat dies nichts zu tun.

d) Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht in Anwendung dieser Grundsätze angenommen hat, der im wesentlichen unstreitige Kündigungssachverhalt sei an sich als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne von § 626 BGB geeignet. Das Berufungsgericht hat für den Senat verbindlich (§ 561 ZPO) festgestellt, was die Klägerin auch nicht mehr bestreitet, daß die Beklagte die Unternehmerentscheidung getroffen hat, den zweiten Geschäftsführerposten nicht mehr zu besetzen und auch den damit überflüssig gewordenen Arbeitsplatz der zweiten Geschäftsführungssekretärin entfallen zu lassen. An diese Unternehmerentscheidung, die auch aus der Sicht der Klägerin nicht als willkürlich angesehen werden kann, sind die Gerichte gebunden. Die Beklagte befand sich damit in der Zwangslage, wenn sie nicht die Sekretärin des anderen Geschäftsführers entlassen konnte oder für die Klägerin einen anderen Arbeitsplatz im Betrieb fand, die ordentlich unkündbare Klägerin möglicherweise noch weitere fünf Jahre lang bezahlen zu müssen, obwohl sie für deren Arbeitskraft keine Verwendung mehr hatte. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin sei angesichts der erheblichen weiteren Bindungsdauer als wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB an sich geeignet.

e) Auch bei der nur ausnahmsweise zulässigen außerordentlichen Kündigung tariflich unkündbarer Arbeitnehmer ist der Arbeitgeber zu einer sozialen Auswahl entsprechend § 1 Abs. 3 KSchG verpflichtet. Da die außerordentliche Kündigung in derartigen Fällen nur die tariflich ausgeschlossene ordentliche Kündigung ersetzt, würde es einen Wertungswiderspruch darstellen, wollte man zugunsten des besonders geschützten Arbeitnehmers nicht zumindest die Kündigungsschranken beachten, die ihn im Fall einer ordentlichen Kündigung schützen (HK-KSchG/Dorndorf, § 1 Rz 1019; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., Rz 661; Kittner/Trittin, KSchR, 3. Aufl., § 1 KSchG Rz 433).

Die von der Beklagten getroffene Sozialauswahl hat das Berufungsgericht zu Recht nicht beanstandet. Die in erster Linie in Betracht kommende andere Geschäftsführungssekretärin war bei vergleichbarem Alter 14 Jahre länger bei der Beklagten beschäftigt als die Klägerin, also sozial schutzbedürftiger. Die von der Beklagten in die Sozialauswahl vorsorglich einbezogenen drei anderen Sekretärinnen waren mit der Klägerin nicht vergleichbar, abgesehen davon waren sie aufgrund der längeren Betriebszugehörigkeit bei vergleichbarem Alter ebenfalls sozial schutzbedürftiger als die Klägerin, jedenfalls hat die Beklagte insoweit die Sozialdaten ausreichend berücksichtigt.

f) Auch soweit das Berufungsgericht angenommen hat, die außerordentliche Kündigung der Klägerin sei nicht durch ihre Weiterbeschäftigung an anderer Stelle im Betrieb, ggf. nach einer entsprechenden Umorganisation, vermeidbar gewesen, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht stellt zwar die Revision darauf ab, daß bei einer außerordentlichen Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers insoweit verschärfte Anforderungen an die Pflicht des Arbeitgebers gestellt werden müssen, mit allen zumutbaren Mitteln eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb bzw. im Unternehmen zu versuchen (vgl. zu den gesteigerten Arbeitgeberpflichten bei einer außerordentlichen Kündigung z.B. Senatsurteil vom 12. Juli 1995 – 2 AZR 762/94 – AP Nr. 7 zu § 626 BGB Krankheit). Die vom Landesarbeitsgericht angestellten Erwägungen sind jedoch nicht zu beanstanden. Ist, was das Berufungsgericht im Fall der Klägerin festgestellt hat, die gesamte berufliche Karriere einer Arbeitnehmerin auf eine bestimmte Tätigkeit hin aufgebaut, so bedarf ihre Umsetzung auf einen freien, im Wege der Umorganisation der Arbeitsaufgaben erst geschaffenen Arbeitsplatz regelmäßig einer längeren Einarbeitung. Eine längere Einarbeitung in ein völlig neues Sachgebiet kann dabei für den Arbeitgeber unzumutbar sein, wenn sich die Arbeitnehmerin noch nicht entschieden hat, ob sie schon in absehbarer Zeit oder erst in einigen Jahren altersbedingt aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden will.

Das Berufungsgericht ist den von der Klägerin aufgezeigten Möglichkeiten einer Weiterbeschäftigung im Betrieb nachgegangen. Wenn es nach eingehender Prüfung zu dem Ergebnis gelangt ist, derartige zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten hätten nicht bestanden, so hält sich dies im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz und läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

g) Auch die durch das Berufungsgericht im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung vorgenommene Interessenabwägung (§ 626 Abs. 1 BGB) ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Den hohen sozialen Besitzstand der Klägerin hat das Berufungsgericht berücksichtigt. Auch er ist nicht geeignet, es als zumutbar für die Beklagte erscheinen zu lassen, ein inhaltsleeres Arbeitsverhältnis möglicherweise über mehr als fünf Jahre aufrechtzuerhalten, wobei lediglich die Beklagte zur Gehaltszahlung, nicht jedoch mangels Beschäftigungsmöglichkeit die Klägerin zur Arbeitsleistung verpflichtet bliebe. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang zu Recht rügt, das Berufungsgericht habe ohne hinreichende Tatsachenfeststellungen zu Unrecht zu Lasten der Klägerin berücksichtigt, daß diese sich gesundheitlich nicht in guter Verfassung befinde, so ist diese Rüge jedenfalls unbegründet, denn das angefochtene Urteil kann auf dieser Erwägung nicht beruhen: Kann die Beklagte die Klägerin im Betrieb tatsächlich nicht beschäftigen, so kann sich der Umstand, daß die Klägerin ggf. gesundheitlich angeschlagen ist und bei ihr längere Krankheitszeiten zu erwarten sind, allenfalls dahingehend auswirken, daß sich die Gehaltszahlungspflicht der Beklagten um die Zeiten mindert, für die keine Entgeltfortzahlung mehr zu leisten ist. Unzumutbar bleibt die Fortsetzung des inhaltsleeren Arbeitsverhältnisses in jedem Fall.

4. Die Kündigung ist auch nicht, wie die Revision rügt, nach § 626 Abs. 2 BGB verfristet.

a) Die strikte Anwendung des § 626 Abs. 2 BGB auf Fälle wie den vorliegenden führt zu Problemen. Würde man mit dieser Vorschrift ernst machen, so müßte der Arbeitgeber dem tariflich nicht mehr ordentlich kündbaren Arbeitnehmer binnen zwei Wochen kündigen, nachdem er von den Kündigungstatsachen Kenntnis erlangt hat. Dies würde zu dem Wertungswiderspruch führen, daß u.U. dem tariflich besonders geschützten Arbeitnehmer vor allen anderen Arbeitnehmern gekündigt werden müßte. Im Falle der Betriebsstillegung etwa müßte der Arbeitgeber nur dem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer binnen zwei Wochen ab Kenntniserlangung von der drohenden Betriebsschließung kündigen, während er allen anderen Arbeitnehmern ohne diesen tariflichen Sonderschutz gestaffelt nach ihren Kündigungsfristen erst mit Wirkung zum Termin der tatsächlichen Betriebsstillegung kündigen könnte.

b) War die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber unzumutbar, weil er dem Arbeitnehmer keine Arbeit mehr anbieten konnte, hat der Senat bisher die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht vor Ablauf des Zeitraums beginnen lasen, in dem der betroffene Arbeitnehmer noch weiterbeschäftigt werden konnte (Senatsurteil vom 22. Juli 1992 – 2 AZR 84/92 – EzA § 626 BGB n.F. Nr. 141; Beschluß vom 21. Juni 1995 – 2 ABR 28/94 – BAGE 80, 185 – AP Nr. 36 zu § 15 KSchG 1969); unzumutbar werde die Aufrechterhaltung des inhaltsleeren Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber jedenfalls frühestens dann, wenn er den betreffenden Arbeitnehmer im Betrieb überhaupt nicht mehr mit sinnvoller Arbeit beschäftigen könne.

c) Das Abstellen auf den tatsächlichen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit löst die Probleme jedoch – worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist – nur teilweise. Hat der Arbeitgeber unter Beachtung der bisherigen Senatsrechtsprechung bis kurz vor dem Wegfall der tatsächlichen Beschäftigungsmöglichkeit zugewartet und dann außerordentlich mit entsprechender Auslauffrist gekündigt, dabei aber den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört, so ist die Kündigung unwirksam. Wird diese Kündigung erst mehr als zwei Wochen nach dem tatsächlichem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit durch das Gericht für unwirksam erklärt und kündigt der Arbeitgeber danach sofort erneut, nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats, so wäre nach der bisherigen Rechtsprechung auch die zweite Kündigung rechtsunwirksam (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 25/95 – RzK I 6 g Nr. 26). Im Ergebnis müßte dann der Arbeitgeber jahrelang ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis fortführen, was aber nach dem oben Gesagten gerade als unzumutbar anzusehen ist und den Arbeitgeber auch in seinen durch die Verfassung geschützten Rechten verletzen würde. Bei der gebotenen Prüfung der Zumutbarkeit der Fortsetzung eines sinnentleerten Arbeitsverhältnisses macht es kaum einen Unterschied, ob die Kündigung zwei Wochen vor oder zwei Wochen nach tatsächlichem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit ausgesprochen worden ist. Im Gegenteil: je länger der Zustand andauert, daß der Arbeitgeber zu Gehaltszahlungen verpflichtet bleibt, ohne den Arbeitnehmer einsetzen zu können, desto unzumutbarer wird die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

d) Wie bei der dauernden krankheitsbedingten Unfähigkeit des Arbeitnehmers, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (Senatsurteil vom 21. März 1996 – 2 AZR 455/95 -), ist deshalb auch bei einem dauerhaften Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer (Modellfall; Heizer auf der E-Lok) von einem Dauerstörtatbestand auszugehen. Muß der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis aufrechterhalten, ohne für den Arbeitnehmer eine Beschäftigungsmöglichkeit zu haben, so handelt es sich nicht um einen abgeschlossenen Tatbestand. Mit jeder weiteren Gehaltszahlung, der keine Gegenleistung entgegensteht, tritt vielmehr eine weitere Störung des Arbeitsverhältnisses ein und wächst das Maß der Unzumutbarkeit (vgl. Schwerdtner, Festschrift Kissel, S. 1088).

e) Es kommt danach nicht mehr darauf an, ob die Rüge der Klägerin durchgreift, sie sei in den letzten Monaten nicht mehr im nennenswerten Umfang, jedenfalls nicht mehr in ihrem bisherigen Tätigkeitsfeld beschäftigt worden.

5. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Kündigung der Beklagten vom 27. Juni 1996 auch nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam ist. Auch die Betriebs- bzw Personalratsbeteiligung bei einer außerordentlichen Kündigung gegenüber einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer hat sich weitgehend an etwas schärferen Regeln über die Betriebsrats- bzw. Personalratsbeteiligung bei ordentlichen Kündigungen zu orientieren Stellt das Gesetz für die Mitwirkung des Betriebs- oder Personalrats bei der ordentlichen Kündigung schärfere Anforderungen auf als bei der außerordentlichen Kündigung, so würde sich im Ergebnis der tarifliche Ausschluß der ordentlichen Kündigung gegen den betreffenden Arbeitnehmer auswirken, würde man die Mitwirkung des Betriebs- oder Personalrats nur an den erleichterten Voraussetzungen bei einer außerordentlichen Kündigung messen. Unterliegt z.B., wie dies in vielen Personalvertretungsgesetzen vorkommt, die außerordentliche Kündigung nur der Anhörung des Personalrats, während bei der ordentlichen Kündigung die Zustimmung des Personalrats erforderlich und ggf. durch die Einigungsstelle zu ersetzen ist, so könnte dem tariflich besonders geschützten Arbeitnehmer leichter als den übrigen Arbeitnehmern gekündigt werden. Der darin liegende Wertungswiderspruch läßt sich nur durch eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Mitwirkung des Betriebs- bzw. Personalrats bei ordentlichen Kündigungen vermeiden. Bei der Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG bedeutet dies, daß der Betriebsrat ein Widerspruchsrecht hat, auf das § 102 Abs. 3 bis 5 BetrVG entsprechend anzuwenden ist. Der Betriebsrat ist damit bei seiner Stellungnahme nicht an die Frist von drei Tagen nach § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG gebunden, es gilt vielmehr die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG.

Auch nach diesen Grundsätzen unterliegt die Betriebsratsanhörung im vorliegenden Fall keinen Bedenken. Die Beklagte hat die Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gewahrt. Daß sie den in ihrem Betrieb bestehenden Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört und über die Kündigungsgründe informiert hat, hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei dargelegt. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rüge.

6. Da das Arbeitsverhältnis wirksam beendet worden ist, ist die Beklagte auch nicht zur Weiterbeschäftigung der Klägerin verpflichtet.

 

Etzel       Bröhl     Fischermeier

Strümper       Hayser

 

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Vorinstanzen:

LAG Hamburg,  Urteil vom 26.02.1997, 8 Sa 118/96
ArbG Hamburg,  Urteil vom 04.09.1996, 7 Ca 157/96
 

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Fundstellen:

BAGE 88, 10
BB 1999, 1330
DB 1998, 1035
NZA 1998, 771