Auflösende Bedingung – Erwerbsminderung – Nichtigkeit eines Rentenbescheids
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.10.2012, 7 AZR 602/11
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 19. Mai 2011 – 17 Sa 25/11 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
7 AZR 602/11 > Rn 1
Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer auflösenden Bedingung.
7 AZR 602/11 > Rn 2
Der 1964 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 6. März 1989 als Registraturkraft tätig. Seit Januar 2008 ist er als Schwerbehinderter mit einem GdB von 60 anerkannt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) Anwendung. § 36 Abs. 2 TV-BA enthält folgende Regelung:
„(2)
Das Arbeitsverhältnis endet ferner mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt wird, wonach die/der Beschäftigte voll oder teilweise erwerbsgemindert ist. Die/Der Beschäftigte hat die/den Dienststellenleiter/in von der Zustellung des Rentenbescheids unverzüglich zu unterrichten. Beginnt die Rente erst nach Zustellung des Rentenbescheids, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des dem Rentenbeginn vorangehenden Tages. Liegt im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine nach § 92 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes noch nicht vor, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Tages der Zustellung des Zustimmungsbescheids des Integrationsamtes. Das Arbeitsverhältnis endet nicht, wenn nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers eine Rente auf Zeit gewährt wird. In diesem Fall ruht das Arbeitsverhältnis für den Zeitraum, für den eine Rente auf Zeit gewährt wird; beginnt die Rente rückwirkend, ruht das Arbeitsverhältnis ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Zustellung des Rentenbescheids folgt.“
7 AZR 602/11 > Rn 3
Auf Antrag des Klägers vom 2. Juni 2009 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund mit Bescheid vom 5. November 2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, setzte den Rentenbeginn auf den 1. Juli 2009 fest und bestimmte, dass der Anspruch längstens bis zum 31. Mai 2031 – dem Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze – besteht. Der Bescheid ging dem Kläger am 9. November 2009 zu. Dagegen legte er keinen Widerspruch nach § 84 SGG ein. Am 18. Januar 2010 erhielt die Beklagte Kenntnis von dem Rentenbescheid. Ohne vorherige Beteiligung des Integrationsamtes teilte sie dem Kläger mit Schreiben vom selben Tage mit, das Arbeitsverhältnis habe wegen Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer nach § 36 Abs. 2 Satz 1 TV-BA mit dem 30. November 2009 geendet.
7 AZR 602/11 > Rn 4
Mit Schriftsatz vom 23. Februar 2010 beantragte der Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, den Bescheid vom 5. November 2009 aufzuheben und ihm zunächst bis zum 31. August 2010 Rente wegen Erwerbsminderung zu bewilligen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund entsprach diesem Antrag. In der Anlage 10 ihres Bescheids vom 17. März 2010 stellte sie fest, dass der Bescheid vom 5. November 2009 im Sinne von § 40 SGB X nichtig sei. Es sei ein beratungsärztliches Votum übersehen worden, das eine Rentengewährung auf Zeit empfohlen habe. Nach dem Hinweis im Rentenbescheid ist die Anlage 10 Bestandteil des Bescheids.
7 AZR 602/11 > Rn 5
Mit der am 25. Januar 2010 erhobenen Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei durch die unter dem 5. November 2009 bewilligte unbefristete Rente nicht beendet worden, sondern habe auf der Grundlage des Bescheids vom 17. März 2010 bis zum 31. August 2010 geruht. Der ursprüngliche Bescheid sei nichtig und habe deshalb keine Rechtswirkung entfaltet. Er habe unter einem schweren, offenkundigen Fehler gelitten, weil bei der Rentenbewilligung übersehen worden sei, dass die Erwerbsfähigkeit nach dem ärztlichen Gutachten voraussichtlich wieder eintreten könne. Deshalb habe die Deutsche Rentenversicherung Bund durch Bescheid vom 17. März 2010 selbst dessen Nichtigkeit festgestellt. Dieser Bescheid habe Tatbestandswirkung auch im Verhältnis zur Beklagten.
7 AZR 602/11 > Rn 6
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht mit Ablauf des 30. November 2009 endete, sondern darüber hinaus fortbesteht,
hilfsweise - die Beklagte zu verurteilen, mit ihm unter Anrechnung der Vorbeschäftigungszeiten ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Arbeitsbedingungen ab dem 1. September 2010 zu begründen,
- die Beklagte im Falle seines Obsiegens zu verurteilen, ihn zu den Bedingungen des TV-BA und einem Entgelt aus der Entgeltgruppe TE 7 als Registraturkraft bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache weiterzubeschäftigen.
7 AZR 602/11 > Rn 7
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Antrags auf Klageabweisung geltend gemacht, der Bescheid vom 5. November 2009 habe das Arbeitsverhältnis nach § 36 Abs. 2 Satz 1 TV-BA mit Wirkung zum 30. November 2009 beendet. Der spätere Rentenbescheid vom 17. März 2010 lasse das Arbeitsverhältnis nicht wieder aufleben. Die in der Anlage 10 enthaltene Nichtigkeitsfeststellung nach § 40 Abs. 5 SGB X entfalte keine sog. „Tatbestandswirkung“ für den Arbeitgeber und damit für das vorliegende Verfahren, sondern regele nur („inter partes“) die Rechtsbeziehung des Klägers zur Deutschen Rentenversicherung Bund. Der Bescheid weise auch keinen Fehler nach § 40 Abs. 1 SGB X auf, der so schwerwiegend und bei verständiger Würdigung offenkundig sei, dass er eine Nichtigkeit „inter omnes“ nach sich ziehe. In dem Rentenbescheid vom 5. November 2009 sei lediglich von einem beratungsärztlichen Votum abgewichen worden, das für die Entscheidung über die Rentenbewilligung auf Dauer oder auf Zeit nicht zwingend sei.
7 AZR 602/11 > Rn 8
Das Arbeitsgericht hat den hauptsächlich gestellten Bedingungskontrollantrag abgewiesen und dem erstinstanzlich gestellten Hilfsantrag stattgegeben. Es hat die Beklagte verurteilt, mit dem Kläger unter Anrechnung der Vorbeschäftigungszeiten ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Arbeitsbedingungen ab dem 1. September 2010 zu begründen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag sowie einem erstmals im zweiten Rechtszug gestellten Weiterbeschäftigungsantrag stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision beantragt die Beklagte die Abweisung der Klage insgesamt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise verfolgt er seinen Wiedereinstellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
7 AZR 602/11 > Rn 9
Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 30. November 2009 hinaus fortbesteht. Es endete nicht nach § 36 Abs. 2 Satz 1 TV-BA mit Zustellung des Rentenbescheids vom 5. November 2009. Dieser ist nach der Feststellung der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 17. März 2010 nichtig.
7 AZR 602/11 > Rn 10
A. Die zulässige Bedingungskontrollklage ist begründet.
7 AZR 602/11 > Rn 11
I. Der Antrag zu 1. ist nach gebotener Auslegung ausschließlich als Bedingungskontrollantrag iSv. §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG zu verstehen. Bereits mit der Antragsschrift vom 25. Januar 2010 hat der Kläger geltend gemacht, dass die Voraussetzungen des Bedingungseintritts nach § 36 Abs. 2 Satz 1 TV-BA durch den Rentenbescheid vom 5. November 2009 nicht eingetreten sind und somit nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. November 2009 geführt haben. Der Antrag ist innerhalb der Frist der §§ 21, 17 Sätze 1 und 3, § 15 Abs. 2 TzBfG bei Gericht eingegangen, nachdem sich die Beklagte erstmals mit Schreiben vom 18. Januar 2010 auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses berufen hat. Innerhalb der verlängerten Frist des § 6 Satz 1 KSchG, der nach §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG auf Bedingungskontrollklagen entsprechend anzuwenden ist, hat sich der Kläger auf den die Nichtigkeit feststellenden Rentenbescheid vom 17. März 2010 berufen.
7 AZR 602/11 > Rn 12
1. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts ist die Klagefrist der §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG auch dann einzuhalten, wenn nicht die Wirksamkeit der Bedingung, sondern deren tatsächlicher Eintritt geklärt werden soll.
7 AZR 602/11 > Rn 13
a) Seine frühere Rechtsprechung, wonach nur die Frage der Wirksamkeit der Tarifnorm (hier: § 36 Abs. 2 TV-BA) in der Dreiwochenfrist der §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht werden musste (vgl. BAG 23. Juni 2004 – 7 AZR 440/03 – zu I 1 und 2 der Gründe, BAGE 111, 148; 21. Januar 2009 – 7 AZR 843/07 – Rn. 12 und 15, AP TVG § 1 Tarifverträge: Waldarbeiter Nr. 7), hat der Senat mit Urteil vom 6. April 2011 (- 7 AZR 704/09 – Rn. 18 ff., BAGE 137, 292) aufgegeben. Danach ist auch der unterbliebene Eintritt einer Bedingung mit einer Bedingungskontrollklage nach §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG und nicht mit einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO geltend zu machen. Ob die auflösende Bedingung eingetreten ist, hängt idR von der Auslegung der tariflichen oder einzelvertraglichen Bedingungsabrede ab. Die Frage des Eintritts der auflösenden Bedingung ist deswegen häufig nahezu unlösbar mit der Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Bedingungsabrede verknüpft. So kann nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bei auflösenden Bedingungen, die an eine Rentengewährung wegen Erwerbsminderung anknüpfen, vor allem aus verfassungsrechtlichen Gründen eine einschränkende Auslegung geboten sein. Sie dient der Wirksamkeit der Bedingungsabrede. Die Wirksamkeit der Bedingung korrespondiert mit ihren Voraussetzungen. Die Auslegung und die Prüfung der Wirksamkeit tariflicher auflösender Bedingungen wie der des § 36 Abs. 2 TV-BA sind ineinander verschränkt. Die Auslegung der Bedingungsabrede ist maßgeblich dafür, ob die Bedingung eingetreten ist. Wegen des fast untrennbaren Zusammenhangs der Wirksamkeit und des Eintritts der auflösenden Bedingung sind beide Fragen Gegenstand der Bedingungskontrollklage (BAG 27. Juli 2011 – 7 AZR 402/10 – Rn. 23, EzA TzBfG § 17 Nr. 14 zu § 37 Abs. 4 Unterabs. 1 MTV-DP AG; vgl. ausführlich BAG 6. April 2011 – 7 AZR 704/09 – Rn. 18 ff. mwN zu der früheren Rspr., aaO).
7 AZR 602/11 > Rn 14
b) Die dreiwöchige Klagefrist nach §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG beginnt bei Bedingungskontrollklagen grundsätzlich mit dem Tag, an dem die auflösende Bedingung eingetreten ist. Da aber nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG der auflösend bedingte Arbeitsvertrag frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Eintritt der Bedingung endet, wird in Fällen, in denen die Bedingung bereits vor Ablauf der Zweiwochenfrist eingetreten ist, die Klagefrist gemäß §§ 21, 17 Sätze 1 und 3, § 15 Abs. 2 TzBfG erst mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis sei aufgrund des Eintritts der Bedingung beendet, in Lauf gesetzt (grundlegend BAG 6. April 2011 – 7 AZR 704/09 – Rn. 22, BAGE 137, 292; vgl. auch BAG 15. August 2012 – 7 AZN 956/12 – Rn. 3, NZA 2012, 1116).
7 AZR 602/11 > Rn 15
c) Nach §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG findet § 6 Satz 1 KSchG entsprechende Anwendung. Dies hat zum einen zur Folge, dass der Arbeitnehmer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Unwirksamkeit der Befristung aus anderen Gründen als denjenigen geltend machen kann, die er innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist benannt hat. Auch im Befristungs- und Bedingungskontrollrecht muss der Arbeitnehmer allerdings alle anderen Unwirksamkeitsgründe grundsätzlich im ersten Rechtszug vorbringen (vgl. BAG 4. Mai 2011 – 7 AZR 252/10 – Rn. 16, EzA KSchG § 6 Nr. 3; 27. Juli 2011 – 7 AZR 402/10 – Rn. 37, EzA TzBfG § 17 Nr. 14; 15. Mai 2012 – 7 AZR 6/11 – Rn. 22, NZA 2012, 1148). Zum anderen ist die Klagefrist bei entsprechender Anwendung des § 6 Satz 1 KSchG nach §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG auch dann gewahrt, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Dreiwochenfrist in anderer Weise als durch einen ausschließlich formüblichen Bedingungskontrollantrag gerichtlich geltend gemacht hat, die Bedingung sei rechtsunwirksam oder nicht eingetreten und spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz einen punktuellen Bedingungskontrollantrag stellt (vgl. BAG 27. Juli 2011 – 7 AZR 402/10 – Rn. 37, aaO; 15. Mai 2012 – 7 AZR 6/11 – 22 ff., aaO; 4. Mai 2011 – 7 AZR 252/10 – Rn. 28, aaO).
7 AZR 602/11 > Rn 16
2. Danach hat der Kläger rechtzeitig nach §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG Bedingungskontrollklage erhoben. Die Klagefrist der §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG wurde nach §§ 21, 17 Satz 3, § 15 Abs. 2 TzBfG nicht mit Zugang des Bescheids vom 5. November 2009 am 9. November 2009, sondern erst durch den Zugang des Schreibens der Beklagten vom 18. Januar 2010 in Lauf gesetzt. Der Kläger hat sich mit der Klage am 25. Januar 2010 ursprünglich darauf berufen, eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses setze die Zustimmung des Integrationsamtes voraus. Mit dieser Begründung ist die Klage bereits als punktuelle Bedingungskontrollklage auszulegen, auch wenn das Beendigungsdatum im Antrag zunächst nicht ausdrücklich genannt war. Am 16. August 2010 hat der Kläger den Antrag dann ausdrücklich als punktuellen Bedingungskontrollantrag gefasst. Diesen hat er innerhalb der verlängerten Anrufungsfrist des § 6 Satz 1 KSchG zusätzlich damit begründet, der ursprüngliche Rentenbescheid vom 5. November 2009 habe das Arbeitsverhältnis nicht beendet, weil die Deutsche Rentenversicherung Bund mit Bescheid vom 17. März 2010 dessen Nichtigkeit festgestellt habe.
7 AZR 602/11 > Rn 17
II. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund des Eintritts einer auflösenden Bedingung gemäß § 36 Abs. 2 TV-BA geendet hat. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat zwar dem erwerbsgeminderten Kläger mit Bescheid vom 5. November 2009 eine unbefristete Rente wegen dauerhafter Erwerbsminderung bewilligt, diesen aber mit dem weiteren Bescheid vom 17. März 2010 für nichtig erklärt.
7 AZR 602/11 > Rn 18
1. Nach § 36 Abs. 2 Satz 1 TV-BA endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt wird, wonach der Beschäftigte voll oder teilweise erwerbsgemindert ist. Das Arbeitsverhältnis endet nach § 36 Abs. 2 Satz 5 und Satz 6 Halbs. 1 TV-BA nicht, wenn nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers eine Rente auf Zeit gewährt wird. Gemäß § 36 Abs. 2 Satz 6 Halbs. 1 TV-BA ruht das Arbeitsverhältnis in diesem Fall für den Zeitraum der Rentengewährung.
7 AZR 602/11 > Rn 19
a) Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der dem Kläger zunächst mit Bescheid vom 5. November 2009 bis zum 31. Mai 2031 (Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze) wegen voller Erwerbsminderung zuerkannten Rente um keine befristete, sondern um eine unbefristete Rente handelt. Als unbefristet im Sinne des § 36 Abs. 2 TV-BA gilt eine Rente, die nach § 43 Abs. 2 SGB VI wegen voller Erwerbsminderung bis zum Zeitpunkt des Erreichens der Regelaltersgrenze nach §§ 35 bis 40 SGB VI gewährt ist. Auf Zeit wird dagegen eine Rente nach § 102 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 SGB VI bewilligt, wenn zu erwarten ist, dass der Beschäftigte seine volle Erwerbsfähigkeit zurückerlangen wird. In diesem Fall ruht das Arbeitsverhältnis nach Maßgabe des Tarifvertrages.
7 AZR 602/11 > Rn 20
b) Das Landesarbeitsgericht hat ferner § 36 Abs. 2 Satz 1 TV-BA zutreffend dahin ausgelegt, dass ein Bescheid, durch den die ausstellende Deutsche Rentenversicherung Bund nach § 40 Abs. 5 SGB X selbst nachträglich die Nichtigkeit eines zunächst ergangenen Rentenbescheids feststellt, „Tatbestandswirkung“ auch für den Arbeitgeber und damit für die vorliegende Bedingungskontrolle entfaltet. Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer allerdings nur bis zur Bestandskraft des Rentenbescheids darüber entscheiden, ob er an einem Rentenantrag festhält. Ist der Rentenbescheid bestandskräftig, endet das Arbeitsverhältnis. Das gilt nach der bisherigen Rechtsprechung auch dann, wenn der Anspruch auf unbefristete Erwerbsminderungsrente nach dem Eintritt der formellen Bestandskraft des Rentenbescheids entfällt. Keine das Arbeitsverhältnis nach § 36 Abs. 2 Satz 1 TV-BA auflösende Wirkung geht dagegen von einem nichtigen Verwaltungsakt aus, der von vornherein keine Bestandskraft entfalten kann. Jedoch kann sich der Arbeitnehmer auf den Bescheid der zuständigen Behörde, der die Nichtigkeit feststellt, nur berufen, wenn er – wie hier – rechtzeitig Bedingungskontrollklage nach §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG erhoben hat.
7 AZR 602/11 > Rn 21
aa) § 36 Abs. 2 Satz 1 TV-BA stellt seinem Wortlaut nach allein auf die Zustellung des Rentenbescheids ab und nicht auf die Wirksamkeit oder Bestandskraft des Bescheids. Der Wortlaut enthält jedoch keine Maßgaben für spätere Dispositionen über den Rentenantrag durch den Arbeitnehmer oder für Nichtigkeitsfeststellungen durch die Behörde oder durch Gerichte. Die Vorschrift ist daher der weiteren Auslegung zugänglich.
7 AZR 602/11 > Rn 22
bb) Nach der Rechtsprechung des Senats zu den insoweit ähnlichen Bestimmungen in § 59 Abs. 1 BAT und in § 59 Abs. 1 BAT-O ergibt die systematische Auslegung, dass das Arbeitsverhältnis trotz Zustellung des Rentenbescheids nicht beendet wird, wenn der Arbeitnehmer von seiner sozialrechtlichen Dispositionsbefugnis Gebrauch macht und seinen Rentenantrag nach Zustellung, jedoch vor Ablauf der Widerspruchsfrist des § 84 Abs. 1 SGG zurücknimmt oder einschränkt und der Arbeitgeber davon alsbald unterrichtet wird. Aus dem tariflichen Zusammenhang ist nämlich erkennbar, dass die Tarifvertragsparteien die Beendigung grundsätzlich nicht nur an das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen für den Bezug von Rente am Ende des Arbeitsverhältnisses geknüpft haben, sondern auch davon ausgegangen sind, dass der seinen Arbeitsplatz verlierende Arbeitnehmer tatsächliche Rentenversicherungsleistungen dauerhaft erhält (BAG 11. März 1998 – 7 AZR 101/97 – zu 2 b der Gründe, AP BAT § 59 Nr. 8 = EzA BAT § 59 Nr. 5; 23. Februar 2000 – 7 AZR 906/98 – zu 2 a und b der Gründe, BAGE 94, 7; 3. September 2003 – 7 AZR 661/02 – zu I 1 a und b der Gründe, BAGE 107, 241; 23. Juni 2004 – 7 AZR 440/03 – zu II 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 111, 148).
7 AZR 602/11 > Rn 23
cc) Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten rechtfertigt erst die Berücksichtigung der Interessen der betroffenen Arbeitnehmer durch die Anbindung an die rentenrechtliche Versorgung den Auflösungstatbestand ohne Kündigung. Die Erwerbsminderung stellt für sich gesehen keinen Sachgrund für eine auflösende Bedingung dar. Es bedarf zusätzlich eines Rentenantrags. Die Anknüpfung des Beendigungstatbestandes an eine nur auf Antrag zu gewährende Rentenleistung wahrt das in Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht des Arbeitnehmers, in eigener Verantwortung über die Fortführung der von ihm gewählten Tätigkeit zu entscheiden (vgl. BVerfG 24. April 1991 – 1 BvR 1341/90 – zu C III 1 der Gründe, BVerfGE 84, 133). Deshalb sind Veränderungen im Antragsverhalten eines Arbeitnehmers unter bestimmten Voraussetzungen zu berücksichtigen. Wenn der Arbeitnehmer von seiner sozialrechtlichen Dispositionsbefugnis Gebrauch macht und seinen Rentenantrag vor Ablauf der Widerspruchsfrist zurücknimmt oder seinen Antrag innerhalb der Widerspruchsfrist und damit vor Eintritt der Bestandskraft des Rentenbescheids einschränkt und anstelle einer Dauerrente eine befristete Rente begehrt, so treten die Rechtsfolgen des § 36 Abs. 2 Satz 1 TV-BA nicht ein.
7 AZR 602/11 > Rn 24
dd) Die Rechtslage ist jedoch grundsätzlich anders, wenn der Arbeitnehmer die Widerspruchsfrist ungenutzt verstreichen lässt. In diesem Fall bleibt es bei der in der Tarifbestimmung angeordneten Rechtsfolge (vgl. zu § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT BAG 23. Juni 2004 – 7 AZR 440/03 – zu II 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 111, 148). Wie der Senat zu den ähnlich wie § 36 Abs. 2 Satz 1 TV-BA ausgestalteten Tarifnormen in § 59 Abs. 1 BAT und § 59 Abs. 1 BAT-O klargestellt hat, ermöglichten diese im Hinblick auf die Rechtssicherheit keine weitergehende Auslegung, dass das Arbeitsverhältnis trotz Vorliegens der Tatbestandsmerkmale fortbestehe oder wiederauflebe, wenn der Anspruch auf unbefristete Rente wegen Erwerbsminderung nach Eintritt der formellen Bestandskraft des Rentenbescheids entfalle. Weder der Wortlaut noch der systematische Zusammenhang der Norm noch die verfassungsrechtlich gebotene Beachtung des Arbeitnehmerschutzes rechtfertigten eine weitere Einschränkung im Anwendungsbereich der Vorschrift (vgl. BAG 3. September 2003 – 7 AZR 661/02 – zu I 1 a der Gründe, BAGE 107, 241 sowie 23. Juni 2004 – 7 AZR 440/03 – zu II 1 b bb (1) der Gründe, aaO). Es kann dahinstehen, ob daran festzuhalten ist.
7 AZR 602/11 > Rn 25
(1) Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, sowohl die Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers als auch die Rechtssicherheit erforderten, dass der Eintritt der Rechtsfolgen des § 36 Abs. 2 Satz 1 TV-BA nur bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft des Rentenbescheids und ggf. bis zum Ablauf einer kurzen Mitteilungsfrist ungeklärt bleiben könnten. Denn die Tarifvorschrift diene nicht nur dem Schutz des Arbeitnehmers vor Überbeanspruchung. Sie wolle auch dem rechtlichen Interesse des Arbeitgebers Rechnung tragen, sich von einem Arbeitnehmer zu trennen, der dauerhaft gesundheitsbedingt nicht in der Lage sei, seine vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Er müsse die Möglichkeit haben, nach Mitteilung über die bewilligte Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Dauer entsprechende Personaldispositionen, zB durch Neueinstellungen vorzunehmen. Vom Arbeitgeber könne deshalb nur verlangt werden, dass er in der Zeit bis zum Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist und ggf. einer zusätzlichen Frist von wenigen Tagen für die Übermittlung der arbeitnehmerseitigen Mitteilung über die Änderung des Rentenantrags keine Disposition über den möglicherweise zum Ende des Zustellungsmonats frei gewordenen Arbeitsplatz treffe. Das sei aber maximal eine Frist von etwas mehr als einem Monat. Nur für eine solche Übergangszeit könne eine derartige Unsicherheit hingenommen werden. Danach dürfe der Arbeitgeber auf die Bestandskraft des Bescheids vertrauen. Eine unbestimmte Verlängerung dieser Frist würde die Interessen des Arbeitgebers unangemessen beschränken. Es werde für ihn nicht mehr absehbar, ob und ab wann er den Arbeitsplatz neu besetzen könne. Der Arbeitnehmer werde hierdurch auch nicht unangemessen benachteiligt. Seine Dispositionsbefugnis über den Rentenanspruch und damit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bliebe erhalten. Er sei lediglich verpflichtet, bestimmte Fristen einzuhalten (vgl. BAG 3. September 2003 – 7 AZR 661/02 – BAGE 107, 241 und 23. Juni 2004 – 7 AZR 440/03 – BAGE 111, 148).
7 AZR 602/11 > Rn 26
(2) Der Senat hat diese den Vertrauensschutz und das Dispositionsinteresse des Arbeitgebers maßgeblich berücksichtigende Rechtsprechung zu einer Zeit entwickelt, in der er davon ausging, dass auf den Streit über den Eintritt einer Bedingung – anders als auf denjenigen über die Wirksamkeit der Bedingung – die Klagefrist der §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG nicht anzuwenden sei und die Behauptung, die auflösende Bedingung sei nicht eingetreten, ohne Bindung an eine feste Frist im Wege des allgemeinen Feststellungsantrags geltend gemacht werden könne (vgl. BAG 23. Juni 2004 – 7 AZR 440/03 – zu I 1 und 2 der Gründe, BAGE 111, 148; 21. Januar 2009 – 7 AZR 843/07 – Rn. 12 und 15, AP TVG § 1 Tarifverträge: Waldarbeiter Nr. 7). Im Urteil vom 6. April 2011 (- 7 AZR 704/09 – Rn. 18 ff., BAGE 137, 292) hat der Senat diese Rechtsprechung teilweise aufgegeben und entschieden, dass die Klagefrist der §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG auch für den Streit über den Eintritt der auflösenden Bedingung gilt und mit dem Eintritt der Bedingung bzw. dem Zugang der schriftlichen Mitteilung des Arbeitgebers über den Bedingungseintritt in Lauf gesetzt wird (vgl. auch BAG 15. August 2012 – 7 AZN 956/12 – Rn. 3, NZA 2012, 1116). Dadurch wird nun auch beim Streit über den Eintritt einer auflösenden Bedingung dem Interesse des Arbeitgebers an einer schnellen Klärung der Rechtslage entsprochen. Wenn der Arbeitnehmer nicht fristgerecht Bedingungskontrollklage erhebt, gilt die Bedingung als eingetreten. Daher erscheint es fraglich, ob der Arbeitgeber noch eines weitergehenden materiellrechtlichen Schutzes in Fällen bedarf, in denen der Arbeitnehmer den Rentenbescheid zunächst förmlich rechtskräftig werden lässt.
7 AZR 602/11 > Rn 27
ee) Die Frage muss hier vom Senat nicht abschließend beantwortet werden, weil schon nach der bisherigen Rechtsprechung unabhängig von der Frage der Bestandskraft eine Ausnahme gilt, wenn der Rentenbescheid nichtig und die (hier durch § 36 Abs. 2 Satz 1 TV-BA) angeordnete Rechtsfolge deshalb nicht eingetreten ist (vgl. BAG 11. März 1998 – 7 AZR 101/97 – zu 1 der Gründe, AP BAT § 59 Nr. 8 = EzA BAT § 59 Nr. 5; 23. Juni 2004 – 7 AZR 440/03 – zu II 1 b der Gründe, BAGE 111, 148; BSG 21. Juni 1995 – 6 RKa 54/94 – BSGE 76, 149).
7 AZR 602/11 > Rn 28
(1) Gemäß § 39 Abs. 3 SGB X ist ein nichtiger Verwaltungsakt unwirksam. Nach § 40 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts stellt sich als eine besondere Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass ein Akt staatlicher Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt. Der dem Verwaltungsakt anhaftende Fehler muss diesen schlechterdings unerträglich, dh. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertevorstellungen unvereinbar erscheinen lassen. Der schwerwiegende Fehler muss darüber hinaus für einen verständigen Bürger offensichtlich sein. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts ist daher nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, das von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (vgl. BVerwG 11. Mai 2000 – 11 B 26.00 – NVwZ 2000, 1039; 17. Oktober 1997 – 8 C 1.96 – zu 1 der Gründe mwN, NVwZ 1998, 1061; BSG 7. September 2006 – B 4 RA 43/05 R – BSGE 97, 94; BAG 14. September 2011 – 10 AZR 466/10 – Rn. 22, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 19; 10. Mai 2012 – 8 AZR 434/11 – Rn. 46, NZA 2012, 1161). In § 40 Abs. 2 SGB X hat der Gesetzgeber spezielle Tatbestände aufgeführt, die ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 zur Nichtigkeit des Bescheids führen.
7 AZR 602/11 > Rn 29
(2) Nach § 40 Abs. 5 Halbs. 2 SGB X hat die Behörde auf Antrag die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts jederzeit festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden, das Vorliegen der Nichtigkeitsvoraussetzungen könne im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht selbstständig geprüft werden. Stellt die Rentenversicherung die Nichtigkeit ihres Verwaltungsakts fest, ist dieser Ausspruch auch im Verhältnis zum Arbeitgeber von der sog. „Tatbestandswirkung“ des Verwaltungsakts umfasst.
7 AZR 602/11 > Rn 30
(a) Die Behörde trifft zwar an sich nur eine feststellende (deklaratorische) Entscheidung in Form eines Verwaltungsakts. Sie gestaltet die Rechtslage nicht selbst, sondern beschreibt lediglich die bestehende Rechtslage hinsichtlich des Ursprungsbescheids aus Sicht der subsumierenden Behörde (Littmann in Hauck/Noftz SGB X Stand Juni 2012 K § 40 Rn. 31; Roos in v. Wulffen SGB X 7. Aufl. § 40 Rn. 24). Allerdings entfaltet der Feststellungsbescheid präjudizierende Wirkung über die Nichtigkeit des Ursprungsbescheids. Ein nichtiger Verwaltungsakt hat keine Bindungswirkung (vgl. BAG 18. Juli 2007 – 5 AZR 854/06 – Rn. 25 mwN, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 11; 14. September 2011 – 10 AZR 466/10 – Rn. 19 mwN, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 19; 10. Mai 2012 – 8 AZR 436/11 – Rn. 46). Wird der Bescheid über die Nichtigkeit des Ursprungsbescheids nicht seinerseits angefochten, sind die Gerichte aller Rechtszweige an dessen Bestehen und Inhalt gebunden, soweit ihnen nicht die Kontrollkompetenz eingeräumt ist (sog. Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten). Ein Feststellungsbescheid nach § 40 Abs. 5 Halbs. 2 SGB X, der mit der Rechtslage nicht im Einklang steht, ist zwar rechtswidrig, aber nicht unwirksam, wenn er nicht seinerseits einen Nichtigkeitsgrund aufweist.
7 AZR 602/11 > Rn 31
(b) Die Rechtsfolge einer feststellenden Entscheidung nach § 40 Abs. 5 Halbs. 2 SGB X wirkt sich allerdings verwaltungsrechtlich unmittelbar nur im Verhältnis der Behörde zu dem Betroffenen (inter partes) und nicht auch im Verhältnis zu Drittbetroffenen (inter omnes) aus (Littmann in Hauck/Noftz aaO mwN; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl. § 43 Rn. 92). Bei rein verwaltungsrechtlicher Beurteilung hätte dies zur Folge, dass der Feststellungsbescheid entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts im Verhältnis zum Arbeitgeber keine materielle Bestandskraft erlangt hätte. Die Nichtigkeit des Ursprungsbescheids müsste demzufolge im arbeitsgerichtlichen Verfahren überprüft werden. Für diese Auffassung könnte angeführt werden, dass der Arbeitgeber an dem Rentenverfahren nicht beteiligt ist und als Drittbetroffener keine Möglichkeit hat, den Feststellungsbescheid anzufechten (vgl. dazu auch BAG 28. Juni 2012 – 6 AZR 780/10 – Rn. 71, NZA 2012, 1029: fehlende Bindungswirkung eines Bescheids der Agentur für Arbeit nach § 18 Abs. 1 KSchG für davon betroffenen Arbeitnehmer).
7 AZR 602/11 > Rn 32
(c) Eine eingeschränkte Tatbestandswirkung des Bescheids, der die Nichtigkeit eines Bescheids über eine dauerhafte Erwerbsminderung feststellt, würde aber den Sinn und Zweck des § 36 Abs. 2 Satz 1 TV-BA verfehlen und ist systematisch nicht geboten. Ein die Nichtigkeit des Rentenbescheids feststellender Verwaltungsakt der Rentenversicherung ist vielmehr auch im Verhältnis zum Arbeitgeber zu berücksichtigen, sofern nur der Arbeitnehmer innerhalb der Frist der §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Klage erhoben und sich spätestens innerhalb der Frist des § 6 Satz 1 KSchG darauf berufen hat, dass die Voraussetzungen der Beendigung nach § 36 Abs. 2 Satz 1 TV-BA nicht vorliegen.
7 AZR 602/11 > Rn 33
(aa) Dieses Verständnis entspricht dem Sinn und Zweck des § 36 Abs. 2 Satz 1 TV-BA. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird von der bestandskräftigen dauerhaften Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung abhängig macht. Wäre der die Nichtigkeit des Rentenbescheids feststellende spätere Bescheid der Rentenversicherung im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht zu berücksichtigen, so würde ein Arbeitnehmer, in dessen berechtigtem Interesse eine für die Rentengewährung zuständige Behörde die Nichtigkeit des Rentenbescheids festgestellt hat, sein Arbeitsverhältnis ohne die von den Tarifvertragsparteien für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgesetzte sozialrechtliche Absicherung einbüßen.
7 AZR 602/11 > Rn 34
(bb) Systematisch steht eine „Tatbestandswirkung“ des Feststellungsbescheids „inter omnes“ im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Klagefrist der §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG. Mit diesen Vorschriften hat der Gesetzgeber festgelegt, unter welchen Voraussetzungen die Rechtssicherheit im Verhältnis zum Arbeitgeber Vorrang vor einem – selbst nichtigen – Rechtsakt hat. Der Arbeitnehmer muss fristgemäß Klage erheben und innerhalb der Frist des § 6 Satz 1 KSchG alle Umstände vortragen, aus denen sich ergibt, dass die Voraussetzungen der Beendigung nicht vorliegen. Anschließend kann er auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht mehr geltend machen, dass der Rentenbescheid nichtig ist. Darüber hinaus ist ein Vertrauen des Arbeitgebers in einen nichtigen Verwaltungsakt nicht schützenswert. Es läge ein unauflösbarer Widerspruch vor, wenn ein Arbeitgeber sich auf die Drittwirkung eines Rentenbescheids berufen könnte, die Drittwirkung eines Nichtigkeitsbescheids aber nicht gegen sich gelten lassen müsste.
7 AZR 602/11 > Rn 35
(cc) Diese Auslegung führt schließlich zu sachnahen und praktikablen Ergebnissen. Sie schließt eine entgegenstehende widerstreitende Entscheidung durch ein fachfremdes, nicht zur Kontrolle des Verwaltungsakts berufenes Gericht aus.
7 AZR 602/11 > Rn 36
2. Hiernach hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch den Rentenbescheid vom 5. November 2009 geendet hat. Zwar hat der Kläger die Widerspruchsfrist gegen den Ausgangsbescheid nicht dazu genutzt, um von seiner sozialrechtlichen Dispositionsbefugnis Gebrauch zu machen. Er hat den Rentenbescheid, der ihm am 9. November 2009 zugegangen ist, vielmehr bestandskräftig werden lassen und erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist mit Schriftsatz vom 23. Februar 2010 die Neubescheidung und dessen Überprüfung verlangt. Jedoch hat die Deutsche Rentenversicherung Bund mit Bescheid vom 17. März 2010 die Nichtigkeit des Ausgangsbescheids nach § 40 SGB X festgestellt und damit klargestellt, dass dieser keine Rechtswirkungen hat. Die Nichtigkeitsfeststellung ist Bestandteil der Anlage 10 des Verwaltungsakts vom 17. März 2010. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses konnte somit nicht eintreten. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der sich auf die Nichtigkeitsfeststellung beziehende Verwaltungsakt vom 17. März 2010 seinerseits nicht nur anfechtbar, sondern im Sinne des § 40 Abs. 1 SGB X nichtig ist.
7 AZR 602/11 > Rn 37
B. Der Hilfsantrag und der Weiterbeschäftigungsantrag fallen dem Senat nicht zur Entscheidung an.
7 AZR 602/11 > Rn 38
C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Linsenmaier Zwanziger Kiel
Holzhausen Gerschermann
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Fundstellen:
NZA 2013, 344
DB 2013, 704
> BAG, 20.06.2018 – 7 AZR 737/16
> BAG, 16.01.2018 – 7 AZR 622/15
> BAG, 15.02.2017 – 7 AZR 82/15
> BAG, 15.02.2017 – 7 AZR 153/15
> BAG, 27.07.2016 – 7 AZR 276/14
> BAG, 23.03.2016 – 7 AZR 827/13
> BAG, 04.11.2015 – 7 AZR 851/13
> BAG, 12.08.2015 – 7 AZR 592/13
> BAG, 16.04.2015 – 6 AZR 71/14
> BAG, 14.01.2015 – 7 AZR 880/13
> BAG, 10.12.2014 – 7 AZR 1002/12
> BAG, 23.07.2014 – 7 AZR 771/12
> BAG, 22.01.2013 – 6 AZR 392/11