BAG – 1 ABR 13/17

ECLI:DE:BAG:2018:111218.B.1ABR13.17.0
NZA 2019, 1009   

Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats im Zusammenhang mit einer konzernweit elektronisch durchgeführten Mitarbeiterbefragung

Bundesarbeitsgericht,  Beschluss vom 11.12.2018, 1 ABR 13/17

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Konzernbetriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12. Dezember 2016 – 2 TaBV 34/16 – wird zurückgewiesen.

 

Gründe

1 ABR 13/17 > Rn 1

A. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Konzernbetriebsrats im Zusammenhang mit einer konzernweiten Mitarbeiterbefragung.

1 ABR 13/17 > Rn 2

Die Arbeitgeberin – ein Logistik- und Postunternehmen – ist eine Konzernobergesellschaft; bei ihr ist der antragstellende Konzernbetriebsrat errichtet. Sie befragt seit 2007 einmal jährlich konzernweit alle Mitarbeiter der konzernangehörigen Unternehmen zu mehreren Themen. Mit der Durchführung dieser Mitarbeiterbefragung ist ein Drittunternehmen beauftragt. Das hierfür verwandte IT-System „Employee Opinion Survey“ (EOS) wurde auf der Grundlage der mit dem Konzernbetriebsrat geschlossenen Konzernbetriebsvereinbarung „Informationstechnologie des Konzerns D AG“ (KBV IT) eingeführt. Ein zu der aktuell verwandten Version 8 von EOS für den Konzernbetriebsrat erstelltes Informationsdokument lautet auszugsweise:

„Zweck des Dokuments

Die Unterlage dient der Information des KBR im Rahmen der Thematik ‚Nutzung, Verarbeitung und Auswertung von Daten im Rahmen der Mitarbeiterbefragung ,Employee Opinion Survey (EOS)‘‘. Das Dokument beinhaltet die Abbildung der IT-relevanten Vorgehensweise bei der Datenerhebung und der Auswertung sowohl bei der elektronischen Befragung (Online Survey) als auch bei der Papier-und-Bleistift-Befragung. Die Durchführung erfolgt durch … im Auftrag des Konzerns …

2
Angabe der Ziele und Aufgaben des IT-Systems

Die Aufgabe des IT-Systems besteht darin, die Mitarbeiterbefragung, die online oder papiergestützt erfolgen kann, zu unterstützen. Die Teilnahme an der Mitarbeiterbefragung ist freiwillig.

Jede Konzerngesellschaft kann die Befragung online, per Papier-und-Bleistift-Verfahren oder aus einem Mix aus beiden Verfahren durchführen …

4
Softwareergonomische Beurteilung

Das System wird rein konzernextern betrieben, die Beschäftigten des Konzerns D arbeiten nicht am System, sondern füllen im Falle der Online-Befragung nur den Fragebogen am PC aus.

6
Angabe des IT-Konzeptes

6.1
Rechnersysteme

Verwendet wird ein Befragungsserver, der den Fragebogen via Internet zur Verfügung steht. Ein Datenbanksystem wird für die Speicherung der Befragungsergebnisse verwendet. Die Daten werden primär gespeichert und verarbeitet auf den I…-eigenen Servern … Transferierte Daten sind Antworten auf Fragen, statistische Fragen und Zugangscodes.

6.2
Programme und technische Verfahren

Die verwendete Client-Software ist ein üblicher Internetbrowser (z. B. Microsoft Internet Explorer, Firefox, Safari, Chrome). Zusätzliche Programme werden nicht benötigt. Der Aufruf des Fragebogens erfolgt über einen einheitlichen Link (URL), z. B. durch Anklicken aus einem Dokument heraus oder durch Eingabe in die Adresszeile des Browsers.

Nachdem der Fragebogen ausgefüllt ist, wird dieser per Mausklick durch den/die Teilnehmerin an … abgesendet. Danach können die Antworten im Fragebogen nicht mehr verändert werden.

7
Datenmodell/Datenflussbeschreibung

7.1
Teilnehmerliste

Zur Qualitätssicherung der Befragung wird eine Teilnehmerliste erstellt. Durch die Teilnehmerliste wird sichergestellt, dass keine Beschäftigte vergessen werden und keiner doppelt befragt wird.

Über ein Logbuch wird für die Qualitätssicherung festgehalten, wer wann welche Änderungen zur Erstellung der Teilnehmerliste vornimmt.

Die Liste enthält in einem weiteren Teil alle notwendigen Informationen, um die Befragungsteilnehmer anzuschreiben, d.h. Name, Vorname, Anschrift oder E-Mail-Adresse. Diese Daten werden dazu verwendet, individualisierte Anschreiben / E-Mails an die Teilnehmer zu versenden. Dieses ist Teil 1.

In Teil 2 der Liste sind alle notwendigen statistischen Informationen enthalten, um die Ergebnisse nach Zielgruppen auszuwerten. Für die Mitarbeiterbefragung bei der DP… sind dafür z.B. Division, Sub-Division, Land, Hierarchieebene, Funktion, Organisationseinheit vorgesehen.

Die dazu benötigten Stammdaten werden aus den Personaladministrationssystemen … E-Mailadressen werden aus dem EDS generiert.

Weiterhin enthält die Liste den Zugangscode für jede Person (Teil 3).

7.2
Antworten und Ergebnisse

Die Antworten und der Zugangscode werden beim Ausfüllen durch den/die Teilnehmer/in auf den … Befragungsserver übertragen. … Die nach Abschluss der Befragung übertragenen Daten bilden die so genannte Datenmatrix. Die Datenmatrix enthält die Antworten der Teilnehmer, die statistischen Daten (aus Teil 2 der Teilnehmerliste) sowie die …-ID.

Auf Basis der Datenmatrix werden durch … die Ergebnisberichte erstellt. Die Ergebnisse werden nach allgemeinen wissenschaftlichen Standards ausgewertet. Ergebnisberichte sind aggregierte Zusammenfassungen von Antworten von Personengruppen, die mindestens #7 Teilnehmer umfassen. Basis für die Aggregierung von Antworten zu Ergebnisberichten sind die statistischen Informationen. So können Ergebnisberichte für Organisationseinheiten oder Hierarchie-Ebenen erstellt werden, sofern die Auswertungsuntergrenze von #7 Teilnehmern nicht unterschritten wird. (…)

Ergebnisberichte werden dem Konzern … durch … zur Verfügung gestellt. Um den Anonymitätsschutz zu wahren, verbleibt die Datenmatrix bei …

9.1.1
Angabe der personenbezogenen Daten, die zu Leistungs- und Verhaltenskontrollen genutzt werden

Es werden keine personenbezogenen/ – beziehbaren Daten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle genutzt. … nutzt personalisierte Daten ausschließlich, um die Papierfragebögen zu versenden und personalisierte Zugangscodes zu erstellen und diese via E-Mail an die Teilnehmer zu versenden.

Die Ergebnisse, die … an DP… liefert, enthalten keine personenbezogenen Daten. Diese Ergebnisse sind Zusammenfassungen von Antworten von mindestens 7 Teilnehmern.

9.1.2
Angabe der Auswertungen/Reports gemäß Programmierung bzw. Herstellerangabe nebst ergänzender Erläuterung des Arbeitgebers zur konkreten Nutzung

Das Projekt Corporate EOS & Employee Engagement erhält nach Ende der Befragung aggregierte Berichte von der Konzernebene bis hin zur Teamebene. …“

1 ABR 13/17 > Rn 3

Dieser Version stimmte der Konzernbetriebsrat nach Maßgabe der KBV IT zu.

1 ABR 13/17 > Rn 4

Die konzernweite Mitarbeiterbefragung umfasst Fragen zur sog. Aktiven Führung. Im Jahr 2014 („EOS 2014“) waren von der Arbeitgeberin ua. folgende Fragestellungen formuliert:

„KPI
EOS Fragen

Aktive Führung
8.
Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) verhält sich mir gegenüber wertschätzend.

9.
Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) vermittelt mir klar, welche Leistungen er/sie von mir erwartet.

10.
Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) hat mir in den letzten drei Monaten regelmäßig Rückmeldung (Anerkennung bzw. konstruktive Kritik) zu meinen Leistungen gegeben.

11.
Die Bewertung meiner Arbeitsleistung ist so konkret, dass ich weiß, wie ich meine Leistung halten oder steigern kann.

12.
Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) interessiert sich dafür, was mich zur Leistung motiviert.

13.
Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) unterstützt und ermutigt mich in meiner beruflichen Entwicklung.

14.
Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) hält seine/ihre Zusagen ein.

15.
Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) behandelt mit respektvoll.

16.
Alles in allem bin ich zufrieden mit meiner(m) direkten Vorgesetzten.“

1 ABR 13/17 > Rn 5

Für die Mitarbeiterbefragung 2015 („EOS 2015“) lauteten die von der Arbeitgeberin verfassten Fragen zur Aktiven Führung wie folgt:

„…

Aktive Führung
10.
Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) vermittelt mir klar, welche Leistungen er/sie von mir erwartet.

11.
Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) interessiert sich für meine berufliche Entwicklung und unterstützt diese.

12.
Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) hält Zusagen ein.

13.
Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) behandelt mich respektvoll.

14.
Wenn ich gute Arbeit leiste, bekomme ich Anerkennung von meiner/meinem direkten Vorgesetzten.

15.
Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) motiviert mich, mein Bestes zu geben.

16.
Ich erhalte zeitnahe und hilfreiche Rückmeldung von meiner/meinem direkten Vorgesetzten.

17.
Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) geht mit gutem Beispiel voran.

18.
Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) unterstützt mich dabei, betriebliche Veränderungen anzunehmen.

–1)
Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) verhält sich mir gegenüber wertschätzend.

–1)
Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) hat mir in den letzten drei Monaten regelmäßig Rückmeldung (Anerkennung bzw. konstruktive Kritik) zu meinen Leistungen gegeben.

–1)
Die Bewertung meiner Arbeitsleistung ist so konkret, dass ich weiß, wie ich meine Leistung halten oder steigern kann.

–1)
Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) interessiert sich dafür, was mich zur Leistung motiviert.

–1)
Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) unterstützt und ermutigt mich in meiner beruflichen Entwicklung.

–1)
Alles in allem bin ich zufrieden mit meiner(m) direkten Vorgesetzten.

…“

1 ABR 13/17 > Rn 6

Vom Konzernbetriebsrat für die Mitarbeiterbefragung 2015 vorgeschlagene Fragen nahm die Arbeitgeberin nicht in den Fragenkatalog auf.

1 ABR 13/17 > Rn 7

Der Konzernbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, aus der Änderung der Fragestellungen zu Vorgesetzten bei der Mitarbeiterbefragung 2015 („EOS 2015“) folge ein Mitbestimmungsrecht. Damit sei ein anderes als das von ihm mitbestimmte IT-System eingeführt. Auch unterfielen die erfragten Stellungnahmen dem Arbeits- und Gesundheitsschutz und stellten Personalfragebögen bzw. Beurteilungsgrundsätze dar.

1 ABR 13/17 > Rn 8

Er hat zuletzt – soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Interesse – beantragt

1.
festzustellen, dass ihm bei der Erstellung und Durchführung der Mitarbeiterbefragung „EOS 2015“ ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 BetrVG zusteht;

2.
festzustellen, dass die von der Arbeitgeberin beauftragte Erhebung und Erfassung von Daten mittels Personalfragebogen in Form der Mitarbeiterbefragung „EOS 2015“ nach § 94 Abs. 1 BetrVG unzulässig ist.

1 ABR 13/17 > Rn 9

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das IT-System EOS sei bereits mitbestimmt eingeführt. Bei der Ausgestaltung der einzelnen Fragen stehe dem Konzernbetriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zu.

1 ABR 13/17 > Rn 10

Das Arbeitsgericht hat unter „Zurückweisung der Anträge im Übrigen“ festgestellt, dass dem Konzernbetriebsrat bei der Erstellung und Durchführung der Mitarbeiterbefragung EOS 2015 ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zusteht. Das Landesarbeitsgericht hat den Beschluss des Arbeitsgerichts abgeändert und den – nach seiner Ansicht allein auf die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gerichteten – Antrag abgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Konzernbetriebsrat die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.

1 ABR 13/17 > Rn 11

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Konzernbetriebsrats ist unbegründet.

1 ABR 13/17 > Rn 12

I. Die Anträge sind – in ihrer gebotenen Auslegung – zulässig.

1 ABR 13/17 > Rn 13

1. Die Feststellungsbegehren bedürfen der Auslegung.

1 ABR 13/17 > Rn 14

a) Der Konzernbetriebsrat verfolgt nach der eindeutigen sprachlichen Fassung seiner Anträge keine Leistungsbegehren. Soweit er in seinen Ausführungen in dem das Verfahren einleitenden Schriftsatz – ebenso wie auch noch in seiner Rechtsbeschwerdebegründung – eine „Unterlassung“ als streitbefangen ansieht, handelt es sich ersichtlich um eine Falschbezeichnung.

1 ABR 13/17 > Rn 15

b) Mit den Anträgen zu 1. und zu 2. erstrebt der Konzernbetriebsrat – bei zutreffendem Verständnis – ein einheitliches Rechtsschutzziel.

1 ABR 13/17 > Rn 16

aa) Der Konzernbetriebsrat beschreibt im Feststellungsantrag zu 1. den Gegenstand der begehrten Mitbestimmung mit „Erstellung und Durchführung der Mitarbeiterbefragung ‚EOS 2015‘“. Unter Hinzuziehung seiner Antragsbegründung wird deutlich, dass er nicht die Durchführungsgestaltung der Mitarbeiterbefragung mittels des IT-Systems EOS Version 8 und mittels Einspeisens der in Papierform ermittelten Daten in diese technische Plattform beanstandet. Er reklamiert vielmehr eine Beteiligung an der Änderung des Fragenkatalogs, was die Rubrik „Aktive Führung“ angeht. Insoweit vertritt er die Auffassung, eine Differenzierung von IT-System „an sich“ und Fragenkatalog könne nicht „sinnvoll“ vorgenommen werden; die technische Plattform und der Fragebogen seien vielmehr derart untrennbar miteinander verbunden, dass jegliche veränderten Fragestellungen eine der Mitbestimmung unterliegende „Veränderung eines bestehenden IT-Systems“ darstellten. Damit richtet sich sein Begehren, abweichend vom Wortlaut des Antrags zu 1., nicht nur auf die Mitarbeiterbefragung 2015, sondern auf die gegenwarts- und zukunftsbezogene Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei einer Änderung des durch EOS – zuletzt in seiner Version 8 – verarbeiteten Fragenkatalogs. Die Modifikation der Fragen zur „Aktiven Führung“ anlässlich der im Jahr 2015 durchgeführten Mitarbeiterbefragung ist der Anlassfall, auf den sich der Antrag in zeitlicher Hinsicht nicht beschränkt. Auch die Arbeitgeberin stellt insoweit nicht in Abrede, dass sie die kalenderjährlichen Mitarbeiterbefragungen weiterhin ggf. auf der Basis neu formulierter Fragen zur „Aktiven Führung“ durchzuführen gedenkt.

1 ABR 13/17 > Rn 17

bb) Mit seinem Antrag zu 2. begehrt der Konzernbetriebsrat – im buchstäblichen Sinn – die Feststellung der Unzulässigkeit des Vorgangs „Erhebung und Erfassung von Daten mittels Personalfragebogen in Form der Mitarbeiterbefragung ‚EOS 2015‘“. Der hierzu gegebenen Begründung lässt sich entnehmen, dass er mit diesem Antrag dasselbe Rechtsschutzziel wie mit dem Antrag zu 1. verfolgt. Es geht ihm um die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei einer näher beschriebenen Angelegenheit. Diese bezieht sich – ebenso wie beim Antrag zu 1. – auf den im Zusammenhang mit „EOS 2015“ gegebenen Anlassfall der Modifikation von Fragestellungen im Bereich „Aktive Führung“ bei den jährlichen konzernweiten Mitarbeiterbefragungen.

1 ABR 13/17 > Rn 18

cc) Damit hat der Konzernbetriebsrat der Sache nach nur einen Feststellungsantrag angebracht. So hat im Übrigen bereits das Arbeitsgericht die Anträge verstanden und als einheitliche Feststellung eines Mitbestimmungsrechts „bei der Durchführung einer Mitarbeiterbefragung mittels der technischen Einrichtung ‚EOS‘“ ausgelegt. Gegen seine – dem Begehren teilweise stattgebende – Entscheidung hat (nur) die Arbeitgeberin Beschwerde eingelegt; der Konzernbetriebsrat hat Zurückweisung der Beschwerde beantragt. Damit hat er sich das Antragsverständnis des Arbeitsgerichts zu Eigen gemacht.

1 ABR 13/17 > Rn 19

2. Mit diesem Inhalt ist der Antrag zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist nicht zweifelhaft, bei welcher Maßnahme – der Modifikation von Fragen zur „Aktiven Führung“ im Rahmen der jährlich unter Hinzuziehung der technischen Plattform EOS durchgeführten Mitarbeiterbefragungen – die Beteiligung des Konzernbetriebsrats ausgelöst sein soll. Auch die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Der Streit darüber, ob ein Mitbestimmungsrecht bei der vom Antrag umfassten Angelegenheit besteht, betrifft ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis der Betriebsparteien. Der Konzernbetriebsrat hat an der begehrten Feststellung ein berechtigtes Interesse, da die Arbeitgeberin eine Mitbestimmung bei der verfahrensgegenständlichen Angelegenheit in Abrede stellt.

1 ABR 13/17 > Rn 20

II. Der Antrag ist unbegründet. Die beanspruchte Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats folgt aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt.

1 ABR 13/17 > Rn 21

1. Dem Konzernbetriebsrat fehlt es nicht an der Regelungszuständigkeit für die beanspruchte Angelegenheit. Die jährlichen Mitarbeiterbefragungen sind von der Arbeitgeberin als Konzernobergesellschaft für alle Konzernunternehmen vorgesehen und knüpfen konzeptionell an einen einheitlich gestalteten Standardfragebogen an. Im Hinblick darauf wäre – bei Vorliegen eines Mitbestimmungstatbestands – von der Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats nach § 58 Abs. 1 BetrVG auszugehen (vgl. dazu BAG 21. November 2017 – 1 ABR 47/16 – Rn. 24). Darüber besteht auch kein Streit der Beteiligten.

1 ABR 13/17 > Rn 22

2. Der Konzernbetriebsrat hat aber bei der Änderung der die Rubrik „Aktive Führung“ betreffenden Fragen kein Mitbestimmungsrecht.

1 ABR 13/17 > Rn 23

aa) Ein solches folgt – entgegen der von ihm vornehmlich vertretenen Auffassung – nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

1 ABR 13/17 > Rn 24

(1) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat ua. mitzubestimmen bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Zur Überwachung „bestimmt“ sind technische Einrichtungen, wenn sie objektiv geeignet sind, Verhaltens- oder Leistungsinformationen über den Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen; auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an. Auch reicht es aus, wenn die leistungs- oder verhaltensbezogenen Daten nicht auf technischem Weg durch die Einrichtung selbst gewonnen werden, sondern manuell eingegeben und von der technischen Einrichtung weiter verwertet werden (BAG 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15 – Rn. 22 mwN, BAGE 157, 220).

1 ABR 13/17 > Rn 25

(2) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem im Zusammenhang mit der konzernweiten Mitarbeiterbefragung eingesetzten IT-System EOS um eine technische Einrichtung iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Seiner konkreten Version 8, deren Ausgestaltung in einem Informationsdokument im Einzelnen beschrieben ist, hat der hierzu nach der KBV IT befugte IT-Ausschuss des Konzernbetriebsrats zugestimmt. Entsprechend ist das Landesarbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass EOS mitbestimmt eingeführt worden ist.

1 ABR 13/17 > Rn 26

(3) Entgegen der Auffassung des Konzernbetriebsrats führt eine Modifikation der Fragen unter der Rubrik „Aktive Führung“, welche – ebenso wie die vor dem Jahr 2015 bei den durchgeführten Mitarbeiterbefragungen unter dieser Rubrik gestellten Fragen – auf subjektive Einschätzungen der direkten Vorgesetzten durch die befragten Arbeitnehmer zielen, nicht zu einer Änderung dieser technischen Einrichtung, die eine Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auslösen würde.

1 ABR 13/17 > Rn 27

(a) Anders als die Arbeitgeberin argumentiert, folgt das allerdings nicht bereits daraus, dass der Fragenkatalog als eine der technischen Einrichtung vorgeschaltete Datenerhebung (die Arbeitgeberin spricht von „Phase eins“) vom Schutzzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht erfasst wäre. Diese Ansicht vernachlässigt, dass „Überwachung“ iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht erst das Auswerten oder die weitere Verarbeitung schon vorliegender Informationen ist, sondern bereits das Sammeln derselben. Die Annahme einer technischen Einrichtung setzt nicht voraus, dass Daten über das Verhalten oder die Leistung des einzelnen Arbeitnehmers durch die technische Einrichtung selbst und „automatisch“ generiert werden (ausf. BAG 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15 – Rn. 41 f., BAGE 157, 220).

1 ABR 13/17 > Rn 28

(b) Im vorliegenden Streitfall berühren aber die bei der Mitarbeiterbefragung gestellten (modifizierten) Fragen in der Rubrik „Aktive Führung“ die von den Betriebsparteien mit EOS Version 8 vereinbarte Ausgestaltung der technischen Plattform nicht. Im Informationsdokument der – mitbestimmt verwandten – Version 8 von EOS sind die IT-relevanten Vorgehensweisen bei der Datenerhebung und -auswertung detailliert beschrieben. Dessen Kapitel „Datenmodell/Datenflussbeschreibung“ ist zu entnehmen, dass die Antworten der Teilnehmer mit den statistischen Daten „aus Teil 2 der Teilnehmerliste“ in einer gebildeten Datenmatrix verknüpft sind (7.2 Unterabs. 1 Satz 3 des Informationsdokuments). Zu den statistischen Daten gehören alle Angaben, die eine zielgruppenorientierte Auswertung der Ergebnisse ermöglichen, ua. die Nennung der „Organisationseinheit“, der der Teilnehmer an der Mitarbeiterbefragung angehört (7.1 Unterabs. 4 des Informationsdokuments). Entsprechend können – sofern die festgelegte Auswertungsgrenze von 7 Teilnehmern nicht unterschritten wird – Ergebnisberichte ua. für „Organisationseinheiten“ erstellt werden (7.2 Unterabs. 2 Satz 4 des Informationsdokuments). Haben diese nur einen direkten Vorgesetzten, ist dieser ohne weiteres als Person bestimmbar. Er ist nicht – wie die Teilnehmer der Befragung – strikt anonymisiert. Dementsprechend hat der Konzernbetriebsrat bereits in der Antragsschrift – insoweit von der Arbeitgeberin nicht substantiiert bestritten – darauf verwiesen, dass die Mitarbeiterbefragung die Möglichkeit eröffnet, individuelle Angaben über bestimmte, als „direkte Vorgesetzte“ bezeichnete Arbeitnehmer zu erlangen. Dies liegt aber nicht an der Modifikation der der Bewertung zugrundeliegenden Fragen oder an der Art und Weise der subjektiv-einschätzenden Angaben zu Vorgesetzten durch die Teilnehmer der Mitarbeiterbefragung. Allein die Verknüpfung der im Teil 2 der Teilnehmerliste erhobenen Daten mit den Antworten der Teilnehmer bewirkt Rückschlussmöglichkeiten darauf, wer der bewertete Vorgesetzte ist. Damit hängt die vom Konzernbetriebsrat im Zusammenhang mit den geänderten Fragestellungen beanstandete unzureichende Anonymisierung der direkten Vorgesetzten nicht mit den Formulierungen der Fragen zur „Aktiven Führung“ zusammen, sondern ist im – mitbestimmt geregelten – IT-System angelegt. Ob insoweit eine unbeabsichtigte Regelungslücke bei der Ausgestaltung der Maßnahme vorliegt, muss nicht abschließend entschieden werden. Die Annahme einer solchen hätte nicht zur Folge, dass das Mitbestimmungsrecht nicht gewahrt wäre. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass es dem Konzernbetriebsrat unbenommen bleibt, angesichts der unzureichenden Anonymisierung der direkten Vorgesetzten bei der Verwendung von EOS Version 8 die Vereinbarung über dieses IT-System ggf. zu kündigen und eine neue Vereinbarung zu erzwingen.

1 ABR 13/17 > Rn 29

bb) Auch aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten folgt keine Mitbestimmung für die streitbefangene Angelegenheit.

1 ABR 13/17 > Rn 30

(1) Eine hierauf bezogene Prüfung scheidet nicht von vornherein aus verfahrensrechtlichen Gründen aus. Zwar hat das Arbeitsgericht seine teilweise „Zurückweisung der Anträge“ damit begründet, die beanspruchte Mitbestimmung folge neben § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht (auch) noch aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG oder § 94 Abs. 1 BetrVG. Hiergegen hat der Konzernbetriebsrat keine Beschwerde eingelegt, weswegen das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen ist, es habe nur noch die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu prüfen. Dies schränkt die rechtsbeschwerderechtliche Überprüfung aber nicht ein. Auf der Grundlage welcher Rechtsnormen ein Antragsbegehren zu prüfen ist, kann weder vom Antragsteller bindend vorgegeben noch durch die mit einem Rechtsmittel angegriffene Entscheidung limitiert werden. Denn bei einer durch den aufgezeigten Lebenssachverhalt beschriebenen Maßnahme, für die ein Mitbestimmungsrecht reklamiert wird und bei der – hier auch nach Ansicht des Konzernbetriebsrats – diverse gesetzliche Mitbestimmungstatbestände als Anspruchsgrundlagen in Frage kommen, handelt es sich um keine objektive Anspruchshäufung, sondern allenfalls um Anspruchskonkurrenz (zur Abgrenzung vgl. zB BAG 9. September 2015 – 7 ABR 69/13 – Rn. 32). Soweit ein (Konzern- oder Gesamt-)Betriebsrat festgestellt wissen möchte, er könne ein Mitbestimmungsrecht alternativ oder kumulativ aus von ihm genannten oder – wie vorliegend – sogar ausdrücklich im Antrag aufgenommenen Vorschriften herleiten, ist dieses auf eine bestimmte rechtliche Begründung gerichtete Begehren unbeachtlich (vgl. BAG 26. April 2016 – 1 ABR 21/14 – Rn. 34 mwN).

1 ABR 13/17 > Rn 31

(2) Die streitbefangene Maßnahme ist weder nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 7 BetrVG noch nach § 94 BetrVG mitbestimmungspflichtig.

1 ABR 13/17 > Rn 32

(a) Die beanspruchte Mitbestimmung folgt nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

1 ABR 13/17 > Rn 33

(aa) Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Dieses kann der Arbeitgeber kraft seiner Leitungsmacht durch Verhaltensregeln oder sonstige Maßnahmen beeinflussen und koordinieren. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, die Arbeitnehmer hieran zu beteiligen. Sie sollen an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens gleichberechtigt teilnehmen (BAG 22. August 2017 – 1 ABR 52/14 – Rn. 24 mwN, BAGE 160, 41).

1 ABR 13/17 > Rn 34

(bb) Nach diesen Grundsätzen zielt die Änderung des Fragenkatalogs, der bei der Mitarbeiterbefragung mithilfe des IT-Systems EOS Version 8 eingespeist ist, nicht auf das Ordnungsverhalten. Die Teilnahme an der Befragung ist freiwillig und hinsichtlich der die Fragen beantwortenden Arbeitnehmer anonymisiert. Die Arbeitgeberin bedient sich keiner das betriebliche Verhalten der Arbeitnehmer untereinander gestaltenden Maßnahme.

1 ABR 13/17 > Rn 35

(b) Die verfahrensgegenständliche Angelegenheit unterliegt keiner Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG iVm. § 5 ArbSchG oder § 3 ArbSchG. Die Modifikation des Befragungskatalogs in der Rubrik „Aktive Führung“ ist – selbst wenn man darin gesundheitsschutzbezogene Fragestellungen sähe – objektiv keine Gefährdungsbeurteilung iSv. § 5 ArbSchG. Ebenso wenig handelt es sich um eine Maßnahme des Arbeitsschutzes iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG (vgl. für konzernweite Mitarbeiterbefragungen ausf. BAG 21. November 2017 – 1 ABR 47/16 – Rn. 26 bis 30).

1 ABR 13/17 > Rn 36

(c) Die beanspruchte Mitbestimmung folgt nicht aus § 94 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, wonach Personalfragebögen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen. Der Mitbestimmungstatbestand ist – hinsichtlich der befragten Arbeitnehmer – schon deshalb nicht gegeben, weil deren Teilnahme an der Mitarbeiterbefragung freiwillig ist (vgl. dazu BAG 21. November 2017 – 1 ABR 47/16 – Rn. 31). Zu den direkten – unbenannten – Vorgesetzten werden ausschließlich subjektive Wertungen erfragt; im Übrigen ist die streitbefangene Angelegenheit – durch die konkrete Ausgestaltung von EOS Version 8 – seitens des Konzernbetriebsrats mitbestimmt worden.

1 ABR 13/17 > Rn 37

(d) Die verfahrensgegenständliche Angelegenheit unterliegt schließlich nicht der Mitbestimmung nach § 94 Abs. 2 BetrVG. Weder sind Feststellungen dazu getroffen noch ist sonst ersichtlich, dass mit den – auf subjektive Einschätzungen zielenden – Fragen zur „Aktiven Führung“ bei der konzernweiten Mitarbeiterbefragung abstrakt-generelle Beurteilungsmerkmale und -kriterien aufgestellt sind, auf deren Grundlage eine konzerneinheitliche Bewertung nach einem unternehmensübergreifend vorgegebenen Beurteilungsschema durchgeführt wird (vgl. zu diesem Aspekt auch BAG 17. März 2015 – 1 ABR 48/13 – Rn. 25 f., BAGE 151, 117).

 

 

Schmidt       Ahrendt       K. Schmidt

Hann       Busch


Zusammenfassung:

(Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des Bundesarbeitsgerichts)

1.
Führt eine Konzernobergesellschaft – im vorliegenden Streitfall jährlich – eine konzernweite Mitarbeiterbefragung auf der Grundlage eines einheitlich standardisierten Fragebogens in elektronischer Form durch, ist für den Fall, dass eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme vorliegt, die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats gegeben (Rn. 21).

2.
Der auf eine Mitbestimmung des Betriebsrats gerichtete Verfahrensgegenstand richtet sich nach der Angelegenheit, für die das Beteiligungsrecht beansprucht wird. Ist im Antrag eine Rechtsnorm genannt, aus der die erstrebte Mitbestimmung folgen soll, handelt es sich um eine – der Sache nach überflüssige – Angabe der rechtlichen Wertung des Antragstellers. Sie begrenzt nicht den Verfahrensgegenstand und damit auch nicht die Prüfung der Gerichte für Arbeitssachen, nach welchen Rechtsnormen gegebenenfalls eine Mitbestimmung infrage kommt (Rn. 30).

3.
Im vorliegenden Streitfall ist die technische Plattform, mittels derer die Mitarbeiterbefragung durchgeführt wird, vom Konzernbetriebsrat mitbestimmt eingeführt worden. Diese mitbestimmte Ausgestaltung stellt bezogen auf direkte (unbenannte) Vorgesetzte, zu denen auf subjektive Wertungen der Arbeitnehmer zielende Fragen vorformuliert sind, keine stringente Anonymisierung sicher. Die Modifikation von einzelnen Fragen zu den subjektiven Wertungen der befragten Mitarbeiter über ihre direkten Vorgesetzten führt aber für sich gesehen nicht zu einer Änderung der technischen Einrichtung, welche eine Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auslösen würde (Rn. 28 f.).

4.
Nach den im Streitfall vorliegenden Umständen ist die Modifikation der Fragen auch keine nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 7 BetrVG oder nach § 94 Abs. 1 und 2 BetrVG mitbestimmungspflichtige Angelegenheit (Rn. 35 ff.).

Papierfundstellen:

NZA 2019, 1009

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