Aufhebungsvertrag – Befristungskontrollrecht
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.01.2000, 7 AZR 48/99
Leitsätze des Gerichts
Ein Aufhebungsvertrag, der seinem Regelungsgehalt nach nicht auf die alsbaldige Beendigung, sondern auf eine befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtet ist, bedarf zu seiner Wirksamkeit eines sachlichen Grunds im Sinne des Befristungskontrollrechts.
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 1. Oktober 1998 – 8 (4) Sa 13/98 – aufgehoben
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 6. November 1997 – 2 Ca 12158/96 – abgeändert.
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der vertraglichen Vereinbarung vom 7. Januar 1994 zum 31. Dezember 1996 beendet worden ist.
Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1996 infolge einer vertraglichen Vereinbarung.
Der Kläger war seit dem 16. Juli 1982 bei dem beklagten Land bzw. dessen Rechtsvorgänger unbefristet beschäftigt. Er war zuletzt als Betriebshandwerker/Elektromonteur an der Technischen Universität Dresden (TUD) tätig.
Im Rahmen der dortigen, den Mitarbeitern mitgeteilten Personalanpassungsmaßnahmen interessierte sich der Kläger für mehrere, teils befristet, teils unbefristet ausgeschriebene Stellen. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1992 teilte ihm die TUD mit, er sei für eine Stelle mit der Bezeichnung 4264 NA 00056 vorgesehen. Diese Stelle war mit einem universitätsinternen kw-Vermerk zum 31. Dezember 1996 versehen, worauf weder in dem Schreiben noch in dem Änderungsvertrag der Parteien vom selben Tag hingewiesen wurde. In der Folgezeit beabsichtigte die TUD, gegenüber dem Kläger eine Änderungskündigung auszusprechen, mit der die Umwandlung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses in ein befristetes Arbeitsverhältnis erreicht werden sollte. Dazu führte sie im Mai 1993 ein personalvertretungsrechtliches Beteiligungsverfahren durch, dessen Einzelheiten unter den Parteien streitig geblieben sind. Im Verlauf eines Personalgesprächs vom 7. Januar 1994, zu dem der Kläger Ende 1993 gebeten war, schlossen die Parteien eine Vereinbarung folgenden Inhalts:
„§ 1
Das am 04. 03. 1982 abgeschlossene und seit 16. 07. 1982 bestehende Arbeitsverhältnis mit Herrn B geb. am 25. 10. 1963 wird mit Ablauf des 31. 12. 1996 im gegenseitigen Einvernehmen gelöst. Der vorstehende Auflösungsvertrag wird zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung wegen mangelndem Bedarf infolge Personalabbau abgeschlossen.
…
§ 2
Nebenabreden wurden nicht getroffen. Nebenabreden bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.“
Mit seiner am 27. Dezember 1996 beim Arbeitsgericht eingegangen Klage wendet sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1996. Er hat gemeint, die Vereinbarung vom 7. Januar 1994 komme einer nachträglichen Befristung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses gleich. Sie bedürfe daher zu ihrer Wirksamkeit eines Sachgrunds, an dem es fehle.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß zwischen den Parteien über den 31. Dezember 1996 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel, während das beklagte Land die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht aufgrund der vertraglichen Vereinbarung vom 7. Januar 1994 wirksam zum 31. Dezember 1996 beendet worden. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, daß die Beendigungsvereinbarung der Parteien keiner arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle unterliegt.
1. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, bei der Vereinbarung der Parteien handle es sich um einen Aufhebungsvertrag zur Beendigung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses. Das folge aus der Vertragsbezeichnung, dem ausdrücklichen Wortlaut der Vereinbarung und dem Verweis auf die Tarifvorschrift des § 56 MTArb-O, die für den Abschluß von Aufhebungsverträgen gelte. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Auslegung einer nichttypischen Willenserklärung wie der vom 7. Januar 1994 ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob sie gegen allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denk- oder Erfahrungssätze verstößt, wesentliche Umstände unberücksichtigt läßt und rechtlich nicht möglich ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Auch die Revision zeigt keine revisiblen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts auf. Das Angebot des Beklagten vom 7. Januar 1994 war nach seinem Wortlaut nicht auf eine nachträgliche Befristung des bestehenden Arbeitsverhältnisses gerichtet. Auch aus der Sicht des Klägers sprach nichts dafür, daß sein unbefristetes Arbeitsverhältnis am 7. Januar 1994 beendet und auf der Grundlage eines Zeitvertrags befristet bis zum 31. Dezember 1996 fortgeführt werden sollte.
2. Ein Aufhebungsvertrag, der auf das vorzeitige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus einem Dauerarbeitsverhältnis gerichtet ist, unterliegt regelmäßig nicht der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle.
a) Ein Aufhebungsvertrag ist eine Vereinbarung über das vorzeitige Ausscheiden eines Arbeitnehmers aus einem Dauerarbeitsverhältnis (BAG 26. August 1997 – 9 AZR 227/96 – AP BGB § 620 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 8 = EzA BGB § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 29). Er ist seinem Regelungsgehalt nach auf eine alsbaldige Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen gerichtet. Das bringen die Parteien durch die Wahl einer zeitnahen Beendigung, die sich häufig an der jeweiligen Kündigungsfrist orientiert, und weiteren Vereinbarungen über Rechte und Pflichten aus Anlaß der vorzeitigen Vertragsbeendingung zum Ausdruck (vgl. BAG 13. November 1996 – 10 AZR 340/96 – AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 90 zu II 1 der Gründe).
b) Der Abschluß eines solchen Aufhebungsvertrags ist nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit zulässig (vgl. § 305 BGB). Gesetzliche Vorgaben bestehen dafür derzeit nicht (vgl. Art. 2 des Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung und Beschleunigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens – BT-Drucks. 14/626). Weder muß der Arbeitgeber einen Grund für sein Angebot auf vorzeitige Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen benennen noch ist die Wirksamkeit der daraufhin getroffenen Vereinbarung von dem Vorliegen eines Sachgrunds im Sinne des Befristungsrechts abhängig. Es ist vielmehr Ausdruck der freien Entscheidung des Arbeitnehmers, ob er an seinem Dauerarbeitsverhältnis festhalten will oder dem Aufhebungsangebot des Arbeitgebers zustimmt (BAG 30. September 1993 – 2 AZR 268/93 – BAGE 74, 281 [BAG 30.09.1993 – 2 AZR 268/93] zu II 8 b der Gründe). Etwas anderes gilt nur dann, wenn auf die freie Willensbildung oder – betätigung des Arbeitnehmers in rechtlich zu mißbilligender Weise Einfluß genommen worden ist (vgl. §§ 119, 123 BGB) oder grundgesetzliche Schutzpflichten (Art. 1 Abs. 3 GG) Anlaß geben, im Rahmen der zivilrechtlichen Generalklauseln einer solchen Vereinbarung die gerichtliche Durchsetzung zu versagen (vgl. ErfK/Dieterich Art. 2 GG Rn. 30 ff. mwN).
c) Ein solcher auf die alsbaldige Beendigung eines Dauerarbeitsverhältnisses gerichteter Aufhebungsvertrag ist nicht Gegenstand der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle. Diese ist auf die Prüfung einer funktionswidrigen Verwendung grundsätzlich zulässiger Vereinbarungen über die befristete Dauer von Arbeitsverhältnissen beschränkt (BAG 25. August 1999 – 7 AZR 75/98 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
3. Ein Aufhebungsvertrag, dessen Regelungsgehalt nicht auf die Beendigung, sondern auf eine befristete Fortsetzung eines Dauerarbeitsverhältnisses gerichtet ist, bedarf entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zu seiner Wirksamkeit eines sachlichen Grundes. Er unterliegt wie die nachträgliche Befristung eines unbefristeten Arbeitsvertrags der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle, um eine funktionswidrige Verwendung des Rechtsinstituts des befristeten Arbeitsvertrags in der Form eines Aufhebungsvertrags auszuschließen.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. BAG 26. August 1998 – 7 AZR 349/97 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 203 zu II der Gründe mwN) bedarf auch die nachträgliche vertragliche Befristung eines unbefristeten und unter Kündigungsschutz stehenden Arbeitsverhältnisses eines sachlichen Grunds im Sinne der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle. Denn mit einer solchen – grundsätzlich zulässigen Vertragsbestimmung – kann eine funktionswidrige Verwendung des befristeten Arbeitsvertrags verbunden sein. Dasselbe gilt, wenn eine als Aufhebungsvertrag bezeichnete Vereinbarung nicht auf die alsbaldige Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzielt, sondern wie eine nachträgliche Befristung wirken soll.
Für das Eingreifen der Befristungskontrolle ist nämlich nicht die von den Parteien gewählte Vertragsbezeichnung entscheidend, sondern der Regelungsgehalt der getroffenen Vereinbarung. Besteht dieser in der befristeten Fortsetzung eines Dauerarbeitsverhältnisses, kann eine funktionswidrige Verwendung der vom Gesetz in § 620 BGB vorgesehenen Möglichkeit, einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen, vorliegen. Das gilt vor allem dann, wenn der von den Parteien gewählte Beendigungszeitpunkt die jeweilige Kündigungsfrist um ein Vielfaches überschreitet und es an weiteren Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fehlt, wie sie im Aufhebungsvertrag regelmäßig getroffen werden (Freistellungen, Urlaubsregelungen, ggf. auch Abfindungen uä. ).
b) So verhält es sich vorliegend. Die Parteien haben am 7. Januar 1994 eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1996 vereinbart. Zu diesem Zeitpunkt war dieses Arbeitsverhältnis ordentlich kündbar mit einer Frist von fünf Monaten bis zum Schluß des Kalendervierteljahres. Damit haben die Parteien eine Auslauffrist bestimmt, die sich auf ein Vielfaches der Kündigungsfrist belief. Darüber hinaus fehlte es auch an sonstigen Beendigungsvereinbarungen. Eine den tariflichen Abfindungsanspruch des Klägers nach § 2 Abs. 1 Satz 1 a SozTV ersetzende Regelung ist in dem Vertrag nicht getroffen worden. In Anbetracht dessen und aufgrund der bereits geplanten Änderungskündigung mit dem Ziel, das unbefristete Arbeitsverhältnis in ein befristetes Arbeitsverhältnis umzuwandeln, war der Aufhebungsvertrag nicht auf die Beendigung, sondern auf die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtet. Dann bedarf es zu seiner Wirksamkeit eines sachlichen Grundes im Sinne des Befristungskontrollrechts.
4. Die Vereinbarung vom 7. Januar 1994 zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Dezember 1996 ist sachlich nicht gerechtfertigt und deshalb unwirksam. Der Vortrag des beklagten Landes zur sachlichen Rechtfertigung der Vereinbarung ist unschlüssig.
a) Das beklagte Land hat die Voraussetzungen einer sachlichen Rechtfertigung aus Gründen des Haushaltsrechts nicht vorgetragen.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine Befristung aus Haushaltsgründen sachlich gerechtfertigt sein, wenn der öffentliche Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aufgrund haushaltsrechtlicher Festlegungen davon ausgehen muß, daß für die Beschäftigung des Arbeitnehmers Haushaltsmittel nur zeitlich begrenzt zur Verfügung stehen und mit dem alsbaldigen Wegfall dieser Mittel zu rechnen ist. Dazu hat der öffentliche Arbeitgeber die entsprechenden haushaltsrechtlichen Festlegungen vorzutragen (BAG 24. Januar 1996 – 7 AZR 496/95 – BAGE 82, 101).
bb) Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des beklagten Landes nicht gerecht. Zwar hat das beklagte Land mit Schriftsatz vom 6. Februar 1997 zur Vorbereitung des Gütetermins vorgebracht, der Haushaltsgesetzgeber habe am 11. März 1992 beschlossen, der TUD mit dem Stellenplan 1992 längstens bis zum 31. Dezember 1996 sog. kw-Stellen zur Verfügung zu stellen. Nähere Angaben zur Konkretisierung dieser Stellenzuweisung im Haushaltsstellenplan fehlten aber. Außerdem hat das beklagte Land bei der Anhörung im Kammertermin am 6. November 1997 klargestellt, daß der kw-Vermerk nicht auf Festlegungen des Haushaltsgesetzgebers, sondern auf eine Bedarfsanmeldung der TUD zurückgeht. Eine bloße Bedarfsanmeldung des öffentlichen Arbeitgebers ist ohne eine haushaltsrechtliche verbindliche Umsetzung befristungsrechtlich unerheblich.
b) Sonstige Sachgründe zur Rechtfertigung der Beendigungsvereinbarung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Fundstellen:
BAGE 93, 162
NZA 2000, 718
DB 2000, 1183
BB 2000, 1197
NJW 2000, 2042
> BAG, 14.12.2016 – 7 AZR 49/15
> BAG, 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06
> BAG, 25.04.2007 – 6 AZR 622/06
> BAG, 15.02.2007 – 6 AZR 286/06
> BAG, 07.03.2002 – 2 AZR 93/01