Außerordentliche Verdachtskündigung
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.08.1999, 2 AZR 923/98
Leitsätze:
- Der dringende Verdacht eines Diebstahls bzw. einer Unterschlagung auch geringwertiger Gegenstände aus dem Eigentum des Arbeitgebers stellt an sich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar (Prüfung auf der ersten Stufe des § 626 Abs. 1 BGB). Erst die Würdigung, ob dem Arbeitgeber deshalb außerdem die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. der vertragsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar ist (Prüfung auf der zweiten Stufe des § 626 Abs. 1 BGB), kann zur Feststellung der Nichtberechtigung der außerordentlichen Kündigung führen (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, u.a. im sog. Bienenstichurteil vom 17. Mai 1984 – 2 AZR 3/83 – AP Nr. 14 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung).
- Zur Mitbestimmung (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) bei Taschenkontrollen innerhalb einer Gruppe von Arbeitnehmern.
Tenor
- Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 8. Juli 1998 – 4 Sa 38/97 – aufgehoben.
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. März 1997 – 13 Ca 521/96 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
Der Kläger trat am 15. Juni 1979 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Die Beklagte unterhält die Restaurants „Bordtreff“ und „Minibar“ in den Zügen der Deutschen Bahn AG; der Kläger war in der Niederlassung Hamburg, zuletzt als sog. ICE-Steward der Bordtreffs gegen ein monatliches Entgelt von 4.500,00 DM brutto beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien verweist auf die zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten (NGG) geschlossenen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung.
Bereits vor der hier streitigen Kündigung vom 22. Oktober 1996 hatte die Beklagte gegenüber dem Kläger unter dem 14. April 1994 außerordentlich und unter dem 18. Mai 1994 hilfsweise ordentlich zum 31. Oktober 1994 gekündigt. Es handelte sich um Verdachtskündigungen, die darauf gestützt waren, der Kläger habe ein Frühstück nicht boniert, aber verkauft und den Erlös für sich behalten. Mit seiner hiergegen vor dem Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht Hamburg geführten Klage (– 13 Ca 189/94 bzw. 4 Sa 76/94 –) obsiegte der Kläger im Berufungsrechtszug. In seiner Personalakte findet sich keine Abmahnung; er war indessen mit Schreiben vom 18. August 1992 wegen eines Verstoßes gegen die Bonierungs-, Inkasso- und Abrechnungsvorschriften der Beklagten ermahnt und unter dem 2. April 1993 abgemahnt worden, weil er ein Getränk verkauft gehabt habe, ohne es zu bonieren. Bei der Beklagten besteht eine Betriebsvereinbarung, wonach Abmahnungen ersatzlos aus der Personalakte zu entfernen sind, wenn sich keine gleichartigen Vorkommnisse innerhalb zweier Jahre wiederholen.
Zu der Kündigung vom 22. Oktober 1996 kam es aufgrund folgender Umstände: Auf der Grundlage der damals geltenden Gesamtbetriebsvereinbarung über die Durchführung von Kontrollen der Arbeitnehmer/innen wurde die Niederlassung Hamburg für eine sog. routinemäßige Stichprobenkontrolle am Sonntag, den 13. Oktober 1996, ausgelost. An diesem Tag wurden von zwei Zugserviceleitern der Beklagten im Zeitabschnitt 14.01 Uhr bis 24.00 Uhr 15 Kontrollen durchgeführt, sechs in der Logistik und neun im Bereich des Fahrdienstpersonals. Auch die Tasche des Klägers wurde überprüft, nachdem er seinen Dienst um 17.16 Uhr beendet hatte und um 17.25 Uhr aus dem Zug gestiegen war. Er verneinte die Frage, ob eine Person seines Vertrauens zugezogen werden solle und öffnete seine Tasche in der Betriebsstätte der Beklagten freiwillig, packte sie aus und beantwortete die an ihn gerichteten Fragen. Bei ihm wurden drei Kaffeebecher aus Porzellan des Modells Carat (jeder im Wert von 3,28 DM), zwei Packungen Stockmeyer Westfälischer Knochenschinken von je 100 g (im Wert von jeweils 2,69 DM) und eine 1-Liter-Dose Livio-Pflanzenöl (im Wert von 4,75 DM) gefunden. Während die Kaffeebecher und der Schinken unstreitig aus dem Bestand der Beklagten stammen, herrscht zwischen den Parteien Streit über die Herkunft des Speiseöls. Art und Größe der gefundenen 1-Liter-Dose wird jedoch im Bestand der Beklagten geführt. Anläßlich der Taschenkontrolle erklärte der Kläger, der Schinken sei sein Abendessen. Nach der bei der Beklagten bestehenden Dienstanweisung zur Personalverpflegung ohne Entgelt vom 28. September 1996 stehen den Mitarbeitern des Restaurantwagens eine „Vesper“ für die Dienstzeit von 15.00 Uhr bis 17.59 Uhr und ein Abendessen für die Dienstzeit nach 18.00 Uhr zu. Kann das Abendessen im Zugrestaurant nicht eingenommen werden, darf der Arbeitnehmer höchstens zwei belegte Brote (belegt mit je 50 g Schinken, Wurst oder Käse) aus dem Wagen mitnehmen. Nicht in Anspruch genommene freie Anwesenheitskost darf weder verkauft noch als Personalverzehr abgesetzt noch – mit Ausnahme der belegten Brote – mitgenommen werden.
Der Betriebsrat der Hamburger Niederlassung ist erst nach der Stichprobenkontrolle über sie unterrichtet worden. Der Kläger, der noch am 13. Oktober 1996 von der Arbeitspflicht freigestellt worden war, erhielt in zwei Gesprächen vom 15. und 18. Oktober 1996 Gelegenheit, den Sachverhalt aufzuklären. An ihnen nahmen außer ihm vier Mitarbeiter der Beklagten einschließlich eines Betriebsratsmitglieds teil.
Mit Schreiben vom 18. Oktober 1996 hörte die Beklagte den in Hamburg gebildeten Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung wegen des Verdachts unredlichen Verhaltens, des Diebstahls bzw. der Unterschlagung an. Der Betriebsrat äußerte sich nicht. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 22. Oktober 1996 fristlos.
Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 28. August 1997 (1604 Js 925/97) wurde dem Kläger wegen versuchten Diebstahls bzw. versuchter Unterschlagung der am 13. Oktober 1996 bei ihm gefundenen geringwertigen Sachen in Höhe des Gesamtverkaufswerts von 19,57 DM eine Geldstrafe von zehn Tagessätzen à 30,00 DM auferlegt. Den ursprünglich erhobenen Einspruch nahm er am 16. Januar 1998 zurück.
Der Kläger hat bestritten, daß der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden sei. So habe die Beklagte das Gremium nicht darüber informiert, daß sie seine Angaben vor Ausspruch der Kündigung nicht überprüft, insbesondere weder die Bonierungsliste eingesehen noch den Warenbestand aufgenommen habe.
Außerdem hat der Kläger geltend gemacht, die Stichprobenkontrolle habe den Voraussetzungen der Gesamtbetriebsvereinbarung nicht genügt, weil sie dem Betriebsrat zuvor nicht angekündigt worden sei. In bezug auf die Schinkenpackungen hat er zunächst (Schriftsatz vom 8. Januar 1997) vorgetragen, er habe den abgepackten Schinken zum Abendbrot mit zu sich nehmen wollen, weil er wegen des hohen Gästeaufkommens keine Zeit gefunden habe zu essen. Zwar habe er sich damit nicht in vollem Umfang an die Dienstanweisung Personalverpflegung ohne Entgelt gehalten. Da er in Eile gewesen sei und auch nicht sonderlich darüber nachgedacht habe, habe er sich nicht erst umständlich Brote belegt, sondern kurzerhand zwei Packungen Schinken mitgenommen. Später (Berufungsbegründung vom 22. Mai 1997) hat der Kläger behauptet, er habe die ihm anstelle des Personalverzehrs zustehenden Packungen Schinken ordnungsgemäß als Personalverzehr boniert. Auf den Einwand der Beklagten, eine Schinkenpackung als solche könne überhaupt nicht boniert werden, hat der Kläger geltend gemacht (Schriftsatz vom 3. März 1998), er habe nach seiner Erinnerung am 13. Oktober 1996 nicht den mitgenommenen Schinken als Personalverzehr boniert, sondern die ihm nach der Dienstanweisung zustehenden zwei belegten Schinkenbrote bzw. -baguettes. Schließlich hat der Kläger im Berufungstermin vom 20. Mai 1998 vorgebracht, wohl gegen 14.30 Uhr des 12. – richtig wohl 13. – Oktobers 1996 einen „Vesperteller“ boniert, aber nicht bezahlt und dafür den Schinken mitgenommen zu haben. Hinsichtlich der drei Kaffeebecher sei er selbst überrascht gewesen, als sie bei der Taschenkontrolle zum Vorschein gekommen seien. Während seines etwa dreistündigen Aufenthalts in München am 12. Oktober 1996 habe er wie üblich seinen Bekannten M T aufgesucht, der dort ein jugoslawisches Spezialitätenrestaurant leite. Dieser habe ihm das für seine – des Klägers – Frau bestimmte Speiseöl mitgegeben.
Der Kläger hat zuletzt noch beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die mit Schreiben vom 22. Oktober 1996 erklärte fristlose Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden ist,
- die Beklagte zu verurteilen, ihn, den Kläger, zu den bisherigen Bedingungen als Treffsteward weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei wirksam, weil der Kläger den Schinken, das Pflanzenöl und die Porzellanbecher pflichtwidrig aus ihrem Warenbestand an sich genommen habe. Jedenfalls bestehe der dringende Verdacht, daß er sich unredlich verhalten und strafbar gemacht habe. Ob der Kläger am 13. Oktober 1996 einen Vesperteller als Personalverzehr boniert habe, könne sie im nachhinein nicht mehr klären. Es gebe nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß ihm eine andere Person die drei Kaffeebecher als Scherz oder aus anderen Gründen in die Tasche gesteckt habe. Es sei auch nicht ihre Sache, die nicht glaubhafte Einlassung des Klägers zu dem bei ihm entdeckten Speiseöl zu widerlegen. Der Betriebsrat sei korrekt informiert worden; die Taschenkontrolle beruhe auf einer Absprache mit dem Gesamtbetriebsrat.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr demgegenüber nach Beiziehung der unter dem Az. 1604 Js 925/97 geführten Strafakte und zweimaliger Vernehmung des Zeugen T entsprochen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entsheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine entgegenstehende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die ausgesprochene Verdachtskündigung sei unwirksam, da es an einem wichtigen Grund fehle und die Interessenabwägung eine außerordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses ungerechtfertigt erscheinen lasse. Zwar seien zumindest gewichtigere Eigentums- oder Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu begründen. Im Hinblick auf die bei dem Kläger gefundenen Porzellanbecher im Gesamtwert von 9,84 DM sei jedoch – weil nicht ausreichend schwerwiegend – bereits kein Sachverhalt gegeben, der einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung veranlaßt hätte. Auch wenn der Erklärung des Klägers, jemand müsse sich einen Scherz mit ihm erlaubt haben, eher der Charakter einer Schutzbehauptung zukomme, sei die in der Mitnahme der Kaffeebecher zum Ausdruck gekommene kriminelle Energie angesichts ihres begrenzten Gebrauchswerts gering. Daß sich das Verhalten wiederhole, sei nur eingeschränkt zu besorgen, seien doch die Becher wegen ihrer Kennzeichnung als Eigentum der Beklagten zu erkennen. Dahinstehen könne deshalb, ob der Verdacht hinreichend dringlich sei. Entsprechendes gelte für die zwei Packungen Knochenschinken im Gesamtwert von 5,38 DM. Die Nähe zum noch erlaubten Verzehr mindere unbeschadet des wechselnden Vorbringens des Klägers die Schwere der Pflichtverletzung und begrenze den Vertrauensverlust. Es könne offenbleiben, ob der geringe Wert der Dose Livio-Öl von 4,75 DM nicht von vornherein einen Kündigungsgrund an sich ausschließe. Denn die Einvernahme des Zeugen T habe Verdacht und Behauptung der beweispflichtigen Beklagten, der Kläger habe die Dose aus ihrem Bestand mit nach Hause nehmen wollen, nicht bestätigt. Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig, eine Abmahnung vorrangig.
II. Dem folgt der Senat nicht. Die Revision rügt zutreffend eine Verletzung des § 626 BGB sowie eine nicht ausreichende Berücksichtigung des unstreitigen Sachverhalts.
1. Wenngleich das Berufungsgericht keine ausdrücklichen Feststellungen zu der Unterrichtung des Betriebsrats getroffen und offengelassen hat, ob sie den Erfordernissen des § 102 BetrVG entspricht, kann der Senat dies dennoch aufgrund der im Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils enthaltenen Feststellungen bejahen. Die Beklagte hat den Betriebsrat anhand der Vorlage vom 18. Oktober 1996 unter Beifügung der Gesprächsprotokolle vom 13., 15. und 18. Oktober 1996 ausführlich über den Kündigungsgrund sowie ihre Aufklärungsbemühungen durch Anhörung des Klägers informiert. Aus dem Protokoll vom 16. Oktober 1996 läßt sich ersehen, daß der Kläger angab, die Dose Livio-Öl von einem Bekannten erhalten zu haben. Über das zweite Protokoll vom 18. Oktober 1996 teilte die Beklagte dem Betriebsrat zudem mit, daß sich der Kläger schon anläßlich der Kontrolle vom 13. Oktober 1996 entsprechend eingelassen habe. Gleiches gilt für die in seiner Tasche entdeckten drei Kaffeebecher, hinsichtlich derer der Kläger einen Scherz angenommen habe. Schließlich weist bereits das Protokoll vom 16. Oktober 1996 aus, das Betriebsratsmitglied G habe (für den Kläger) erklärt, der Schinken sei „auf Personalverzehr boniert“ worden. Damit machte die Beklagte den Betriebsrat einerseits mit den aus ihrer Sicht tragenden Belastungstatsachen vertraut, die sie zu dem beabsichtigten Ausspruch der Kündigung veranlaßten, andererseits mit der Verteidigung des Klägers, soweit sie sie zum damaligen Zeitpunkt kannte. Auf der unterbliebenen Überprüfung der Bonierungsliste und der fehlenden Warenbestandsaufnahme beruhte ihr Kündigungsentschluß dagegen nicht. Sie brauchte den Betriebsrat nur über den aus ihrer Sicht relevanten Kündigungssachverhalt zu informieren (vgl. Senatsurteile vom 22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – BAGE 78, 39, 46 f. = AP Nr. 68 zu § 102 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe und vom 7. November 1996 – 2 AZR 720/95 – RzK III 1 b Nr. 26, zu B II 1 der Gründe).
2. Auch materielle Unwirksamkeitsgründe stehen der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nicht entgegen. Sie genügt den Voraussetzungen des § 3 Ziff. 10 Satz 1 und 2 Alt. 1 TV Sicherung, § 626 BGB. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht einen objektiv zur Kündigung geeigneten wichtigen Grund verneint, ein Abmahnungserfordernis angenommen und im Rahmen der gebotenen Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigt.
a) Zutreffend hat das Berufungsgericht die streitige Kündigung allerdings ausschließlich unter dem Blickwinkel einer sog. Verdachtskündigung und nicht unter dem einer „Tatkündigung“ untersucht. Insoweit handelt es sich um zwei voneinander abzugrenzende Kündigungssachverhalte. Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines von ihm nicht für sicher gehaltenen oder erwiesenen strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nötige Vertrauen zerstört. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluß im Unterschied dazu maßgebend, daß der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtwidrigkeit tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortführung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist (st. Rechtsprechung, vgl. u.a. Urteil vom 20. August 1997 – 2 AZR 620/96 – AP Nr. 27 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung, zu II 1 a der Gründe).
Ausweislich des Wortlauts des Kündigungsschreibens vom 22. Oktober 1996 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis wegen des dringenden Verdachts des unredlichen Verhaltens, des Diebstahls bzw. der Unterschlagung. Entsprechend wurde auch laut Anhörungsbogen der Betriebsrat unterrichtet. Daß die Beklagte es für sicher hielt, die aufgefundenen Gegenstände stammten aus ihrem Bestand, rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil sie damit noch keine Aussage über die Pflichtwidrigkeit des Handelns des Klägers und sein Verschulden traf.
b) Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht darin, der durch den Fund der unstreitig aus dem Bestand der Beklagten stammenden Gegenstände – der beiden Schinkenpackungen und der drei Porzellanbecher – begründete Verdacht von Straftaten und zugleich gravierenden Vertragsverletzungen sei jeweils nicht objektiv geeignet, den inhaltsgleich in § 3 Ziff. 10 Satz 2 Alt. 1 TV Sicherung und § 626 Abs. 1 BGB verwandten Begriff des wichtigen Grundes auszufüllen.
aa) Zwar kann die konkrete Anwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs im Revisionsverfahren allein darauf überprüft werden, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Tatsachen, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteile vom 13. September 1995 – 2 AZR 587/94 – BAGE 81, 27, 32 = AP Nr. 25 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung, zu II 2 der Gründe; vom 31. Januar 1996 – 2 AZR 158/95 – BAGE 82, 124, 133 f. = AP Nr. 13 zu § 626 BGB Druckkündigung, zu II 4 der Gründe; jeweils zu § 626 BGB). Schon auf der Stufe des wichtigen Grundes an sich hält die Berufungsentscheidung der genannten beschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle indessen nicht stand.
bb) Im Ansatz zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, Eigentums- oder Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers seien grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu stützen. Das heißt: solche Delikte stellen an sich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Das gilt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts („Art und Menge sowie Geringwertigkeit der Gegenstände“, „nicht ausreichend schwerwiegende kriminelle Energie bzw. Schwere der strafbaren Handlung“, „wertmäßig geringer zu bewertender Schinken“, „qualitativ anderes Gewicht“) auch für den Diebstahl oder die Unterschlagung von Sachen mit nur geringem Wert (Senatsurteile vom 17. Mai 1984 – 2 AZR 3/83 – AP Nr. 14 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung, zu II 1 der Gründe [Verzehr eines Stücks Bienenstich]; vom 20. September 1984 – 2 AZR 633/82 – AP Nr. 80 zu § 626 BGB, zu I 3 der Gründe [Entwendung dreier Kiwi-Früchte in einem anderen Warenhaus des Arbeitgebers]; vom 13. Dezember 1984 – 2 AZR 454/83 – AP Nr. 81 zu § 626 BGB, zu III 2 der Gründe [Diebstahl einer umstrittenen Menge Dieselkraftstoffs]; vom 3. April 1986 – 2 AZR 324/85 – AP Nr. 18 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung, zu I 1 der Gründe [zum Verdacht der Entwendung eines Lippenstifts]; vom 16. Oktober 1986 – 2 AZR 695/85 – RzK I 6 d Nr. 5, zu I 2 der Gründe [Entwendung zweier Päckchen Tabak]; vom 2. April 1987 – 2 AZR 204/86 – RzK I 6 d Nr. 7, zu II 2 der Gründe [Mitnahme eines Liters Sahne im Wert von 4,80 DM]; Senatsbeschluß vom 10. Februar 1999 – 2 ABR 31/98 – AP Nr. 42 zu § 15 KSchG 1969, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2 a der Gründe [Verkauf von Metallschrott]).
Die entgegenstehende Ansicht, wonach der Diebstahl oder die Unterschlagung geringwertiger Sachen bereits nicht die Schwelle des wichtigen Grundes erreicht (ArbG Reutlingen Urteil vom 4. Juni 1996 – 1 Ca 73/96 – RzK I 6 d Nr. 12 [Diebstahl von zwei Bechern Joghurt]; Däubler, Das Arbeitsrecht 2, 11. Aufl., Rz 1137; HK-KSchG/Dorndorf, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 834; MünchKomm-Schwerdtner, 3. Aufl., § 626 BGB Rz 126 bis 129) teilt der Senat nicht. Das von Schwerdtner (aaO, Rz 129; dazu auch Gerhards, BB 1996, 794, 796) angesprochene Ungleichgewicht zwischen der Störung der Hauptleistungspflicht durch Arbeitsverweigerung, die beharrlich sein muß, um einen wichtigen Grund bilden zu können, und der Verletzung der Nebenpflicht, Eigentum und Vermögen des Arbeitgebers zu wahren, besteht in Wirklichkeit nicht. Während sich ein Arbeitnehmer auch irrtümlich für berechtigt halten kann, die Arbeit zu verweigern, und gerade aus diesem Grunde das Moment des bewußten und nachhaltigen Handelns hinzutreten muß, setzen die Tatbestände des Diebstahls und der Unterschlagung Rechtswidrigkeit sowie Vorsatz voraus und sind strafbewehrt. Dem Arbeitnehmer muß die Widerrechtlichkeit seines Verhaltens folglich bewußt sein. Aufgrund der durch den Arbeitsvertrag begründeten Nebenpflicht zur Loyalität hat er auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Diese Verpflichtung beinhaltet zugleich das Verbot, den Arbeitgeber rechtswidrig und vorsätzlich durch eine Straftat zu schädigen (Oetker, Anm. zum Senatsurteil vom 20. September 1984 – 2 AZR 633/82 – SAE 1985, 171, 175). Der Arbeitnehmer bricht durch die Eigentumsverletzung unabhängig vom Wert des Schadens in erheblicher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers (Tschöpe, NZA 1985, 588, 589). Weiter widerspricht es der der Rechtssicherheit dienenden systematischen Zweiteilung des § 626 Abs. 1 BGB in den wichtigen Grund an sich und die nachfolgende Zumutbarkeitsprüfung unter Interessenabwägung, wenn rechtswidrigen und vorsätzlichen Verletzungen des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers von vornherein die Eignung für eine außerordentliche Kündigung abgesprochen wird, weil die Schädigung des Arbeitgebers geringfügig ist. Um Geringfügigkeit zu bejahen, ist eine Wertung erforderlich, was dafür spricht, die Schadenshöhe der Zumutbarkeitsprüfung im Rahmen der Interessenabwägung zuzuordnen. Der Umfang des dem Arbeitgeber zugefügten Schadens kann vor allem im Hinblick auf die Stellung des Arbeitnehmers, die Art des entwendeten Guts und die besonderen Verhältnisse des Betriebs unterschiedliches Gewicht für die Beurteilung der Zumutbarkeit des Pflichtverstoßes aufweisen. Objektive Kriterien für eine allein am Wert des entwendeten Gegenstandes ausgerichtete Abgrenzung in ein für eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich geeignetes und ein nicht geeignetes Verhalten lassen sich nicht aufstellen (zu allem Senatsurteil vom 17. Mai 1984 – 2 AZR 3/83 –, aaO, zu II 1 b der Gründe). Die weitaus überwiegende Literaturmeinung teilt die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, daß grundsätzlich auch der Diebstahl oder die Unterschlagung geringwertiger Sachen als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung in Betracht kommen (vgl. etwa Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 3. Aufl., § 21 Rz 122 bis 125; Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 12. Aufl., § 1 Rz 353; Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, Handbuch des Kündigungsrechts, 4. Aufl., Abschnitt 6 Rz 72 f.; Löwisch, KSchG, 7. Aufl., § 1 Rz 148 f.; KR-Fischermeier, 5. Aufl., § 626 BGB Rz 445; unklar Stahlhacke/Preis/ Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 7. Aufl., Rz 563 f.).
Die Erkenntnis des Berufungsgerichts, wonach der Verdacht, der Kläger habe das Eigentum der Beklagten an den Kaffeebechern und dem Schinken verletzt, zwar als dringend unterstellt werden könne, nichtsdestotrotz aber ungeeignet sei, einen wichtigen Grund an sich abzugeben, verkennt den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes selbst und überschreitet daher den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Das gilt außerdem für den allgemeinen Bewertungsmaßstab, wenn das Landesarbeitsgericht bei der Abwägung auf den verständig und gerecht denkenden Arbeitgeber abstellt (Entscheidungsgründe S. 16, 18), womit die Grenze der zuvor aufgezeigten zweiteiligen Prüfung verwischt wird.
cc) Erschwerend kommt hinzu, wenn die Straftat mit der vertraglich geschuldeten Tätigkeit des Arbeitnehmers zusammenhängt, der Arbeitnehmer namentlich eine sich aus dem Arbeitsvertrag ergebende Obhutspflicht verletzt und das Delikt nicht nur außerhalb seines konkreten Aufgabenbereichs bei Gelegenheit der Arbeitsleistung verübt (Senatsurteil vom 20. September 1984 – 2 AZR 633/82 –, aaO, zu I 4 c der Gründe; ebenfalls in diesem Sinne differenzierend Berkowsky, aaO, § 21 Rz 122 bis 124). Eine solche Obhutspflicht oblag dem Kläger bezüglich des Schinkens und der Kaffeebecher, da er als Steward die ihm anvertrauten Lebensmittel zu verarbeiten sowie zu verkaufen und das Geschirr der Beklagten für die Gäste zu verwenden hatte. Ob die Mitnahme der Sachen strafrechtlich den Verdacht des Diebstahls und damit des Gewahrsamsbruchs in Zueignungsabsicht oder vielmehr den der Unterschlagung, d.h. der Zueignung von im (Allein)Gewahrsam des Klägers stehenden Sachen der Beklagten begründet, kann auf sich beruhen. Auf die strafrechtliche Bewertung des Verhaltens kommt es für seine kündigungsrechtliche Bedeutung ohnehin nicht entscheidend an (Senatsurteil vom 20. August 1997 – 2 AZR 620/96 – AP Nr. 27 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung, zu II 1 c der Gründe), zumal der Senat wegen § 14 Abs. 2 Nr. 1 EGZPO nicht an die tatsächlichen Feststellungen einer strafgerichtlichen Entscheidung gebunden ist (Senatsurteile vom 20. August 1997, aaO, zu II 1 c der Gründe, m.w.N.; vom 23. April 1998 – 2 AZR 442/97 –, n.v., zu II 2 c der Gründe).
dd) Was die mitgenommenen Porzellanbecher und Schinkenpackungen anbelangt, besteht der dringende Verdacht, daß der Kläger zumindest unmittelbar dazu ansetzte, den (Mit)Gewahrsam der Beklagten zu brechen bzw. sich die seinem Gewahrsam anvertrauten Gegenstände zuzueignen, als er mit der Tasche aus dem Zug stieg. Schon das Arbeitsgericht hat einen solchen dringenden Tatverdacht zu Recht bejaht. Auch das Berufungsgericht hat den – spekulativen – Erklärungsversuch des Betriebsratsmitglieds G, die Becher könnten beim Abrüsten des Wagens in Hannover in die Tasche des Klägers gefallen sein, nicht für überzeugend gehalten. Anhaltspunkte dafür, daß eine andere Person die Becher in seine Tasche gelegt haben könnte, habe der Kläger nicht vorgebracht. Es seien demzufolge eher Schutzbehauptungen anzunehmen. Auf dieser Grundlage ist der dringende Verdacht einer schweren Vertragspflichtverletzung begründet. Auf den niedrigen Wert der Gegenstände kommt es nach Vorstehendem nicht an. Unbelegt erscheint auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, es bestehe nur eine geringe Wiederholungsgefahr, daß der Kläger erneut derartige Kaffeebecher an sich bringe, war dem Kläger doch ein vielfältiger Warenbestand anvertraut. Schon allein dieser Vorwurf ist deswegen objektiv geeignet, die erklärte außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, ohne daß auf den mittlerweile rechtskräftigen Strafbefehl zurückgegriffen werden müßte.
Gleiches gilt für die in der Tasche des Klägers gefundenen beiden Schinkenpackungen, wobei der Senat nicht verhehlt, daß er den mehrfach geänderten prozessualen Vortrag des Klägers dazu, weshalb er sich für berechtigt hielt, den Schinken mitzunehmen, schlicht für eine Zumutung hält. Das Landesarbeitsgericht will dieses (oben wiedergegebene) Taktieren als mißverständlich abtun, es habe beim Kläger begründet die Vorstellung bestehen dürfen, das „Mitgenommene“ mit ähnlichem Wert unter anderen Umständen letztlich beanspruchen zu dürfen. Da der Kläger die ihm zustehende Vesper während des Dienstes nicht habe einnehmen können, komme der Entnahme des weit weniger wertvollen Schinkens ein qualitativ anderes Gewicht zu. Auf diese Weise hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, der Kläger habe etwa unverschuldet angenommen, er sei berechtigt, den Schinken mitzunehmen, sondern lediglich dessen Vorstellung ausgedrückt, die Vertragsverletzung wiege nicht so schwer, weil er den Schinken für die während der Arbeitszeit entgangene Vesper entnommen habe. Daß er sich auch nach dem Dafürhalten des Landesarbeitsgerichts der Unrechtmäßigkeit seines Tun bewußt war, zeigt sich an der Formulierung, die dem Verhalten des Klägers nicht jegliche Bedeutung abspricht, ihm vielmehr anderes Gewicht und aus diesem Grunde fehlende Kündigungsrelevanz beimißt.
Dem Kläger war bewußt, daß er sich, indem er den Schinken ohne Bezahlung entnahm, nicht an die Dienstanweisung zur Personalverpflegung ohne Entgelt hielt, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat. Weder hatte er im Hinblick auf seine Arbeitszeit bis 17.16 Uhr ein Abendessen zu beanspruchen, für das er ersatzweise zwei Schinkenbrote hätte mitnehmen können, noch war ihm erlaubt, statt der nicht eingenommenen Vesper den Schinken mitzunehmen (Ziff. 2 Alt. 4 und 5, Ziff. 3 Alt. 4, Ziff. 4 bis 6 der genannten Dienstanweisung). Da aufgrund des Verstoßes gegen die Dienstanweisung ein tatbestandsausschließendes Einverständnis der Beklagten mit dem Gewahrsamsbruch bzw. der Zueignung ausscheidet und dem Kläger dies bewußt war, besteht auch insofern der dringende Verdacht zumindest eines Diebstahls- bzw. Unterschlagungsversuchs. Auf die unterbliebene Überprüfung der Bonierungsliste kommt es nicht an, weil der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts darum wußte, daß er den abgepackten Schinken nicht als „Vesperteller“ unter „Personalverzehr“ bonieren durfte, wenn man dem Kläger diese nach anderthalbjähriger Prozeßdauer vorgebrachte vierte Version („nach seiner Erinnerung am 12. Oktober 1996 wohl gegen 14.30 Uhr Vesperteller boniert“) überhaupt abnehmen will. Ob dem Kläger bei dieser Sachlage die etwas wunderbar anmutende Geschichte des Livio-Öl-Geschenks seines Freundes T geglaubt werden kann – eine freundschaftliche Beziehung des Zeugen T in bezug auf seine Frau, an die das „Geschenk“ angeblich adressiert war, behauptet der Kläger selber nicht –, kann dahingestellt bleiben. Den Rügen der Revision, das Berufungsgericht habe insoweit nicht alle wesentlichen Umstände bei seiner Beweiswürdigung berücksichtigt, braucht der Senat nicht mehr nachzugehen, da schon der bisher festgestellte dringende Verdacht eines Diebstahls bzw. einer Unterschlagung der Porzellanbecher und der Schinkenpackungen aus dem Eigentum der Beklagten kündigungsrelevant ist.
c) Die am 13. Oktober 1996 vorgenommene Taschenkontrolle ist auch nicht mitbestimmungswidrig erfolgt, ohne daß hier geklärt werden müßte, ob nicht ggf. auch mitbestimmungswidrig gewonnene Ergebnisse verwertbar wären.
aa) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen. Gegenstand der Mitbestimmung ist die Gestaltung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer im Betrieb sowohl durch allgemeingültige verbindliche Verhaltensregeln als auch durch Maßnahmen des Arbeitgebers, die das Verhalten der Arbeitnehmer bezüglich der betrieblichen Ordnung berühren (vgl. u.a. BAG Beschluß vom 14. Januar 1986 – 1 ABR 75/83 – BAGE 50, 330, 333 und 335 = AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, zu 2 a und 3 der Gründe). Mitbestimmungsfrei sind hingegen solche Maßnahmen des Arbeitgebers, die ein Verhalten des Arbeitnehmers betreffen, das keinen Bezug zur betrieblichen Ordnung hat, sei es, daß es sich nur auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers bezieht oder in sonstiger Weise lediglich das Verhältnis des einzelnen Arbeitnehmers zum Arbeitgeber berührt (BAG Beschluß vom 26. März 1991 – 1 ABR 26/90 – AP Nr. 21 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, zu B II 1 b der Gründe, zu der Überwachung eines TÜV-Prüfers bei seiner Prüftätigkeit durch einen Privatdetektiv).
bb) Soweit der Arbeitgeber durch von ihm eingesetzte Hilfspersonen stichprobenartige Taschenkontrollen anordnet, um Arbeitnehmer oder Gruppen von ihnen Untersuchungen zu unterziehen, die Eigentumsdelikte zu seinem Nachteil aufdecken sollen, ist eine solche Anordnung mit der einer allgemeinen Torkontrolle zu vergleichen, die ganz überwiegend für eine gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Maßnahme der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb gehalten wird (BAG Beschlüsse vom 17. August 1982 – 1 ABR 50/80 – AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, zu B II 2 der Gründe; vom 26. Mai 1988 – 1 ABR 9/87 – BAGE 58, 297, 300 = AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, zu II 1 der Gründe; jeweils m.w.N.; vgl. auch BAG Beschluß vom 9. Juli 1991 – 1 ABR 57/90 – BAGE 68, 127, 133 = AP Nr. 19 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, zu B II 1 a der Gründe). Durch die der Beklagten in Ziff. 4 der Gesamtbetriebsvereinbarung über die Durchführung von Kontrollen der Arbeitnehmer/innen vom 6. Juli 1995 i.V.m. ihren Anlagen 1 und 2 verliehene Befugnis zu Stichprobenkontrollen wird das Verhalten der Arbeitnehmer insoweit geregelt, als sie verpflichtet werden, die Taschenkontrollen zu dulden. Obgleich der Zweck der Überprüfung darin besteht festzustellen, ob die Arbeitnehmer sich im Zusammenhang mit ihrer Arbeitsleistung so verhalten, wie es ihnen ihre arbeitsvertragliche Nebenpflicht, das Eigentum des Arbeitgebers zu wahren, ohnehin gebietet (vgl. BAG Beschluß vom 26. März 1991 – 1 ABR 26/90 –, aaO), berühren die Kontrollen nicht nur das Verhältnis des einzelnen Arbeitnehmers zum Arbeitgeber. Vielmehr reichen sie (anders als die bloße Überwachung einzelner bestimmter Arbeitnehmer durch Detektive) über dieses hinaus, indem sie die körperliche Überprüfung der Arbeitnehmer – hier einer durch Los bestimmten Gruppe von Arbeitnehmern – anläßlich des Verlassens des Zuges und damit nicht allein das individuelle Arbeitsverhalten des einzelnen Arbeitnehmers, sondern das kollektive Ordnungsverhalten der Belegschaft bzw. Teilen von ihr umfassen.
cc) Da die getroffene Regelung notwendig das Gesamtunternehmen, nicht nur den Hamburger Beschäftigungsbetrieb des Klägers betrifft und nicht durch die einzelnen örtlichen Betriebsräte getroffen werden konnte, unterfiel ihr Abschluß der originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats aufgrund ausdrücklicher Kompetenzzuweisung durch § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Überbetrieblich ist die Angelegenheit, weil sich die Stichprobenkontrollen auf alle Züge und Schiffe, d.h. auf mehrere Betriebe und Geschäftsbereiche der Beklagten beziehen. Da die jeweils betroffene Niederlassung erst entsprechend dem Auswahlverfahren der Anlage 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung ausgelost werden muß, erfordert der Gehalt der Vereinbarung aus der Natur der Sache heraus zwingend eine einheitliche Regelung auf Unternehmensebene (vgl. BAG Beschluß vom 23. September 1975 – 1 ABR 122/73 – AP Nr. 1 zu § 50 BetrVG 1972, zu II 5 der Gründe).
dd) Die Stichprobenkontrolle vom 13. Oktober 1996 verletzte demnach, obwohl sie dem Hamburger Einzelbetriebsrat vor ihrer Durchführung nicht bekannt gegeben wurde, nicht das bezeichnete Mitbestimmungsrecht. Dieses stand nicht dem örtlichen Betriebsrat, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu. Soweit Ziff. 8 der Gesamtbetriebsvereinbarung die Beklagte verpflichtet, den (Einzel)Betriebsrat über jede Stichprobenkontrolle unverzüglich zu unterrichten, hat die Beklagte dem Rechnung getragen; der Regelung läßt sich das Erfordernis einer vorherigen Unterrichtung nicht entnehmen.
d) Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung hält der eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand, weil sie nicht alle wesentlichen Umstände in sich widerspruchsfrei berücksichtigt. Vielmehr ist es auf der Basis der durch das Arbeitsgericht getroffenen Abwägung der Beklagten nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis bis zum Eintritt des Klägers in das Rentenalter fortzusetzen.
aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die Beklagte unter den gegebenen Umständen nicht auf das mildere Mittel einer Abmahnung vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung verwiesen.
Zwar kann das Revisionsgericht auch hinsichtlich des Erfordernisses einer vorherigen vergeblichen Abmahnung nur prüfen, ob das Berufungsgericht den ultima-ratio-Grundsatz berücksichtigt, ob es diesem Prinzip den rechtlich zutreffenden Inhalt beigemessen und ob es bei der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes alle wesentlichen Umstände des Falles beachtet hat (beispielsweise Senatsurteil vom 13. September 1995 – 2 AZR 587/94 –, aaO, zu II 2 der Gründe). Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab genügt das angegriffene Urteil indessen nicht.
Dem Landesarbeitsgericht ist zuzugeben, daß eine Abmahnung auch bei Handlungsweisen, die den sog. Vertrauensbereich berühren, nicht stets entbehrlich, sondern notwendig ist, wenn ein steuerbares Verhalten in Rede steht und es erwartet werden kann, daß das Vertrauen wiederhergestellt wird (Senatsurteil vom 4. Juni 1997 – 2 AZR 526/96 – BAGE 86, 95, 102 = AP Nr. 137 zu § 626 BGB, zu II 1 d der Gründe). Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Tun sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen (z.B. Senatsurteile vom 17. Mai 1984 – 2 AZR 3/83 –, aaO, zu III 1 der Gründe; vom 13. Dezember 1984 – 2 AZR 454/83 –, aaO, zu III 1 der Gründe; vom 16. Oktober 1986 – 2 AZR 695/85 –, aaO, zu 3 der Gründe; ferner Senatsbeschluß vom 10. Februar 1999 – 2 ABR 31/98 –, aaO, zu B II 5 der Gründe). Daran zeigt sich jedoch, daß der Senat mit seiner Entscheidung vom 4. Juni 1997 (aaO) nur verdeutlicht hat, daß die früher getroffene Unterscheidung nach verschiedenen Störbereichen von bloß eingeschränktem Wert war. Er hat die Prüfung des Abmahnungserfordernisses bei Störungen im Vertrauensbereich den Grundsätzen unterworfen, die für Kündigungen wegen Beeinträchtigungen im Leistungsbereich bereits bisher galten (Senatsbeschluß vom 10. Februar 1999 – 2 ABR 31/98 –, aaO). Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung hat eine Abmahnung nicht immer schon dann Vorrang vor einer (hier nur außerordentlich möglichen) Kündigung, wenn eine Wiederholung des pflichtwidrigen Handelns aufgrund der Abmahnung nicht zu erwarten steht, was hier im übrigen auch noch nicht belegt ist.
Bei besonders schwerwiegenden Verstößen, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen es offensichtlich ausgeschlossen ist, daß sie der Arbeitgeber hinnimmt, ist eine Abmahnung nicht erforderlich (Senatsbeschluß vom 10. Februar 1999 – 2 ABR 31/98 –, aaO). In solchen Fällen kann eine Wiederherstellung des für ein Arbeitsverhältnis notwendigen Vertrauens nicht erwartet werden. Im vorliegenden Fall konnte der Kläger mit vertretbaren Überlegungen nicht davon ausgehen, die Beklagte werde die Mitnahme der drei Kaffeebecher und der beiden Schinkenpackungen dulden. Das folgt aus seiner Vertrauensstellung als Steward, dem trotz geringer Überwachungsmöglichkeiten der Beklagten eine Vielzahl der in ihrem Eigentum stehenden Güter zum Verkauf und zur Obhut anvertraut waren. Ungeachtet seiner nicht besonders hohen Vergütung war es der Beklagten wegen des Verdachts des schweren Mißbrauchs des in ihn gesetzten Vertrauens nicht zuzumuten, ihn vor Ausspruch der Kündigung durch eine Abmahnung zu einer Rückkehr zu vertragsgerechtem Verhalten zu bewegen (siehe dazu u.a. Adam, NZA 1998, 284, 285; Gerhards, BB 1996, 794, 796; U. Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen, S. 454 ff.).
Da es einer vorherigen Abmahnung nicht bedurfte, kann dahinstehen, ob die Ermahnung vom 18. August 1992 und die Abmahnung vom 2. April 1993 die Kündigung vorzubereiten vermochten, obwohl sie bei deren Zugang entsprechend der bestehenden Betriebsvereinbarung bereits aus der Personalakte des Klägers entfernt waren, oder ob jedenfalls die unwirksame Kündigung vom 14. April 1994 wegen unkorrekten Bonierens (LAG Hamburg – 4 Sa 76/94 –) als einschlägige Abmahnung (vgl. BAG Urteil vom 31. August 1989 – 2 AZR 13/89 – AP Nr. 23 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung) fortwirkt.
bb) Wegen der genannten Rechtsfehler ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO), wobei der Senat in der Sache selbst entscheiden konnte (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Der der Kündigung zugrunde liegende Sachverhalt und insbesondere alle abwägungsrelevanten Gesichtspunkte sind durch das Berufungsgericht festgestellt, eine weitere Sachaufklärung ist nach einer Zurückverweisung nicht zu erwarten.
Was die abschließende Interessenabwägung angeht, die grundsätzlich der Tatsacheninstanz vorbehalten ist, kann sich der Senat im wesentlichen der durch das Arbeitsgericht vorgenommenen Würdigung anschließen. Soweit dieses offen gelassen hat, ob Prüfungsmaßstab der Interessenabwägung die mangels ordentlicher Kündbarkeit des Klägers nicht einschlägige und daher „fiktive“ Kündigungsfrist oder aber die tatsächliche künftige Vertragsbindung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres ist, ist das unschädlich.
Fristlos kann einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer nach § 626 BGB nur gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber bei einem vergleichbaren kündbaren Arbeitnehmer dessen Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der einschlägigen ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar wäre. Nur so kann der Wertungswiderspruch verhindert werden, daß sonst der tariflich unkündbare Arbeitnehmer allein wegen seines besonderen Schutzes benachteiligt würde (vgl. zu § 15 KSchG Senatsbeschluß vom 10. Februar 1999 – 2 ABR 31/98 – für die Amtliche Sammlung bestimmt; Schwerdtner in FS-Kissel, 1077 ff.; Höland, Anm. zu AP Nr. 143 zu § 626 BGB). Das macht das folgende Beispiel deutlich: Würde etwa bei einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung wegen einer gemeinschaftlich begangenen Pflichtverletzung eines tariflich unkündbaren und eines kündbaren Arbeitnehmers bei im übrigen vergleichbaren Tatumständen und gleich gelagerten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen die fristlose Kündigung gegenüber dem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer allein wegen der absehbar langen Bindungsdauer (65. Lebensjahr) für wirksam, die fristlose Kündigung gegenüber dem kündbaren Arbeitnehmer jedoch mit der Begründung für unwirksam erachtet, dessen Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei dem Arbeitgeber zumutbar, so würde der tariflich unkündbare Arbeitnehmer offensichtlich allein wegen seines Sonderschutzes einen gravierenden Rechtsnachteil erleiden. Dem tariflich besonders geschützten Arbeitnehmer darf jedoch allein aus seiner Alterssicherung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsrechtlich gegenüber den sonstigen Belegschaftsmitgliedern, die noch ordentlich kündbar sind, kein Nachteil erwachsen (Schwerdtner, aaO, S. 1085). Ist allerdings der Kündigungssachverhalt so schwerwiegend, daß dem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer, wäre er noch ordentlich kündbar, fristlos gekündigt werden könnte, so fordert schon die Unabdingbarkeit des § 626 BGB, daß auch gegenüber dem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer eine außerordentliche, fristlose Kündigung möglich sein muß.
Ist danach eine fristlose Kündigung gegenüber dem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer ausgeschlossen, so ist in den Fällen, in denen bei einem kündbaren Arbeitnehmer nur eine ordentliche Kündigung in Betracht käme, weiter zu prüfen, ob bei dem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer mit Rücksicht auf die lange Bindungsdauer die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung unter Gewährung einer Auslauffrist vorliegen (vgl. dazu zuletzt Senatsurteil vom 11. März 1999 – 2 AZR 427/98 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Stellt sich bei dieser Prüfung heraus, daß dem Arbeitgeber wegen der „Unkündbarkeit“ des Arbeitnehmers dessen Weiterbeschäftigung bis zum Pensionsalter unzumutbar ist, bei unterstellter Kündbarkeit dagegen nur eine fristgerechte Kündigung zulässig wäre, muß dem Arbeitnehmer eine der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist eingeräumt werden. Es würde dem Sinn und Zweck des tariflichen Alterskündigungsschutzes widersprechen, dem altersgesicherten Arbeitnehmer eine der fiktiven Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist zu verweigern, wenn einem vergleichbaren Arbeitnehmer ohne gesteigerten Kündigungsschutz bei (theoretisch) gleichem Kündigungssachverhalt – und Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – nur fristgerecht gekündigt werden könnte (Senatsurteil vom 11. März 1999 – 2 AZR 427/98 –, aaO, m.w.N.).
Das Arbeitsgericht hat bereits auf der ersten Stufe angenommen, es habe ein wichtiger Grund vorgelegen, dem Kläger fristlos zu kündigen, weil der Beklagten nicht einmal dessen Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der „fiktiven“ Kündigungsfrist zumutbar gewesen sei. Dieser Wertung schließt sich der Senat an. Der bewirkte Vertrauensverlust hätte es der Beklagten auch im Falle eines vergleichbaren ordentlich kündbaren Arbeitnehmers gestattet, das Arbeitsverhältnis sofort zu lösen, ohne eine Kündigungsfrist zu wahren. Auf die Länge der „fiktiven“ Kündigungsfrist – sechs Monate, wie das Arbeitsgericht angenommen hat, oder aber drei Monate zum Monatsende bzw. fünf Monate zum Quartalsschluß nach § 14 Ziff. 2.1 oder 2.2 des Manteltarifvertrags für die Systemgastronomie n.F. – kommt es insoweit nicht an.
Zuzustimmen ist beiden Tatsachengerichten darin, daß einerseits dem Kläger seine lange Betriebszugehörigkeit von über 17 Jahren bei Zugang der Kündigung sowie sein für die Verhältnisse des Arbeitsmarktes ungünstiges Lebensalter von damals 47 Jahren und andererseits der Beklagten ihr erhöhtes Vertrauensbedürfnis aufgrund der ihren Kontrollmöglichkeiten weitgehend entzogenen Tätigkeit des Klägers zugute zu halten sind. Obwohl das Landesarbeitsgericht es abgelehnt hat, auch bezüglich der Mitnahme der Schinkenpackungen den dringenden Verdacht eines mindestens versuchten Diebstahls bzw. einer versuchten Unterschlagung als wichtigen Grund anzuerkennen, hat es diesen Umstand doch im Ansatz zutreffend in die Interessenabwägung einbezogen und auf diese Weise die auch bei isoliert nicht ausreichenden Kündigungsgründen erforderliche Gesamtabwägung jedenfalls angedeutet. Indem es vor allem auf den geringen Wert der Gegenstände und hinsichtlich des Schinkens auf die „Nähe zum erlaubten Verzehr“ abgestellt hat, hat es hingegen zwei Umstände außer acht gelassen. Zum einen waren dem Kläger nach der Besonderheit des konkreten Arbeitsvertrags in der von ihm eingenommenen Vertrauensstellung weit überwiegend Güter der Beklagten anvertraut, die einen derart geringen Wert aufwiesen. Die Beklagte hatte folglich ein berechtigtes Interesse daran, daß auch solches Eigentum respektiert wurde. Zum anderen war der Kläger durch Ziff. 4 bis 6 der Dienstanweisung Personalverpflegung ohne Entgelt ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden, daß nicht in Anspruch genommene Mahlzeiten – mit Ausnahme der beiden belegten Brote statt des Abendessens – nicht mitgenommen werden durften, was die Nähe zum erlaubten Tun deutlich mindert. Gerade weil die Beklagte ihren Arbeitnehmern Teile der Verpflegung ohne Bezahlung überläßt, ist sie in besonderem Maße darauf angewiesen, daß die Grenzen der Erlaubnis eingehalten werden. Dabei kann dem Landesarbeitsgericht nicht darin gefolgt werden, der aufgrund der Vorgänge vom 13. Oktober 1996 begründete Verdacht sei einmalig und berge keine Wiederholungsgefahr in sich. Wie oben ausgeführt, bewirkt der objektiv begründete und außerdem dringende Verdacht unter den vorliegenden Umständen den (irreparablen) Vertrauensverlust der Beklagten, der ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses des Klägers auch unter Berücksichtigung seiner Interessen unzumutbar macht, § 626 Abs. 1 BGB (ähnlich Senatsurteil vom 4. Juni 1964 – 2 AZR 210/63 – BAGE 16, 72, 80 f. = AP Nr. 13 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung, zu I 3 b der Gründe). Ob das Arbeitsverhältnis durch den Vorfall, der Gegenstand des Vorprozesses (– 4 Sa 76/94 –) war, und die mittlerweile entfernte Ermahnung sowie Abmahnung bereits zuvor schwerwiegend belastet war, kann daher unentschieden bleiben, ungestört verlaufen war das Arbeitsverhältnis jedenfalls nicht.
3. Da die Kündigung das Arbeitsverhältnis mit dem 23. Oktober 1996 beendet hat, braucht die Beklagte den Kläger nicht weiterzubeschäftigen. Die Klage ist daher auch insoweit vom Arbeitsgericht zu Recht abgewiesen worden.
Bitter Bröhl Dr. Fischermeier
Bensinger Rosendahl
__________
Vorinstanzen:
LAG Hamburg, Urteil vom 08.07.1998, 4 Sa 38/97
ArbG Hamburg, Urteil vom 26.03.1997, 13 Ca 521/96
> BAG, 26.09.2010 – 8 AZR 1026/12
> BAG, 16.12.2010 – 2 AZR 485/08