Kündigung eines Assistenzarztes wegen Kirchenaustritt
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.12.1984, 7 AZR 418/83
Leitsatz
Der Austritt aus der katholischen Kirche kann bei einem in einem katholischen Krankenhaus beschäftigten Assistenzarzt einen personenbedingten Grund iS des § 1 Abs 2 KSchG für eine ordentliche Kündigung darstellen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die soziale Rechtfertigung einer von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.
Die Beklagte ist eine römisch-katholische Schwesternkongregation, die durch Erlaß des Bischofs zu Ermland vom 18. März 1583 als solche anerkannt wurde und am 12. März 1602 die päpstliche Approbation erhielt. Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und in der Krankenpflege tätig. U.a. betreibt sie das St. G-Krankenhaus in Berlin. Der im Jahre 1950 geborene Kläger trat am 1. April 1980 als Assistenzarzt der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe des St. G-Krankenhauses in Berlin in die Dienste der Beklagten. Er war damals römisch-katholisch.
In dem schriftlichen Dienstvertrag der Parteien vom 8. Februar 1980 heißt es u.a.:
"Caritas ist eine der Lebens- und Wesensäußerungen der Katholischen Kirche. Der
oben genannte Rechtsträger ist dem Deutschen Caritas-Verband angeschlossen. Seine Einrichtung dient der Verwirklichung des gemeinsamen Werkes christlicher Nächstenliebe.
Alle Mitarbeiter dieser Einrichtung leisten deshalb ihren Dienst in Anerkennung dieser
Zielsetzung und bilden ohne Rücksicht auf ihre Tätigkeit und Stellung eine Dienstgemeinschaft.
Auf dieser Grundlage wird folgender Vertrag geschlossen:
§ 1
…..
Der Mitarbeiter gehört zur Dienstgemeinschaft der oben genannten Einrichtung. Er verspricht,
die ihm übertragenen Aufgaben in Beachtung der Anordnungen des Dienstgebers treu und gewissenhaft zu erfüllen.
§ 2
Für das Dienstverhältnis gelten die "Arbeitsvertragsrichtlinien für Krankenanstalten, die dem Caritasverband für Berlin e.V. angeschlossen sind" (AVR Kr. Berlin) in der zur Zeit des Vertragsabschlusses gültigen Fassung. Diese Richtlinien sind Bestandteil des Dienstvertrages und stehen dem Mitarbeiter zur Kenntnisnahme zur Verfügung.
Bei Änderungen der AVR Kr. Berlin gilt jeweils die vom Caritasverband für Berlin e.V. veröffentlichte Fassung, ohne daß es einer weiteren Vereinbarung bedarf. Auch insoweit wird dem Mitarbeiter Gelegenheit zur Kenntnisnahme gegeben."
…..
§ 4 der genannten Arbeitsvertragsrichtlinien lautet auszugsweise:
"1. Der Dienst in der katholischen Kirche fordert vom Dienstgeber und vom Mitarbeiter die Bereitschaft zu gemeinsam getragener Verantwortung und vertrauensvoller Zusammenarbeit unter Beachtung der Eigenart, die sich aus dem Auftrag der Kirche und ihrer besonderen Verfaßtheit ergibt.
2. Bei der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben sind die allgemeinen und für einzelne Berufsgruppen erlassenen kirchlichen Gesetze und Vorschriften zu beachten.
3. Der Dienst in der katholischen Kirche erfordert vom katholischen Mitarbeiter, daß er seine persönliche Lebensführung nach der Glaubens- und Sittenlehre sowie den übrigen Normen der katholischen Kirche einrichtet. Die persönliche Lebensführung des nicht katholischen Mitarbeiters darf dem kirchlichen Charakter der kirchlichen Einrichtung, in der er tätig ist, nicht widersprechen."
Der Kläger trat am 20. August 1982 aus der römisch-katholischen Kirche aus. Die Beklagte kündigte hierauf das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26. Oktober 1982 wegen des Kirchenaustritts fristgemäß zum 31. Dezember 1982.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß im St. G -Krankenhaus(auch) ärztliches und pflegerisches Personal beschäftigt wird, welches konfessionell anderweitig gebunden oder konfessionslos ist, und daß Mitarbeiter (ohne Kündigung) weiterbeschäftigt werden, die aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten sind. So sind in der Vergangenheit vier konfessionslose Ärzte eingestellt worden, darunter im Jahre 1977 der Arzt Dr. Bert R, Innere Abteilung, der im Jahr zuvor aus der katholischen Kirche ausgetreten war. Von den vier konfessionslosen Ärzten gehören zwei der gynäkologischen Abteilung an, nämlich eine Assistenzärztin und der Oberarzt Dr. Winfried H. Zu dessen Einstellung kam es, weil der Chefarzt der gynäkologischen Abteilung, ein aktives Mitglied der katholischen Kirche, die Annahme der Chefarztstelle davon abhängig gemacht hatte, "seinen" Oberarzt Dr. H mitbringen zu können. Ferner wurde ein konfessionsloser Pfleger eingestellt. Ein anderer Pfleger trat im Jahr 1981, kurz nach Ablauf seiner Probezeit bei der Beklagten, aus der katholischen Kirche aus; aus diesem Grunde wurde seine Bewerbung um eine Tätigkeit an der Krankenpflegeschule abgelehnt. Schließlich sind drei bei der Beklagten beschäftigte Krankenschwestern aus der Kirche ausgetreten, davon jedenfalls zwei während der Zeit ihres Arbeitsverhältnisses, von diesen eine aus der evangelischen Kirche.
Der Kläger hält die Kündigung für sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 KSchG. Er hat vorgetragen, er übe als Arzt keine dem Verkündigungsauftrag der Kirche verpflichtete Tätigkeit aus, er bekenne sich aber nach wie vor zu den Grundsätzen christlicher Ethik und richte sein Handeln nach wie vor danach aus. Auch respektiere er die Auffassung der Kirche zum Schutze werdenden Lebens. Im übrigen sei er bei der Beklagten mit dem Problem der Abtreibung nicht konfrontiert worden, da das Krankenhaus derartige Fälle nicht aufnehme; daher habe er bisher ethische und religiöse Grundsätze zur Frage der Abtreibung auch nicht vermitteln können.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten durch deren Kündigung vom 26. Oktober 1982 nicht beendet worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält die Kündigung für gerechtfertigt. Ihr kirchliches Selbstverständnis und ihre Glaubwürdigkeit als katholisch-kirchliche Arbeitgeberin gestatteten die Weiterbeschäftigung des Klägers, insbesondere als Arzt in der gynäkologischen Abteilung, nicht. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, er fühle sich der kirchlichen Ethik nach wie vor verbunden. Der Kirchenaustritt des seit frühester Jugend mit katholischem Gedankengut vertrauten Klägers sei Beweis dafür, daß der Kläger zu der Überzeugung gekommen sei, die römisch-katholische Kirche sei für ihn nicht mehr die richtige religiöse Heimat. Der Kirchenaustritt könne nur die Folge einer veränderten Einstellung zur katholischen Kirche und zu kirchlichen Organisationen allgemein sein. Die Beklagte habe vor Ausspruch der Kündigung durch ihren Verwaltungsdirektor in Erfahrung zu bringen gesucht, ob und in welcher Form dem Kläger bei seinen Zweifeln im Glauben geholfen werden könne. Der Kläger habe sich aber jegliche Einmischung verbeten, seine Zugehörigkeit zur Kirche sei für ihn ein abgeschlossenes Kapitel gewesen. Die Beklagte hat weiter behauptet, der Kläger sei bei seinem Einstellungsgespräch und bei Beendigung der Probezeit ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß die Beklagte von ihm als Katholiken über die fachlich-berufliche Qualifikation und Tätigkeit hinaus erwarte, daß er treu zur Kirche stehe und das kirchliche Werk im Krankenhaus mittrage. Dem habe der Kläger zugestimmt und in keinem der beiden Gespräche erkennen lassen, daß er sich gegen die Kirche erklären wolle. Die Entscheidung über die Einstellung sei nach fachlicher Überprüfung der Bewerber zugunsten des Klägers gerade im Hinblick auf dessen Glaubenszugehörigkeit gefallen. Über einen langen Zeitraum hinweg seien Kirchenaustritte von Arbeitnehmern nicht der Verwaltungsleitung gemeldet worden. Das geschehe erst seit dem Kirchenaustritt eines Pflegers im Jahre 1981; danach sei der Kläger der erste entsprechende Fall. Vor der Einstellung des konfessionslosen Oberarztes Dr. H habe sie mit diesem mehrere Gespräche geführt und ihn nach seiner Stellung zum Glauben und zur kirchlichen Bindung des St. G Krankenhauses befragt; dabei habe sich herausgestellt, daß Dr. H sich zum christlichen Glauben und seiner Tätigkeit in einem kirchlichen Krankenhaus bekannte.
Der Kläger hat entgegnet, nicht der Verwaltungsdirektor habe vor Ausspruch der Kündigung ein Gespräch mit ihm gesucht; vielmehr habe er, der Kläger, um ein Gespräch gebeten. Der Verwaltungsdirektor habe aber nur gesagt, jetzt gebe es nichts mehr zu bereden, es bleibe nur noch die Alternative Kündigung oder Auflösungsvertrag. Weder bei seiner Einstellung noch später sei über sein Verhältnis zur Kirche gesprochen worden. Der Verwaltungsdirektor der Beklagten habe lediglich beim Einstellungsgespräch darauf hingewiesen, daß man von ihm als Arzt in einem konfessionellen Krankenhaus Erfüllung der Dienstaufgaben im Geiste christlicher Humanität erwarte, daß Abtreibungen untersagt seien und bei Risikogeburten die Rücksprache mit vorgesetzten Ärzten tunlich sei. Ein weiteres Gespräch habe nicht stattgefunden. Der Beklagten seien die Einzelheiten der Kirchenaustritte ihrer Arbeitnehmer sehr wohl bekannt gewesen. Daß der Oberarzt Dr. H bei seiner Einstellung ausführlich nach seiner Stellung zum Glauben und zur kirchlichen Bindung befragt worden sei, werde bestritten.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klagabweisung weiter, während der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.
I. Der Anwendbarkeit des § 1 KSchG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien steht die durch Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) verfassungsrechtlich verbürgte Kirchenautonomie nicht entgegen.
1. Nach Art. 137 Abs. 3 WRV sind nicht nur die organisierte Kirche und deren rechtlich selbständigen Teile, sondern alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform Objekte, bei deren Ordnung und Verwaltung die Kirche grundsätzlich frei ist, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Sinn oder ihrer Aufgabe entsprechend dazu berufen sind, ein Stück Auftrag der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen (BVerfGE 46, 73, 85 ff. = AP Nr. 1 zu Art. 140 GG, zu B II 2 a der Gründe; BVerfGE 53, 366, 391 ff. = AP Nr. 6 zu Art. 140 GG, zu C I 2 der Gründe). Nach dem Selbstverständnis der katholischen Kirche beschränkt sich die Religionsausübung nicht auf den Bereich des Glaubens und des Gottesdienstes; sie umfasst auch die Freiheit und die Aufgabe, sich entsprechend ihrem missionarisch-diakonischen Auftrag in der Welt zu entfalten (BAG 29, 405, 410 = AP Nr. 10 zu § 118 BetrVG 1972, unter III 1 der Gründe; BAG 30, 247, 252 = AP Nr. 2 zu Art. 140 GG, unter A 2 der Gründe; BAG Urteil vom 4. März 1980 – 1 AZR 1151/78 – AP Nr. 4 zu Art. 140 GG, unter B I der Gründe; BAG 34, 195, 203 = AP Nr. 7 zu Art. 140 GG, unter B II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 21. Oktober 1982 – 2 AZR 591/80 – AP Nr. 14 zu Art. 140 GG, unter B I 1 der Gründe; BAG Urteil vom 30. Juni 1983 – 2 AZR 524/81 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, unter A I 1 der Gründe; Senatsurteil vom 23. März 1984 – 7 AZR 249/81 – insoweit zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, unter I 3 c aa der Gründe; Senatsurteil vom 31. Oktober 1984 – 7 AZR 232/83 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu I 1 der Gründe). Hierzu gehört insbesondere das karitative Wirken und damit auch die kirchlich getragene Krankenpflege. Ihr entspricht die Organisation des kirchlichen Krankenhauses und die auf sie gestützte, an christlichen Grundsätzen ausgerichtete umfassende Hilfeleistung für den Patienten (BVerfGE 53, 366, 393 = AP Nr. 6 zu Art. 140 GG, zu C I 2 b der Gründe).
2. Die Beklagte nimmt als Trägerin des St. G-Krankenhauses an der verfassungsrechtlich gewährleisteten Kirchenautonomie teil.
Die Teilnahme an der Kirchenautonomie des Art. 140 GG setzt voraus, daß eine Einrichtung teilhat an der Verwirklichung eines Stücks Auftrag der Kirche im Geiste christlicher Religiosität, im Einklang mit dem Bekenntnis der christlichen Kirche und in Verbindung mit den Amtsträgern der Kirche (BVerfGE 46, 73, 87 = AP Nr. 1 zu Art. 140 GG, zu B II 2 b der Gründe; 53, 366, 392 = AP Nr. 6 zu Art. 140 GG, zu C I 2 a der Gründe). Deshalb entscheiden darüber, ob die Einrichtung eine Grundfunktion der Kirche wahrnimmt, die zuständigen Repräsentanten oder Gremien der Kirche, für die katholische Kirche in diesem Fall der Bischof; denn kein Werk darf sich ohne Zustimmung der rechtmäßigen kirchlichen Autorität "katholisch" nennen. Eine karitative Einrichtung kann die verfassungsrechtlich garantierte Kirchenautonomie nur dann in Anspruch nehmen, wenn sie Wesens- und Lebensäußerung einer Kirche darstellt (BAG Urteil vom 21. Oktober 1982 – 2 AZR 591/80 – AP Nr. 14 zu Art. 140 GG, unter B I 2 a der Gründe).
Danach betreibt die Beklagte kirchlich getragene Krankenpflege. Sie ist durch den Bischof zu Ermland mit Erlaß vom 18. März 1583 anerkannt und am 12. März 1602 päpstlich approbiert worden. Seither werden die Ordensschwestern bei der Beklagten in der Krankenpflege tätig, welche nach kirchlichem Selbstverständnis zweifellos eine Wesens- und Lebensäußerung der Kirche darstellt.
3. Das Recht zur selbständigen Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheit steht der Kirche gemäß Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV jedoch nur "innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes" zu. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. die Nachweise in dem Urteil des Zweiten Senats vom 21. Oktober 1982, aaO, unter B I 3 der Gründe; Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juni 1983, aaO, unter A I 3 der Gründe; Senatsurteil vom 23. März 1984, aaO) sind die Kirchen trotz ihrer Autonomie an das für alle geltende Arbeitsrecht gebunden, wenn sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben Personen in abhängiger Stellung als Arbeitnehmer beschäftigten, und zwar auch dann, wenn die Tätigkeit des Arbeitnehmers in der Bindung an den übergeordneten Auftrag der Kirche ausgeführt wird. Demzufolge gelten für die Arbeitnehmer im Kirchendienst die staatlichen Vorschriften über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die besonderen in der Kirchenautonomie begründeten Belange des kirchlichen Arbeitgebers sind jeweils im Rahmen der für die ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG und für die außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen.
II. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine ordentliche Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam, wenn sie nicht durch Gründe in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.
1. Das Landesarbeitsgericht ist in seiner Hauptbegründung zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger als Arzt in den Diensten der Beklagten aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Pflichten nicht am Verkündigungsauftrag der katholischen Kirche teilnehme; sein Austritt aus der katholischen Kirche berühre daher deren Glaubwürdigkeit nicht und berechtige die Beklagte nicht, in Wahrung ihres Selbstverständnisses das Arbeitsverhältnis zu kündigen.
Zur Begründung seines Standpunktes hat das Landesarbeitsgericht im wesentlichen folgendes ausgeführt: Im Regelfall solle der Arzt den ihm anvertrauten Patienten unter Anwendung fachlich- medizinischer Kenntnisse und Maßnahmen von seiner Erkrankung heilen. Neben der Erfüllung dieser Aufgabe schulde der Arzt dem Patienten Zuwendung in moralisch-seelischer Hinsicht, die die medizinische Behandlung stets zu begleiten habe. Diese Doppelaufgabe folge aus dem traditionellen Selbstverständnis ärztlichen Wirkens als Dienst am Menschen und setze prinzipiell eine religiöse oder gar konfessionelle Bindung bei Ausübung des Heilberufes nicht voraus. Insbesondere hätten Nächstenliebe und Humanität auch nichtchristliche Quellen (Eid des Hippokrates; Lehre der Stoa). Der Arzt sei auch im Sinne der römisch-katholischen Kirche nur Mittler der kirchlichen Caritas; er habe jedoch in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit regelmäßig keinen Anteil an der Verkündigung. Entscheidend sei, daß er sein Fach beherrsche; Seelsorge im kirchlichen Sinne sei nicht seine Aufgabe. Allerdings sei die Kirche berechtigt, ihren Arbeitnehmern die Beachtung der wesentlichen Grundsätze ihrer Glaubens- und Sittenlehre zur Pflicht zu machen. Das sei im Streitfalle durch die Einbeziehung der "Arbeitsvertrags-Richtlinien für Krankenanstalten, die dem Caritasverband Berlin e.V. angeschlossen sind" in den Arbeitsvertrag geschehen. Deren § 4 Ziff. 3 habe den Kläger verpflichtet, seine persönliche Lebensführung nach der Glaubens- und Sittenlehre sowie den übrigen Normen der katholischen Kirche einzurichten. Gleichwohl seien der Umfang der Loyalitätspflicht und das Gewicht ihrer etwaigen Verletzung stets nach der vertraglich geschuldeten Tätigkeit des kirchlichen Mitarbeiters und deren Nähe zu spezifisch kirchlichen Aufgaben zu bestimmen. Danach habe der "bloße" Kirchenaustritt des Klägers für die Beklagte zwar Gewicht besessen, als Entscheidung der privaten Lebensführung ihre Glaubwürdigkeit aber schon deshalb nicht berührt, weil der Kläger als Arzt keine Nähe zu spezifisch kirchlichen Aufgaben gehabt habe und daher nicht mit der Kirche zu identifizieren gewesen sei. Der Umstand, daß es sich bei dem Kläger um einen Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe handele, fordere keine andere Beurteilung. Denn der Kläger habe glaubwürdig bekundet, daß er die Grundsätze der römisch-katholischen Kirche im Problemfeld der Schwangerschaftsunterbrechung anerkenne. Die Beklagte habe keinen einzigen konkreten Vorfall genannt, der ihre Glaubwürdigkeit oder diejenige des Klägers in Zweifel ziehen könne. Weder in dem schriftlichen Arbeitsvertrag noch in den Gesprächen der Parteien bei Abschluß des Arbeitsvertrages sei die Zugehörigkeit des Klägers zur römisch-katholischen Kirche zu einer rechtserheblichen Wirksamkeitsvoraussetzung gemacht worden.
2. In einer Hilfsbegründung hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, selbst wenn man annähme, der Kläger habe als Arzt irgendwie an der kirchlichen Verkündigung teil, sei die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Beklagten nicht berührt worden. Selbstverständnis und Glaubwürdigkeit der Beklagten dürften nicht abstrakt, sondern müßten konkret in ihrer Außenwirkung gesehen und gewertet werden. Soweit für bestimmte Funktionen auch konfessionslose oder andersgläubige Arbeitnehmer beschäftigt würden, gebe die Kirche in objektivierbarer Weise selbst zu erkennen, daß das jeweilige Religionsbekenntnis des Arbeitnehmers für die Ausübung der jeweiligen Tätigkeit von untergeordneter, jedenfalls für ihre Glaubwürdigkeit und ihr Selbstverständnis nicht von ausschlaggebender Bedeutung sei. Auf die – sehr oft sachlich überzeugenden – Gründe für diese "Kompromißhaltung" der Kirche komme es wegen der Außenwirkung personeller Maßnahmen und der damit verbundenen Glaubwürdigkeit eines kirchlichen Arbeitgebers nicht an. Zwar sei der Kläger im Gegensatz zu anderen konfessionslosen Ärzten bei der Beklagten während des Arbeitsverhältnisses aus der Kirche ausgetreten, was eine gewisse, das Selbstverständnis der Beklagten berührende Demonstrationswirkung habe; doch wirke dieses private Verhalten auf die Tätigkeit des Klägers im Krankenhaus nicht in einer Weise ein, die den Zweck des ärztlichen Wirkens wesentlich erschweren oder gar unmöglich machen würde. Dabei sei zu berücksichtigen, daß die Beklagte in Berlin in der Diaspora lebe und arbeite; der Kirchenaustritt eines Arztes könne daher ihr Selbstverständnis im weltlichen Umfeld nicht ernstlich berühren.
III. Soweit dieser Würdigung tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, ist der Senat nach § 561 Abs. 2 ZPO hieran gebunden, weil die Beklagte keine durchgreifenden Verfahrensrügen im Sinne von § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO erhoben hat.
Der Senat hat die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen geprüft und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß diese teils unzulässig, teils unbegründet sind. Von einer Begründung der Entscheidung wird insoweit gemäß § 565 a ZPO abgesehen.
IV. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes, die vom Revisionsgericht grundsätzlich nur darauf nachgeprüft werden kann, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt ist, ob bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob bei der Interessenabwägung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind (vgl. BAG 1, 99 = AP Nr. 5 zu § 1 KSchG; BAG 1, 117 = AP Nr. 6 zu § 1 KSchG; seitdem ständige Rechtsprechung). Auch bei Anwendung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs hält das angefochtene Urteil der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 30, 247, 256 und BAG 34, 195, 204 = AP Nr. 2 und 7 zu Art. 140 GG; sowie weitere Nachweise in dem Urteil vom 21. Oktober 1982, aaO, unter B II 2 a der Gründe; Senatsurteile vom 23. März 1984 – 7 AZR 249/81 -, aaO, unter I 3 c bb der Gründe und zuletzt vom 31. Oktober 1984 – 7 AZR 232/83 -, zur Veröffentlichung vorgesehen) können die Kirchen kraft ihres Selbstbestimmungsrechts in ihren karitativen und erzieherischen Einrichtungen die von ihrer Sendung her gebotenen Voraussetzungen für die Loyalitätsobliegenheiten der im kirchlichen Dienst tätigen, an der Verkündigung – wenn auch abgestuft – teilhabenden Arbeitnehmer festlegen. Das folgt aus der zur Vermeidung der Unglaubwürdigkeit der Kirchen gebotenen Untrennbarkeit von Dienst und Verkündigung im karitativen und erzieherischen Bereich. Bei der Arbeit im Dienste kirchlicher Einrichtungen, jedenfalls soweit sie das kirchliche Selbstverständnis verwirklichen, stehen zwei Aspekte nebeneinander: das Vertrauensmoment zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses und das Ansehen sowie die Glaubwürdigkeit der kirchlichen Einrichtung allgemein und gegenüber denen, die sie in Anspruch nehmen. Der Träger einer kirchlichen Einrichtung kann darauf bestehen, daß die für ihn handelnden Personen jene Grundsätze, die sie darstellen sollen, selbst beachten. Der Arbeitnehmer, der durch seine vertragliche Arbeitsleistung Funktionen der Kirche wahrnimmt und an der Erfüllung ihres Auftrags mitwirkt, macht sich für die Wahrnehmung der von ihm arbeitsvertraglich übernommenen Aufgaben ungeeignet, wenn er seine Lebensführung im außerdienstlichen Bereich nicht so einrichtet, daß sie den grundlegenden Gesetzen der Kirche entspricht.
2. Eine derartige, auch in die private Lebensführung hineinreichende Loyalitätsobliegenheit ist nicht ohne weiteres mit jedem Arbeitsverhältnis zu einer kirchlichen Einrichtung verbunden. Nicht jede Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis zur Kirche hat eine solche Nähe zu spezifisch kirchlichen Aufgaben, daß der die Tätigkeit ausübende Arbeitnehmer mit der Kirche identifiziert wird, wenn er sich in seiner Lebensführung nicht an die tragenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre hält. Die Loyalitätsobliegenheiten entsprechen daher der übertragenen Aufgabe.
Gesteigerte Anforderungen an die private Lebensführung des Arbeitnehmers können vom Arbeitgeber nur gestellt werden, wenn das außerdienstliche Verhalten Rückwirkungen auf das Arbeitsverhältnis mit sich bringt. An diesen allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsatz muß sich auch die Kirche halten, wenn sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben Personen als Arbeitnehmer beschäftigt. Die verfassungsrechtlich gewährleistete Kirchenautonomie, die nur in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes besteht, wird dadurch nicht berührt. Namentlich wird die Kirche nicht in der Erfüllung ihres Heilauftrags in der Welt beschränkt. Soweit die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung es erfordert, kann sie auch von ihren Arbeitnehmern die Beachtung der wesentlichen Grundsätze ihrer Glaubens- und Sittenlehre verlangen. Diese differenzierte Sicht entspricht einer inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 34, 195 = AP Nr. 7 zu Art. 140 GG; Urteil vom 21. Oktober 1982, aaO, unter B II 2 b der Gründe; Urteil vom 30. Juni 1983, aaO, unter A III 2 der Gründe; Senatsurteil vom 23. März 1984, aaO, und Senatsurteil vom 31. Oktober 1984 – 7 AZR 232/83 -, aaO; vgl. auch Rüthers in Rüthers/Savatier/Fontaine/Richardi, Die Kirchen und das Arbeitsrecht in der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich, 1984, S. 10 ff.).
Für die Frage, ob der kirchliche Arbeitgeber einem Arbeitnehmer besondere Loyalitätsobliegenheiten auferlegen kann, die dieser auch in seiner privaten Lebensführung zu beachten hat, kommt es daher auf die dem Arbeitnehmer übertragene Tätigkeit und ihre Nähe zu den spezifisch kirchlichen Aufgaben an. Es ist entscheidend darauf abzustellen, ob der diese Tätigkeit ausübende Arbeitnehmer mit der Kirche identifiziert wird und die Glaubwürdigkeit der Kirche durch einen Verstoß dieses Arbeitnehmers gegen wesentliche Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre bei einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers berührt wird.
3. Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers eine solche Nähe zu spezifisch kirchlichen Aufgaben hat, daß die Glaubwürdigkeit der Beklagten durch den Kirchenaustritt des Klägers in Frage gestellt wird. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Da das Landesarbeitsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – bislang noch keine an den Besonderheiten des Einzelfalles orientierte Interessenabwägung vorgenommen hat und es hierzu noch tatsächlicher Feststellungen bedarf, war der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
a) Als Assistenzarzt wirkte der Kläger unmittelbar an der Verwirklichung der karitativen Aufgabe des von der Beklagten getragenen Krankenhauses mit.
In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur ist umstritten, ob der an einem konfessionellen Krankenhaus angestellte Assistenzarzt maßgeblich die religiösen Zielsetzungen verwirklicht. Es wird teilweise die Auffassung vertreten, er erbringe nur allgemeine Arbeitsleistungen im Rahmen der kirchlichen Einrichtung, die nicht spezifisch auf die Kirche ausgerichtet seien und ebenso in anderen Einrichtungen erbracht werden könnten (Arbeitsgericht Köln Urteil vom 14. Juli 1976, EzA § 1 KSchG Tendenzbetrieb Nr. 2; KR-Wolf, 2. Aufl., Allgemeine Grundsätze Rz 405; Ruland, NJW 1980, 89, 96). Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat diese Frage in dem Urteil vom 21. Oktober 1982 – 2 AZR 591/80 – (aaO = DB 1983, 2778 = BB 1983, 2052, unter B II 2 b der Gründe) offengelassen. Nach der Ansicht des erkennenden Senats gehören die mit ärztlichen und pflegerischen Aufgaben beschäftigten Mitarbeiter eines kirchlichen Krankenhauses grundsätzlich zu solchen Arbeitnehmern, die durch ihre vertragliche Arbeitsleistung Funktionen der Kirche im karitativen Bereich wahrnehmen. Dies gilt auch für Assistenzärzte, jedenfalls sofern sie – wie hier – ihre ärztlichen Aufgaben unmittelbar am Patienten ausüben. Die Tätigkeit des Assistenzarztes beschränkt sich nicht auf die äußerliche Behandlung und Versorgung des Patienten. Sie erschöpft sich auch nicht in der technischen Anwendung von medizinischen Apparaten und der Durchführung therapeutischer Maßnahmen. Vielmehr steht dem Arzt "der ganze Mensch" in seiner besonderen, oft sogar lebensbedrohlichen Situation als Krankenhauspatient gegenüber, der auch der menschlichen Zuwendung und Hilfe des Arztes bedarf. Gerade hierbei kann der katholisch-kirchliche Charakter des Krankenhauses deutlich werden. Glaubensverkündigung geschieht nicht nur unmittelbar durch Wort und Schrift, sondern wesentlich auch durch praktisches Handeln, namentlich im Dienst am leidenden oder sonstwie hilfsbedürftigen Menschen. Der kirchliche Krankenhausträger will in Erfüllung des christlichen Gebots der Nächstenliebe tätig werden. Er übt damit eine kirchliche Grundfunktion aus. Der in seinem Krankenhaus geleistete Dienst am kranken Menschen ist eine Lebens- und Wesensäußerung der Kirche, die als solche auch in Erscheinung treten soll. Es soll deutlich werden, daß hier nicht nur aus allgemeiner sozialer Einstellung und Mitmenschlichkeit kranken Menschen Hilfe geboten wird, sondern daß dies als Ausdruck gelebten Glaubens geschieht. Der Glaube der Kirche soll für den kranken Menschen durch die ihm im Krankenhaus geleistete Hilfe erfahrbar werden. Ein katholisch-kirchliches Krankenhaus kann katholischen Glauben letztlich nur durch seine katholischen Mitarbeiter erfahrbar machen. Das setzt voraus, daß diese zu ihrer Kirche stehen und die wesentlichen Grundsätze ihrer Glaubens- und Sittenlehre beachten. Daran hat der katholische Krankenhausträger ein legitimes, verfassungsrechtlich geschütztes Interesse.
Als katholischer Assistenzarzt war der Kläger nach dem Gesagten unmittelbar in den Verkündigungsauftrag der Beklagten einbezogen. Der katholische Assistenzarzt an einem katholischen Krankenhaus kann nur dann die vom Krankenhausträger erstrebte Verkündigung glaubhaft vermitteln, wenn er sich selbst zur katholischen Kirche bekennt. Es genügt nicht, daß er ein Bekenntnis zu den Grundsätzen christlicher Ethik abgibt und die Auffassung der Kirche respektiert. Denn nach katholischem Verständnis kann nur innerhalb der katholischen Kirchengemeinschaft dem katholischen Bekenntnis entsprechend gelebt und gehandelt werden. Ähnlich wie es an den katholischen Bekenntnisschulen maßgebend auf die religiöse Einstellung der Lehrer ankommt (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 31. Oktober 1984, aaO, mit Nachweisen), bestimmen religiöse Einstellung und Handlungsweise der Ärzte Geist und Glaubwürdigkeit der karitativen Einrichtung. Der Erfolg der karitativen Arbeit als besonderer Form der Glaubensverkündigung eines katholischen Krankenhauses gegenüber Patienten und Außenstehenden hängt eben maßgeblich davon ab, daß sich die dort tätigen katholischen Ärzte in ihren Verhaltensweisen an den von dem Krankenhaus verfolgten grundlegenden Glaubens- und Wertvorstellungen orientieren.
b) Das Landesarbeitsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß dem Kläger durch die arbeitsvertragliche Einbeziehung der "Arbeitsvertragsrichtlinien für Krankenanstalten, die dem Caritasverband für Berlin e.V. angeschlossen sind", insbesondere durch die Regelungen in § 4 Ziff. 3, die Beachtung der wesentlichen Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre in seiner persönlichen Lebensführung auferlegt worden ist. Aufgrund der vom Kläger wahrgenommenen Aufgabenstellung drückt der Arbeitsvertrag lediglich aus, was auch ohne ausdrückliche Regelung Inhalt des Arbeitsverhältnisses ist. Dem Landesarbeitsgericht kann aber nicht darin gefolgt werden, der "bloße" Kirchenaustritt des Klägers berühre als Entscheidung der privaten Lebensführung gleichwohl die Glaubwürdigkeit der Beklagten nicht, weil der Kläger als Arzt keine Nähe zu spezifisch kirchlichen Aufgaben gehabt habe. Als Assistenzarzt wirkte der Kläger – wie dargelegt wurde – unmittelbar am Verkündigungsauftrag der Kirche mit. Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt.
c) Der Kirchenaustritt berührt die Glaubwürdigkeit und damit die Eignung des am Verkündigungsauftrag teilhabenden kirchlichen Arbeitnehmers in besonders starker Form. Der Austritt aus der verfaßten Kirche macht in einer keine andere Auslegung zulassenden Weise deutlich, daß der Austretende mit der aktiv tätigen Glaubensgemeinschaft bricht (BAG Urteil vom 4. März 1980 – 1 AZR 1151/78 – AP Nr. 4 zu Art. 140 GG, unter B II 1 der Gründe). Mit dem Kirchenaustritt verweigert das Kirchenmitglied die Erfüllung seiner Grundpflichten gegenüber der Kirche (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 1984, S. 61 ff.; derselbe, ZfA 1984, 109, 128). Der Kirchenaustritt eines kirchlichen Mitarbeiters kann einen die ordentliche Kündigung rechtfertigenden Kündigungsgrund darstellen, wenn der kirchliche Mitarbeiter kraft seiner arbeitsvertraglichen Aufgabenstellung Funktionen der Kirche wahrzunehmen hat (vgl. Rüthers, aaO, S. 14 f.; a.A. Jurina, Kirchenfreiheit und Arbeitsrecht in Festschrift für Johannes Broermann, 1982, S. 797, 807).
d) Die Beschäftigung von konfessionslosen Ärzten, Schwestern und Pflegern im St. G-Krankenhaus bedeutet entgegen der Ansicht des Klägers nicht, daß der Kirchenaustritt für seine Eignung keine Bedeutung habe. Besonders in Gebieten mit nur geringem katholischen Bevölkerungsanteil wie in Berlin ist ein katholisch-kirchlicher Krankenhausträger in weitem Umfang auf die Mitarbeit nichtkatholischer Arbeitnehmer angewiesen, um einen Krankenhausbetrieb überhaupt ordnungsgemäß führen zu können, weil katholische Fachkräfte nicht in der erforderlichen Zahl zur Verfügung stehen. Aus der Beschäftigung auch konfessionsloser Mitarbeiter läßt sich daher nur entnehmen, daß die Beklagte auch solche Arbeitnehmer für geeignet hält, an ihrem karitativen Auftrag mitzuwirken, wenn sie den besonderen Charakter des Krankenhauses respektieren. Diese Arbeitnehmer stehen im Gegensatz zu katholischen Ärzten, Schwestern und Pflegern nicht unmittelbar in der katholischen Glaubensverkündigung. Gerade weil die Beklagte aber in weitem Umfange auf die Mitarbeit nichtkatholischer Arbeitnehmer angewiesen ist, muß sie darauf achten, daß die katholischen Träger der Glaubensverkündigung nicht ihre Eignung für diese Aufgabe verlieren. Anderenfalls könnte auf Dauer gesehen der katholische Charakter der von der Beklagten getragenen Einrichtung insgesamt verloren gehen.
e) Deshalb kann auch den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Situation der Beklagten in der Diaspora nicht gefolgt werden. Hier bestehen keine geringeren Anforderungen an die Glaubwürdigkeit einer konfessionellen Einrichtung. Das Landesarbeitsgericht verkennt auch, daß es nicht auf die Zahl derjenigen ankommt, die die Glaubwürdigkeit der Kirche als erschüttert ansehen.
V. Da der Kirchenaustritt des Klägers an sich geeignet ist, einen personenbedingten Grund für die von der Beklagten erklärte ordentliche Kündigung darzustellen, bedarf es einer an den Besonderheiten des Einzelfalles orientierten Interessenabwägung. Da es hierzu noch tatsächlicher Feststellungen bedarf, war der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits wird das Landesarbeitsgericht insbesondere folgendes zu berücksichtigen haben:
1. Es bedurfte vor Ausspruch der Kündigung keiner Abmahnung, da besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als entbehrlich angesehen werden durfte (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Senatsurteil vom 31. Oktober 1984 – 7 AZR 323/83 – und das Senatsurteil vom 18. Januar 1980 – 7 AZR 75/78 – AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, unter 2 a der Gründe m.w.N.). Ein Kirchenaustritt berührt nicht nur den Leistungs-, sondern auch den Vertrauensbereich. Das durch den Kirchenaustritt gestörte Vertrauensverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien steht dem Erfordernis einer vorherigen Abmahnung entgegen. Selbst bei einem infolge einer Abmahnung vorgenommenen Wiedereintritt in die Kirche muß der kirchliche Arbeitgeber befürchten, daß der Arbeitnehmer nicht in freier Selbstbestimmung, sondern nur unter Druck erneut Mitglied der Kirche geworden ist.
2. Auch bei personenbedingten Kündigungsgründen der vorliegenden Art ist die ordentliche Kündigung nur dann gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des Einzelfalles zugunsten des Arbeitgebers ausfällt.
Der Senat kann die von den Vorinstanzen – von deren Standpunkt aus zu Recht – unterlassene Interessenabwägung nicht selbst nachholen. Der Sachverhalt ist nicht vollständig aufgeklärt. Es fehlt bereits an der Feststellung der bei einer Interessenabwägung zu berücksichtigenden Sozialdaten des Arbeitnehmers (insbesondere Anzahl der unterhaltspflichtigen Personen). Von Bedeutung bei der Interessenabwägung ist auch die Frage, wie es die Beklagte vor der Kündigung des Klägers im Falle von Kirchenaustritten der von ihr beschäftigten Mitarbeiter im ärztlichen und pflegerischen Bereich gehalten hat. Dazu bedarf es noch entsprechender Tatsachenfeststellungen. In diesem Zusammenhang muß auch der Behauptung des Klägers nachgegangen werden, die Beklagte habe bei der im Jahre 1977 erfolgten Einstellung des Arztes Dr. R davon Kenntnis gehabt, daß dieser ein Jahr zuvor aus der katholischen Kirche ausgetreten war. Sollte die Beklagte bisher die ihr bekannt gewordenen Austritte aus der katholischen Kirche insbesondere im ärztlichen Bereich ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen hingenommen haben, so könnte dies – je nach den Gründen für ein solches Verhalten – ein Anzeichen dafür sein, daß sie selbst dem Austritt eines ihrer Ärzte aus der katholischen Kirche für dessen weitere Eignung, in ihrem Krankenhaus ärztlich tätig zu sein, kein entscheidendes Gewicht beimißt.
Dr. Seidensticker Roeper Dr. Becker
Dr. Sponer Metzinger
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Vorinstanzen:
LAG Berlin, Urteil vom 24.06.1983, 2 Sa 15/83
ArbG Berlin, Urteil vom 19.01.1983, 33 Ca 110/82
Nachgehend:
LAG Berlin, Urteil vom 19.07.1985, 2 Sa 12/85