BAG – 2 AZR 43/96

Anfechtung eines in der Revisionsinstanz geschlossenen Vergleichs wegen arglistiger Täuschung

Bundesarbeitsgericht,  Urteil vom 15.05.1997, 2 AZR 43/96

Leitsätze des Gerichts

  1. Wird ein in der Revisionsinstanz abgeschlossener Vergleich angefochten, so ist der Streit um dessen Wirksamkeit in Fortsetzung des Revisionsverfahrens auszutragen (im Anschluß an BAGE 9, 319 = AP Nr. 8 zu § 794 ZPO).
  2. Hat die Anfechtung des Revisionsklägers Erfolg und liegen zugleich Wiederaufnahmegründe gemäß § 580 Nr. 7b ZPO vor, so sind diese im weiteren Revisionsverfahren trotz § 561 ZPO zu berücksichtigen.
  3. Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einem Schwerbehinderten scheitert nicht daran, daß das Kündigungsschreiben vor der Zustellung des Zustimmungsbescheids der Hauptfürsorgestelle abgesandt wurde, wenn es dem Schwerbehinderten erst nach der Zustellung des Bescheids zuging.

Tenor

  1. Es wird festgestellt, daß der Rechtsstreit durch den am 22. Februar 1990 abgeschlossenen Vergleich nicht beendet ist.
  2. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 10. Mai 1989 – 2 (3) Sa 157/88 – aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Der schwerbehinderte Kläger war seit 1. September 1981 Angestellter und seit 1. Januar 1984 Leiter der Bezirksdirektion R… im Versicherungsunternehmen der Beklagten. Zwischen den Parteien entstanden Differenzen wegen Provisionsabrechnungen. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 8. Februar 1988, vom 20. April 1988 und vom 10. Mai 1988 außerordentliche Kündigungen des Arbeitsverhältnisses erklärt, die der Kläger im arbeitsgerichtlichen Verfahren angegriffen hat, die Kündigung vom 8. Februar 1988 u.a. mit dem Argument, sie sei von der Beklagten vor Zustellung des Bescheids der Hauptfürsorgestelle ausgesprochen worden.

Streitig war und ist insbesondere, ob der Kläger im sogenannten Fall “E…” die Beklagte zur Auszahlung einer nicht geschuldeten bzw. überhöhten Provision veranlaßt hat, ob er diese Provision selbst behalten oder an den Zeugen M… weitergeleitet hat und insoweit, ob der Kläger den Zeugen nachträglich zur Ausstellung einer inhaltlich unrichtigen, auf den 30. März 1987 zurückdatierten Quittung überredet hat.

Nachdem das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen hatte, beendeten die Parteien das Verfahren (Az.: 2 AZR 385/89) zunächst in der mündlichen Verhandlung vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts am 22. Februar 1990 im Wege des Vergleichs:

  1. Die Parteien sind sich darüber einig, daß das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Dezember 1988 beendet worden ist.
  2. Die Parteien sind sich weiter darüber einig, daß der Beklagten keine Rückforderungsansprüche aufgrund der für die Zeit bis 30. April 1989 gezahlten Leistungen an den Kläger zustehen.
  3. Der Kläger verzichtet auf seine, bezogen auf das Storno-Rücklagenkonto, bestehenden Ansprüche zugunsten der Beklagten. Die Beklagte nimmt diesen Verzicht hiermit an.
  4. Damit sind alle gegenseitigen Forderungen der Parteien erledigt.
  5. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Diesen Vergleich hat der Kläger mit Schreiben vom 17. Januar 1996 wegen arglistigerTäuschung angefochten. Mit Schriftsatz vom selben Tag hat er Terminsbestimmung zur Fortsetzung des Verfahrens beantragt.

Er hat vorgetragen, der Vergleich sei unter Ausnutzung falscher Zeugenaussagen zustande gekommen, wobei die Beklagte ihn, den Kläger, über ihren Wissensstand arglistig getäuscht habe. Durch neu aufgetauchte Urkunden werde insbesondere belegt, daß die Zeugen M… und B… wahrheitswidrig die Rückdatierung der Provisionsquittung vom 30. März 1987 bekundet hätten und daß der Zeuge Müller den Erhalt des quittierten Betrages fälschlich abgeleugnet habe. Die Beklagte habe diese ihm zuvor nicht erinnerlichen, erst am 30. Januar 1995 bzw. bei weiteren Nachforschungen wieder bekannt gewordenen Urkunden und damit die Falschaussagen der Zeugen gekannt. Insbesondere müsse sie sich die Kenntnis ihres Mitarbeiters A… zurechnen lassen. Der Vergleich vom 22. Februar 1990 sei auf der Grundlage des Beweisergebnisses II. Instanz und angesichts der Tatsache geschlossen worden, daß der Zeuge B… seine Falschangaben in einem Strafverfahren gegen den Zeugen M… vor dem Amtsgericht Reutlingen am 4. Dezember 1989 noch durch einen Eid bekräftigt habe. Den Vergleich hätte er, der Kläger, nicht geschlossen, wenn die Verstrickung der Beklagten in die Falschaussagen ihrer Kronzeugen schon damals bekannt gewesen wäre. Die Beklagte habe zudem, unter anderem durch Initiierung einer Vielzahl von letztlich eingestellten Straf- und Steuerstrafverfahren, seine wirtschaftliche Existenz mit sittenwidrigen Mitteln unter gleichzeitigem systematischen Rufmord zerstört. Auch aus § 826 BGB sei die Beklagte zur Beseitigung des Vergleichs verpflichtet bzw. dieser sei bereits gemäß § 138 BGB nichtig.

Der Kläger hat beantragt:

  1. Es wird festgestellt, daß der Rechtsstreit durch den am 22. Februar 1990 abgeschlossenen Vergleich nicht beendet ist.
  2. Es wird festgestellt, daß die fristlosen Kündigungen der Beklagten vom 8. Februar 1988/20. April 1988/10. Mai 1988 rechtsunwirksam sind.
  3. Hilfsweise zu Ziff. 1:
    Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, einer Aufhebung des Vergleichs zum 22. Februar 1990 zuzustimmen.
  4. Hilfsweise zu Ziff. 2:
    Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.


Die Beklagte hat beantragt:

Der Feststellungsantrag Ziff. 1 wird zurückgewiesen.
Hilfsweise: Die Revision wird zurückgewiesen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe eine für den Vergleichsabschluß ursächliche Täuschung selbst dann nicht ausreichend dargelegt, wenn man im tatsächlichen Bereich von seinem Standpunkt ausgehe: Der Kläger habe dann bei Abschluß des Vergleichs gewußt, daß die Quittung des Zeugen M… nicht zurückdatiert gewesen sei und daß die Zeugen M… und B… falsch ausgesagt hätten; es sei nicht nachvollziehbar, welche zusätzliche Täuschungsqualität die angebliche Kenntnis der Beklagten von diesen Umständen gehabt haben solle. Im übrigen seien die Schreiben vom 3. April 1987 und vom 17. Juli 1987 nicht in den vom Kläger bezeichneten Aktenordnern und auch das Schreiben des Abteilungsleiters A… vom 19. Mai 1987, das echt zu sein scheine, habe sich in den vorhandenen Akten und Unterlagen nicht finden lassen. Über Herrn A…, der nur vom 1. April 1987 bis 30. September 1988 beschäftigt gewesen sei, habe es Beschwerden wegen mangelhaften Informationsverhaltens gegeben. Alle übrigen vom Kläger genannten Personen hätten von den fraglichen Schreiben keine Kenntnis gehabt. Im übrigen bleibe sie dabei, daß der Zeuge M… die Provision “E…” nicht erhalten habe und die Quittung des Zeugen von diesem auf Veranlassung des Klägers zurückdatiert worden sei. Die angebliche Restzahlung an Frau J… sei nicht erklärlich, wenn die Provisionen, wie der Kläger mehrfach vorgetragen habe, ohnehin ihm zugeflossen seien.

 

Entscheidungsgründe


I. Die Anträge des Klägers sind zulässig.

Der Kläger kann für die angestrebte Beseitigung des Vergleichs vom 22. Februar 1990 nicht auf eine Restitutionsklage gemäß § 580 ZPO verwiesen werden. Eine solche Klage ist nur gegen ein rechtskräftiges Endurteil, nicht aber gegenüber einem Vergleich zulässig (vgl. BSG Urteil vom 9. Juli 1968 – 10 RV 135/66 – AP Nr. 1 zu § 578 ZPO).

Der Streit um die Wirksamkeit eines angefochtenen Prozeßvergleichs ist in demselben Verfahren auszutragen und zwar unter Fortsetzung des Verfahrens in der Instanz, in der der Vergleich geschlossen wurde. Dies gilt auch dann, wenn der Vergleichsschluß erst in der Revisionsinstanz erfolgte (vgl. BAGE 9, 319 = AP Nr. 8 zu § 794 ZPO). Daß notfalls die Anfechtungsgründe in der Revisionsinstanz durch Beweisaufnahme geklärt werden müssen, steht dem nicht entgegen (BAG, aaO).

II. Der Hauptantrag 1. des Klägers ist auch sachlich begründet. Unter Würdigung des beiderseitigen Sachvortrags hat der Senat davon auszugehen, daß der Kläger von der Beklagten durch arglistige Täuschung zum Abschluß des Vergleichs vom 22. Februar 1990 bestimmt wurde (§ 123 Abs. 1 BGB), was der Kläger frist- und formgerecht durch Anfechtung geltend gemacht hat (§§ 124 Abs. 1 und 2, 143 Abs. 1 und 2 BGB); gemäß § 142 Abs. 1 BGB ist deshalb der Vergleich nichtig und hat den Rechtsstreit nicht beendet.

1. Gemäß § 123 BGB kann auch ein gerichtlicher Vergleich angefochten werden, wenn eine Partei vom Prozeßgegner oder einem Dritten, dessen Verhalten sich der Prozeßgegner zurechnen lassen muß, durch arglistige Täuschung zum Abschluß des Vergleichs bestimmt worden ist. Dies folgt aus der Doppelnatur des Prozeßvergleichs (vgl. BGH Urteil vom 24. Oktober 1984 – IVb ZR 35/83 – NJW 1985, 1962, 1963; Staudinger/Marburger, BGB, 12. Aufl., § 779 Rz 84, 103; RGRK-Steffen, BGB, 12. Aufl., § 779 Rz 55, 59). § 779 BGB schließt die Anfechtung gemäß § 123 BGB nicht aus (vgl. Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 123 Rz 17; Staudinger/Marburger, aaO, Rz 75; RGRK-Steffen, aaO, Rz 51). Die Anfechtung kann sich auch auf die beim Vergleichsabschluß bestrittenen und zweifelhaften Punkte beziehen, denn im Unterschied zur Irrtumsanfechtung bildet jede arglistige Täuschung, die den Getäuschten zum Abschluß eines Vergleichs bestimmt hat, den er mit diesem Inhalt ohne die Täuschung nicht abgeschlossen haben würde, einen Anfechtungsgrund. Dabei ist der nach § 123 BGB notwendige Kausalzusammenhang schon dann zu bejahen, wenn die getäuschte Partei nur mit einer Täuschung in einem bestimmten Umfange gerechnet hat, später sich aber herausstellt, daß die Täuschung wesentlich weiter ging. Er ist jedoch zu verneinen, wenn die getäuschte Partei den Vergleich ohne Rücksicht auf den Umfang der Täuschung abgeschlossen hat, oder wenn sie den Umfang der Täuschung erkannt und sich dennoch – in zutreffender Kenntnis des Sachverhalts – zum Abschluß des Vergleichs entschlossen hat (BGH Urteile vom 7. Februar 1953 – II ZR 213/52 – DB 1953, 272; vom 27. April 1972 – II ZR 150/68 – WM 1972, 1443; vom 23. Oktober 1975 – II ZR 109/74 – DB 1976, 141). Im Verschweigen von Tatsachen bzw. im Unterlassen einer Aufklärung kann allerdings eine zur Anfechtung berechtigende Täuschung nur dann liegen, wenn eine Offenbarungspflicht besteht, etwa weil das Verschweigen gegen Treu und Glauben verstößt und der Vertragspartner unter den gegebenen Umständen die Mitteilung der verschwiegenen Tatsachen hätte erwarten dürfen (vgl. BGH Urteil vom 27. April 1972, aaO, m.w.N.; Staudinger/Dilcher, aaO, Rz 7 ff., m.w.N.; RGRK-Krüger-Nieland, BGB, 12. Aufl., § 123 Rz 16 und 18, m.w.N.).

Die Täuschung durch einen Dritten kann genügen. Bei außenstehenden Dritten ist dies dann der Fall, wenn der Erklärungsempfänger die Täuschung kannte oder kennen mußte (§ 123 Abs. 2 Satz 1 BGB). Kein Dritter in diesem Sinne ist derjenige, den der Erklärungsempfänger als Verhandlungsführer oder Verhandlungsgehilfen zugezogen hatte. Für dessen Täuschung hat der Erklärungsempfänger bereits gemäß § 278 BGB einzustehen, so daß die Anfechtungsmöglichkeit ohne Rückgriff auf § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB schon gemäß § 123 Abs. 1 BGB besteht (vgl. Staudinger/Dilcher, aaO, Rz 34, m.w.N.; RGRK-Krüger-Nieland, aaO, Rz 57, m.w.N.). Letzteres wird ferner für sonstige Vertrauenspersonen des Erklärungsempfängers angenommen bzw. für Personen, bei denen die Beziehungen zum Erklärungsempfänger im Einzelfall so eng sind, daß der Erklärungsempfänger die Täuschung die eine eigene zu vertreten hat (vgl. RGRK-Krüger-Nieland, aaO, Rz 58 und Erman/Brox, BGB, 9. Aufl., § 123 Rz 34, jeweils m.w.N.).

Für die Annahme einer Täuschung ist allerdings in jedem Fall Vorsatz erforderlich, wobei bedingter Vorsatz genügt. Nicht ausreichend ist bloße Fahrlässigkeit, selbst wenn es sich um grobe Fahrlässigkeit handelt. Voraussetzung ist das Bewußtsein, daß der Vertragspartner ohne die Täuschung die Willenserklärung möglicherweise nicht oder nicht so abgegeben hätte (vgl. BGH Urteil vom 21. Juni 1974 – V ZR 15/73 – NJW 1974, 1505, 1506, m.w.N.; Staudinger/Dilcher, aaO, Rz 23, m.w.N.; RGRK-Krüger-Nieland, aaO, Rz 10 bis 12, m.w.N.). Dies gilt auch im Fall des Verschweigens von Tatsachen (BGH Urteil vom 27. April 1972, aaO; Staudinger/ Dilcher, aaO, m.w.N.; RGRK-Krüger-Nieland, aaO, Rz 16, m.w.N.).

Die Darlegungs- und Beweislast für die eine vorsätzliche Täuschung begründenden Umstände sowie deren Ursächlichkeit für die angefochtene Willenserklärung trägt der Anfechtende; das gilt auch, soweit es um eine Täuschung durch arglistiges Verschweigen geht (vgl. RGRK-Krüger-Nieland, aaO, Rz 68 f., m.w.N.).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der Kläger die Anfechtung des Vergleichs auf den angeblich bewußt falschen Vortrag der Beklagten, die von dem Kläger im Fall “E…” veranlaßte Provisionszahlung sei überhöht gewesen, nicht stützen.

Der Nachtrag zum Mitarbeitervertrag mit Frau J… vom 23. Mai/18. Juni 1984 ist insoweit schon nicht aussagekräftig. Er betrifft die Agentur J…, nicht den Kläger. Den Kläger würde dieser Nachtrag allenfalls dann betreffen, wenn zum einen über die Agentur J… nur die Provisionen aus Eigengeschäften des Klägers und zum anderen alle Provisionen aus Eigengeschäften des Klägers abzuwickeln gewesen wären. Gerade dies ist jedoch zwischen den Parteien streitig. Nach der Behauptung der Beklagten war zwischen den Parteien vereinbart, daß der Kläger nur Provisionen aus sogenannten Firmen-/Gruppenversicherungsverträgen über die Agentur J… abrechnen dürfe, wozu der Krankenversicherungsvertrag “E…” unstreitig nicht gehörte. Das Vorbringen des Klägers hierzu ist widersprüchlich. Während er einerseits wiederholt behauptet hat, ihm sei es gestattet gewesen, auch außerhalb des Firmengeschäfts von ihm vermittelte Krankenversicherungsverträge mit einem Provisionssatz von 6,5 Monatsbeiträgen über die Agentur J… abzurechnen, weshalb ihm die im Fall “E…” gezahlte Provision zugestanden habe, erweckt er andererseits mit dem mehrfachen Hinweis, in dem gegen ihn durchgeführten Steuerstrafverfahren seien von ihm über die Agentur J… bezogene Provisionseinnahmen nicht festgestellt worden, den Eindruck, über die Agentur J… seien überhaupt keine Provisionen der Beklagten an ihn geflossen. Während der Kläger zum einen vorgetragen hat, das Versicherungskonte J… sei ausschließlich zu dem Zweck eingerichtet worden, um seine, des Klägers, Vermittlungstätigkeit abzurechnen, sprechen die von dem Kläger nunmehr angeführten Abrechnungsunterlagen (Schreiben vom 3. April 1987, handschriftliche Provisionsberechnung J… in Verbindung mit der Kopie der auf 30. März 1987 datierten Quittung des Zeugen M… und handschriftliche Quittung von Frau J… vom 17. April 1987 auf dem Provisions-Kontoauszug vom 12. März 1987) für das Gegenteil, nämlich für eine eigene Vermittlungstätigkeit der Agentur J…. Anderenfalls wäre die behauptete Auszahlung von 1.860,– DM an Frau J… in bar unverständlich.

Das Landesarbeitsgericht hat zudem für den Senat gemäß § 561 Abs. 2 ZPO bindend festgestellt, aus dem Krankenversicherungsvertrag “E…” habe dem Kläger allenfalls eine Provision von 2,75 Monatsbeiträgen zugestanden; dies ergebe sich aus § 2 Abs. 7 seines Anstellungsvertrages vom 28. August 1984 in Verbindung mit den Provisionsbestimmungen IV und aus § 10 Abs. 2 des genannten Anstellungsvertrages, denn für den Bereich außerhalb der Firmenverträge/ Gruppenversicherungen habe der Kläger das von der Beklagten behauptete Fehlen einer abweichenden Vereinbarung nicht substantiiert bestritten. Zulässige Revisionsangriffe hat der Kläger insoweit nicht erhoben.

Im übrigen war der Nachtrag vom 23. Mai/18. Juni 1984 dem Kläger bei Abschluß des Vergleichs vom 22. Februar 1990 bekannt. Nach seinen Angaben gelangte der Kläger am 6. September 1989 in den Besitz dieses Nachtrags. Selbst wenn also insoweit eine Täuschungshandlung durch die Beklagte vorgelegen hätte, wäre sie für den Abschluß des Vergleichs durch den Kläger nicht ursächlich.

3. Erfolg hat die Anfechtung des Klägers jedoch mit der Begründung, die Beklagte habe Kenntnis von der Weiterleitung der Provision “E…” an den Zeugen M… und von der Richtigkeit der Quittung vom 30. März 1987 gehabt, insbesondere habe sie das Schreiben des Klägers an Frau J… vom 3. April 1987 und die Aktennotiz vom 17. Juli 1987 gekannt, was hinsichtlich des Schreibens vom 3. April 1987 schon durch das Schreiben des Abteilungsleiters Personalaußendienst der Beklagten A… vom 19. Mai 1987 belegt werde; die Beklagte habe ihre Kenntnis jedoch verschwiegen, die Weiterleitung der Provision an den Zeugen M… stets bestritten und bewußt wahrheitswidrig vorgetragen, der Kläger habe den Zeugen später zur Ausstellung einer inhaltlich unrichtigen, auf den 30. März 1987 zurückdatierten Quittung veranlaßt.

a) Hatte die Beklagte die vom Kläger behaupteten Kenntnisse bzw. kannte sie jedenfalls das Schreiben vom 3. April 1987 und/ oder das Schreiben ihres Abteilungsleiters A… vom 19. Mai 1987 und/oder die Aktennotiz vom 17. Juli 1987, so durfte die Beklagte bei redlicher Prozeßführung entweder die Behauptung der Rückdatierung der Quittung vom 30. März 1987 und der Nichtweiterleitung der Provision an den Zeugen M… nicht aufstellen oder sie mußte zumindest diese Unterlagen offenlegen und durfte deren Kenntnis nicht verschweigen (§ 138 Abs. 1 ZPO). Der Kläger hätte bei einem korrekten prozessualen Verhalten der Beklagten seine Prozeßchancen als wesentlich günstiger ansehen dürfen, weil das Landesarbeitsgericht zwar nicht ausschließlich auf jene Punkte abgestellt, letztlich aber die Klageabweisung doch maßgeblich damit begründet hat, der Kläger habe die Provision “E…” in Wahrheit nicht an den Zeugen M… weitergeleitet und diesen zur Ausstellung einer falschen, rückdatierten Quittung veranlaßt, um sein Verhalten gegenüber der Beklagten in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Es ist ausreichend dargetan, daß der Kläger den Vergleich vom 22. Februar 1990 dann nicht oder jedenfalls nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätte. Die Täuschung der Beklagten war also mit kausal für den Vergleichsabschluß, gleichgültig, ob man die Täuschung in einem vorsätzlichen Tun der Beklagten (Prozeßvortrag wider besseren Wissens) oder in einem pflichtwidrigen Unterlassen der Beklagten (Verschweigen der Kenntnis des Schreibens vom 3. April 1987 und/oder der Aktennotiz vom 17. Juli 1987) sieht.

b) Der Senat hat davon auszugehen, daß die Beklagte jedenfalls das Schreiben vom 3. April 1987 kannte.

aa) Die Echtheit des Schreibens der Beklagten vom 19. Mai 1987 wird von dieser nicht bestritten.

bb) Das Schreiben vom 19. Mai 1987 belegt seinerseits die Echtheit des Schreibens des Klägers vom 3. April 1987 an Frau J… und die Echtheit der Quittung des Zeugen M… vom 30. März 1987. Die sogenannte “Rückdatierungstheorie” der Beklagten wird dadruch widerlegt. Daß die Beklagte an ihr und der Behauptung, der Kläger habe die Provision im Fall “E…” nicht an den Zeugen M… weitergeleitet, nach wie vor festhält, erscheint unverständlich. Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten im Prozeß war und ist objektiv unrichtig.

cc) Entscheidend ist allerdings, ob er auch subjektiv unrichtig war, d.h. ob die Beklagte diesen Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen trotz Kenntnis des Schreibens des Klägers vom 3. April 1987 und/oder des Schreibens des Abteilungsleiters Personalaußendienst A… vom 19. Mai 1987 leistete. Dabei ist für die Frage einer arglistigen Täuschung auf die Kenntnis der für den Sachvortrag im Prozeß verantwortlichen Personen (§ 123 Abs. 1 BGB) abzustellen. Entgegen der Ansicht des Klägers, die Beklagte müsse sich die Kenntnis sonstiger Personen (z. B. A…) zurechnen lassen, käme eine solche Zurechnung nur gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB in Betracht. Dies würde dann aber Täuschungsvorsatz dieser anderen Personen (Dritten) voraussetzen, für den kein Anhaltspunkt besteht.

dd) Die Beklagte hat die Behauptung des Klägers, Schreiben wie das vom 3. April 1987 seien generell “per Verteiler” abgelegt worden, nicht bestritten. Ein Indiz für die Richtigkeit der Behauptung des Klägers ist, daß das genannte Schreiben ausweislich des Schreibens vom 19. Mai 1987 an die Hauptverwaltung der Beklagten gelangt ist. In welche Ordner es noch abgelegt wurde, hat der Kläger unter Beweisantritt vorgetragen (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 17. Januar 1996, S. 33 und Schriftsatz vom 22. Oktober 1996, S. 11: Vertragsakte J…, Abrechnungsordner J…, Vertragsakte M…, Abrechnungsordner M…). Demgegenüber genügt das pauschale Bestreiten der Beklagten, das Schreiben habe sich trotz Suche in den Akten nicht mehr finden lassen, nicht. Die Beklagte hätte substantiiert darlegen müssen, weshalb sie davon ausgeht, das Schreiben des Klägers vom 3. April 1987 könnte nicht in die vom Kläger bezeichneten Akten gelangt sein (z. B. durchgehende Blattziffern, keine Hinweise auf Unvollständigkeit der Akten, auch vergleichbare Schreiben in ähnlichen Fällen nicht in den Akten). Mangels eines solch substantiierten Bestreitens der Beklagten hat der Senat davon auszugehen, daß das Schreiben vom 3. April 1987 damals entsprechend dem Vortrag des Klägers in die einzelnen Akten abgelegt wurde.

ee) War das Schreiben vom 3. April 1987 in den genannten Akten, ist auch anzunehmen, daß zumindest der Revisor J… dieses Schreiben kannte, denn dieser hatte unbestritten die Akten nach kündigungsrelevanten Fakten zu durchsuchen. Das Bestreiten der Kenntnis J… durch die Beklagte ist ebenfalls unsubstantiiert. Die Beklagte hätte vortragen müssen, weshalb J… bei seiner Suche nach kündigungsrelevanten Fakten nicht auf dieses Schreiben stieß bzw. es nicht zur Kenntnis nahm (z.B. weil er es, als er die Akten durchging, noch nicht als kündigungserheblich ansah und sich später nicht mehr daran erinnerte). Die Beklagte hat jedoch trotz des Auflagenbeschlusses des Senats vom 21. November 1996 jeden erläuternden Sachvortrag, der evtl. eine andere Schlußfolgerung als die der Kenntnis J… erlauben würde, unterlassen.

ff) Es muß ferner davon ausgegangen werden, daß der Revisor J… den Sachvortrag der Beklagten im Prozeß (mit) bestimmte und verantwortete. Gegenteiliges hätte die Beklagte substantiiert vortragen müssen. Mit der Beschreibung der Aufgabe J… (vgl. oben ee) und der Nennung des Revisors im Zusammenhang mit den Personen, auf deren Kenntnis er abstellen will (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 22. Oktober 1996 S. 13), hatte der Kläger solches nämlich konkludent vorgetragen, und die Beklagte hat die Maßgeblichkeit J… (in ihrem Schriftsatz vom 15. Januar 1997 S. 5 Abs. 2) praktisch zugestanden. Der Revisor J… war deshalb nicht Dritter im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB, sondern die Beklagte hat für das Verhalten J… hinsichtlich erfolgten oder unterlassenen Sachvortrags im Prozeß gemäß § 278 BGB einzustehen. Der objektiv unrichtige Sachvortrag der Beklagten in den Tatsacheninstanzen zum Verbleib der Provision “E…” und der Ausstellung der Quitttung des Zeugen M… vom 30. März 1987 war und ist dieser auch subjektiv zuzurechnen. Darauf, ob für den prozessualen Sachvortrag verantwortliche Vorstandsmitglieder oder andere Mitarbeiter der Beklagten auch das Schreiben vom 19. Mai 1987 und/oder die Aktennotiz vom 17. Juli 1987 kannten, kommt es nicht mehr an, ebensowenig auf weitere vom Kläger gegen die Wirksamkeit des Vergleichs angeführte Gründe.

gg) Daß der Kläger sich an die Existenz der Schreiben vom 3. April und 19. Mai 1987 und der Aktennotiz vom 17. Juli 1987 nicht mehr erinnerte, als er am 22. Februar 1990 den Vergleich abschloß, ergibt sich aus seinem Vorbringen, diese Unterlagen seien ihm erst mit einem Schreiben von Frau J… am 30. Januar 1995 bzw. bei weiteren Nachforschungen bekannt geworden und zuvor habe er nicht angenommen, daß die Beklagte von der Unrichtigkeit der Aussagen ihrer Kronzeugen M… und B… wußte.

Ausgehend vom 30. Januar 1995 hat der Kläger mit seiner Anfechtungserklärung die Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB gewahrt. Dies hat die Beklagte, abgesehen von den von ihr geäußerten und durch das Schreiben vom 19. Mai 1987 widerlegten “Echtheitszweifeln”, auch nicht spezifisch bestritten.

III. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, bereits die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 8. Februar 1988 sei mit Zustimmung der Hauptfürsorgestelle erfolgt und habe das Arbeitsverhältnis beendet. Nach den für den Senat gemäß § 561 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde die Kündigung zwar vor Zustellung des Bescheids der Hauptfürsorgestelle abgesandt, ging dem Kläger aber erst kurze Zeit nach der Zustellung dieses Bescheids an den bevollmächtigten Rechtsanwalt der Beklagten zu.

Die Verneinung einer Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 134 BGB in Verbindung mit §§ 21, 15 SchwbG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Gemäß §§ 21, 15, 1 SchwbG bedurfte die außerordentliche Kündigung gegenüber dem Kläger, bei dem der Grad der Behinderung im Zeitpunkt der Kündigung 50 % betrug, der vorherigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle.

2. Die nach § 21 Abs. 2 SchwbG vorgeschriebene Antragsfrist von zwei Wochen nach Kenntnis des Arbeitgebers von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat die Beklagte gewahrt.

Bestimmend für den Entschluß, den Kläger zu entlassen, war das am 25. Januar 1988 einem Vorstandsmitglied der Beklagten zugegangene Schreiben des Prozeßbevollmächtigten des Zeugen M… vom 21. Januar 1988. Nach den mit Prozeßrügen nicht angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts beantragte die Beklagte noch am 25. Januar 1988 die Zustimmung bei der zuständigen Hauptfürsorgestelle.

3. Zutreffend hat das Berufungsgericht das Vorliegen der Zustimmung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung für ausreichend erachtet.

Gemäß § 130 BGB wird eine unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie dem Empfänger zugeht.

Gründe dafür, bei der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle auf den Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung abzustellen, liegen nicht vor. Sinn und Zweck der §§ 15 ff. SchwbG, den Bestandschutz von Arbeitsverhältnissen Schwerbehinderter zu verstärken, werden durch die Anknüpfung an den Zugang der Willenserklärung nicht beeinträchtigt oder in Frage gestellt (vgl. auch KR-Etzel, 4. Aufl., § 21 SchwbG Rz 29 und §§ 15 – 20 SchwbG Rz 130).

4. Da die Zustellung des Bescheides an die Bevollmächtigten der Beklagten erfolgte, bevor die Kündigung dem Kläger zugegangen war, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die Erteilung der Zustimmung im Sinne des § 21 SchwbG die Zustellung des Bescheides erfordert.

IV. Ließe man für die revisionsrechtliche Beurteilung der Anwendung des § 626 BGB die Anfechtungsgründe außer Betracht, so wäre durchaus zweifelhaft, ob die Revision des Klägers Erfolg haben könnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der erkennende Senat anschließt, können jedoch die Anfechtung stützende Tatsachen trotz § 561 ZPO dann zu berücksichtigen sein, wenn es sich dabei um Wiederaufnahmegründe im Sinn von § 580 ZPO handelt (vgl. BGH Urteile vom 9. Juli 1951 – IV ZR 3/50 – BGHZ 3, 65; vom 6. März 1952 – IV ZR 80/51 – BGHZ 5, 241; vom 29. Juni 1955 – IV ZR 55/55 – BGHZ 18, 59; vom 9. März 1959 – III ZR 11/58 – BB 1959, 461; ebenso Thomas/Putzo, ZPO, 19. Aufl., § 561 Rz 11 und Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 55. Aufl., § 561 Rz 10; a.A. Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 561 Rz 15 ff., m.w.N.).

Allerdings würde eine Durchbrechung von § 561 ZPO mit dem Argument, die Beklagte habe einen Prozeßbetrug begangen (§ 580 Nr. 4 ZPO) bzw. die Zeugen M… und B… hätten sich eines Aussagedelikts schuldig gemacht (§ 580 Nr. 3 ZPO), gemäß § 581 ZPO ein Strafurteil voraussetzen (vgl. BGH Urteile vom 9. Juli 1951, aaO und vom 6. März 1952, aaO). An einem solchen Urteil fehlt es vorliegend.

Der Kläger beruft sich aber der Sache nach (auch) auf den Wiederaufnahmegrund des § 580 Nr. 7b ZPO (erst jetzt aufgefundene Schreiben vom 3. April und vom 19. Mai 1987). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtfertigt dieser Restitutionsgrund eine Durchbrechung von § 561 ZPO allerdings nur ausnahmsweise, etwa wenn das Revisionsurteil bei Nichtberücksichtigung der neuen Tatsachen zu einem bereits rechtskräftigen Urteil in Widerspruch stehen würde oder zur Folge hätte, daß in dem anhängigen Verfahren noch weitere unrichtige Urteile ergehen würden, die nur durch eine Restitutionsklage beseitigt werden könnten (vgl. BGH Urteile vom 6. März 1952, aaO; vom 29. Juni 1955, aaO und vom 9. März 1959, aaO). Dies wäre vorliegend nicht der Fall, weil der Rechtsstreit mit einer Zurückweisung der Revision rechtskräftig abgeschlossen würde (vgl. dazu BGH Urteil vom 29. Juni 1955, aaO).

Der Senat hält gleichwohl auch im vorliegenden Fall eine Durchbrechung von § 561 ZPO für gerechtfertigt. In den genannten Urteilen vom 6. März 1952 und vom 29. Juni 1955 (aaO) hat der Bundesgerichtshof die gebotene Zurückhaltung gegenüber einer undifferenzierten Berücksichtigung des in § 580 Nr. 7b ZPO genannten Wiederaufnahmegrundes entgegen § 561 ZPO zu Recht maßgeblich damit begründet, § 561 ZPO solle verhüten, daß der Eintritt der Rechtskraft eines Urteils mißbräuchlich gehemmt oder die Vollstreckung mißbräuchlich hinausgezögert werde; es hänge von der jeweiligen verfahrensrechtlichen Lage des anhängigen Rechtsstreits ab, ob das neue tatsächliche Vorbringen zugelassen werden könne; § 561 ZPO dürfe nur in solchen Fällen durchbrochen werden, in denen höhere Belange der Allgemeinheit und der ihr dienenden Rechtspflege dieses forderten. Danach ist eine Berücksichtigung der vom Kläger erst jetzt entdeckten Schreiben vom 3. April und 19. Mai 1987 geboten. Die Gefahr einer mißbräuchlichen Verzögerung des Eintritts der Rechtskraft bzw. der Zwangsvollstreckung besteht vorliegend nicht. Der angefochtene Vergleich hatte nämlich, einem rechtskräftigen Urteil vergleichbar, den Rechtsstreit zunächst zum Abschluß gebracht und bei einem vollstreckungsfähigen Inhalt hätte er die Zwangsvollstreckung ermöglicht. Unter diesen Umständen geht es nicht an, im Hinblick auf die Vergleichsanfechtung einen Restitutionsgrund gemäß § 580 Nr. 7b ZPO sachlich zu prüfen und als Ergebnis der Prüfung zu bejahen, dann aber vor diesem Restitutionsgrund die Augen zu verschließen, die Revision zurückzuweisen und den mit seiner Vergleichsanfechtung erfolgreichen Kläger auf eine Restitutionsklage zu verweisen.
Der Senat kann jedoch in der Sache nicht abschließend entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO). Zwar ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe die Provision “E…” nicht auf den Zeugen M… übergeleitet und zur Verschleierung den Zeugen zur Ausstellung einer unrichtigen, auf den 30. März 1987 zurückdatierten Quittung veranlaßt, nach dem jetzigen Erkenntnisstand nicht mehr haltbar. Das Landesarbeitsgericht hat das zur Begründung der streitigen Kündigungen angeführte Vorbringen der Beklagten aber nur zum Teil gewürdigt, weil es auf weitere Kündigungsgründe – aus der damaligen Sicht – nicht ankam. Insoweit werden ggf. weitere Sachverhaltsfeststellungen zu treffen sein. Sodann wird das Landesarbeitsgericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile gemäß § 626 BGB neu zu beurteilen haben, ob das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung beendet wurde. Für die Aufhebung des angegriffenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht gemäß §§ 564 Abs. 1, 565 Abs. 1 ZPO genügt es, daß die erst jetzt aufgefundenen Urkunden geeignet sein können, eine für den Kläger günstigere Entscheidung herbeizuführen (vgl. BGH Urteil vom 9. März 1959, aaO, S. 462).

 

Etzel       Bröhl       Fischermeier

Strümper       Baerbaum

 

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Fundstellen:

NZA 1998, 33
DB 1997, 1880
BB 1997, 1696
BAGE 86, 7


Schlagworte:

  • Papierfundstellen:

    Die Entscheidung BAG – 2 AZR 43/96 wird zitiert in:

    1. > BAG, 16.11.2017 – 2 AZR 14/17

    2. > BAG, 23.05.2013 – 2 AZR 991/11

    3. > BAG, 16.05.2002 – 2 AZR 730/00