Mutterschutz – Frist des § 9 Abs. 1 MuSchG
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.05.2002, 2 AZR 730/00
Leitsätze des Gerichts
- Die Überschreitung der Frist des § 9 Abs. 1 MuSchG ist von der Schwangeren zu vertreten, wenn sie auf einen gröblichen Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse billigerweise zu erwartende Verhalten zurückzuführen ist (Verschulden gegen sich selbst).
- Einen solchen gröblichen Verstoß stellt es nicht dar, wenn die Schwangere die Bescheinigung über die Schwangerschaft mit normaler Post an den Arbeitgeber versendet und der Brief dann aus ungeklärter Ursache verloren geht. Mit einem Verlust des Briefes auf dem Beförderungswege muß die Schwangere nicht von vornherein rechnen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Die 1977 geborene Klägerin ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sie trat am 17. Mai 1999 in die Dienste der Beklagten, die als Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein Unternehmen ua. für “Informationsmarketing” betrieb. Als “Promotion-Mitarbeiterin” hatte die Klägerin Zeitungen an Passanten zu verteilen. Die monatliche Bruttovergütung betrug nach dem Arbeitsvertrag 2.500,00 DM.
Ab 21. Juli 1999 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 29. Juli 1999 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 17. August 1999 und bat um Rückruf wegen eines neuen Arbeitsvertrags. Die Kündigung ging der Klägerin am 30. Juli 1999 zu. Am 17. August 1999 wurde bei der Klägerin eine Schwangerschaft in der siebten Schwangerschaftswoche festgestellt. Zwischen den Parteien ist streitig, wann und wie die Klägerin die Beklagte hierüber informierte.
In den folgenden Wochen telephonierte die Klägerin mehrmals mit dem Mitarbeiter D der Beklagten. Mitte September 1999 war die Klägerin mit ihrem Ehemann in Pinneberg, wo die Beklagte ein Büro unterhält. Herr D lehnte eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab. Am 22. September 1999 besuchte die Klägerin eine Ausländer-Begegnungsstätte und ließ sich von einem Sozialarbeiter beraten. Dieser rief in Gegenwart der Klägerin Herrn D an und wies ihn darauf hin, daß die Klägerin Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz habe.
Die Klägerin – die am 11. April 2000 entbunden hat – hält die Kündigung wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG für unwirksam. Sie hat behauptet, erst am 17. August bei einem Arztbesuch von der Schwangerschaft erfahren zu haben. Die Bescheinigung des Arztes habe sie am 18. August mit normaler Post an die Beklagte geschickt.
Die Klägerin hat – soweit im Revisionsverfahren von Interesse – zuletzt beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht wirksam durch die Kündigung der Beklagten vom 29. Juli 1999 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat bestritten, daß die Klägerin erst am 17. August 1999 von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erhalten und die Bescheinigung darüber am 18. August 1999 abgeschickt habe. Eine solche Bescheinigung sei ihr nicht zugegangen. Gegen die Behauptung der Klägerin, die Bescheinigung am 18. August abgeschickt zu haben, spreche auch, daß bei den nach dem 17. August 1999 stattgefundenen Gesprächen mit Herrn D die Klägerin ihre Schwangerschaft nicht erwähnt habe. Die Beklagte habe erstmals am 22. September 1999 von der Schwangerschaft erfahren.
Das Arbeitsgericht hat der Klage nach Vernehmung des Ehemanns der Klägerin als Zeugen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision behauptet die Beklagte ua., die Klägerin habe nach Verkündung des Berufungsurteils in einem Gespräch mit zwei Mitarbeitern der Beklagten gesagt, ihr Ehemann habe in der Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht gelogen und man sehe, wie leicht man Rechtsanwälte und Gerichte betrügen könne. Die Klägerin bezeichnet diesen Vorwurf als frei erfunden; das Gespräch habe zwar stattgefunden, sie sei aber von den Mitarbeitern der Beklagten beleidigt und bedroht worden.
Im Laufe des Revisionsverfahrens wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgewiesen. Daraufhin wurde die Auflösung der Gesellschaft ins Handelsregister eingetragen (Amtsgericht Charlottenburg HRB 54845).
Entscheidungsgründe
A. Die Revision ist zulässig.
Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtende Prozeßvoraussetzung der Parteifähigkeit (§ 50 ZPO, vgl. BAG 31. August 1983 – 4 AZR 104/81 – nv.) ist auch hinsichtlich der Beklagten gegeben. Nach § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG wurde die Beklagte mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist, aufgelöst. Dies wurde auch ins Handelsregister eingetragen. Indes endet die Parteifähigkeit der GmbH weder durch Auflösung noch durch Eintragung der Auflösung (st. Rspr. vgl. nur BAG 22. März 1988 – 3 AZR 350/86 – AP ZPO § 50 Nr. 6 = EzA ZPO § 50 Nr. 2; BGH 23. Oktober 1980 – IVa ZR 79/80 – WM 1980, 1431). Es entspricht vielmehr einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß eine aufgelöste juristische Person zum Zwecke der Schuldentilgung und Vermögensverteilung als fortbestehend zu behandeln ist (BGH 17. Oktober 1994 – II ZR 159/93 – WM 1995, 406). Ob bei vollständiger Vermögenslosigkeit die Parteifähigkeit grundsätzlich endet (vgl. dazu BGH 29. September 1981 – VI ZR 21/80 – WM 1981, 1387; BAG 9. Juli 1981 – 2 AZR 329/79 – BAGE 36, 125), kann offenbleiben, da für eine solche vollständige Vermögenslosigkeit nichts ersichtlich ist und die Klägerin im übrigen auch ein Klagebegehren verfolgt, an dem sie selbst bei Vollbeendigung der Beklagten ein schutzwertes Interesse hat. Von der rechtskräftigen Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung hängen weitere Ansprüche arbeitsrechtlicher und sozialrechtlicher Natur ab (vgl. BAG 9. Juli 1981 – 2 AZR 329/79 – BAGE 36, 125).
B. Die Revision ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei gem. § 9 Abs. 1 MuSchG unwirksam. Zur Überzeugung des Berufungsgerichts stehe fest, daß die Klägerin im Zeitpunkt der Kündigung von ihrer Schwangerschaft nichts gewußt habe. Die Klägerin habe ihre Schwangerschaft der Beklagten zwar nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG mitgeteilt, diese Mitteilung jedoch unverzüglich nachgeholt. Auf Grund der Beweisaufnahme stehe fest, daß die Klägerin am 18. August 1999 die Bescheinigung vom 17. August 1999 mit einfachem Brief an die Beklagte geschickt habe. Damit sei zwar der Zugang der Mitteilung bei der Beklagten nicht nachgewiesen. Indes sei es mit dem Verfassungsauftrag in Art. 6 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren, die schwangere Arbeitnehmerin mit dem Risiko für Mitteilungshindernisse zu belasten, die von ihr nicht beeinflußbar seien. Die Klägerin habe ohne Verschulden davon ausgehen dürfen, daß der Brief ankommen werde. Daß sie in Gesprächen nach dem 17. August die Schwangerschaft nicht erwähnt habe, sei ihr nicht anzulasten. Ihr sei nicht bekannt gewesen, daß die Beklagte die Bescheinigung nicht erhalten habe.
II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung.
Die Klage ist begründet. Die Kündigung vom 29. Juli 1999 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Sie ist unwirksam nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG.
Nach dieser Vorschrift ist die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war oder innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird; das Überschreiten dieser Frist ist unschädlich, wenn es auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird. Diese Voraussetzungen liegen vor.
1. Die Kündigung vom 29. Juli 1999 ging der Klägerin während der Schwangerschaft zu. Das hat das Landesarbeitsgericht für den Senat bindend festgestellt. Die Beklagte hat hiergegen keine Rügen erhoben.
2. Bei Ausspruch der Kündigung war der Beklagten die Schwangerschaft nicht bekannt. Die Schwangerschaft wurde ihr auch nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt. Die Mitteilung erfolgte vielmehr erst am 22. September 1999. Die Fristüberschreitung war jedoch unschädlich, weil sie auf einem nicht von der Klägerin zu vertretenden Grund beruhte (a) und weil die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wurde (b).
a) Die Fristüberschreitung ist von der Schwangeren dann zu vertreten iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG, wenn sie auf einen gröblichen Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse billigerweise zu erwartende Verhalten zurückzuführen ist (“Verschulden gegen sich selbst” BAG 6. Oktober 1983 – 2 AZR 368/82 – BAGE 43, 331; 13. Juni 1996 – 2 AZR 736/95 – BAGE 83, 195). Dabei kommt es nicht darauf an, durch welchen Umstand die Schwangere an der Fristeinhaltung gehindert ist, sondern darauf, ob die Fristüberschreitung im genannten Sinne schuldhaft oder unverschuldet ist (BAG 13. Juni 1996 aaO; LAG München 23. August 1990 – 5 Sa 840/89 – ZTR 1991, 212; KR-Etzel 6. Aufl. § 9 MuSchG Rn. 57 a; APS/Rolfs § 9 MuSchG Rn. 38; Kittner/Däubler/Zwanziger KSchR § 9 MuSchG 5. Aufl. Rn. 27; Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer 4. Aufl. Handbuch des Kündigungsrechts 18 Rn. 7; Stahlhacke/Preis/Vossen 7. Aufl. Rn. 840; Zmarzlik/Zipperer/Viethen MuschG 9. Aufl. § 9 Rn. 33 ff.). Im vorliegenden Fall war die Fristüberschreitung unverschuldet, weil die Klägerin erst am 17. August 1999 von der Schwangerschaft erfahren hat und die weitere Verzögerung bis zum 22. September 1999 ebenfalls auf einem nicht von ihr zu vertretenden Umstand beruht.
aa) Die Klägerin wußte bei Zugang der Kündigung nicht, daß sie schwanger war. Sie erfuhr von der Schwangerschaft erstmals am 17. August 1999. Dies hat das Berufungsgericht für den Senat bindend (§ 561 ZPO) festgestellt. Die Revision erhebt auch insoweit keine Rüge.
bb) Auch die weitere Feststellung des Landesarbeitsgerichts, daß die Klägerin die Schwangerschaftsbescheinigung des Arztes am 18. August 1999 mit einfacher Post an die Beklagte geschickt hat, ist für den Senat bindend (§ 561 ZPO). Sie beruht auf der vom Landesarbeitsgericht bestätigten Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts. Das Arbeitsgericht hat die betreffende Behauptung der Klägerin durch die Aussage des benannten Zeugen – des Ehemanns der Klägerin – als erwiesen angesehen. Dem ist das Berufungsgericht gefolgt. Die vom Berufungsgericht gem. § 286 Abs. 1 ZPO vorgenommene Würdigung ist durch das Revisionsgericht nur daraufhin nachprüfbar, ob das Berufungsgericht tatsächlich den gesamten Inhalt der Verhandlungen berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze ist und ob sie rechtlich möglich ist (BAG 1. Oktober 1997 – 5 AZR 685/96 – BAGE 86, 347 mwN; 21. März 2001 – 5 AZR 352/99 – BAGE 97, 215). Diesem revisionsrechtlich eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Beweiswürdigung stand. Zulässige Verfahrensrügen hat die Revision nicht erhoben.
cc) Revisionsrechtlich nicht berücksichtigungsfähig ist die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe am 20. Oktober 2000 – also zwei Wochen nach Verkündung des Berufungsurteils – gegenüber zwei Mitarbeitern der Beklagten erklärt, die Aussage ihres Ehemanns sei falsch gewesen. Damit will die Beklagte offenbar einen Restitutionsgrund iSd. § 580 Nr. 3 ZPO geltend machen, nämlich die Begehung einer falschen uneidlichen Aussage durch den Ehemann der Klägerin.
Auch im Revisionsverfahren kann tatsächliches Vorbringen zu den in § 580 Nr. 1 bis 7 ZPO angeführten Restitutionsgründen zu beachten sein. Das Revisionsgericht ist nicht gezwungen, sehenden Auges ein rechtskräftiges Urteil zu erlassen, das alsbald durch eine Restitutionsklage wieder beseitigt würde (BAG 15. Mai 1997 – 2 AZR 43/96 – BAGE 86, 7; st. Rspr. BGH 13. Januar 2000 – IX ZB 3/99 – LM ÜberlG Nr. 1). Dennoch konnte die Behauptung der Beklagten hier keine Berücksichtigung finden.
Denn in dem hier in Betracht kommenden Fall des § 580 Nr. 3 ZPO findet die Restitutionsklage gem. § 581 ZPO nur dann statt, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Ob die Durchbrechung des § 561 ZPO stets eine rechtskräftige Verurteilung des betreffenden Zeugen – an der es hier fehlt – voraussetzt, hat der Bundesgerichtshof bisher offengelassen (vgl. BGH 13. Januar 2000 – IX ZR 3/99 – mwN). Jedenfalls aber kann der aus der behaupteten Unrichtigkeit einer Zeugenaussage hergeleitete Restitutionsgrund im Revisionsverfahren solange nicht geltend gemacht werden, als ein Strafverfahren noch nicht durchgeführt ist (BGH 3. April 1952 – III ZR 32/51 – BGHZ 5, 299; vgl. auch BAG 15. Mai 1997 aaO). Solange eine Strafverfolgung noch möglich ist, ist es Sache der Strafverfolgungsbehörden zu prüfen, ob eine strafbare Handlung begangen worden ist (BGH 21. November 1961 – VI ZR 246/60 – VersR 1962, 175). Ansonsten könnte der Revisionsführer mit der bloßen Behauptung, ein Zeuge habe die Unwahrheit gesagt, die Wirkungen des § 581 ZPO beseitigen, obwohl der Gesetzgeber die Voraussetzungen einer Restitutionsklage in Fällen behaupteter Falschaussagen bewußt an die engen Voraussetzungen der §§ 580, 581 ZPO geknüpft hat.
Im vorliegenden Fall ist ein Strafverfahren noch möglich. Sollte die Behauptung der Beklagten zutreffen, könnte sich der Ehemann der Klägerin wegen falscher uneidlicher Aussage gem. § 153 StGB strafbar gemacht haben. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Der Zeuge hat seine Aussage am 19. April 2000 gemacht. Die Beklagte hat es in der Hand, falls sie die Verdachtsmomente für ausreichend hält, die Einleitung eines Strafverfahrens durch Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden zu betreiben. Kommt es nicht zu einem Verfahren und einer Verurteilung, so ist auch ein Restitutionsgrund nicht gegeben (BGH 21. November 1961 aaO).
dd) Ist also bindend festgestellt, daß die Klägerin am 18. August 1999 die Bescheinigung über die Schwangerschaft mit normalem Brief abgesandt hat, so hat sie damit zunächst die von ihr im eigenen Interesse zu wahrende Sorgfalt beachtet. Mit einem Verlust des Briefes auf dem Beförderungswege mußte sie nicht von vornherein rechnen. Wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung annimmt, darf der Bürger regelmäßig auf die ordnungsgemäße Beförderung von Briefsendungen durch die Post vertrauen. Nur wenn bei außergewöhnlichen Anlässen die konkrete Gefahr einer Verzögerung erkennbar ist (zB Streik), ist er gehalten, sich durch Nachfrage beim Adressaten über den Zugang eines Briefes zu erkundigen (BVerfG 29. Dezember 1994 – 2 BvR 106/93 – NJW 1995, 1210).
Diese für die Wahrung von Rechtsmittelfristen entwickelten Grundsätze müssen hier Berücksichtigung finden. Wählt die Schwangere für ihre Mitteilung an den Arbeitgeber einen Beförderungsweg, den sie sogar zur Einreichung eines fristgebundenen Schriftsatzes bei Gericht wählen dürfte, so kann es ihr jedenfalls nicht als Verschulden gegen sich selbst zugerechnet werden, wenn sie diesen Beförderungsweg für zuverlässig erachtet (vgl. KR-Etzel aaO § 9 MuSchG Rn. 57a).
ee) Unter welchen Voraussetzungen eine schwangere Frau, nachdem sie die Mitteilung über die Schwangerschaft mit einfacher Post an den Arbeitgeber gesandt hat, sich nach dem Verbleib der Mitteilung durch Nachfrage beim Arbeitgeber erkundigen muß, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Die Klägerin arbeitete in der Zeit zwischen dem 18. August und dem 22. September nicht. Die ansonsten gegebene Möglichkeit, aus dem betrieblichen Umgang Rückschlüsse auf den Kenntnisstand ihres Arbeitgebers zu ziehen, bestand für die Klägerin nicht. Dafür, daß die Klägerin aus den Kontakten mit der Beklagten in der Zeit zwischen dem 18. August und dem 22. September hätte entnehmen müssen, diese habe die Mitteilung über die Schwangerschaft nicht erhalten, hat die Beklagte hinreichende Anhaltspunkte nicht vorgetragen. Nicht ausreichend ist insoweit der Umstand allein, daß Gespräche stattfanden und daß die Klägerin die Schwangerschaft unerwähnt ließ. Es ist nicht erkennbar, daß die äußerst kurzen, teils telefonischen Gespräche in einer Form geführt wurden, die Raum für eine Erwähnung der Schwangerschaft gelassen hätten. Jedenfalls wies die Beklagte das Drängen der Klägerin auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses entschieden zurück, obwohl die Beklagte im Kündigungsschreiben Gespräche über eine weitere Beschäftigung ausdrücklich angeregt hatte.
b) Erstmals im Telephongespräch am 22. September 1999 hat die Klägerin erkennen können, daß die Beklagte die Mitteilung nicht erhalten hatte bzw. den Zugang bestritt. Indem sie die Beklagte nunmehr sofort von der Schwangerschaft unterrichtete, hat sie die Mitteilung unverzüglich nachgeholt.
Auf den von der Revision in den Mittelpunkt ihrer Angriffe gestellten Umstand, daß die Klägerin den Zugang der Mitteilung nicht nachgewiesen hat, kommt es demnach nicht an.
3. Die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels muß die Beklagte nach § 97 ZPO tragen.
Rost Eylert Schmitz-Scholemann
Dr. Sieg Pitsch
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Vorinstanzen:
ArbG Hamburg, Urteil vom 19.04.2002, 12 Ca 539/99
LAG Hamburg, Urteil vom 05.10.2000, 7 Sa 48/00
> BAG, 23.05.2013 – 2 AZR 991/11