Personalgestellung – Verstoß gegen die Leiharbeitsrichtlinie
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.06.2021, 6 AZR 390/20 (A)
Leitsätze des Gerichts
Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts ersucht den Gerichtshof der Europäischen Union um Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV, ob die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit fällt. Bejahendenfalls soll durch die Anfrage beim EuGH geklärt werden, ob die Leiharbeitsrichtlinie eine Bereichsausnahme wie die in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG geregelte zulässt.
Tenor
I. Der Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) um Vorabentscheidung über folgende Fragen ersucht:
1. Findet Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit Anwendung, wenn – wie in § 4 Abs. 3 TVöD bestimmt – Aufgaben eines Arbeitnehmers zu einem Dritten verlagert werden und dieser Arbeitnehmer bei weiter bestehendem Arbeitsverhältnis zu seinem bisherigen Arbeitgeber auf dessen Verlangen die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung dauerhaft bei dem Dritten erbringen muss und dabei dem fachlichen und organisatorischen Weisungsrecht des Dritten unterliegt?
2. Sofern die Frage zu 1. bejaht wird:
Ist es mit dem Schutzzweck der Richtlinie 2008/104/EG vereinbar, wenn wie durch § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG die Personalgestellung im Sinne von § 4 Abs. 3 TVöD aus dem Anwendungsbereich der nationalen Schutzvorschriften bei Arbeitnehmerüberlassung herausgenommen wird, sodass diese Schutzvorschriften auf die Fälle der Personalgestellung nicht anzuwenden sind?
II. Das Revisionsverfahren wird bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.
Entscheidungsgründe
6 AZR 390/20 (A) > Rn 1
A. Gegenstand des Ausgangsverfahrens
6 AZR 390/20 (A) > Rn 2
Die Parteien streiten über die tarifvertragliche Verpflichtung des Klägers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung dauerhaft bei einem Dritten zu erbringen, nachdem sein Aufgabenbereich zu diesem Dritten verlagert worden ist.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 3
Der Kläger ist bei der Beklagten seit April 2000 beschäftigt. Die privatrechtlich organisierte Beklagte betreibt ein Krankenhaus. Ihr Träger und einziger Gesellschafter ist der Landkreis G, eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Die Beklagte besitzt keine nach dem nationalen Recht zur Arbeitnehmerüberlassung erforderliche Erlaubnis. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für kommunale Arbeitgeber (VKA) geltenden Fassung Anwendung.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 4
Im Juni 2018 gliederte die Beklagte die Bereiche Poststelle, Archiv und Bibliothek, zu denen auch der Arbeitsplatz des Klägers gehört, auf die neu gegründete A Service GmbH aus. Bei diesem Unternehmen handelt es sich um eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Beklagten. Die Ausgliederung führte zu einem Betriebsteilübergang. Der Kläger machte von dem in § 613a Abs. 6 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vorgesehenen Widerspruchsrecht Gebrauch, sodass sein Arbeitsverhältnis nicht auf die A Service GmbH überging. Dieses Widerspruchsrecht trägt der verfassungsrechtlichen Wertung des Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) Rechnung, der dem Arbeitnehmer die freie Wahl des Arbeitsplatzes und damit auch die freie Wahl des Vertragspartners garantiert. Der Arbeitnehmer soll nicht verpflichtet werden, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, den er nicht frei gewählt hat (Bundestagsdrucksache 14/7760 Seite 20).
6 AZR 390/20 (A) > Rn 5
Aufgrund des Widerspruchs besteht das zwischen dem Kläger und der Beklagten vereinbarte Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Inhalt fort. Seit Juni 2018 erbringt der Kläger seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung jedoch bei der A Service GmbH, die das fachliche und organisatorische Weisungsrecht gegenüber dem Kläger hat. Rechtsgrundlage dafür ist eine Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD. Der Arbeitseinsatz des Klägers bei der A Service GmbH ist auf Dauer angelegt.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 6
Der Kläger hat im Ausgangsverfahren geltend gemacht, sein Einsatz bei der A Service GmbH verstoße gegen Unionsrecht. Bei der Personalgestellung im Sinne von § 4 Abs. 3 TVöD handele es sich um eine dauerhafte und damit nach der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 7
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 8
6 AZR 390/20 (A) > Rn 9
I. Die maßgeblichen Tarifvertragsbestimmungen
6 AZR 390/20 (A) > Rn 10
Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) – Allgemeiner Teil – vom 13. September 2005 bestimmt zur Personalgestellung, wobei die Arbeitnehmer als Beschäftigte bezeichnet werden, Folgendes:
„§ 4
Versetzung, Abordnung, Zuweisung, Personalgestellung
…
(3)
1Werden Aufgaben der Beschäftigten zu einem Dritten verlagert, ist auf Verlangen des Arbeitgebers bei weiter bestehendem Arbeitsverhältnis die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung bei dem Dritten zu erbringen (Personalgestellung). 2§ 613a BGB sowie gesetzliche Kündigungsrechte bleiben unberührt.
Protokollerklärung zu Absatz 3:
1Personalgestellung ist – unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses – die auf Dauer angelegte Beschäftigung bei einem Dritten. …“
6 AZR 390/20 (A) > Rn 11
Die Protokollerklärung ist als eigenständige Definition der Tatbestandsvoraussetzungen einer Personalgestellung durch die Tarifvertragsparteien nach nationalem Verständnis materieller Bestandteil des Tarifvertrags und hat damit Regelungscharakter. § 613a BGB regelt die Folgen eines Betriebsübergangs.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 12
Inhaltsgleiche Regelungen zur Personalgestellung enthalten auch die Tarifverträge zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei den Bundesländern und der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 13
II. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
6 AZR 390/20 (A) > Rn 14
Das Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – AÜG) vom 7. August 1972 in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 158), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. März 2020 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 493), dient der Umsetzung der am 19. November 2008 geschlossenen Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Leiharbeit (Richtlinie 2008/104/EG). Das Gesetz lautet auszugsweise:
„§ 1
Arbeitnehmerüberlassung, Erlaubnispflicht
(1) 1Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung) wollen, bedürfen der Erlaubnis. 2Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen. … 4Die Überlassung von Arbeitnehmern ist vorübergehend bis zu einer Überlassungshöchstdauer nach Absatz 1b zulässig. …
…
(1b) 1Der Verleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen; der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate tätig werden lassen. …
…
(3) Dieses Gesetz ist … nicht anzuwenden auf die Arbeitnehmerüberlassung
…
2b.
zwischen Arbeitgebern, wenn Aufgaben eines Arbeitnehmers von dem bisherigen zu dem anderen Arbeitgeber verlagert werden und auf Grund eines Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes
a)
das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber weiter besteht und
b)
die Arbeitsleistung zukünftig bei dem anderen Arbeitgeber erbracht wird,
…
§ 9
Unwirksamkeit
(1) Unwirksam sind
…
1b.
Arbeitsverträge zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern mit dem Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b, es sei denn, der Leiharbeitnehmer erklärt schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält,
…
(2) Die Erklärung nach Absatz 1 Nummer … 1b (Festhaltenserklärung) ist nur wirksam, wenn
1.
der Leiharbeitnehmer diese vor ihrer Abgabe persönlich in einer Agentur für Arbeit vorlegt,
2.
die Agentur für Arbeit die abzugebende Erklärung mit dem Datum des Tages der Vorlage und dem Hinweis versieht, dass sie die Identität des Leiharbeitnehmers festgestellt hat, und
3.
die Erklärung spätestens am dritten Tag nach der Vorlage in der Agentur für Arbeit dem Ver- oder Entleiher zugeht.
(3) 1Eine vor Beginn der Frist nach Absatz 1 Nummer … 1b abgegebene Festhaltenserklärung ist unwirksam. 2Wird die Überlassung nach der Festhaltenserklärung fortgeführt, gilt Absatz 1 Nummer … 1b. 3Eine erneute Festhaltenserklärung ist unwirksam. …
§ 10
Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit
(1) 1Ist der Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 unwirksam, so gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen; … 3Für das Arbeitsverhältnis nach Satz 1 gilt die zwischen dem Verleiher und dem Entleiher vorgesehene Arbeitszeit als vereinbart. 4Im Übrigen bestimmen sich Inhalt und Dauer dieses Arbeitsverhältnisses nach den für den Betrieb des Entleihers geltenden Vorschriften und sonstigen Regelungen; sind solche nicht vorhanden, gelten diejenigen vergleichbarer Betriebe. 5Der Leiharbeitnehmer hat gegen den Entleiher mindestens Anspruch auf das mit dem Verleiher vereinbarte Arbeitsentgelt.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 15
III. Einschlägige Vorschriften des Unionsrechts
6 AZR 390/20 (A) > Rn 16
Maßgeblich sind aus Sicht des vorlegenden Senats die Bestimmungen in Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bis e der Richtlinie 2008/104/EG.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 17
C. Erforderlichkeit der Entscheidung des Gerichtshofs
6 AZR 390/20 (A) > Rn 18
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er nicht verpflichtet ist, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung im Rahmen einer Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD bei der A Service GmbH zu erbringen.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 19
Nach nationalem Recht ist eine solche Personalgestellung zulässig. Sie ist gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG aus dem Anwendungsbereich des die Richtlinie 2008/104/EG umsetzenden Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes herausgenommen. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt deshalb maßgeblich davon ab, ob eine Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD überhaupt den Tatbestand einer Arbeitnehmerüberlassung im Sinne der Richtlinie 2008/104/EG erfüllt und wenn der Gerichtshof dies bejahen sollte, ob die Bereichsausnahme in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG mit Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 2 der Richtlinie vereinbar ist.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 20
D. Erläuterung der Vorlagefragen
6 AZR 390/20 (A) > Rn 21
6 AZR 390/20 (A) > Rn 22
Für den Senat stellt sich zunächst die Frage, ob eine Personalgestellung im Sinne von § 4 Abs. 3 TVöD den Tatbestand einer Arbeitnehmerüberlassung im Sinne der Richtlinie 2008/104/EG erfüllt und damit deren Anwendungsbereich eröffnet ist.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 23
1. Nach Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 gilt die Richtlinie 2008/104/EG für Arbeitnehmer, die mit einem (privaten oder öffentlichen) Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben oder ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen sind und entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, um vorübergehend unter deren Aufsicht und Leitung zu arbeiten. Das Leiharbeitsunternehmen und das entleihende Unternehmen müssen – ohne Erwerbszwecke zu verfolgen – eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/104/EG definiert Leiharbeitsunternehmen als natürliche oder juristische Personen, die mit Leiharbeitnehmern Arbeitsverträge schließen oder Beschäftigungsverhältnisse eingehen, um diese entleihenden Unternehmen zu überlassen. Entsprechend bezeichnet Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/104/EG Leiharbeitnehmer als Arbeitnehmer, die mit einem solchen Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben oder ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen sind, um einem entleihenden Unternehmen überlassen zu werden.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 24
2. Nach diesen Vorgaben der Richtlinie 2008/104/EG könnte die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD zwar begrifflich eine Arbeitnehmerüberlassung im allgemeinen Sinn darstellen. Auch bei der Personalgestellung besteht ein Arbeitsverhältnis mit dem vertraglichen Arbeitgeber. Zugleich ist der gestellte Arbeitnehmer in den Betrieb des Dritten eingegliedert und dessen fachlichen und organisatorischen Weisungen unterworfen. Der Arbeitnehmer wird – allerdings nur in den Grenzen der aus dem fortbestehenden Arbeitsverhältnis vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung – also im Sinne der Richtlinie 2008/104/EG „im Auftrag“ des Dritten und unter dessen „Aufsicht und Leitung“ tätig. Das könnte dafür sprechen, auch im Fall der Gestellung ein „doppeltes Arbeitsverhältnis“ anzunehmen, wie es der Gerichtshof bei der Arbeitnehmerüberlassung getan hat (vgl. EuGH 11. April 2013 – C-290/12 – [Della Rocca] Rn. 37, 40).
6 AZR 390/20 (A) > Rn 25
3. Der Senat hält es aber für denkbar, dass die Personalgestellung aufgrund ihrer Besonderheiten und dem mit ihr verfolgten Ziel, Inhalt und Bestand des Arbeitsverhältnisses des von einer dauerhaften Aufgabenverlagerung betroffenen Arbeitnehmers einschließlich der bestehenden arbeits- und tarifvertraglichen Regelungen zu sichern, so maßgeblich von dem der Richtlinie 2008/104/EG zugrunde liegenden Leitbild der Leiharbeit abweicht, dass sie nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst wird.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 26
a) Der eng gefasste Tatbestand des § 4 Abs. 3 TVöD setzt den Wegfall der Aufgaben des Arbeitnehmers bei seinem Arbeitgeber voraus, weil diese Aufgaben dauerhaft zu einem Dritten verlagert worden sind. Dies kann im Wege einer bloßen Funktionsnachfolge oder – wie im Ausgangsverfahren – aufgrund eines Betriebs(teil)übergangs erfolgen. In beiden Fällen kann der Arbeitnehmer bei seinem Arbeitgeber nicht mehr auf seinem bisherigen Arbeitsplatz beschäftigt werden. Ein Betriebs(teil)übergang löst nach § 613a BGB zwar zwingend den Übergang des Arbeitsverhältnisses des betroffenen Arbeitnehmers auf den Dritten als neuen Rechtsträger aus, ohne dass dies zum Beispiel über ein Gestellungsmodell umgangen werden kann (BAG 20. März 2014 – 8 AZR 1/13 – Rn. 24 mwN). Der Arbeitnehmer hat aber, wie in Rn. 4 ausgeführt, nach nationalem Recht die Möglichkeit, zu widersprechen und dadurch den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Dritten zu verhindern. Macht ein Arbeitnehmer wie der Kläger im Ausgangsverfahren von diesem Recht Gebrauch, setzt er sich dem Risiko einer betriebsbedingten (Änderungs-)Kündigung aus, weil sein Arbeitsplatz bei seinem bisherigen Arbeitgeber weggefallen ist. Gleiches gilt, wenn kein Betriebsübergang vorliegt und der Arbeitnehmer auch kein Übernahmeangebot erhält. In diesen Fällen eröffnet das Instrument der Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis mit seinem vertraglichen Arbeitgeber mit dem bisherigen Vertragsinhalt und zu den bisherigen Beschäftigungsbedingungen fortzusetzen.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 27
Die Personalgestellung im Sinne des § 4 Abs. 3 TVöD betrifft damit ausschließlich Arbeitnehmer in festen Arbeitsverhältnissen, deren Aufgaben auf einen Dritten übergehen, und dient der Sicherung des dauerhaften Fortbestands ihres Arbeitsverhältnisses sowie der Absicherung ihrer Arbeitsbedingungen. Der vertragliche Arbeitgeber schuldet das bisherige Entgelt mit der Perspektive auf dessen Steigerung durch den Aufstieg in dem nach Entgeltstufen gegliederten Entgeltsystem des TVöD sowie regelmäßige Entgeltanpassungen (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 4 Stand Mai 2015 Rn. 61, 69). Ferner behält der Arbeitnehmer etwaige Besitzstandssicherungen, wie sie im öffentlichen Dienst verbreitet sind. Außerdem wird die Zusatzversorgung, das heißt die betriebliche Altersversorgung des öffentlichen Dienstes, fortgeführt. Ein bereits erreichter tariflicher Ausschluss der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses, der neben einem bestimmten Lebensalter eine bestimmte Dauer der Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst erfordert, bleibt erhalten. Damit ist der soziale Schutz des Arbeitnehmers sichergestellt.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 28
b) Gegen die Anwendbarkeit der Richtlinie 2008/104/EG auf Personalgestellungen nach § 4 Abs. 3 TVöD könnte aus Sicht des vorlegenden Senats auch sprechen, dass die von einer Personalgestellung betroffenen Arbeitnehmer ursprünglich zur Erledigung eigener Aufgaben des Arbeitgebers eingestellt worden sind und diese – wie der Fall des Klägers zeigt – gegebenenfalls auch jahrelang wahrgenommen haben. Das Arbeitsverhältnis ist also gerade nicht, wie es Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/104/EG in ihrer deutschen Sprachfassung mit der Formulierung „um“ vorsieht, zu dem Zweck eingegangen worden, den Arbeitnehmer einem entleihenden Unternehmen zu überlassen.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 29
c) Auch könnte gegen die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2008/104/EG auf die Personalgestellung im Sinne von § 4 Abs. 3 TVöD sprechen, dass sie nur möglich ist, wenn eigene Aufgaben des Arbeitgebers, für die der Arbeitnehmer gerade eingestellt worden ist, dauerhaft zu einem Dritten verlagert worden sind. Damit ist die Personalgestellung bereits ihrem Charakter nach auf Dauer angelegt. Dies könnte die Gefahr einer Umgehung der Richtlinie durch aufeinanderfolgende Überlassungen und damit einen Missbrauch ausschließen.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 30
aa) Der Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 14. Oktober 2020 (- C-681/18 – Rn. 60 f. und Rn. 70) festgestellt, dass die Überlassung eines Arbeitnehmers an ein entleihendes Unternehmen im Sinne der Richtlinie 2008/104/EG seiner Natur nach vorübergehend ist und die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, dafür zu sorgen, Leiharbeit bei demselben entleihenden Unternehmen nicht zu einer Dauersituation für den Leiharbeitnehmer werden zu lassen. Er hat weiter ausgeführt, dass aufeinanderfolgende Überlassungen desselben Leiharbeitnehmers an dasselbe entleihende Unternehmen den Wesensgehalt der Richtlinie 2008/104/EG umgehen und einem Missbrauch dieser Beschäftigungsform gleichkommen, weil sie den durch die Richtlinie hergestellten Ausgleich zwischen der Flexibilität für die Arbeitgeber und der Sicherheit für die Arbeitnehmer beeinträchtige, indem sie dem Schutz der Arbeitnehmer entgegenwirken.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 31
bb) Zweck der Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD ist – wie bereits in Rn. 27 dargelegt – aber gerade, dem vom dauerhaften Wegfall seines Aufgabenbereichs bei seinem vertraglichen Arbeitgeber betroffenen Arbeitnehmer Schutz und Sicherheit zu gewähren, indem das Risiko eines Arbeitsplatzverlusts oder eines Arbeitgeberwechsels und der damit verbundenen möglichen Nachteile vermieden wird. Insoweit könnte die Begrenzung der Dauer der Personalgestellung anders als bei der Leiharbeit im Sinne der Richtlinie 2008/104/EG nicht notwendig sein, um missbräuchlichem Handeln des Arbeitgebers zulasten des gestellten Arbeitnehmers entgegenzuwirken. Sie würde den mit der Personalgestellung bezweckten Schutz vielmehr entwerten.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 32
d) Schließlich ist nicht klar, ob die Personalgestellung gemäß § 4 Abs. 3 TVöD das von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/104/EG vorausgesetzte Merkmal der „wirtschaftlichen Tätigkeit“ des vertraglichen Arbeitgebers erfüllt.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 33
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/104/EG jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten (EuGH 17. November 2016 – C-216/15 – [Betriebsrat der Ruhrlandklinik] Rn. 44; 23. Februar 2016 – C-179/14 – [Kommission/Ungarn] Rn. 149; 1. Juli 2008 – C-49/07 – [MOTOE] Rn. 22). Nach dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/104/EG steht zwar die fehlende Verfolgung eines Erwerbszwecks durch das überlassende Unternehmen der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht entgegen, was für die Erstreckung der Richtlinie 2008/104/EG auch auf die Personalgestellung sprechen könnte. Zudem wird im Rahmen der Personalgestellung vom Dritten regelmäßig ein Entgelt gezahlt, das jedenfalls die Personal- und die Verwaltungskosten umfasst (zu diesem Merkmal EuGH 17. November 2016 – C-216/15 – [Betriebsrat der Ruhrlandklinik] Rn. 45). Es ist aber nicht eindeutig, ob die Personalgestellung, die das Arbeitsverhältnis bei einer Aufgabenverlagerung absichert, eine Tätigkeit des vertraglichen Arbeitgebers darstellt, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten (BAG 14. Oktober 2020 – 7 AZR 286/18 – Rn. 58).
6 AZR 390/20 (A) > Rn 34
6 AZR 390/20 (A) > Rn 35
Für den Fall, dass der Gerichtshof die erste Vorlagefrage bejaht und die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/104/EG fällt, bedarf es der Klärung, ob die mit § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG erfolgte Herausnahme der Personalgestellung aus dem Anwendungsbereich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (Bereichsausnahme) vor dem Hintergrund des mit ihr verfolgten Ziels der Arbeitsplatz- und Beschäftigungssicherung mit dem Schutzzweck der Richtlinie im Einklang steht.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 36
1. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG ist das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht anzuwenden auf die Arbeitnehmerüberlassung durch Arbeitgeber, wenn die Aufgaben eines Arbeitnehmers von dem bisherigen Arbeitgeber zu einem Dritten verlagert werden, das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber aufgrund eines Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes weiter fortbesteht und die Arbeitsleistung zukünftig bei dem entleihenden Arbeitgeber erbracht wird. Das erfasst den Tatbestand der Personalgestellung im Sinne von § 4 Abs. 3 TVöD. Mit dieser Bereichsausnahme – deren Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind – soll nach den Vorstellungen des nationalen Gesetzgebers dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Personalgestellung funktional als eine besondere Form der Aufgabenverlagerung anzusehen ist und im Bestandsschutzinteresse der von der Aufgabenverlagerung betroffenen Arbeitnehmer erfolgt (Bundestagsdrucksache 18/9232 Seite 22). Der nationale Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass es bei Gestellungen keines Schutzes der Arbeitnehmer durch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz bedarf, weil die bisherigen Arbeitsbedingungen weiter gelten und auch die typischen Risiken der Arbeitnehmerüberlassung, insbesondere hohe Arbeitsplatzunsicherheit und der Einsatz an ständig wechselnden Orten, nicht gegeben sind, sondern der gestellte Arbeitnehmer seinen bisherigen Arbeitgeber behält (Bundesratsdrucksache 745/13).
6 AZR 390/20 (A) > Rn 37
2. Der Anwendung von § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG steht im Ausgangsverfahren nicht entgegen, dass die Beklagte als privatrechtliche Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) organisiert ist. § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG ist nicht auf die Personalgestellung durch juristische Personen des öffentlichen Rechts beschränkt. Die Bereichsausnahme erfasst auch solche privatrechtlich organisierten Arbeitgeber, die – wie die Beklagte, deren alleiniger Träger der Landkreis G als Körperschaft öffentlichen Rechts ist – im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, soweit diese an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes gebunden sind (BAG 14. Oktober 2020 – 7 AZR 286/18 – Rn. 63 ff.).
6 AZR 390/20 (A) > Rn 38
3. Aus Sicht des vorlegenden Senats ist jedoch nicht eindeutig, ob das Erreichen des mit der Richtlinie 2008/104/EG verfolgten Schutzzwecks durch die Bereichsausnahme des § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG in Frage gestellt wird. Würde der von der Richtlinie angestrebte Schutz der Arbeitnehmer bereits durch die Gestellung verwirklicht, könnte die Bereichsausnahme wirksam sein.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 39
a) Nach dem Erwägungsgrund 12 der Richtlinie 2008/104/EG soll ein diskriminierungsfreier, transparenter und verhältnismäßiger Rahmen zum Schutz der Leiharbeitnehmer festgelegt und gleichzeitig die Vielfalt der Arbeitsmärkte und der Arbeitsbeziehungen gewahrt werden. Ziel der Richtlinie ist es, für den Schutz der Leiharbeitnehmer zu sorgen und die Qualität der Leiharbeit zu verbessern, indem die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern gesichert wird und die Leiharbeitsunternehmen als Arbeitgeber anerkannt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein angemessener Rahmen für den Einsatz von Leiharbeit festgelegt werden muss, um wirksam zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Entwicklung flexibler Arbeitsformen beizutragen (EuGH 14. Oktober 2020 – C-681/18 – Rn. 40).
6 AZR 390/20 (A) > Rn 40
b) Nach diesem Schutzzweck könnte es mit den Vorgaben der Richtlinie 2008/104/EG vereinbar sein, Arbeitnehmer in (auch privatrechtlich organisierten) Unternehmen der öffentlichen Hand, die unter den Voraussetzungen und mit den Rechtsfolgen des § 4 Abs. 3 TVöD an einen Dritten gestellt werden, von den Schutzbestimmungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes auszunehmen, weil diese Form der Personalüberlassung schon selbst dem Schutz und der Sicherheit von Arbeitsverhältnissen sowie deren Bedingungen dient und die strengen Tatbestandsvoraussetzungen der Gefahr eines Missbrauchs zulasten der Arbeitnehmer entgegenwirken.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 41
c) Zudem könnte für die Bereichsausnahme sprechen, dass sich die den jeweiligen Schutzzwecken von § 4 Abs. 3 TVöD und dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz beziehungsweise der Richtlinie 2008/104/EG zugrunde liegenden Interessen der betroffenen Arbeitnehmer nicht decken.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 42
aa) Die Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer bei Überlassung sollen neben der Flexibilisierung des Personaleinsatzes Rahmenbedingungen für die Leiharbeit schaffen, durch die der soziale Schutz der Leiharbeitnehmer unabhängig von deren vertraglichen Vereinbarungen gewährleistet wird. Das besondere Schutzbedürfnis von Leiharbeitnehmern entspringt dem oftmals schwierigen Charakter ihrer Arbeitsverhältnisse. Die wechselnden, häufig nur wenige Wochen andauernden Einsätze erfordern eine große Anpassungsfähigkeit an neue betriebliche Gegebenheiten sowie ein hohes Maß an örtlicher Mobilität. Arbeitgeberspezifische Qualifikationen werden schwerer erworben, was zu geringeren Karrierechancen führen kann. Darum soll jedenfalls verhindert werden, dass die Leiharbeitnehmer das Lohnrisiko sowie die Gefahr eines geringeren Bestandsschutzes ihrer Arbeitsverhältnisse selbst tragen, weil etwa durch eine Synchronisierung des Zeitarbeitsverhältnisses zu ihrem Vertragsarbeitgeber mit der Einsatzdauer beim Entleiher das Risiko eines verminderten Arbeitsanfalls nicht – wie in anderen Arbeitsverhältnissen – vom Arbeitgeber, sondern allein vom Arbeitnehmer getragen wird (Thüsing in Thüsing AÜG 4. Aufl. Einführung Rn. 6; Fieberg NZA 2014, 187). Dieser Schutzzweck erklärt die vom Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vorgesehenen Rechtsfolgen zum Schutz der Leiharbeitnehmer vor dem missbräuchlichen Einsatz von Leiharbeit, insbesondere den gewerberechtlichen Erlaubnisvorbehalt mit nicht nur ordnungswidrigkeitenrechtlichen, sondern auch arbeitsrechtlichen Sanktionen wie beispielsweise die Fingierung eines Arbeitsverhältnisses zu dem Entleiher und dem Gebot zum Mindestentgelt sowie dem Anspruch auf Entgeltgleichheit (equal pay) (Fieberg NZA 2014, 187, 189).
6 AZR 390/20 (A) > Rn 43
bb) Die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD bezweckt dagegen, wie bereits in Rn. 27 ausgeführt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis mit seinem Vertragsarbeitgeber zu den bisherigen tariflichen Bedingungen unter gleichzeitiger Fortsetzung seiner Tätigkeit im vertrauten Aufgabengebiet zu erhalten. Daher kommt sie abgesehen von Fällen einer reinen Funktionsnachfolge gerade dann zum Tragen, wenn der Arbeitnehmer – wie der Kläger im Ausgangsverfahren – mit dem Übertritt zum neuen Aufgabenträger infolge eines Betriebs(teil)übergangs, zum Beispiel wegen befürchteter Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen oder wegen möglicher Auswirkungen auf die Sicherheit des Arbeitsverhältnisses, nicht einverstanden ist. So kann der Dritte als potentiell neuer Arbeitgeber aus Sicht des Arbeitnehmers von Insolvenz bedroht sein oder so wenige Arbeitnehmer beschäftigen, dass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet. Die von § 4 Abs. 3 TVöD eröffnete Möglichkeit der Personalgestellung wirkt in einem solchen Fall der Gefahr entgegen, dass dem Arbeitnehmer wegen des Wegfalls der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei seinem vertraglichen Arbeitgeber betriebsbedingt gekündigt wird. Sie ist damit ein Instrument zur Absicherung der von Aufgabenverlagerungen betroffenen Arbeitnehmer, die nicht in ein Arbeitsverhältnis beim Übernehmer übertreten wollen oder können (Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 4 Stand Mai 2015/November 2017 Rn. 60 ff.). Macht der vertragliche Arbeitgeber von der Möglichkeit zur Personalgestellung Gebrauch, sind die betroffenen Arbeitnehmer davor geschützt, dass durch die Verlagerung von Aufgaben Einsparungen zu ihren Lasten erfolgen.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 44
cc) Die Einordnung der Personalgestellung im Sinne von § 4 Abs. 3 TVöD unter die Schutznormen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes könnte deshalb den Interessen der im Rahmen einer solchen Gestellung überlassenen Arbeitnehmer entgegenstehen. Deren Schutzbedürfnis bei der Verlagerung ihrer Arbeitsaufgaben ergibt sich gerade nicht aus einem prekären Arbeitsverhältnis, sondern aus der Gefährdung ihres Arbeitsverhältnisses zum vertraglichen Arbeitgeber. Dieser Gefahr will § 4 Abs. 3 TVöD mit der Erweiterung des Direktionsrechts des vertraglichen Arbeitgebers auf eine Personalgestellung entgegentreten, die den dauerhaften Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und seiner Inhalte sichert. Die Rechtsfolgen bei einem Eingreifen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, insbesondere das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zum neuen Aufgabenträger nach § 9 Abs. 1 Nr. 1b, § 10 Abs. 1 AÜG, wirkten diesem Schutzbedürfnis entgegen. Zudem wären diese Rechtsfolgen, jedenfalls im Fall eines Widerspruchs gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber aufgrund eines Betriebs(teil)übergangs vom gestellten Arbeitnehmer nicht erwünscht. Durch die in § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG vorgesehene, den strengen Anforderungen nach § 9 Abs. 2 und Abs. 3 AÜG unterliegende, fristgebundene Erklärung, an dem Arbeitsverhältnis zum Verleiher festhalten zu wollen (Festhaltenserklärung), kann kein mit § 4 Abs. 3 TVöD vergleichbarer Schutz bewirkt werden. Zwar kann der Arbeitnehmer mit einer solchen Erklärung das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher zunächst verhindern. Das ändert aber nichts daran, dass seine Aufgaben beim vertraglichen Arbeitgeber entfallen sind und das Arbeitsverhältnis damit in seinem Bestand gefährdet ist.
6 AZR 390/20 (A) > Rn 45
E. Die Entscheidung über die Aussetzung des Rechtsstreits beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 148 ZPO.
Spelge Heinkel Wemheuer
C. Klar Wollensak