Außerordentliche Kündigung – Mitglied des Betriebsrats
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.08.1984, 2 AZR 391/83
Tatbestand
Die Beklagte betreibt in V ein Unternehmen, in dem sie technische Teile aus Kunststoff herstellt. Der Kläger ist seit dem 25. August 1975 als Maschinenarbeiter bei der Beklagten beschäftigt und war zuletzt bei einem Bruttomonatsverdienst von etwa 2.000,– DM in der Hartschaumabteilung tätig. Seit 1981 gehörte der Kläger dem Betriebsrat an. Am 15. Mai 1982 packte der Kläger gegen Schichtende um 12.00 Uhr einige Papiertücher von etwa 40 x 30 cm Größe und im Wert von ca. 6,6 Pfg. pro Stück, die zum Auswischen von Formen in der Nähe der Stempeluhr gelagert waren, in seine Aktentasche ein und nahm sie mit nach Hause. Der Kläger wurde beim Einpacken der Papiertücher von dem Schichtleiter der Hartschaumabteilung K beobachtet und deshalb angesprochen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Schichtleiter die Mitnahme der Tücher gebilligt oder den Kläger aufgefordert hat, die Auswischtücher wieder hinzulegen mit dem Hinweis, anderenfalls mache er sich eines Diebstahls schuldig und müsse mit entsprechenden Konsequenzen rechnen.
Mit Schreiben vom 18. Mai 1982 teilte der Prokurist P der Beklagten dem Betriebsrat "vertraulich" mit, das Betriebsratsmitglied Y sei am Samstag, dem 15. Mai 1982, durch den Schichtführer K dabei ertappt worden, wie er sich nach Feierabend seine Privataktentasche voll Auswischtücher packte. Der Betriebsrat werde deshalb gebeten, einer fristlosen Kündigung (ersatzweise fristgerechten Kündigung) des Herrn Y zuzustimmen. Am selben Tage lud der Betriebsratsvorsitzende den Betriebsrat zu einer Sitzung am 19. Mai 1982 um 12.30 Uhr mit folgender Tagesordnung ein:
"1. Verlesen des Protokolls vom 10.5.82
2. Bericht Lohn- und Prämienausschuß und Beschlußfassung Vorgabezeit
3. Zusätzliches Urlaubsgeld – Auszahlung Vorschlag Geschäftsleitung
4. Kündigung H , B
5. Betriebliches"
Zu der Betriebsratssitzung am 19. Mai 1982 wurde für das verhinderte Betriebsratsmitglied F das Ersatzmitglied Be geladen, im übrigen alle ordentlichen Betriebsratsmitglieder, die auch bis auf das ohne Ankündigung fehlende Betriebsratsmitglied Fl alle an der Sitzung teilnahmen. Unter Punkt 5 der Tagesordnung wurde die Kündigung des Klägers, der auch bei dem Punkt 5 als Betriebsratsmitglied beratend teilnahm, behandelt. Das am 24. Mai 1984 gefertigte Protokoll der Betriebsratssitzung vom 19. Mai 1982 besagt insoweit:
"Zu 5. Betriebliches
Außerordentliche Kündigung des BR-Mitgliedes
Koll. Y .
Die außerordentliche Kündigung lag dem BR in Schriftform als vertrauliche Mitteilung vor. Koll. M
verliest die Mitteilung des BR im Beisein des Koll. Y und bittet um seine Stellungnahme, um den
Sachverhalt aufzuklären. Herr P wurde dann zur Sachlage gehört. Als weitere Zeugen sagten aus Herr Bö , Herr K , Frau Yi , Frau P und Herr N . Nach eingehender Beratung des Betriebsrates wurde
einstimmig beschlossen, der außerordentlichen Kündigung des Koll. Y zuzustimmen. Der Beschluß wurde gefaßt in Abwesenheit des Zeugen und des Koll. Y .
…"
Nach der Betriebsratssitzung wurde dem Prokuristen P telefonisch die Zustimmung des Betriebsrats zu der fristlosen Kündigung des Klägers mitgeteilt. Daraufhin sandte die Beklagte unter dem 19. Mai 1982 folgendes Kündigungsschreiben:
"Kündigung des Arbeitsverhältnisses
Sehr geehrter Herr Y ,
hiermit kündigen wir das Arbeitsverhältnis fristlos zum 19.05.82, hilfsweise fristgemäß zum 04.06.82.
Der Betriebsrat wurde vor Ausspruch der Kündigung gehört und hat dieser nicht widersprochen."
Mit seiner am 7. Juni 1982 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt.
Er hat vorgetragen, er habe schätzungsweise acht Tücher mitgenommen. Das habe der Schichtleiter K erlaubt. Die Kündigung sei schon mangels Zustimmung des Betriebsrats unwirksam. Der Zustimmungsbeschluß des Betriebsrats vom 19. Mai 1982 sei nichtig, weil seine Kündigung nicht auf der Tagesordnung gestanden habe und die Tagesordnung auch nicht entsprechend durch Beschluß ergänzt worden sei. Zudem seien für das Betriebsratsmitglied Fl und ihn keine Ersatzmitglieder geladen worden.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 1982, die dem Kläger am 21. Mai 1982 zugegangen ist, noch durch die gleichzeitig ausgesprochene fristgemäße Kündigung zum 4. Juni 1982 beendet worden ist, sondern darüber hinaus unter unveränderten Bedingungen fortbesteht;
- die Beklagte zu verurteilen, den Kläger unter unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, Herr K habe den Kläger angewiesen, die Tücher liegen zu lassen und ihn ausdrücklich darauf hingewiesen, er mache sich des Diebstahls schuldig, wenn er sie mitnehme. Nachdem der Schichtleiter sich abgewandt hatte, habe der Kläger die Papiertücher in seine Aktentasche gesteckt und damit das Betriebsgelände verlassen. Der Beschluß des Betriebsrats über die Zustimmung zur Kündigung des Klägers sei nicht unwirksam gewesen. Herr Fl sei für die Sitzung ordnungsgemäß geladen worden, sei jedoch nicht erschienen. Ihm sei auch bekannt gewesen, daß in der Sitzung die Kündigung des Klägers zur Abstimmung gelangen sollte. Da der Kläger ordentliches Betriebsratsmitglied gewesen sei, habe er auch einen Anspruch darauf gehabt, an der Sitzung teilzunehmen, so daß kein Grund vorhanden gewesen sei, für ihn ein Ersatzmitglied zu bestellen. Auch wenn für den Kläger und Herrn Fl Ersatzmitglieder bestellt worden wären, wären diese auch für den Fall, daß sie der Kündigung nicht zugestimmt hätten, überstimmt worden. Selbst wenn Fehler in der Beschlußfassung des Betriebsrats vorhanden gewesen wären, fielen diese in die Sphäre des Betriebsrats und seien dem Kläger und nicht der Beklagten zuzurechnen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 1982 fristlos noch durch die gleichzeitig ausgesprochene fristgemäße Kündigung am 4. Juni 1982 beendet worden ist. Darüber hinaus hat es die Beklagte verurteilt, den Kläger unter unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen. Im übrigen hat es die Klage als unzulässig abgewiesen.
Wegen der Klage auf Weiterbeschäftigung haben die Parteien den Rechtsstreit in der Revisionsverhandlung übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Sie haben sich weiter in einem gerichtlichen Teilvergleich dahin geeinigt, daß die Kostenregelung insoweit der Kostenentscheidung über die Kündigungsschutzklage folgt.
Mit der Revision begehrt die Beklagte nunmehr nur noch hinsichtlich der Feststellungsklage die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist teils unzulässig, teils unbegründet.
A. Soweit sich die Revision gegen den Ausspruch zur fristgemäßen Kündigung richtet, ist sie mangels Begründung unzulässig.
B. Hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung ist die Revision unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die fristlose Kündigung sei gemäß § 15 Abs. 1 KSchG unzulässig, weil der Betriebsrat der fristlosen Kündigung nicht wirksam zugestimmt habe. Zur Wirksamkeit eines solchen Beschlusses sei zumindest erforderlich, daß alle Betriebsratsmitglieder einschließlich der etwaigen Ersatzmitglieder zu der Sitzung ordnungsgemäß vom Betriebsratsvorsitzenden geladen worden seien. Der Betriebsratsvorsitzende hätte vorliegend für den Punkt 5 der Tagesordnung, soweit er die Kündigung des Klägers betroffen habe, für den Kläger ein Ersatzmitglied laden müssen. Das von der Kündigung betroffene Betriebsratsmitglied sei nämlich im Rahmen des Zustimmungsverfahrens nach § 103 Abs. 1 BetrVG rechtlich an der Beratung und der Abstimmung verhindert, so daß nach § 25 Abs. 1 BetrVG insoweit ein Ersatzmitglied zu laden sei.
Die Nichtigkeit des Zustimmungsbeschlusses sei auch nicht deshalb unerheblich, weil sie durch den Betriebsrat selbst verursacht worden sei. Zwar würden sich beim Anhörungsverfahren des § 102 BetrVG solche Mängel auf die Ordnungsmäßigkeit der Anhörung nicht auswirken, die in den Verantwortungsbereich des Betriebsrats fielen. Wegen der gewichtigen sachlichen Unterschiede der Verfahren seien diese Grundsätze jedoch nicht auf das Zustimmungsverfahren des § 103 BetrVG zu übertragen. Dennoch dürften nicht alle fehlerhaften Beschlüsse im Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG zu Lasten des Arbeitgebers zur Folge haben, daß die Kündigung mangels Zustimmung des Betriebsrats unzulässig sei. Dem Arbeitgeber sei insoweit ein Vertrauensschutz einzuräumen. Vorliegend habe die Beklagte jedoch nicht auf die Wirksamkeit des Zustimmungsbeschlusses vertrauen dürfen, da sie in gleicher Weise wie der Betriebsrat alle Faktoren gekannt habe, die zur Unwirksamkeit des Beschlusses geführt hätten. Der Prokurist P der Beklagten habe das Zustimmungsverfahren bei dem Betriebsrat eingeleitet und habe dann die Kündigung ausgesprochen. Der Prokurist P sei auch unstreitig in der Betriebsratssitzung vom 19. Mai 1982 anwesend gewesen und habe dort den Kläger beratend als Betriebsratsmitglied ohne Ladung eines Ersatzmitgliedes für ihn in Tätigkeit gesehen.
II. Die Revision rügt, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, die Beklagte habe nicht auf die Wirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses vertrauen dürfen und greift die insoweit getroffenen Feststellungen auch mit formellen Rügen an. Das angefochtene Urteil ist jedoch insoweit weder in seinen rechtlichen Ausführungen zu beanstanden noch unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Zustimmungsbeschluß des Betriebsrats vom 19. Mai 1982 aufgrund der von ihm getroffenen und insoweit von der Revision nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen als unwirksam angesehen.
a) Ein Betriebsratsbeschluß ist nichtig, wenn er entweder einen gesetzwidrigen Inhalt hat oder nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist (Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 33 Rz 34; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 33 Rz 36). Die Nichtigkeit der Beschlußfassung wird jedoch nicht durch jeden Mangel des Verfahrens bewirkt, sondern nur durch grobe Verstöße gegen Verfahrensvorschriften, die für das ordnungsgemäße Zustandekommen als wesentlich anzusehen sind (Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 33 Rz 35; GK-Wiese, BetrVG, § 33 Rz 35; Dietz/Richardi, aaO, § 33 Rz 36; Etzel, Betriebsverfassungsrecht, 2. Aufl., S. 86; Stege/Weinspach, BetrVG, 5. Aufl., § 33 Rz 6). Eine wesentliche Voraussetzung für das ordnungsgemäße Zustandekommen des Betriebsratsbeschlusses ist die gemäß § 29 BetrVG erfolgte ordnungsgemäße Ladung aller Betriebsratsmitglieder einschließlich etwaiger Ersatzmitglieder unter Mitteilung der Tagesordnung (GK-Wiese, aaO, § 33 Rz 36; Dietz/Richardi, aaO, § 33 Rz 37; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 33 Rz 2; LAG Saarbrücken vom 11. November 1964 – Sa 141/63 – AP Nr. 2 zu § 29 BetrVG). Wird daher für ein zeitweilig verhindertes Betriebsratsmitglied kein Ersatzmitglied geladen, so ist der Betriebsrat an einer wirksamen Beschlußfassung gehindert (Galperin/Löwisch, aaO, § 33 Rz 5; Kammann/Hess/Schlochauer, BetrVG, § 33 Rz 7). Das gilt allerdings dann nicht, wenn ein Betriebsratsmitglied plötzlich verhindert ist und es dem Betriebsratsvorsitzenden nicht mehr möglich ist, das Ersatzmitglied rechtzeitig zu laden (Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 33 Rz 17; Kammann/Hess/Schlochauer, aaO, § 33 Rz 7).
In eigenen Angelegenheiten hat das betroffene Betriebsratsmitglied kein Stimmrecht (vgl. Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 33 Rz 26; GK-Wiese, aaO, § 33 Rz 19; BAG 28, 54 = AP Nr. 6 zu § 103 BetrVG 1972, m.w.N.). Nach der überwiegenden Meinung ist das selbstbetroffene Betriebsratsmitglied jedenfalls im Rahmen des Zustimmungsverfahrens nach § 103 Abs. 1 BetrVG auch gehindert, an der der Abstimmung vorausgehenden B e r a t u n g teilzunehmen (BAG 36, 72 = AP Nr. 13 zu § 103 BetrVG 1972; Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 33 Rz 26; GK-Wiese, aaO, § 33 Rz 19; Galperin/Löwisch, aaO, § 103 Rz 14; KR-Etzel, 2. Aufl., § 103 BetrVG Rz 74; a.A.: Dietz/Richardi, aaO, § 25 Rz 14 und Bieback, AuR 1977, 321, 327).
Der herrschenden Meinung wird gefolgt, weil die Beratung und die anschließende Abstimmung über die Zustimmung zur fristlosen Kündigung nach dem im Betriebsverfassungsgesetz geregelten Verfahren über die Mitwirkung der einzelnen Betriebsratsmitglieder eine Einheit bilden und nicht aufteilbar sind. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG rückt für ein zeitweilig verhindertes Betriebsratsmitglied ein Ersatzmitglied nach. Würde für die Mitwirkung des betroffenen Betriebsratsmitgliedes an der Beratung etwas anderes gelten als für die Mitwirkung an der Abstimmung, müßte sich das Ersatzmitglied entweder ohne vorausgehende Beratung an der Abstimmung beteiligen oder es müßten zwei aufeinanderfolgende Beratungen in unterschiedlicher Besetzung stattfinden, beides liefe Sinn und Zweck des § 103 BetrVG zuwider und wäre darüberhinaus unpraktikabel (vgl. BAG AP Nr. 13 zu § 103 BetrVG mit Anm. von Bickel). Entscheidend ist, daß von einem persönlich betroffenen Betriebsratsmitglied eine sachbezogene objektive Beratung nicht erwartet werden kann (KR-Etzel, 2. Aufl., § 103 BetrVG Rz 74).
Das von der Beratung und Abstimmung ausgeschlossene Betriebsratsmitglied gilt als zeitweilig verhindert im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, so daß an seine Stelle ein Ersatzmitglied als Vertreter tritt. Eine zeitweilige Verhinderung im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG liegt nämlich nicht nur dann vor, wenn das Betriebsratsmitglied aus tatsächlichen Gründen an der Ausübung seines Amtes verhindert ist, sondern auch dann, wenn es aus rechtlichen Gründen von der Teilnahme ausgeschlossen ist (Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 25 Rz 12; GK-Thiele, aaO, § 25 Rz 12 f.; Kammann/Hess/Schlochauer, aaO, § 25 Rz 8; Galperin/Löwisch, aaO, § 25 Rz 13; LAG Hamm, DB 1975, 1851; Bickel, Anm. zu AP Nr. 13 zu § 103 BetrVG 1972, alle m.w.N.).
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Berufungsgericht zutreffend von der Unwirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses ausgegangen. Es hat festgestellt, daß der Kläger auch an dem Punkt 5 der Tagesordnung, unter dem seine Kündigung behandelt wurde, als Betriebsratsmitglied "beratend teilgenommen" hat und weder für die Beratung noch die Abstimmung über diese Kündigung ein Ersatzmitglied geladen worden war. Diese Feststellungen sind auch von der Revision nicht mit formellen Rügen angegriffen worden, so daß der Senat daran gemäß § 561 Abs. 2 ZPO gebunden ist.
c) Ob ein weiterer zur Unwirksamkeit führender Verstoß gegen Verfahrensvorschriften auch darin zu sehen ist, daß die Kündigung des Klägers nicht ausdrücklich auf der Tagesordnung stand, kann dahinstehen.
2. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht auch davon ausgegangen, die Nichtigkeit eines gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG erforderlichen Zustimmungsbeschlusses führe dann nicht zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung, wenn der Arbeitgeber nach den allgemeinen Grundsätzen des Vertrauensschutzes auf seine Ordnungsmäßigkeit vertrauen durfte.
Welche Auswirkungen Mängel im Zustimmungsverfahren des § 103 BetrVG auf die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung haben, ist umstritten. Insbesondere gehen die Meinungen darüber auseinander, ob die Grundsätze, die von Rechtsprechung und Lehre für Mängel beim Anhörungsverfahren des § 102 BetrVG entwickelt worden sind, auf das Zustimmungsverfahren des § 103 BetrVG übertragen werden können.
a) Mängel bei der Anhörung, die in den Zuständigkeitsbereich und Verantwortungsbereich des Betriebsrats fallen, berühren die Ordnungsmäßigkeit des Anhörungsverfahrens im Sinne von § 102 Abs. 1 BetrVG nicht und wirken sich daher auch nicht auf die Rechtswirksamkeit der Kündigung aus, selbst wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung weiß oder vermuten kann, daß die Behandlung der Angelegenheit durch den Betriebsrat nicht fehlerfrei gewesen ist (BAG 27, 209, 213 f. = AP Nr. 4 zu § 102 BetrVG 1972, zu III der Gründe; BAG Urteil vom 2. April 1976 – 2 AZR 513/75 – AP Nr. 9 zu § 102 BetrVG 1972 und BAG Urteil vom 18. August 1982 – 7 AZR 437/80 – AP Nr. 24 zu § 102 BetrVG 1972, zu I 3 c der Gründe).
Galperin/Löwisch (aaO, § 103 Rz 15), Kammann/Hess/Schlochauer (aaO, § 103 Rz 37) und Bleistein (Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 2. Aufl., Rz 296) wollen die Grundsätze des § 102 BetrVG auch auf das Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG übertragen. Sonst komme man wegen des Erfordernisses der vorherigen Zustimmung zu dem unbilligen Ergebnis, daß der Arbeitgeber sich unter Umständen noch nach längerer Zeit einer Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung gegenüber sehe, obwohl er auf die Wirksamkeit der Zustimmung vertraut habe.
Dagegen hält die überwiegende Meinung aufgrund der gewichtigen sachlichen Unterschiede zwischen dem Anhörungs- und dem Zustimmungsverfahren die Anwendung der zu § 102 BetrVG entwickelten Grundsätze auf das Verfahren nach § 103 BetrVG für nicht zulässig (Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 103 Rz 25; KR-Etzel, 2. Aufl., § 103 BetrVG Rz 107; Hueck, aaO, § 15 Rz 50 a; Hanau, AR-Blattei, D Betriebsverfassung IX, Kündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder, zu B II 2; Stahlhacke, aaO, Rz 786 unter Aufgabe seiner in der Vorauflage vertretenen Auffassung; Bieback, AuR 1977, 321, 323; Klebe/Schumann, DB 1978, 1591 f.; Lepke, BB 1973, 894 f.; Bulla, Anm. zu BAG Urteil vom 1. Dezember 1977 – 2 AZR 426/76 – in SAE 1978, 293 f. und Peterek, Anm. zu BAG Urteil vom 17. September 1981 – 2 AZR 402/79 – SAE 1982, 314, 316).
b) Mit dem Berufungsgericht und der überwiegenden Ansicht im Schrifttum lehnt der Senat die entsprechende Anwendung der für das Anhörungsverfahren entwickelten Grundsätze auf das Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG ab.
Bereits in seinen Entscheidungen vom 22. Februar 1979 – 2 AZR 115/78 – (EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 23) und vom 22. März 1979 – 2 AZR 361/77 – (nicht veröffentlicht) hat der Senat Bedenken gegen die Übertragung der Grundsätze, die beim Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG für die Abgrenzung zwischen dem Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich des Betriebsrats und des Arbeitgebers gelten, auf Mängel im Regelungsbereich des § 103 BetrVG geäußert; er hat die Frage jedoch in beiden Entscheidungen letztlich dahinstehen lassen können. Wie die jetzt erforderliche abschließende Klärung ergibt, lassen die erheblichen Unterschiede zwischen den beiden Beteiligungsrechten keine Übertragung der "Sphärentheorie" auf das Zustimmungsverfahren des § 103 BetrVG zu.
aa) § 102 Abs. 1 BetrVG verpflichtet den Arbeitgeber lediglich, dem Betriebsrat Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer beabsichtigten Kündigung zu geben. Gibt er eine derartige Stellungnahme nicht ab, obwohl der Arbeitgeber ihm die Kündigungsabsicht und -gründe mitgeteilt hat, gilt seine Zustimmung zur Kündigung nach Ablauf der in § 102 Abs. 2 BetrVG vorgeschriebenen Frist gemäß § 102 Abs. 2 Satz 2 BetrVG als erteilt. Demgegenüber kommt der Zustimmung des Betriebsrats zum Kündigungsbegehren nach § 103 BetrVG konstitutive Bedeutung zu, da sie den Arbeitgeber erst zur Kündigung berechtigt. Schweigt der Betriebsrat oder verweigert er die Zustimmung, so muß der Arbeitgeber die Kündigung so lange zurückstellen, bis er gegebenenfalls die Ersetzung im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren erreicht hat. Erforderlich für die Wirksamkeit der Kündigung ist daher nach § 103 Abs. 1 BetrVG die Abgabe einer rechtlich verbindlichen Zustimmungserklärung des Betriebsrats, die wiederum ein wirksames Beschlußverfahren des Betriebsrats voraussetzt (vgl. Bieback, aaO, 323). Es wäre inkonsequent, würde man die Kündigung für unheilbar nichtig halten, die vor Rechtskraft des Beschlusses über die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung ausgesprochen worden ist (BAG 28, 233 = AP Nr. 8 zu § 103 BetrVG 1972), dagegen die Kündigung als wirksam ansehen, die aufgrund eines nichtigen Betriebsratsbeschlusses erfolgt ist.
bb) Schon die vom Senat aufgestellte Begründung der für den Regelungsbereich des § 102 BetrVG entwickelten "Sphärentheorie" verbietet eine Übertragung dieser Grundsätze auf das Zustimmungsverfahren des § 103 BetrVG.
So hat der Senat in seiner Entscheidung vom 4. August 1975 (BAG 27, 209, 215) ausgeführt, der Arbeitnehmer habe dann, wenn der Betriebsrat auf die Mitteilung des Arbeitgebers schweigt, kraft der gesetzlichen Fiktion der Zustimmung die Folgen des Verhaltens des Betriebsrats zu tragen, da der Arbeitgeber nach Fristablauf ohne Rücksicht auf das Beteiligungsrecht kündigen könne. Dieser Rechtsnachteil müsse den Arbeitnehmer erst recht in dem weniger schwerwiegenden Fall treffen, in dem der Betriebsrat tätig werde und sein Repräsentant dem Arbeitgeber eine abschließende Stellungnahme zu der beabsichtigten Kündigung übermittele, auch wenn diese in einem fehlerhaften Verfahren zustande gekommen sei. Es sei überflüssiger Formalismus, vom Arbeitgeber in einem solchen Fall noch den Ablauf der Fristen des § 102 Abs. 2 BetrVG zu verlangen, ehe er kündige.
Eine Zustimmungsfiktion zum Nachteil des Arbeitnehmers enthält § 103 BetrVG aber gerade nicht. Vielmehr ist die ausdrückliche Zustimmung, also ein Tätigwerden des Betriebsrats, gerade die Voraussetzung für die Kündigung durch den Arbeitgeber. Die Untätigkeit des Betriebsrats geht im Regelungsbereich des § 103 BetrVG zu Lasten des Arbeitgebers. Dies muß g r u n d s ä t zl i c h auch dann gelten, wenn der Betriebsrat zwar tätig wird, seine Beschlußfassung jedoch infolge von Verfahrensfehlern unwirksam ist. Einen rechtswirksamen Betriebsratsbeschluß zu verlangen, ist insoweit auch kein überflüssiger Formalismus; vielmehr stellt ein nichtiger Betriebsratsbeschluß und die daraus resultierende rechtsunwirksame Zustimmungserklärung eine Kündigungsschranke für den Arbeitgeber dar, die nicht durch Zeitablauf beseitigt werden kann (vgl. Klebe/Schumann, aaO, 1593).
cc) Im Unterschied zum Anhörungsrecht nach § 102 BetrVG (BAG Urteil vom 2. April 1976 – 2 AZR 513/75 – AP Nr. 9 zu § 102 BetrVG 1972, zu I 2 der Gründe) sind im Regelungsbereich des § 103 BetrVG nach dem Willen des Gesetzgebers dem Arbeitnehmer neben dem individualrechtlich gestalteten Kündigungsschutz auch die kollektiven Interessen des Betriebsrates und der Belegschaft an der weiteren Amtstätigkeit des betroffenen Arbeitnehmers zu berücksichtigen (BAG 26, 219, 226). Durch die Regelung des § 103 BetrVG in Verbindung mit § 15 KSchG ist der Schutz von Organen der Betriebsverfassung erheblich erweitert worden. Sinn und Zweck des § 103 BetrVG ist es, Arbeitnehmern, die ein betriebsverfassungsrechtliches Amt ausüben, im Interesse einer unbefangenen Amtsausübung und der Funktionsfähigkeit des jeweiligen Betriebsverfassungsorgans vor unbegründeten außerordentlichen Kündigungen des Arbeitgebers zu schützen (BAG 37, 44 = AP Nr. 14 zu § 103 BetrVG 1972, zu I 2 b der Gründe m.w.N.). Der Gesetzgeber wollte vermeiden, daß der Arbeitgeber ihm mißliebige Betriebsratsmitglieder willkürlich fristlos kündigt und ihre Weiterbeschäftigung während der Führung des Rechtsstreits durch alle Instanzen verhindert. Darüber hinaus sollte sichergestellt werden, daß der Arbeitgeber bei groben Amtspflichtverletzungen eines Betriebsratsmitglieds gegebenenfalls nach § 23 BetrVG vorgeht und nicht auf die fristlose Kündigung ausweicht (vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. VI/1786, S. 53; Bulla, aaO, 294).
Diesem Zweck würde es zuwiderlaufen, für § 103 BetrVG einen unwirksamen Betriebsratsbeschluß ausreichen zu lassen. Der Normzweck des § 103 BetrVG könnte z.B. durch "Übereilung" oder "Überrumpelung" unterlaufen werden (Klebe/Schumann, aaO, 1594).
c) Mit dem Berufungsgericht ist jedoch davon auszugehen, daß bei nichtigem Zustimmungsbeschluß die Grundsätze des Vertrauensschutzes zugunsten des Arbeitgebers Anwendung finden.
aa) Im Schrifttum gehen die Autoren, die eine Übertragung der Grundsätze des § 102 BetrVG auf den Regelungsbereich des § 103 BetrVG ablehnen, ganz überwiegend von einem Vertrauensschutz des Arbeitgebers aus (vgl. Klebe/Schumann, aaO, 1594; Bieback, aaO, 323; Peterek, aaO, 316; Bulla, aaO, 294; Hanau, aaO, IX B II; Stahlhacke, aaO, Rz 786; Hueck, aaO, Rz 50 a; GK-Kraft, aaO, § 103 Rz 21; KR-Etzel, 2. Aufl., § 103 BetrVG Rz 107 f.).
bb) Der Senat teilt diese Auffassung, die er schon in seiner Entscheidung vom 22. Februar 1979 – 2 AZR 115/78 – (EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 23) angedeutet hat.
Die ebenfalls erwogene Lösung, Betriebsratsbeschlüsse mit einer "Außenwirkung" auch im Falle des § 103 BetrVG mit einem gesteigerten Bestandsschutz auszustatten, wird dem Zweck des § 103 BetrVG und der Interessenlage nicht gerecht. Der besondere Schutz des Mitgliedes des Betriebsrates setzt im Grundsatz wirksame Beschlüsse voraus, um eine "Außenwirkung" (Zustimmung zur Kündigung) zu entfalten. Um zu klären, ob der Beschluß auf einem "ganz groben" oder einem "leichteren Fehler" beruht, müßte der Arbeitgeber zudem gehalten und berechtigt sein, sich beim Betriebsrat über den Ablauf des Zustimmungsverfahrens zu erkundigen. Das wäre eine bedenkliche Einmischung in die Geschäftsführung des Betriebsrates (KR-Etzel, aaO, Rz 106).
Hat der für die Außenvertretung des Betriebsrats zuständige Betriebsratsvorsitzende bzw. sein Stellvertreter dem Arbeitgeber mitgeteilt, die Zustimmung sei erteilt, so kann der Arbeitgeber in der Regel davon ausgehen, daß dieser Beschluß auch wirksam zustande gekommen ist. Das setzt allerdings voraus, daß er nach den Umständen des Falles keinen Zweifel an einem ordnungsgemäßen Beschluß haben konnte. Wenn der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung hingegen weiß oder hätte wissen müssen, daß der Beschluß unwirksam ist, kann er sich nicht auf den Vertrauensschutz berufen. Dies trifft auch dann zu, wenn ihm die Tatsachen bekannt sind oder bekannt sein müssen, aus denen sich die Unwirksamkeit des Beschlusses ergibt, er sie aber rechtlich falsch bewertet. Dem Arbeitgeber ein weitergehenderes Risiko aufzubürden, wäre unbillig, weil er keine Möglichkeiten zur Überprüfung der Wirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses hat und haben soll und er andererseits wegen des Laufs der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB von den Tatsachen ausgehen können muß, die ihm zum Zeitpunkt der Kündigung bekannt sind.
3. Es ist revisionsrechtlich schließlich auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, die Beklagte habe vorliegend nicht auf die Wirksamkeit des Zustimmungsbeschlusses vertrauen dürfen.
a) Das Berufungsgericht ist von den vorstehend (B II 2 c bb) dargelegten Grundsätzen ausgegangen und hat ausgeführt, die Beklagte habe nicht auf die Wirksamkeit des Zustimmungsbeschlusses vertrauen dürfen. Sie habe nämlich in gleicher Weise wie der Betriebsrat "alle Faktoren" gekannt, die zur Unwirksamkeit des Beschlusses geführt hätten. Der Prokurist P der Beklagten habe das Zustimmungsverfahren bei dem Betriebsrat eingeleitet und die Kündigung ausgesprochen. Er sei auch unstreitig in der Betriebsratssitzung vom 19. Mai 1982 anwesend gewesen und habe dort den Kläger "beratend als Betriebsratsmitglied" ohne Ladung eines Ersatzmitgliedes für ihn in Tätigkeit gesehen.
Auch diese Würdigung ist frei von Rechtsfehlern.
b) Gegen die dieser Würdigung zugrunde liegenden Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Revision verschiedene Verfahrensrügen erhoben, die nicht durchgreifen.
aa) Die Revision rügt zunächst eine Verletzung des § 286 ZPO, soweit das Berufungsgericht ausgeführt hat, sowohl die Beklagte als auch der Betriebsrat hätten alle Faktoren, die zur Unwirksamkeit des Beschlusses geführt hätten, gekannt. Eine derartige Kenntnis sei von keiner Partei vorgetragen worden und befände sich auch nicht als Feststellung im Tatbestand des Urteils. Dem Prokuristen P sei nicht erkennbar gewesen, daß der Kläger als Betriebsratsmitglied in eigener Angelegenheit beratend tätig geworden sei. P habe auch die Ladungen des Betriebsratsvorsitzenden nicht gekannt, so daß er nicht habe wissen können, ob ein Ersatzmitglied für den Kläger vorhanden gewesen wäre oder nicht. Die vom Berufungsgericht gezogenen Schlußfolgerungen entbehrten daher jeglicher Tatsachengrundlage.
bb) Diese Rüge ist unbegründet. Nach § 286 ZPO hat sich der Tatrichter in den Entscheidungsgründen mit dem Beweisergebnis in Form einer umfassenden und widerspruchsfreien Beweiswürdigung auseinanderzusetzen. Aus ihr müssen die Gründe erkennbar sein, die für die richterliche Überzeugung maßgebend gewesen sind.
Daran hat sich das Berufungsgericht gehalten. Es hat vorliegend aus den unstreitigen Tatsachen, daß der Prokurist bei der Betriebsratssitzung bis zur Beschlußfassung anwesend und für den Kläger kein Ersatzmitglied geladen worden war, die Schlußfolgerung gezogen, ihm seien "alle Faktoren", die zur Fehlerhaftigkeit des Beschlusses geführt hätten, bekannt gewesen. Das schließt, wie die Revision erkannt hat, auch die Feststellung mit ein, der Prokurist habe auch gewußt, daß für den Kläger kein Ersatzmitglied geladen worden war.
Diese Würdigung ist rechtlich möglich. Die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses beruht nämlich nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts in der unterlassenen Ladung eines Ersatzmitgliedes für die Beratung und Abstimmung über die Zustimmung zu einer Kündigung des Klägers. Die Kenntnis des Prokuristen von dieser entscheidungserheblichen Tatsache hat das Landesarbeitsgericht aufgrund zweier unstreitiger bzw. als erwiesen angesehener Hilfstatsachen im Wege des Indizienbeweises angenommen: Für den Kläger war kein Ersatzmitglied geladen worden. Der Prokurist wußte zudem aufgrund seiner eigenen Teilnahme an der Sitzung, daß der Kläger in eigener Sache nicht nur angehört wurde, sondern bis zur Beschlußfassung an der Erörterung der beantragten Zustimmung zu seiner Entlassung als Mitglied des Betriebsrates mitgewirkt hatte und kein Vertreter anwesend war. Daraus konnte das Landesarbeitsgericht ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungsregeln schließen, auch dem Prokuristen sei als Grund für die Mitwirkung des Klägers die unterlassene Ladung eines Ersatzmitgliedes deutlich geworden. Das ist zwar nicht zwingend, weil es auch denkbar war, daß ein geladenes Ersatzmitglied verhindert war. Es ist aber nicht fehlerhaft, wenn das Landesarbeitsgericht diese tatsächlich nicht gegebene, nur theoretische Möglichkeit nicht berücksichtigt hat.
In der Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Prokurist habe die Umstände, die zur Fehlerhaftigkeit des Beschlusses geführt hätten, gekannt, liegt zwar nicht die Feststellung, der Prokurist habe diesen Sachverhalt auch richtig gewürdigt und die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses erkannt. Das Vertrauen des Arbeitgebers bzw. seines Vertreters in die Wirksamkeit des Zustimmungsbeschlusses ist aber schon dann nicht mehr schutzwürdig, wenn er die Fehlerhaftigkeit hätte erkennen müssen. Davon ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen, wenn es auf die Kenntnis der Umstände abstellt, die zur Fehlerhaftigkeit des Beschlusses geführt haben. Ob dem Prokuristen auch das Erfordernis der Bestellung eines Ersatzmitgliedes bekannt war oder nicht, ist rechtlich unerheblich. Die Beklagte kann sich nicht auf die Unkenntnis ihres Vertreters über die Voraussetzungen des Zustimmungsverfahrens nach § 103 BetrVG berufen, anderenfalls könnte unter Berufung auf den Vertrauensschutz der Grundsatz der Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung von Betriebsratsmitgliedern gemäß § 103 BetrVG unterlaufen werden. Es könnte dann z.B. der Arbeitgeber die Zustimmung eines einzelnen Betriebsratsmitglieds einholen mit dem Hinweis, er habe darauf vertraut, dies reiche für § 103 BetrVG aus.
cc) Auch die weitere Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe in diesem Zusammenhang den Verhandlungsgrundsatz verletzt, bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat sich zwar nicht ausdrücklich darauf berufen, dem Prokuristen P sei die fehlende Ladung eines Ersatzmitglieds für ihn bekannt gewesen. Aber es ist unstreitig, daß für den Kläger kein Ersatzmitglied bei der Beratung über dessen Kündigung anwesend gewesen ist, sondern dieser selbst. Der Kläger hat auch unbestritten vorgetragen, es sei kein Ersatzmitglied für ihn geladen worden. Schließlich hat er dargetan, die Beklagte habe bei der kurzfristigen Einleitung des Zustimmungsverfahrens wegen der erforderlichen Ladungen nicht mit einer ordnungsgemäßen Sitzung rechnen können. Wenn das Landesarbeitsgericht aufgrund dieser Umstände festgestellt hat, der Beklagten seien alle Faktoren, die zur Unwirksamkeit des Zustimmungsbeschlusses führten (die Teilnahme des Klägers an der Beratung über seine eigene Kündigung und die fehlende Ladung eines Ersatzmitgliedes) bekannt gewesen, dann hat es seiner Beweiswürdigung nur die von den Parteien eingeführten Tatsachen zugrunde gelegt. Das daraus gewonnene Ergebnis (Kenntnis des Prokuristen von der fehlenden Ladung des Ersatzmitgliedes) konkretisiert nur den Vortrag des Klägers, die Beklagte habe nicht auf einen wirksamen Beschluß vertrauen dürfen.
dd) Ebensowenig greift die weitere Rüge der Revision durch, eine Bindung des Revisionsgerichts an die Feststellung, die Beklagte habe die Umstände der Fehlerhaftigkeit des Beschlusses gekannt, bestehe gemäß § 561 ZPO nicht, da diese nicht in den Tatbestand aufgenommen worden sei. Es handelt sich insoweit um Tatsachenfeststellungen, die auf einer Beweiswürdigung beruhen und deswegen üblicherweise erst in den Entscheidungsgründen getroffen werden. Zum anderen gehören ganz allgemeine Tatsachenfeststellungen, die nicht im Tatbestand, sondern in den Entscheidungsgründen wiedergegeben werden, rechtstechnisch zum Tatbestand im Sinne des § 314 ZPO (BAG 19, 342). Dementsprechend besteht auch eine Bindung des Revisionsgerichts nach § 561 Abs. 2 ZPO an diese Feststellungen.
ee) Die Revision rügt auch erfolglos, das Berufungsgericht habe die §§ 139, 278 Abs. 2 ZPO verletzt. Das ist vom Senat eingehend geprüft worden. Von einer näheren Begründung wird nach § 565 a ZPO in Verbindung mit § 72 Abs. 5 ArbGG abgesehen.
C. I. War also der Zustimmungsbeschluß des Betriebsrats nichtig und hat die Beklagte auf die Wirksamkeit des Zustimmungsbeschlusses wegen der Kenntnis ihres Prokuristen von den Umständen der Fehlerhaftigkeit nicht vertrauen dürfen, so ist die außerordentliche Kündigung vom 19. Mai 1982 gemäß § 15 Abs. 1 KSchG unwirksam. Die Revision war demgemäß mit der Rechtsfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
II. Soweit die Parteien die Hauptsache für erledigt erklärt haben (wegen des Anspruches auf Weiterbeschäftigung) bedurfte es keiner Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO, weil die Parteien sich darüber im gerichtlichen Teilvergleich geeinigt haben.
Hillebrecht Dr. Steckhan
zugleich für den durch Krankheit an der Unterschrift
verhinderten Richter Professor Dr. Röhsler
Thieß Ramdohr
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Vorinstanzen:
LAG Hamm, Urteil vom 18.05.1983, 3 Sa 1806/82
ArbG Herford, Urteil vom 20.10.1982, 2 Ca 815/82
> BAG, 28.07.2020 – 1 ABR 5/19
> BAG, 27.09.2012 – 2 AZR 955/11
> BAG, 08.09.2011 – 2 AZR 388/10