BAG – 9 AZR 261/01

Urlaub für freigestellte Betriebsratsmitglieder

Bundesarbeitsgericht,  Urteil vom 20.08.2002, 9 AZR 261/01
Amtliche Leitsätze

  1. Von der beruflichen Tätigkeit freigestellte Betriebsratsmitglieder sind verpflichtet, sich während der betriebsüblichen Arbeitszeit der Erfüllung der dem Betriebsrat obliegenden Aufgaben zu widmen. Für sie gelten die Urlaubsregelungen, die anzuwenden wären, wenn sie nicht freigestellt wären.
  2. Der MTV für den saarländischen Einzelhandel 1996 bezeichnet die Urlaubsdauer in Werktagen und in Arbeitstagen. Beide Angaben dienen der Klarstellung, welche Urlaubsdauer bei Verteilung der Wochenarbeitszeit auf fünf Tage oder sechs Tage maßgeblich sein soll.

Tenor

  1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 28. März 2001 – 2 Sa 18/2000 – wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger für das Jahr 1998 einen zusätzlichen Urlaubstag zu gewähren hat.
Der Kläger ist am 26. Dezember 1950 geboren, seit dem 1. Juli 1971 bei der Beklagten tätig und freigestellter Betriebsratsvorsitzender. Er ist als Vollzeitkraft in der Filiale S… beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung und Allgemeinverbindlichkeitserklärung der “Manteltarifvertrag für den saarländischen Einzelhandel” (künftig: MTV) Anwendung. Die für das Jahr 1998 maßgebliche Fassung vom 19. September 1996 lautet – soweit hier von Interesse – wie folgt:
“§ 13 – Urlaub
01. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

03. Die Urlaubsdauer für die Arbeitnehmer unter 18 Jahren beträgt 30 Werktage oder 25 Arbeitstage.
04. Der Urlaub beträgt:nach dem vollendeten 18. Lebensjahr 32 Werktage
oder 27 Arbeitstage
nach dem vollendeten 25. Lebensjahr 34 Werktage
oder 29 Arbeitstage
nach dem vollendeten 30. Lebensjahr 36 Werktage
oder 30 Arbeitstage
Der Urlaub der Aushilfen richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen.

06. In dem Urlaubsjahr, in dem das Arbeitsverhältnis beginnt oder endet, steht dem Arbeitnehmer für jeden vollen Beschäftigungsmonat während des Urlaubsjahres 1/12 des Jahresurlaubes zu.
Ergibt sich bei der Errechnung ein Bruchteil eines Urlaubstages, wird der Bruchteil auf einen vollen Tag aufgerundet.

12. …
Während des Urlaubs werden die Bezüge gezahlt, als wenn der Arbeitnehmer während der Dauer des Urlaubs gearbeitet hätte. Besteht die Vergütung des Arbeitnehmers regelmäßig ganz oder teilweise aus in ihrem Umfang wechselnden Prämien oder Provisionen, so hat der Arbeitnehmer während des Urlaubs Anspruch auf die Zahlung einer Prämie oder Provision, die dem monatlichen Durchschnitt der letzten 12 Monate vor Urlaubsantritt entspricht.
Vor Beginn des Urlaubsjahres kann durch Betriebsvereinbarung oder, sofern kein Betriebsrat besteht, durch Einzelarbeitsvertrag ein kürzerer Berechnungszeitraum festgelegt werden, der 3 Monate nicht unterschreiten darf.
…”
Die Regelung über die Urlaubsdauer in Arbeitstagen wurde auf Grund von Tarifverhandlungen im Jahre 1989 mit Wirkung vom 1. Januar 1990 in den Tarifvertrag eingefügt.
In der Filiale S… der Beklagten gilt die Betriebsvereinbarung zur “Festlegung der Arbeitszeit der Mitarbeiter im roulierenden System” vom 20. August 1997. In einer unterzeichneten Anlage zur Betriebsvereinbarung waren gleichzeitig mehrere Arbeitszeitmodelle geregelt. Die Vereinbarungen zum Arbeitszeitmodell 3, dem auch der Kläger zugeordnet ist, lauten:
“2-Schichtsystem im wöchentlichen Wechsel (ohne Freizeit Donnerstag und Freitag; außer freitags vor dem langen Wochenende im Zeitraum von Januar bis November).
(*)Januar – November
Woche Mo Di Mi Do Fr Sa
1 F
2 F
3 F
4 F (*) F
Frühschicht(*) langer Samstag vor Weihnachten bis 18.05 Uhr
Montag – Freitag 9.25 Uhr – 18.35 Uhr
./. 65 Min. Pause = 8:11 Std.
Samstags 8.55 Uhr – 16.05 Uhr/18.05 Uhr(*)
./. 60 Min. Pause = 6:16 Std. / 8:16 Std.(*)
Spätschicht(*) langer Samstag vor Weihnachten bis 18.05 Uhr
Montag – Freitag 10.55 Uhr – 20.05 Uhr
./. 65 Min. Pause = 8:11 Std.
Samstags 8.55 Uhr – 16.05 Uhr/18.05 Uhr(*)
./. 60 Min. Pause = 6:16 Std./8:16 Std.(*)
“.
Der Kläger hat danach im Zeitraum vom Januar bis November eines Jahres hintereinander in drei Kalenderwochen an fünf Tagen zu arbeiten und in der vierten Woche nur an vier Tagen. Im Dezember hat er immer an fünf Tagen in der Kalenderwoche zu arbeiten. Zwischen den Parteien ist streitig geblieben, ob der Kläger im Ergebnis in elf oder in zwölf Wochen an einem Freitag zusätzlich arbeitsfrei hatte.
Bis zum Jahre 1997 gewährte die Beklagte allen Vollzeitarbeitnehmern ohne Rücksicht darauf, ob sie in einzelnen Wochen weniger als fünf Arbeitstage arbeiteten, die im Tarifvertrag vorgesehene Anzahl von Arbeitstagen jährlich als Urlaub, dem Kläger also 30 Arbeitstage. Das lag daran, daß die Beklagte sich mit ihrer Software nicht in der Lage sah, eine andere Abrechnung durchzuführen. Im Zusammenhang mit der Einführung eines neuen Softwaresystems kam die Beklagte mit ihrem Gesamtbetriebsrat bundesweit für die Zeit für 1998 überein, den Urlaubsanspruch für vollbeschäftigte Mitarbeiter, die nicht in einer regelmäßigen 5-Tage-Woche beschäftigt werden, nach folgender Formel zu berechnen:
Urlaubsanspruch in Werktagen × Arbeitstage/Jahr
313 Werktage/Jahr
In Anwendung dieser Formel berechnete die Beklagte 1998 den Urlaub für den Kläger auf 29 Arbeitstage. Demgegenüber verlangte der Kläger schriftlich durch die ihn vertretende Gewerkschaft, ua. mit Schreiben vom 7. Oktober 1998 die “Differenz zwischen dem tarifvertraglichen Urlaub” und dem nach der Berechnungsformel der Arbeitgeberseite maßgeblichen Urlaub.
Diesen Anspruch verfolgt der Kläger mit seiner am 10. November 1998 erhobenen Klage weiter.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm im Wege des Schadenersatzes für das Kalenderjahr 1998 einen zusätzlichen Urlaubstag zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Einholung einer Tarifauskunft der tarifschließenden Verbände abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Begründung
1.
Die Revision ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte weitere Urlaubstag nicht zu.
1. Der Kläger ist mit seinem Anspruch nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil er als Mitglied des Betriebsrats nach § 38 Abs. 1 BetrVG von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt worden ist. Auch wenn Urlaub das Recht des Arbeitnehmers beinhaltet, von der Pflicht zur Arbeitsleistung bei Fortzahlung der Bezüge freigestellt zu werden (BAG 1. Dezember 1983 – 6 AZR 299/80 – BAGE 44, 278, und seitdem ständig), bleiben freigestellte Betriebsräte anspruchsberechtigt. Die Befreiung von der Pflicht zur Arbeitsleistung wird bei ihnen durch die Befreiung von der Pflicht ersetzt, sich innerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit den Aufgaben eines Betriebsrats zu widmen (vgl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt BetrVG 21. Aufl. § 38 Rn. 77 und 84 mwN). Die Gewährung des Erholungsurlaubs bewirkt somit für freigestellte Betriebsratsmitglieder, daß sie von ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Amtstätigkeit suspendiert werden. Daraus folgt, daß Urlaub ein Verhinderungsgrund für die Teilnahme an Betriebsratssitzungen iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist (DKK/Buschmann BetrVG 8. Aufl. § 25 Rn. 15 f.; HaKo-BetrVG/Düwell § 25 Rn. 7). Da niemand wegen seines betriebsverfassungsrechtlichen Amtes besser oder schlechter gestellt werden darf (§ 78 Satz 2 BetrVG) ist ein freigestelltes Betriebsratsmitglied urlaubsrechtlich so zu behandeln, als ob es nicht freigestellt worden wäre. Für den Kläger sind danach die Urlaubsansprüche für die vergleichbaren Arbeitnehmer der Beklagten, die dem Arbeitszeitmodell 3 zugeordnet sind, maßgeblich.
2. Die Beklagte ist weder im Rahmen eines Erfüllungs- noch eines Schadenersatzanspruchs (dazu Senat 27. Februar 2002 – 9 AZR 545/00 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 180 mwN, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) verpflichtet, einen Urlaubstag nachzugewähren. Denn der Kläger hatte für 1998 keinen über 29 Arbeitstage hinausgehenden Urlaubsanspruch. Ein derartiger Anspruch ergab sich weder aus der tariflichen Umrechnungsregelung in § 13 Ziff. 04 MTV, noch aus einer betrieblicher Übung.
a) Die Bestimmung des § 13 Ziff. 04 MTV regelt, wie viele Arbeitstage Urlaub einem Arbeitnehmer bei einer 5-Tage-Woche zustehen. Es ist daher für den Kläger, dessen Arbeitszeit davon abweichend geregelt ist, eine Umrechnung der Urlaubsdauer vorzunehmen.
aa) Die tarifliche Regelung erfordert eine Umrechnung der nominal in § 13 Ziff. 04 MTV festgelegten Urlaubsdauer.
Da der Urlaubsanspruch auf die Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht bei weiterlaufendem Vergütungsanspruch geregelt ist, kann Urlaub nur für solche Tage erteilt werden, an denen der Arbeitnehmer auf Grund der Verteilung seiner Arbeitszeit hätte arbeiten müssen. Geht eine tarifliche Urlaubsregelung bei der Bestimmung der Urlaubsdauer von einer bestimmten Verteilung des Urlaubs auf einzelne Wochentage als Normalfall aus und unterscheidet sich die Verteilung der Arbeitszeit eines Arbeitnehmers von diesem Normalfall, erfordert dies eine Umrechnung der Urlaubsdauer (vgl. Senat 22. Oktober 1991 – 9 AZR 621/90 – BAGE 68, 377; 8. September 1998 – 9 AZR 161/97 – BAGE 89, 362 mwN; 30. Oktober 2001 – 9 AZR 314/00 – EzA BUrlG § 3 Nr. 23).
Für den Zusatzurlaub schwerbehinderter Menschen ist der Umrechnungsgrundsatz in § 125 SGB IX (vor dem: § 47 Satz 1 SchwbG) gesetzlich normiert. Ist die Arbeitszeit des schwerbehinderten Menschen auf weniger oder mehr als fünf Tage in der Woche verteilt, vermindert oder erhöht sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Dieser Grundsatz beruht auf einem allgemeinen Rechtsgedanken der für das gesamte Urlaubsrecht anwendbar ist (Senat 30. Oktober 2001 – 9 AZR 314/00 – aaO). Von diesem Grundsatz sind auch die Tarifvertragsparteien ausgegangen. Ihnen kann nämlich nicht ohne weiteres der Wille unterstellt werden, eine Regelung zu treffen, nach der die Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund einen unterschiedlich langen Urlaub erhalten sollen.
Die Regelung des MTV geht von einer regelmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage einer Woche aus. Denn die normale Woche hat, da Werktage alle Kalendertage mit Ausnahme der Sonntage und gesetzlichen Feiertage sind (§ 3 Abs. 2 BUrlG), sechs Werktage. Soweit die Tarifvertragsparteien neben dem in Werktagen berechneten Urlaubsanspruch einen in Arbeitstagen berechneten Urlaubsanspruch ausweisen, dient das nur der Klarstellung: Die für Arbeitnehmer von der 6-Tage-Woche in Werktagen ausgedrückte Urlaubsdauer entspricht der in Arbeitstagen ausgedrückten Urlaubsdauer für Arbeitnehmer in der 5-Tage-Woche. Die Urlaubsdauer beider Arbeitnehmergruppen soll gleichwertig sein. Das haben die Tarifvertragsparteien mit dem Wort “oder” zum Ausdruck gebracht. Tatsächlich ist auch die Urlaubsdauer beider Gruppen gleichwertig, wenn die Zahl der in Werktagen ausgedrückten Urlaubstage für die in der 5-Tage-Woche Beschäftigten durch 6 geteilt und mit 5 mal genommen wird (zur Umrechnungsformel BAG 8. März 1984 – 6 AZR 442/83 – BAGE 45, 199). Die Umrechnung der in § 13 Ziff. 03 und Ziff. 04 MTV festgesetzten Arbeitstage für Arbeitnehmer unter 18 Jahren und für Arbeitnehmer nach dem vollendeten 30. Lebensjahr geht bruchlos auf. Für die Arbeitnehmer nach dem vollendeten 18. bis zum 30. Lebensjahr ergibt diese Umrechnungsformel 26,66 bzw. 28,33 Arbeitstage.
Die Tarifvertragsparteien haben aus Gründen der Praktikabilität nach § 13 Ziff. 06 Unterabs. 2 MTV auf 27 bzw. 29 Arbeitstage aufgerundet. Offensichtlich haben sie diese Bestimmung, die ihrem Wortlaut nach nur die Rundung bei einem Teilurlaub regelt, als allgemeine Regel verstehen wollen. Das entsprach zum Zeitpunkt des Abschlusses der tarifvertraglichen Änderung im Jahre 1989 der allgemeinen Praxis. Damals wurde ohne nähere Begründung angenommen, daß § 5 Abs. 2 BUrlG und die dieselbe Frage regelnden Rundungsbestimmungen in Tarifverträgen allgemein und nicht nur beim Teilurlaub für die Aufrundung von in Bruchteilen errechneten Urlaubsansprüchen heranzuziehen waren (Senat 14. Januar 1992 – 9 AZR 148/91 – AP BUrlG § 3 Nr. 5 = EzA BUrlG § 13 Nr. 52 und BAG 14. Februar 1991 – 8 AZR 97/90 – BAGE 67, 218). Erst in späteren Entscheidungen hat der Senat angenommen, derartige Rundungsregeln beschränkten sich auf Fälle des Teilurlaubs (9. August 1994 – 9 AZR 384/92 – BAGE 77, 296; 19. April 1994 – 9 AZR 478/92 – AP BUrlG § 1 Treueurlaub Nr. 3 = EzA BUrlG § 3 Nr. 19).
Auch die Entstehungsgeschichte der tariflichen Vereinbarungen, wie sie sich aus den vom Arbeitsgericht eingeholten Tarifauskünften ergibt, spricht dafür, die im Tarifvertrag festgesetzte Urlaubsdauer in Arbeitstagen allein auf den Fall einer 5-Tage-Woche zu beziehen. Die Auskünfte des Landesverbandes Einzelhandel und Dienstleistung Saarland e.V. und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen – Landesbezirksleitung Saar – differieren zwar darin, ob gerade rollierende Systeme, bei denen in einigen Wochen nur vier Tage gearbeitet wird, Gegenstand der Regelung und der Festlegung des Urlaubs in Arbeitstagen hätten sein sollen. Nach beiden Auskünften sollte der in Arbeitstagen berechnete Urlaub nicht länger sein, als der in Werktagen berechnete. Nach Angaben der Gewerkschaft sollte er einheitlich sechs Wochen betragen. Den Auskünften läßt sich also der übereinstimmende Wille entnehmen, den in Werktagen berechneten Urlaub und den in Arbeitstagen berechneten Urlaub gleich lang zu halten und auf insgesamt sechs Wochen festzulegen. Auch dies setzt voraus, daß die im jeweiligen Arbeitszeitmodell als Urlaub zu gewährenden Arbeitstage nach einer die Gleichwertigkeit sicherstellenden Formel aus dem in Werktagen berechneten Urlaubsanspruch errechnet werden.
bb) Da die für den Kläger maßgebliche Arbeitszeit abweichend von der 5- und 6-Tage-Woche im rollierenden System auf eine 4-Tage-Woche verteilt war, durfte die Beklagte eine entsprechende Umrechnung vornehmen. Denn ist die Arbeitszeit nicht innerhalb der Woche gleichmäßig auf Arbeitstage verteilt, so muß die für die betroffenen Arbeitnehmer maßgebliche Anzahl von Urlaubstagen durch Umrechnung ermittelt werden. Dazu ist die unterschiedliche Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht mit der Anzahl der Urlaubstage zueinander ins Verhältnis zu setzen. Für diese Verhältnismäßigkeitsrechnung ist auf den Zeitabschnitt abzustellen, in dem im Durchschnitt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit erreicht wird (Senat 8. September 1998 – 9 AZR 161/97 – aaO). Das ist nach dem “Arbeitszeitmodell 3” das Kalenderjahr.
Bei einer auf das Jahr bezogenen Verhältnismäßigkeitsrechnung erfolgt die Verhältnismäßigkeitsrechnung nach folgender Formel:
Werktage Urlaub/Jahr × Arbeitstage/Jahr = Arbeitstage Urlaub/Jahr.
Werktage/Jahr
Dabei stellt die Senatsrechtsprechung grundsätzlich auf 312 Werktage im Kalenderjahr ab (14. Januar 1992 – 9 AZR 148/91 – aaO). Das beruht darauf, daß bei sechs Werktagen in 52 Wochen sich eine Zahl von 312 Werktagen ergibt. Diese Formel vernachlässigt bewußt, daß das Kalenderjahr nicht nur 364 Tage – ausgehend von 52 Wochen zu je sieben Tagen – hat, sondern nach § 191 BGB mit 365 Tagen zu rechnen ist. Der 365. Tag bleibt außer Betracht, weil die Berechnungsvorschrift in § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG auf 13 Wochen für ein Vierteljahr abstellt (Leinemann/Linck Urlaubsrecht 2. Aufl. BUrlG § 3 Rn. 42). Da der anwendbare MTV zulässigerweise nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG eine eigenständige Regelung über die Berechnung des Urlaubsentgelts in § 13 Ziff. 12 MTV enthält, die grundsätzlich auf das Kalenderjahr abstellt, verbleibt es hier bei der Bemessung des Kalenderjahres mit 365 Tagen.
Hinsichtlich der in die Umrechnungsformel einzusetzenden Arbeitstage ist grundsätzlich – ohne Berücksichtigung von Wochenfeiertagen – davon auszugehen, daß 52 Wochen je fünf Arbeitstage haben, was 260 Arbeitstagen entspricht (Senat 22. Oktober 1991 – 9 AZR 621/90 – aaO). Hinzu kommt ein Übertag. Das ergibt 261 mögliche Arbeitstage. Die auf Grund des rollierenden Systems im Zeitraum Januar bis November des Jahres 1998 ausgefallenen Arbeitstage sind davon abzuziehen. Nach dem streitig gebliebenen Vortrag der Parteien sind dies entweder elf oder zwölf Tage. Demnach sind im Jahre 1998 entweder 250 oder 249 Tage mit Arbeitspflicht für den Kläger angefallen. Der Unterschied wirkt sich auf den Urlaubsanspruch nicht aus. Entweder gilt:
36 Werktage Urlaub/Jahr × 249 Arbeitstage/Jahr = 28,64 Arbeitstage Urlaub/Jahr
313 Werktage/Jahr
oder
36 Werktage Urlaub/Jahr × 250 Arbeitstage/Jahr = 28,75 Arbeitstage Urlaub/Jahr
313 Werktage/Jahr
Nach der Regelung in § 13 Ziff. 06 Unterabs. 2 MTV kommt eine Aufrundung auf 29 Arbeitstage in Betracht. Soviel Urlaubstage hat die Beklagte auch gewährt.
b) Dem Kläger steht auch kein weitergehender Anspruch aus betrieblicher Übung zu.
Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auch für die Zukunft gewährt werden. Die betriebliche Übung enthält eine Willenserklärung des Arbeitgebers, die von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB). Auf Grund dessen erwachsen vertragliche Ansprüche des Arbeitnehmers auf die üblich gewordene Vergünstigung. Die Bindungswirkung tritt nur ein, wenn die Arbeitnehmer auf Grund des Verhaltens des Arbeitgebers darauf vertrauen durften, die Leistung solle auch für die Zukunft gewährt werden (BAG 26. Mai 1993 – 4 AZR 149/92 – AP AVR Diakonisches Werk § 12 Nr. 2 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 28).
Ein Arbeitnehmer darf aus einem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers nur auf ein entsprechendes Angebot schließen, wenn sich Anhaltspunkte für den Willen des Arbeitgebers ergeben, er wolle den bestehenden Arbeitsvertrag zu Gunsten des Arbeitnehmers ändern. Eine tatsächlich erbrachte Leistung allein reicht hierfür nicht aus. Ansonsten würde auch bei irrtümlichen Leistungen ein Anspruch des Arbeitnehmers entstehen. Es muß sich vielmehr für den Arbeitnehmer aus allen Gesamtumständen der Eindruck ergeben, der Arbeitgeber wolle sich über die bisher vereinbarten arbeitsvertraglichen Verpflichtungen hinaus zu einer weiteren Leistung verpflichten. Geht demgegenüber der Arbeitnehmer davon aus, eine gewährte Leistung stünde ihm bereits ohnehin zu, kann nicht auf ein Angebot des Arbeitgebers geschlossen werden (BAG 26. Mai 1993 – 4 AZR 149/92 – aaO, für Zahlungen). So liegt der Fall auch hier. Die bloße Gewährung von 30 Tagen Urlaub durch die Beklagte in der Vergangenheit gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Beklagte übertariflichen Urlaub gewähren wollte.
2.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Düwell       Reinecke       Zwanziger
Lang       Gosch
_____
Vorinstanzen:
LAG Saarland, Urteil vom 28.03.2001, 2 Sa 18/2000
ArbG Saarbrücken, Urteil vom 19.11.1999, 3 (4B) Ca 1893/98


Papierfundstellen:

Die Entscheidung BAG – 9 AZR 261/01 wird zitiert in:

  1. > BAG, 19.03.2019 – 9 AZR 315/17

  2. > BAG, 08.09.2011 – 2 AZR 388/10