Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt („equal pay“) – Darlegungslast
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.10.2013, 5 AZR 667/12
Tenor
- Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 10. Juli 2012 – 5 Sa 248/11 – aufgehoben, soweit es die Beklagte zur Zahlung verurteilt hat.
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 14. Juni 2011 – 3 Ca 1508/09 – wird insgesamt zurückgewiesen.
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 10. Juli 2012 – 5 Sa 248/11 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay, hilfsweise über eine höhere „tarifliche“ Vergütung.
2
Der 1971 geborene Kläger ist seit dem 28. November 2005 bei der Beklagten, die – neben dem Elektrohandwerk – gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, in deren Niederlassung Rostock/Bentwisch als Schlosser beschäftigt und war vom 1. Februar 2006 bis zum 31. Juli 2009 der L W GmbH & Co. KG (fortan: LW) in Bremen zur Arbeitsleistung überlassen. Der Kläger erhielt einen Bruttostundenlohn von zunächst 8,00 Euro, zuletzt im Juli 2009 – nach mehrfachen Lohnerhöhungen – von 9,54 Euro. Außerdem zahlte die Beklagte eine Baustellenzulage sowie einen Überstundenzuschlag und gewährte dem Kläger Aufwendungsersatz für Reise-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten.
3
Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Formulararbeitsvertrag vom 24. November 2005 zugrunde, in dem es ua. heißt:
„1.
Der AN wird als Schlosser beschäftigt.
Der AN ist wie folgt qualifiziert: FA Maschinen- und Anlagenmonteur.
Er wird zur Ausführung von Arbeiten bei Kunden des AG eingesetzt. Der AN ist im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zur Leistung von Mehrarbeit, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit verpflichtet. Für den AN besteht die Pflicht zur auswärtigen Arbeitsleistung an verschiedenen Orten.
…
…
3.
Wesen des Arbeitsvertrages
Der AG gehört keiner Tarifgemeinschaft an. Es steht dem AG frei, den AN im Arbeitnehmerüberlassungsverhältnis oder im Werksvertragsverhältnis einzusetzen. Die Inhalte dieses Arbeitsvertrages gelten für die beiden angesprochenen Vertragsverhältnisse. … Wird der AN in der Arbeitnehmerüberlassung eingesetzt, so gelten für diese Zeit zwischen dem AN und dem AG die jeweils gültigen Tarifverträge des Arbeitgeberverbandes Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) und der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) als vereinbart. …
…
11.
Die Lohnabrechnung erfolgt monatlich nach dem vom AN zu erbringenden und von einem Bevollmächtigten des Kunden oder Bauleiter der Firma unterzeichneten Arbeitsnachweis, jeweils bis zum 15. des darauffolgenden Monats durch Überweisung.“
4
Am 20. Juli 2009 schrieb die Beklagte an den Kläger:
„Sehr geehrter Herr O,
zum 1.7.2009 sieht der AMP-Tarifvertrag eine Lohnerhöhung vor. Wir würden Sie bitten, sowohl die Lohnerhöhung, als auch zwei Ergänzungen zu Ihrem Arbeitsvertrag zu unterzeichnen und bis zum 28.07.2009 an die Hauptverwaltung zu schicken.
…
●
Beide Arbeitsvertragsparteien können sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nur schriftlich innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten ab Fälligkeit geltend machen. Wird der Anspruch abgelehnt oder äußert sich die andere Vertragspartei nicht innerhalb von 4 Wochen nach Geltendmachung des Anspruches, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Dies gilt nicht für Ansprüche aus unerlaubten Handlungen.
…
Die zweite Ergänzung regelt den Verfall gegenseitiger Ansprüche. Bisher ist dies bereits in gleicher Weise tarifvertraglich geregelt, würde aber nach dem bisherigen Vertrag bei einem Einsatz außerhalb der Arbeitnehmerüberlassung (z. B. im Werksvertrag) nicht gelten.“
5
Unter dem vorformulierten Vermerk „Zur Kenntnis genommen und akzeptiert“ unterzeichnete der Kläger das Schreiben fristgerecht. Mit Wirkung ab dem 1. Februar 2011 vereinbarten die Parteien, dass für Einsätze in der Arbeitnehmerüberlassung „der Tarifvertrag der BZA-DGB Tarifgemeinschaft in seiner jeweils aktuellen Fassung“ angewendet wird.
6
Mit der am 11. August 2009 eingereichten und der Beklagten am 14. August 2009 zugestellten Klage hat der Kläger eine höhere Vergütung mit der Begründung verlangt, nach den arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifverträgen könne er für den Einsatz in Bremen das höhere „Tarifentgelt West“ beanspruchen. Mit Klageerweiterung vom 12. November 2010, der Beklagten zugestellt am 16. November 2010, hat der Kläger für den Zeitraum Februar 2006 bis Juli 2009 unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG hilfsweise die Differenz zwischen der von der Beklagten erhaltenen Vergütung und dem Arbeitsentgelt, das die LW vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährt haben soll, verlangt. Zur Höhe des Anspruchs hat der Kläger vorgetragen, die bei der LW tätigen Schlosser würden nach den Tarifverträgen der IG Metall bezahlt.
7
Der Kläger hat zuletzt – nach Umstellung des Haupt- und Hilfsverhältnisses – beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 35.903,75 Euro brutto zu zahlen;
2.
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 14.773,50 Euro brutto zu zahlen.
8
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, sie habe bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 2010 (- 1 ABR 19/10 – BAGE 136, 302) auf die Tariffähigkeit der CGZP vertrauen dürfen. Eine Pflicht zur Gleichbehandlung nach § 10 Abs. 4 AÜG habe zudem deshalb nicht bestanden, weil der seit dem 1. September 2007 allgemeinverbindliche Tarifvertrag über ein Mindestentgelt in den Elektrohandwerken der Bundesrepublik Deutschland vom 24. Januar 2007 auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde. Jedenfalls seien etwaige Ansprüche des Klägers wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen.
9
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat – nachdem es zunächst vor und in der Berufungsverhandlung auf „erhebliche Lücken in der Argumentation bei der Begründung der Höhe des Anspruchs“ bzw. „die noch bestehenden Unsicherheiten für die Höhe des Anspruchs“ hingewiesen hatte – im dritten zur Verkündung einer Entscheidung anberaumten Termin dem Hauptantrag für den Zeitraum Dezember 2006 bis Juli 2009 stattgegeben und im Übrigen die Berufung des Klägers wegen Verjährung des Anspruchs zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, während der Kläger seine ursprünglichen Klageanträge weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
10
I. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht teilweise stattgegeben. Die Klage ist im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet.
11
1. Der Kläger hat die Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG nicht substantiiert dargelegt.
12
a) Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 23. März 2011 (- 5 AZR 7/10 – Rn. 36, BAGE 137, 249) darauf hingewiesen, der Leiharbeitnehmer sei für die Höhe des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt darlegungs- und beweispflichtig. Dies ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz, dass der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen muss. Seiner Darlegungslast kann der Leiharbeitnehmer zunächst dadurch genügen, dass er sich auf eine ihm nach § 13 AÜG erteilte Auskunft beruft und diese in den Prozess einführt. Die Auskunft des Entleihers ist das „geborene“ Mittel zur Darlegung der Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer und zur Berechnung der Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG (BAG 13. März 2013 – 5 AZR 146/12 – Rn. 22; 23. Oktober 2013 – 5 AZR 556/12 – Rn. 25).
13
Stützt sich der Leiharbeitnehmer im Prozess nicht auf eine Auskunft nach § 13 AÜG, muss er zur Darlegung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt alle für dessen Berechnung erforderlichen Tatsachen vortragen. Dazu gehören vorrangig die Benennung eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers und des diesem vom Entleiher gewährten Arbeitsentgelts. Beruft sich der Leiharbeitnehmer – alternativ – auf ein allgemeines Entgeltschema, hat er nicht nur dessen Inhalt, sondern auch darzulegen, dass ein solches im Betrieb des Entleihers im Überlassungszeitraum tatsächlich Anwendung fand und wie er danach aufgrund welcher Tatsachen fiktiv einzugruppieren gewesen wäre (BAG 13. März 2013 – 5 AZR 146/12 – Rn. 23). Außerdem umfasst die Darlegungslast des Leiharbeitnehmers den zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt erforderlichen Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum (BAG 13. März 2013 – 5 AZR 294/12 – Rn. 26 ff. mwN) und die Berechnung der Differenzvergütung.
14
Der Leiharbeitnehmer kann der Darlegungslast zur Höhe des Anspruchs auf Differenzvergütung nach § 10 Abs. 4 AÜG nicht durch die bloße Bezugnahme auf den Schriftsätzen als Anlagen beigefügte Unterlagen genügen. Anlagen können lediglich zur Erläuterung oder Belegung schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen. Die Darlegung der Höhe der Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer und die Berechnung der Differenzvergütung durch den Leiharbeitnehmer hat entsprechend § 130 Nr. 3 ZPO schriftsätzlich zu erfolgen (vgl. – zur Darlegung der Leistung von Überstunden – BAG 16. Mai 2012 – 5 AZR 347/11 – Rn. 29, BAGE 141, 330).
15
b) Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des Klägers nicht. Der Kläger hat sich zur Darlegung der Höhe einer Differenzvergütung nach § 10 Abs. 4 AÜG weder auf eine Auskunft der Entleiherin nach § 13 AÜG gestützt, noch vergleichbare Stammarbeitnehmer konkret benannt und zu deren Arbeitsentgelt substantiiert vorgetragen. Er hat sich lediglich darauf berufen, die bei der Entleiherin tätigen Schlosser würden „nach den Tarifverträgen der IG Metall bezahlt“.
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Aus diesem Vorbringen wird nicht deutlich, welches Entgeltschema im Betrieb der Entleiherin auf welcher Rechtsgrundlage (zB Tarifbindung, arbeitsvertragliche Vereinbarung, tatsächliche Handhabung) im Überlassungszeitraum zur Anwendung kam. Unterstellt man zugunsten des Klägers, die Entleiherin vergüte vergleichbare Stammarbeitnehmer nach den jeweils gültigen Tarifverträgen der Metallindustrie für das Tarifgebiet Unterweser, lässt sich dennoch das maßgebliche Entgeltschema nicht zuverlässig bestimmen. In den über dreijährigen Überlassungszeitraum fällt die Einführung des Entgeltrahmenabkommens (ERA). Aus dem Sachvortrag des Klägers ergibt sich nicht ansatzweise, ob die Entleiherin überhaupt und wenn ja zu welchem Termin im Streitzeitraum ERA eingeführt hat. Das vom Landesarbeitsgericht herangezogene Datum 1. Januar 2008 ist tariflich nicht ohne Ausnahmemöglichkeit als spätester Einführungszeitpunkt vorgesehen, berücksichtigt nicht die freiwillige Einführungsphase seit September 2003 (§ 2 Einführungstarifvertrag ERA für die Metallindustrie Bezirk Küste) und entbehrt zudem jeglicher tatsächlicher Feststellung.
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Außerdem fehlt es an substantiiertem Sachvortrag des Klägers dazu, aufgrund welcher Tatsachen er in welche Lohn-/Entgeltgruppe welches im Betrieb der Entleiherin von wann bis wann tatsächlich angewendeten Tarifvertrags einzugruppieren gewesen wäre. Er hat insoweit lediglich auf als Anlagen zur Akte gereichte, mit handschriftlichen Kreuzchen versehene Entgelttabellen verwiesen, die nicht selbsterklärend sind. Auch weisen die Tabellen Monatsentgelte aus, während der Kläger seiner Differenzberechnung Stundenlöhne zugrunde gelegt hat.
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2. Der Hilfsantrag ist unbegründet. Der Kläger hat für die Dauer der Überlassung an die LW keinen Anspruch auf ein „Tarifentgelt West“ nach den arbeitsvertraglich in Bezug genommenen – mangels Tariffähigkeit der CGZP unwirksamen – Tarifverträgen. Ob sich die Beklagte neben der pauschalen Bezugnahme auf unwirksame Tarifverträge arbeitsvertraglich eigenständig verpflichtet hat, dem Kläger den „richtigen Tariflohn“ zu zahlen, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Nach den räumlichen Geltungsbereichen der zwischen der CGZP und dem AMP geschlossenen „Entgelttarifverträge“ West und Ost richtet sich die Abgrenzung nach dem Sitz des den Arbeitnehmer überlassenden Mitgliedsunternehmens des AMP bzw. der jeweiligen Niederlassung. Hat ein Verleihunternehmen – wie die Beklagte – mehrere Niederlassungen, kommt es auf den Sitz der „jeweiligen“, dh. den Leiharbeitnehmer beschäftigenden Niederlassung an. Das ist im Streitfall unstreitig die Niederlassung Rostock bzw. – nach dem Umzug in neue Büroräume – die Niederlassung in Bentwisch. Ein Angebot der Beklagten im Jahre 2007, zum „Standort Bremen“ zu wechseln mit der Folge, nach „Westtarif“ vergütet zu werden, hat der Kläger nicht angenommen.
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II. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zwar – worauf die Revision mit Recht hinweist – die Verjährung des auf die Monate Februar bis November 2006 entfallenden Teils des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt angenommen, ohne dass die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hatte. Die Klage ist jedoch insgesamt unbegründet (I.). Das Berufungsurteil stellt sich insoweit aus anderen Gründen als richtig dar, § 561 ZPO.
20
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller-Glöge
Biebl
Weber
Mandrossa
Wolff
> BAG, 30.10.2019 – 10 AZR 177/18
> BAG, 30.10.2019 – 10 AZR 371/18
> BAG, 25.04.2018 – 5 AZR 245/17