BAG – 5 AZR 431/16

ECLI:DE:BAG:2017:240517.U.5AZR431.16.0
NZA 2017, 1387    DB 2017, 2492    ZTR 2017, 734

Mindestlohn – Sonn- und Feiertagszuschläge

Bundesarbeitsgericht,  Urteil vom 24.05.2017, 5 AZR 431/16

Tenor

  1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 18. Mai 2016 – 3 Sa 677/15 – wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

5 AZR 431/16 > Rn 1

Die Parteien streiten über die Erfüllung eines vertraglichen Anspruchs auf Sonn- und Feiertagszuschläge.

5 AZR 431/16 > Rn 2

Die Klägerin ist seit dem 15. März 2008 in einem von der Beklagten betriebenen Seniorenheim als Küchenkraft beschäftigt. Arbeitsvertraglich vereinbart ist eine regelmäßige Arbeitszeit von durchschnittlich 40 Wochenstunden und ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 1.340,00 Euro. Außerdem erhielt die Klägerin von Juli 2011 bis Oktober 2014 für an Sonn- und Feiertagen geleistete Arbeit einen Zuschlag von 2,00 Euro brutto pro Stunde.

5 AZR 431/16 > Rn 3

Die Beklagte zahlt der Klägerin seit Januar 2015 unter der Bezeichnung „Lohn/Gehalt“ monatlich 1.473,31 Euro brutto. Im Mai und Juni 2015 arbeitete die Klägerin insgesamt 48 Stunden an Sonn- und Feiertagen. Einen gesondert ausgewiesenen Zuschlag erhielt sie hierfür – wie schon in den Vormonaten – nicht.

5 AZR 431/16 > Rn 4

Mit der am 19. März 2015 eingereichten Klage hat die Klägerin – soweit für die Revision von Belang – Sonn- und Feiertagszuschläge verlangt. Diese seien aufgrund betrieblicher Übung zu zahlen und dürften nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden.

5 AZR 431/16 > Rn 5

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 96,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 64,00 Euro seit dem 1. Juni 2015 und aus 32,00 Euro seit dem 1. Juli 2015 zu zahlen.

5 AZR 431/16 > Rn 6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Klägerin erhalte seit Januar 2015 den gesetzlichen Mindestlohn. Damit sei auch der Anspruch auf Sonn- und Feiertagszuschläge erfüllt.

5 AZR 431/16 > Rn 7

Das Arbeitsgericht hat die Klage – soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist – abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

5 AZR 431/16 > Rn 8

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

5 AZR 431/16 > Rn 9

I. Der Anspruch der Klägerin auf Sonn- und Feiertagszuschläge für die in den Monaten Mai und Juni 2015 geleistete Sonn- und Feiertagsarbeit ist durch Erfüllung erloschen, § 362 Abs. 1 BGB.

5 AZR 431/16 > Rn 10

1. Der Arbeitgeber ist nach § 611 Abs. 1 BGB (seit 1. April 2017: § 611a Abs. 2 BGB) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

5 AZR 431/16 > Rn 11

Arbeitsvertraglich hat die Klägerin für die streitgegenständlichen Monate Anspruch auf ein Bruttogehalt von 1.340,00 Euro sowie aufgrund einer von der Beklagten nicht mehr in Abrede gestellten betrieblichen Übung einen Zuschlag für Arbeit an Sonn- und Feiertagen in – rechnerisch unstreitiger – Höhe von 64,00 Euro brutto für Mai 2015 und 32,00 Euro brutto für Juni 2015. Mit der Zahlung von jeweils 1.473,31 Euro brutto in beiden Monaten hat die Beklagte den vertraglichen Entgeltanspruch der Klägerin vollständig erfüllt. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht – unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Auslegungsspielraums – angenommen, dass sich die Tilgungsbestimmung der Beklagten nicht auf eine Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns beschränkt, sondern alles Geschuldete umfasst (vgl. BAG 10. Juli 2013 – 10 AZR 777/12 – Rn. 22 f.). Dagegen hat die Revision auch keine Angriffe erhoben.

5 AZR 431/16 > Rn 12

2. Die Auffassung der Klägerin, die arbeitsvertraglich geschuldeten Sonn- und Feiertagszuschläge seien zusätzlich zum gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen, ist unzutreffend.

5 AZR 431/16 > Rn 13

a) Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die Klägerin in den Abrechnungsperioden Mai und Juni 2015 den in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG vorgesehenen Bruttolohn erhalten hat. Dementsprechend hat die Klägerin nicht vorgebracht, bei Multiplikation der in den streitgegenständlichen Monaten jeweils tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro brutto (vgl. BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 26, BAGE 155, 202) ergebe sich ein höherer Betrag als die von der Beklagten gezahlten 1.473,31 Euro brutto.

5 AZR 431/16 > Rn 14

b) Der gesetzliche Mindestlohnanspruch tritt eigenständig neben den arbeitsvertraglichen Entgeltanspruch und greift in die Entgeltvereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien nur insoweit ein, als sie den Anspruch auf den Mindestlohn unterschreiten. Erreicht die vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte Vergütung den gesetzlichen Mindestlohn nicht, begründet dies von Gesetzes wegen einen Anspruch auf Differenzvergütung, wenn der Arbeitnehmer in der Abrechnungsperiode im Ergebnis nicht mindestens den in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG vorgesehenen Bruttolohn erhält (BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 22 ff., BAGE 155, 202, seither st. Rspr.).

5 AZR 431/16 > Rn 15

c) Zusätzlich zum gesetzlichen Mindestlohn hätte die Beklagte die streitgegenständlichen Sonn- und Feiertagszuschläge nur gewähren müssen, wenn diese nicht mindestlohnwirksam wären. Das ist indes nicht der Fall.

5 AZR 431/16 > Rn 16

aa) Der Mindestlohn ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG „je Zeitstunde“ festgesetzt. Das Gesetz macht den Anspruch nicht von der zeitlichen Lage der Arbeit oder den mit der Arbeitsleistung verbundenen Umständen oder Erfolgen abhängig. Mindestlohnwirksam sind daher alle im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen mit Ausnahme der Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen (BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 30 ff., BAGE 155, 202; 21. Dezember 2016 – 5 AZR 374/16 – Rn. 23 f.; vgl. auch – zu einem entsenderechtlichen Mindestentgelt – BAG 18. November 2015 – 5 AZR 761/13 – Rn. 21 ff., BAGE 153, 248).

5 AZR 431/16 > Rn 17

bb) Danach sind Zuschläge für Arbeit an Sonn- und Feiertagen mindestlohnwirksam. Sie sind im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachtes Arbeitsentgelt und werden gerade für die tatsächliche Arbeitsleistung gewährt. Einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung unterliegen Sonn- und Feiertagszuschläge nicht. Anders als für während der Nachtzeit geleistete Arbeitsstunden begründet das Arbeitszeitgesetz keine besonderen Zahlungspflichten des Arbeitgebers für Arbeit an Sonn- und Feiertagen. Neben einer Mindestzahl beschäftigungsfreier Sonntage (§ 11 Abs. 1 ArbZG) sieht § 11 Abs. 3 ArbZG als Ausgleich für Sonn- und Feiertagsarbeit lediglich Ersatzruhetage vor.

5 AZR 431/16 > Rn 18

II. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Biebl       Volk       Weber

Menssen       Dr. Rahmstorf


Zusammenfassung:

(Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des Bundesarbeitsgerichts)

Arbeitsvertraglich vereinbarte Sonn- und Feiertagszuschläge sind grundsätzlich mindestlohnwirksam und nicht zusätzlich zum gesetzlichen Mindestlohn geschuldet.

Papierfundstellen:

NZA 2017, 1387
DB 2017, 2492
ZTR 2017, 734

Die Entscheidung BAG – 5 AZR 431/16 wird zitiert in:

  1. > BAG, 06.12.2017 – 5 AZR 699/16

  2. > BAG, 11.10.2017 – 5 AZR 621/16

  3. > BAG, 11.10.2017 – 5 AZR 622/16