BAG – 2 AZR 624/90

Außerordentliche Kündigung – Wettbewerbsverbot

Bundesarbeitsgericht,  Urteil vom 25.04.1991, 2 AZR 624/90
Leitsatz

  1. Ein Arbeitnehmer ist an das für die Dauer des rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses bestehende Wettbewerbsverbot auch dann noch gebunden, wenn der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung ausspricht, deren Wirksamkeit der Arbeitnehmer bestreitet.
  2. Wettbewerbshandlungen, die der Arbeitnehmer im Anschluß an eine unwirksame außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers begeht, können einen wichtigen Grund für eine weitere außerordentliche Kündigung bilden, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des konkreten Falles ein Verschulden anzulasten ist.
  3. Für die weiter erforderliche Interessenabwägung, ob dem Arbeitgeber wegen des unerlaubten Wettbewerbs die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden ist, kommt es auf den Grad des Schuldvorwurfs sowie auf Art und Auswirkung der Wettbewerbshandlung an.

Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von zwei außerordentlichen Kündigungen der Beklagten und über damit zusammenhängende Ansprüche des Klägers auf Arbeits- und Urlaubsentgelt.
Der Kläger war aufgrund des Arbeitsvertrages vom 20. März 1985 seit dem 1. April 1985 bei der Beklagten angestellt. Gegenstand des von der Beklagten betriebenen Unternehmens ist vor allem der Vertrieb spezieller Geräte der Verfahrenstechnik auf dem Gebiet des Umweltschutzes, der Vakuumtechnik und der Prozeßanalytik.
Zu den Unternehmen, für die die Beklagte den Vertrieb übernahm, gehörte u.a. die amerikanische Firma P , die zeitweilig zu ca. einem Drittel des Umsatzes der Beklagten beitrug. Die Beklagte beschäftigte in den hier in Frage stehenden Zeiträumen nie mehr als 15 Mitarbeiter.
Im Mai 1987 beteiligte sich die Beklagte an einer Fachmesse in Amsterdam mit einem Ausstellungsstand. Der Kläger war auf dieser Messe ebenso gegenwärtig wie zwei weitere Mitarbeiter der Beklagten, Dr. L und Dr. T . Anläßlich zumindest eines abendlichen Gaststättenbesuches unterhielten sich die drei Mitarbeiter mit Dr. G , dem Geschäftsführer einer Firma I GmbH, mit der die Beklagte in Geschäftsverbindungen stand, über die Möglichkeiten der Gründung einer eigenen Firma. Die Einzelheiten dieses Vorganges sind zwischen den Parteien streitig.
Nach Beendigung der Messe in Amsterdam sprachen alle drei Mitarbeiter eine Kündigung zum 31. Dezember 1987 aus, die nach entsprechenden Verhandlungen mit der Beklagten später zurückgenommen wurde. Der Kläger und die Beklagte schlossen unter dem 4. August 1987 einen den Vertrag vom 20. März 1985 ersetzenden Arbeitsvertrag. Danach erhielt der Kläger Prokura, seine Vergütung belief sich jetzt auf 6.000,– DM. Eine weiter zugesagte Tantieme wurde für 1987 in Höhe von 7.500,– DM und für 1988 in Höhe von 15.000,– DM garantiert.
Nach Gesprächen im Dezember 1987 wurde der Kläger Anfang 1988 als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen. Unter dem 28. April 1988 übersandte die Beklagte dem Kläger mit einem handschriftlichen Anschreiben einen „Geschäftsführer-Vertrag“. In einer Erwiderung wies der Kläger u. a. darauf hin, in der Beiratssitzung sei die Tantieme anders festgelegt worden.
Unter dem 27. Juni 1988 kündigte der Kläger seinen „Anstellungsvertrag vom 4. August 1987“ zum 31. Dezember 1988. Die Beklagte teilte dem Kläger unter dem 17. Juli 1988 mit, sie berufe ihn als Geschäftsführer ab.
Mit Schreiben vom 10. August 1988 kündigte die Beklagte den noch bestehenden Anstellungsvertrag fristlos. In dem Schreiben heißt es hierzu u. a.:

„Sie haben mit einem wichtigen Lieferanten unseres Hauses Gespräche mit folgenden Inhalten geführt:

– Kopieren der Kundenkartei unseres Hauses.

– Filtern der eingehenden Post durch Sie.

– Gründung eines zu unserer Firma in Konkurrenz

stehenden Unternehmens in Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern unseres Hauses.

– Aufnahme von Verhandlungen mit unserem Lieferanten Perkin-Elmer, mit Ziel uns diese Vertretung zu entziehen und diese Vertretung selbst zu übernehmen.

– Preisgabe von Betriebsgeheimnissen hinsichtlich

der neu entwickelten Kryo-Apparatur.“

Gegenüber den Mitarbeitern Dr. L und Dr. T hatte die Beklagte bereits im ersten Halbjahr 1988 Kündigungen ausgesprochen. Dr. T beschäftigte sie später weiter. Dr. L schied vergleichsweise Mitte 1988 aus dem Arbeitsverhältnis aus.
Dr. L gründete zusammen mit dem Kläger nach dessen fristloser Kündigung eine GmbH „G „. Die Eintragung im Handelsregister erfolgte am 15. September 1988. Als Geschäftszweck ist angegeben: „Produktion, Vertrieb und Beratung in den Bereichen Umweltschutz, Vakuum- und Kryotechnik (Komponenten und Tieftemperaturmessung) sowie Gasanalytik im In- und Ausland“. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war der Geschäftszweck der neugegründeten GmbH mit dem der Beklagten teilweise identisch. Diese GmbH trat auch bereits vor dem 31. Dezember 1988 nach außen werbend in Erscheinung, indem sie sich u. a. bei potentiellen Kunden – auch solchen der Beklagten – durch ein Rundschreiben vorstellte und diesen die Anbahnung von Geschäftsbeziehungen anbot.
Am 22. Oktober 1988 kündigte die Beklagte im Hinblick auf diese Vorgänge erneut das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos.
Der Kläger ist der Auffassung, sowohl die Kündigungen vom 8. August 1988 als auch die vom 22. Oktober 1988 seien unwirksam. Er hat vorgetragen: Ein wichtiger Grund liege für keine der Kündigungen vor. Er sei nach Ausspruch der ersten Kündigung berechtigt gewesen, sich in einem Konkurrenzunternehmen zu betätigen.
Der Kläger verlangt weiterhin die Zahlung des Arbeitsentgelts aus Annahmeverzug (§ 615 BGB) für die Zeit von August bis Dezember 1988, ausgehend von einem monatlichen Gehalt von 6.500,– DM. Er hat dazu geltend gemacht, die Erhöhung des Gehalts von 6.000,– DM auf 6.500,– DM sei ihm bereits vor dem Gespräch über eine eventuelle Berufung als Geschäftsführer zugesagt worden. Entsprechend dem Vertrag vom 4. August 1987 habe er für das Jahr 1988 einen Anspruch auf eine garantierte Tantieme in Höhe von 15.000,– DM, worauf ein Abschlag von 3.500,– DM in monatlichen Beträgen von 500,– DM gezahlt worden sei, ebenso stehe ihm ein anteiliges 13. Monatsgehalt für 1987 in Höhe von 3.091,– DM brutto zu. Außerdem habe die Beklagte ihm Urlaubsabgeltung in Höhe von 11.783,68 DM brutto für seinen Gesamtjahresurlaub 1988 in Höhe von 30 Arbeitstagen zu leisten. Bei unstreitig im Juni/Juli 1988 genommenen drei Wochen habe es sich um Resturlaub aus 1987 gehandelt, der aus betrieblichen Gründen nicht habe genommen werden können und übertragen worden sei.
Weitere 4.713,23 DM brutto stünden ihm als Freizeitausgleich für diverse Tätigkeiten an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen zu, die mit dem normalen Gehalt nicht abgedeckt gewesen seien. Als Resttantieme für das Jahr 1987 fordere er weitere 53.528,01 DM brutto. Die von der Beklagten für das Geschäftsjahr 1987 vorgelegten Abrechnungen könnten nicht akzeptiert werden.
Schließlich macht der Kläger 10.050,– DM als Schadenersatz wegen entgangener Nutzung des ihm nach der Kündigung entzogenen Firmen-PKW geltend, wobei er einen monatlichen Nutzungsausfall in Höhe von durchschnittlich 2.100,– DM errechnet.
Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die von der Beklagten mündlich am 8. August 1988 ausgesprochene außerordentliche Kündigung aufgelöst worden sei, sondern bis zum 31. Dezember 1988 ungekündigt fortbestanden habe;

2. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die von

der Beklagten mit Schreiben vom 22. Oktober 1988 ausgesprochene außerordentliche Kündigung aufgelöst worden ist;

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 125.693,32 DM brutto

abzüglich 4.134,– DM netto nebst 4 % Zinsen

aus 3.091,– DM seit dem 01.01.1988,

aus 24.021,– DM seit dem 16.08.1988,

aus 29.507,01 DM seit dem 20.12.1988,

aus 7.038,– DM seit dem 01.09.1988,

aus 8.510,– DM seit dem 01.10.1988,

aus 8.510,– DM brutto abzüglich DM 2.098,–

netto seit dem 01.02.1988,

sowie

aus 36.506,31 DM brutto abzüglich 2.106,– DM netto seit dem 01.01.1989

zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, in dem am 27. Dezember 1987 geführten Gespräch sei Einigkeit über den Inhalt des Anstellungsvertrages als Geschäftsführer in allen Punkten erzielt worden. Die spätere schriftliche Niederlegung in dem dem Kläger im April 1988 übersandten „Geschäftsführer-Vertrag“ sei nur eine Bestätigung dieses Gesprächs gewesen. Entsprechend sei der Kläger auch gehaltsmäßig schon seit dem 1. Januar 1988 nach den neuen Bedingungen behandelt worden, wobei ihm ein monatliches Fixum von 7.000,– DM gezahlt worden sei.
Das Anstellungsverhältnis sei bereits durch die außerordentliche Kündigung vom 8. August 1988 wirksam aufgelöst worden. Sie habe erstmalig am 30. Juli 1988 von dem Geschäftsführer der I GmbH erfahren, der Kläger habe anläßlich der Messe in Amsterdam diesem gegenüber offenbart, er plane zusammen mit weiteren Mitarbeitern die Gründung eines Konkurrenzunternehmens, er wolle hierbei ihre Vertragspartner zur Kündigung der mit ihr bestehenden Verträge bewegen. Zu diesem Zweck hätten Kopien der Kundenkarteien gefertigt werden sollen. Auch hätte die eingehende Post gefiltert und Aufträge an die neue Firma weitergeleitet werden sollen.
Der Kläger habe gegenüber Dr. G auch Betriebsgeheimnisse verraten. Er habe ihm erzählt, sie sei bemüht, ein Gerät der Firma Po nachzubauen. Zum damaligen Zeitpunkt sei noch nicht geklärt gewesen, ob dies ohne Verletzung von Schutzrechten überhaupt möglich sei.
Der Kläger habe auch Dr. T veranlaßt, mit der Firma P Kontakte aufzunehmen und zu sondieren, ob diese bereit sei, eventuell der neu zu gründenden Firma Aufträge zu übertragen. Auch gegenüber der Vertreterin der Firma P , Frau B , habe der Kläger sich als geplanter Konkurrent angeboten, nachdem es zwischen B und dem Geschäftsführer zu einer gewissen Verstimmung wegen geschäftlicher Differenzen gekommen sei.
Mitte 1987 sei sie auch noch von anderer Seite darauf hingewiesen worden, es solle eine Konkurrenzfirma gegründet werden. Sie habe einen Herrn Sch als Repräsentanten für Belgien und Luxemburg einstellen wollen. Von diesem habe sie erfahren, ein ausgeschiedener Mitarbeiter habe ihm dringend abgeraten, eine Beschäftigung bei der Beklagten anzunehmen, da diese keine Zukunft mehr habe.
Die vorsorglich ausgesprochene weitere außerordentliche Kündigung sei auf jeden Fall berechtigt. Durch die Gründung der im Handelsregister eingetragenen Gesellschaft für innovative Verfahrenstechnik – G -, die auch werbend tätig geworden sei, habe der Kläger noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit aufgenommen.
Dem Kläger stehe über den 8. August 1988 hinaus kein Anspruch auf Arbeitsentgelt zu. Der Kläger könne sich auch nicht auf eine Garantietantieme aus dem Vertrag vom 4. August 1987 berufen. Dieser Vertrag sei durch den Geschäftsführer-Vertrag ersetzt worden. Urlaubsabgeltung stehe dem Kläger ebenfalls nicht zu. Den ihm für 1988 zustehenden anteiligen Urlaub habe er weitgehend genommen, insoweit bestehe allenfalls nur ein Anspruch auf Abgeltung für sechs Tage, ausgehend von 21 Tagen anteiligen Urlaubs bis August 1988 und genommenen 15 Tagen. Für eine Übertragung eventuellen Urlaubs aus 1987 habe kein Anlaß bestanden. Vorsorglich habe sie ihm Resturlaub in der Zeit bis zum 31. Dezember 1988 gewährt.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Freizeitausgleich. Eventuelle Samstags- oder Sonntagsarbeit sei mit seinem Gehalt abgegolten gewesen. Für 1987 stehe ihm über die Garantietantieme hinaus eine weitere Tantieme nicht zu. Dies gelte entsprechend für ein anteiliges 13. Monatsgehalt für die Monate Januar bis Juli 1987. Der Kläger habe schließlich auch keinen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung wegen des Firmen-PKW.
Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil die Unwirksamkeit beider Kündigungen festgestellt und die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen Bruttobetrag von 47.028,– DM (11.500,– DM Tantieme 1988 zuzüglich 4.500,– DM Urlaubsabgeltung 1988 für 15 Tage 300,– DM zuzüglich 5 x 6.500,– DM Annahmeverzug von August bis Dezember 1988 abzüglich 1.472,– DM gezahlte Bezüge für 1988) abzüglich 4.134,– DM netto Arbeitslosengeld nebst Zinsen zu zahlen. Hinsichtlich des anteiligen 13. Monatsgehalts für 1987, des Freizeitausgleichs sowie des Urlaubs für 1988, sofern mehr als 15 Tage Urlaubsabgeltung gefordert wurden, hat es die Klage abgewiesen. Dem Schlußurteil wurde die Entscheidung über die restlichen Tantiemen in Höhe von 53.528,01 DM sowie über den PKW-Nutzungsausfall vorbehalten.
Das Landesarbeitsgericht hat die gegen dieses Teilurteil von der Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen und lediglich die Zinsentscheidung des Arbeitsgerichts korrigiert. Hiergegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision der Beklagten, um deren Zurückweisung der Kläger bittet.
 
 
Entscheidungsgründe
Die Revision ist teilweise begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben, soweit es über die Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten vom 22. Oktober 1988 sowie über den Zahlungsanspruch erkannt hat. Im übrigen war die Revision zurückzuweisen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 8. August 1988 beendet worden. Die Beklagte habe nicht den Nachweis geführt, der Kläger habe Wettbewerbshandlungen, die über erlaubte Vorbereitungshandlungen hinausgegangen seien, durchgeführt. Soweit die Beklagte sich auf Gespräche während der Arbeit auf der Messe und anläßlich des abendlichen Lokalbesuchs bezogen habe, sei nicht auszuschließen, daß ernsthafte Äußerungen und Prahlereien unter Alkoholeinfluß zusammengeflossen seien. Solche „Planspiele“ in einer durch Alkohol aufgelockerten Gesprächsatmosphäre stellten keine unzulässige Wettbewerbshandlung dar.
Auch die von der Beklagten behaupteten Aktivitäten gegenüber der Firma P und die behaupteten Äußerungen des Bewerbers Sch über Bestrebungen von Mitarbeitern der Beklagten, ein Konkurrenzunternehmen zu gründen, änderten hieran nichts. Zum einen sei der Kläger unstreitig nicht ausdrücklich von Sch als Mitarbeiter genannt worden, zum anderen sei der Anruf bei der Firma P in der vom Zeugen Dr. T geschilderten Art und Weise nur als „Vorfühlen“ zu werten. Außerdem müsse auch der Ablauf der übrigen Geschehnisse beachtet werden. Die geschilderten Geschehnisse hätten sich alle in der ersten Hälfte des Jahres 1987 zugetragen. Nach der Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 1987 und der Rücknahme dieser Kündigung durch die Beklagte sei dem Kläger zunächst Prokura erteilt, dann sei er sogar zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt worden. Die Tatsachen aus dem ersten Halbjahr 1987 könnten daher ohnehin im August 1988 bereits so an Gewicht verloren haben, daß ein Grund für eine außerordentliche Kündigung nicht angenommen werden könne.
Die außerordentliche Kündigung vom 22. Oktober 1988 sei ebenfalls unwirksam. Die Beklagte habe sich nach ihrer fristlosen Kündigung vom 8. August 1988 nicht mehr auf das Verbot einer Konkurrenztätigkeit berufen können. Wenn der Arbeitgeber sich von einem Arbeitnehmer unberechtigterweise lossage, könne er nach Treu und Glauben nicht die Erfüllung der dem Arbeitnehmer obliegenden Pflichten erwarten. Der Arbeitgeber sei in diesem Falle außerdem durch § 615 Satz 2 BGB geschützt.
Dem Kläger stünden infolgedessen die zuerkannten Zahlungsansprüche zu.
B.I. Soweit die Revision geltend macht, die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte sei nicht gegeben, hat sie damit keinen Erfolg. Nach § 75 Abs. 2 in Verb. mit § 65 ArbGG in der seit dem 1. Januar 1991 geltenden Fassung, die auf das Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809) zurückgeht, prüft das Revisionsgericht nicht, ob die Zuständigkeit zu Unrecht angenommen worden ist. Im übrigen konnte auch nach dem bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Recht im Falle der Bejahung der Zuständigkeit die Revision nicht darauf gestützt werden, für den Rechtsstreit sei die Zuständigkeit eines ordentlichen Gerichts begründet (vgl. § 73 Abs. 2 ArbGG a.F.; BAGE 41, 331 = AP Nr. 1 zu § 73 ArbGG 1979; BAG Urteil vom 31. Oktober 1984 – 4 AZR 535/82 – AP Nr. 4 zu § 840 ZPO).
II. Die Revision ist nicht begründet, soweit das Landesarbeitsgericht die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 8. August 1988 festgestellt hat.
1.a) Soweit das Berufungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 626 Abs. 1 BGB bejaht hat, kann das Revisionsgericht nur prüfen, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 626 BGB Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, beachtet hat. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.
b) Die Verletzung eines für die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestehenden Wettbewerbsverbotes kann an sich einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB darstellen (BAGE 14, 72, 78 = AP Nr. 3 zu § 60 HGB, zu I b cc der Gründe; Senatsurteile vom 6. August 1987 – 2 AZR 226/87 – AP Nr. 97 zu § 626 BGB, zu II 1 der Gründe und vom 16. August 1990 – 2 AZR 113/90 – EzA § 4 n.F. KSchG Nr. 38, zu III 3 a der Gründe), wobei es bei einer Pflichtverletzung in diesem Bereich regelmäßig keiner Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung bedarf (Senatsurteile vom 16. August 1990, aaO und vom 30. Juni 1983 – 2 AZR 524/81 – AP Nr. 15 zu Art. 140 GG, zu A IV 1 der Gründe).
Während des rechtlichen Bestandes eines Arbeitsverhältnisses ist dem Arbeitnehmer jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt, auch wenn der Einzelarbeitsvertrag keine ausdrücklichen Regelungen enthält. Für Handlungsgehilfen ist dies in § 60 HGB ausdrücklich geregelt. Diese Vorschrift konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt sein. Deshalb schließt der Arbeitsvertrag für die Dauer seines Bestehens über den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des § 60 HGB hinaus ein Wettbewerbsverbot ein (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts; vgl. BAG Urteil vom 17. Oktober 1969 – 3 AZR 442/68 – AP Nr. 7 zu § 611 BGB Treuepflicht, zu III 3 a der Gründe; Senatsurteile vom 6. August 1987, aaO und vom 16. August 1990, aaO, zu III 2 a der Gründe).
c) Ob der Kläger zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung Arbeitnehmer oder Dienstverpflichteter war, ist für die Beurteilung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 8. August 1988 unerheblich. § 626 Abs. 1 BGB gilt auch für Dienstverträge. Außerdem war der Kläger zum Zeitpunkt des behaupteten vorwerfbaren Verhaltens im Jahre 1987 unstreitig Arbeitnehmer.
2. Soweit das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage der Beweiswürdigung durch das Arbeitsgericht und einer erneuten eigenen Würdigung der Aussagen der Zeugen Dr. G , Dr. L , Dr. T und La sowie unter Berücksichtigung von als richtig unterstellten Behauptungen der Beklagten einen Wettbewerbsverstoß des Klägers im Jahr 1987 nicht für bewiesen erachtet, unterliegt dies revisionsrechtlich keinen Bedenken.
Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts ist durch das Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbar. Im Rahmen von § 286 ZPO kann der Senat nur prüfen, ob vom Landesarbeitsgericht der gesamte Inhalt der Verhandlung berücksichtigt worden ist, ob eine Würdigung aller erhobenen Beweise stattgefunden hat und ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen die Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze ist (vgl. BAG Urteil vom 25. Februar 1987 – 4 AZR 240/86 – AP Nr. 81 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, m.w.N.). Hiervon ist im vorliegenden Fall auszugehen.
a) Die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe den unstreitigen Vortrag der Beklagten, das Gespräch über eine geplante konkrete Konkurrenztätigkeit sei mit den Worten: „Feind hört mit“, auf ein anderes Thema gelenkt worden, als der Prokurist Schu sich der Gruppe genähert habe, nicht gewürdigt, hat im Ergebnis keinen Erfolg. Die Rüge kann in der Revision noch vorgebracht werden, da das Landesarbeitsgericht das Urteil erst fast fünf Monate nach Verkündung zugestellt hat, so daß eine Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO ausschied.
aa) Ein absoluter Revisionsgrund nach § 551 Nr. 7 ZPO liegt allerdings insoweit nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist nur ein Berufungsurteil, das erst später als ein Jahr nach Verkündung den Beteiligten zugestellt wurde, als nicht mit Gründen versehen i.S. von § 551 Nr. 7 ZPO anzusehen (vgl. BAGE 38, 55, 57 = AP Nr. 1 zu § 68 ArbGG 1979; BAGE 44, 323 = AP Nr. 84 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 11. November 1986 – 3 AZR 228/86 – AP Nr. 6 zu § 2 ArbGG 1979; vgl. auch BSGE 51, 121 und BVerfGE 50, 278).
bb) Es ist zutreffend, daß das Berufungsgericht die bei Annäherung des Prokuristen Schu gefallene unstreitige Äußerung des Zeugen Dr. L : „Feind hört mit“ bei der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt hat. Es war jedoch entgegen der Auffassung der Revision zwischen den Parteien nicht unstreitig, daß die Gruppe sich über eine geplante Konkurrenztätigkeit unterhalten hatte. Der Kläger hat vielmehr behauptet, man habe lediglich darüber nachgedacht, sich selbständig machen zu wollen. Dies ist auch vom Zeugen Dr. L so geäußert worden. Durch die Berücksichtigung der Äußerung des Zeugen Dr. L : „Feind hört mit“, ergibt sich nicht zwangsläufig, es seien bereits konkrete Angaben über Wettbewerbstätigkeiten während der Messe gefallen.
cc) Soweit die Beklagte weiter die unstreitige Tatsache berücksichtigt haben möchte, der Geschäftsführer der Beklagten habe den Zeugen Dr. G anläßlich eines Empfangs in J im April 1988 getroffen und man sich verabredete, sich gelegentlich mal wieder zu sprechen, wobei die Bemerkung des Zeugen Dr. G gefallen sei, ob sich der Geschäftsführer der Beklagten der Loyalität seiner Mitarbeiter sicher sei, übersieht sie, daß das Landesarbeitsgericht diese Tatsache zwar nicht im Tatbestand, wohl aber in den Entscheidungsgründen im Hinblick auf § 626 Abs. 2 BGB als unstreitige Tatsache erwähnt, dies jedoch dahingestellt hat sein lassen.
dd) Auf die Hilfserwägungen des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung könne schon deshalb unwirksam sein, weil sie mehr als ein Jahr nach den behaupteten Wettbewerbsverstößen ausgesprochen worden sei, kommt es demgemäß nicht mehr an.
b) Schließlich ist die Kündigung vom 8. August 1988 entgegen der Rüge der Revision auch nicht als Verdachtskündigung wirksam. Die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung hätte vorausgesetzt, daß die Beklagte den Kläger vor Ausspruch der Kündigung zu den Verdachtsgründen gehört hätte, was nicht erfolgt ist (vgl. die Entscheidungen des Senats vom 11. April 1985 – 2 AZR 239/84 – AP Nr. 39 zu § 102 BetrVG 1972 und vom 30. April 1987 – 2 AZR 283/86 – AP Nr. 19 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung).
III. Die Revision ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die außerordentliche Kündigung vom 22. Oktober 1988 sei unwirksam.
1. Wie unter B II 1 b ausgeführt wurde, stellt die Verletzung eines für die Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses bestehenden Wettbewerbsverbots an sich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar.
Da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien im Falle einer unwirksamen Kündigung rechtlich fortbesteht, ist der Arbeitnehmer grundsätzlich gehalten, die ihm obliegenden Pflichten weiter zu erfüllen und dem Arbeitgeber bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Konkurrenz in dessen Handelszweig zu machen.
Diese bei formaler Betrachtung eindeutige Rechtsfolge kann zu Ergebnissen führen, die der besonderen Interessenlage des gekündigten Arbeitnehmers nicht entsprechen. Bis zur Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung über die Wirksamkeit der streitigen Kündigung des Arbeitgebers sind beide Parteien im Ungewissen darüber, wie die materielle Rechtslage beurteilt werden wird. Dadurch entsteht insbesondere für den Arbeitnehmer eine nicht zu übersehende Zwangslage. Zur Vermeidung einer weiteren Kündigung müßte er sich einerseits jeglicher Tätigkeit enthalten, die als Wettbewerbsverstoß aufgrund des möglicherweise noch fortbestehenden Vertrages gewertet werden könnte. Andererseits wäre er für den Fall der Wirksamkeit der Kündigung an der dann möglichen anderweitigen Sicherung seiner Existenzgrundlage gehindert.
2. Zur Lösung dieser Konfliktlage finden sich in der bisherigen Rechtsprechung und im Schrifttum im wesentlichen folgende Vorschläge:
a) Nach der Entscheidung des Reichsgerichts vom 22. Februar 1916 (RGZ 77, 121 ff.) kommt ein Handlungsgehilfe durch eine Entlassung, die er als unbegründet ansieht, in eine zweifelhafte Lage, weil er nicht sicher voraussehen kann, wie die Gerichte über die Rechtmäßigkeit der Entlassung entscheiden werden. Er läuft deshalb Gefahr, jeden Verdienst in der Zwischenzeit zu verlieren, wenn er seine Arbeitskraft nicht anderweitig nutzt und die gerichtliche Entscheidung (über den Fortbestand des Vertragsverhältnisses) zu seinen Ungunsten ausfällt. Aber auch bei einer ihm günstigen Entscheidung muß er damit rechnen, daß der Dienstherr gegen seine Ansprüche auf Fortzahlung der Vergütung die Einrede erheben wird, einen anderweitigen Erwerb böswillig unterlassen zu haben (§ 615 Satz 2 BGB). Das Reichsgericht hat deswegen den entlassenen Handlungsgehilfen „für befugt erachtet“, auch dann, wenn er am bisherigen Vertrag festhalten wolle, seine Dienste, die der bisherige Dienstherr nicht annehme, anderweitig zu verwerten und zwar auch in einem mit dem Dienstherrn im Wett bewerb stehenden Geschäft. Jedenfalls könne der Dienstherr, der den Angestellten durch die unbegründete Entlassung in jene „üble Lage“ versetzt habe, ihm keinen Vorwurf daraus machen, wenn er in ein konkurrierendes Geschäft eintrete und dafür auch seine bisherigen Kunden zu gewinnen versuche.
b) Auch im Schrifttum wird teilweise die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber dürfe sich nicht auf nachfolgende Wettbewerbsverstöße berufen, wenn er vorher das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt habe und deren Unwirksamkeit später festgestellt werde (vgl. A. Hueck, Anm. zu LAG Berlin, ARS 19 (LAG), S. 55 f.; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. I, 7. Aufl., § 38 I 1; Staudinger/Neumann, BGB, 12. Aufl., § 626 Rz 35; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I 3, 3. Aufl., § 34 III 4; Grunsky, Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer, 2. Aufl. 1987, I 3 e bb, S. 23 ff.; Röhsler/ Borrmann, Wettbewerbsbeschränkungen für Arbeitnehmer und Handelsvertreter, 1981, B I 4 b, S. 42 f.; Heymann/Honsell, HGB, § 60 Rz 21).
c) Einschränkend soll dagegen nach anderer Auffassung bei derartigen Fallgestaltungen darauf abzustellen sein, wie der Arbeitnehmer auf die Kündigung reagiert. Geht er gegen die Kündigung nicht an, so wird ihm eine Wettbewerbsausübung zugebilligt, klagt er hingegen mit dem Ziel der Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung, dann wird von ihm Vertragstreue verlangt (vgl. Baumbach/Duden, HGB, 28. Aufl., § 60 Anm. 1 B a; Schlegelberger/ Schröder, HGB, 5. Aufl., § 60 Rz 4; Etzel in GK-HGB, 4. Aufl., § 60 Rz 12; MünchKomm-Schwerdtner, BGB, 2. Aufl., § 626 Rz 53; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 57 I 2, S. 288).
d) Für Wettbewerbshandlungen zu Unrecht entlassener Handelsvertreter gelten nach der Rechtsprechung des BGH im Rahmen der §§ 89 a HGB, 626 BGB folgende Grundsätze: Wenn der Handelsvertreter die vom Vertragsgegner ausgesprochene Kündigung für unwirksam hält und er die sich aus dem Vertrag für ihn ergebenden Rechte weiter in Anspruch nimmt, muß er sich so verhalten, als wenn die Entlassung nicht erfolgt wäre. Er hat sich deswegen auch bis zur rechtmäßigen Beendigung des Vertrages jeden Wettbewerbes zu enthalten. Die für den Handlungsgehilfen in RZ 88, 127 f. entwickelten Grundsätze sind auf den Handelsvertretervertrag nicht anwendbar, weil eine dem § 615 Satz 2 BGB entsprechende Regelung fehlt und für die daraus vom Reichsgericht gezogenen Folgerungen beim Handelsvertreter kein Raum ist. Es kann allerdings Fälle geben, in denen es nach der konkreten Sachlage mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren ist, den Handelsvertreter selbst dann, wenn er auf Vertragserfüllung beharrt, die weitere Einhaltung des Wettbewerbsverbotes zuzumuten (BGH Urteil vom 30. Juni 1954 – II ZR 26/53 – LM Nr. 1 zu § 89 a HGB = MDR 1954, 601).
Im Anschluß an diese Entscheidung hat der BGH weiter ausgeführt, der Umstand, daß Wettbewerbsverstöße eines Handelsvertreters erst durch dessen unwirksame fristlose Entlassung ausgelöst worden seien, entschuldige diese zwar nicht, lasse diese Pflichtwidrigkeiten aber doch als „weniger schwerwiegend“ erscheinen (BGH Urteil vom 28. April 1960 – VII ZR 218/59 – AP Nr. 41 zu § 626 BGB).
3. Der Senat vertritt zu dieser streitigen Rechtsfrage folgende vermittelnde und klarstellende Auffassung:
a) Ein Arbeitnehmer wird nicht schon dann von dem für die rechtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses geltenden Wettbewerbsverbot befreit, wenn der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung ausspricht, die der Arbeitnehmer für unwirksam hält und deswegen gerichtlich angreift.
aa) Die Beendigung oder die Suspendierung des Wettbewerbsverbotes bis zur Zeit der gerichtlichen Klärung der Wirksamkeit der streitigen Kündigung kann nicht allein mit der Erwägung begründet werden, der Arbeitgeber habe mit seiner Kündigung bereits als erster die Treue aufgekündigt und deswegen brauche sich auch der Arbeitnehmer zunächst nicht mehr an bestehende vertragliche Bindungen zu halten (so aber Grunsky, aaO, S. 24 f.). Nicht nur der Arbeitgeber verhält sich widersprüchlich, wenn er sich einerseits vom Arbeitnehmer sofort trennen und andererseits von diesem bis zur Klärung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses erwartet, mit ihm (noch) nicht in Wettbewerb zu treten. Ein Widerspruch, der einen Rechtfertigungsgrund ausschließt, liegt vielmehr auch in dem Verhalten des Arbeitnehmers, der einerseits um seinen Arbeitsplatz kämpft, diesen aber andererseits durch Wettbewerbshandlungen möglicherweise gefährdet. Allein die Priorität der Vertragsverletzung durch den Arbeitgeber erlaubt nicht von vorn herein nachfolgende objektive Vertragsverstöße des Arbeitnehmers.
bb) Eine Rechtfertigung dafür, in der Zeit bis zur Klärung der Wirksamkeit der Kündigung bereits ein eigenes konkurrierendes Unternehmen aufzubauen oder ein bestehendes zu unterstützen, ergibt sich auch nicht aus § 615 Satz 2 BGB, nach dem sich der Arbeitnehmer auf die fortzuzahlende Vergütung auch Einkünfte anrechnen lassen muß, die er böswillig nicht erworben hat. Böswillig handelt ein Arbeitnehmer nur dann, wenn ihm vorgeworfen werden kann, trotz Kenntnis aller objektiven Umstände, die sich insbesondere auch auf die Nachteilsfolgen für den Arbeitnehmer zu erstrecken hat, untätig geblieben ist (vgl. KR-Becker, 3. Aufl., § 11 KSchG Rz 40, m.w.N.). Da die Nachteile einer Wettbewerbshandlung für den Arbeitgeber regelmäßig größer sein werden als der Vorteil, für nicht geleistete Dienste keine Vergütung nach § 615 BGB zahlen zu müssen, wird dem Arbeitnehmer das Unterlassen einer Wettbewerbstätigkeit nur in den Fällen als böswillig anzulasten sein, in denen der Arbeitgeber nach der Entlassung ausdrücklich oder konkludent zu erkennen gibt, mit Wettbewerbshandlungen nach der faktischen Beendigung des Vertrages einverstanden zu sein (a.A.: Röhsler/Borrmann, aaO und RGZ 88, 129).
b) Ein verhaltensbedingter wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung wegen eines Wettbewerbsverstoßes setzt nach § 626 BGB aber nicht nur die objektive und rechtswidrige Verletzung einer bestehenden Unterlassungspflicht, sondern darüber hinaus nach der ständigen Rechtsprechung auch ein schuldhaftes, vorwerfbares Verhalten des Arbeitnehmers voraus (vgl. die Nachweise bei KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 626 BGB Rz 107; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl., Rz 680). Der Grad des Verschuldens sowie Art und Auswirkung der Konkurrenztätigkeit sind für die weiter erforderliche Interessenabwägung von Bedeutung, ob der verhaltensbedingte Grund dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht hat.
aa) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts wird das Verschulden des Arbeitnehmers bei Wettbewerbshandlungen im Anschluß an eine unwirksame Kündigung des Arbeitgebers nicht generell ohne Rücksicht auf den Beweggrund, die Art und die Auswirkung der Konkurrenztätigkeit allein deswegen ausgeschlossen, weil grundsätzlich ein Interessenkonflikt zwischen der Bindung an den bestehenden Arbeitsvertrag und dem Interesse des Arbeitnehmers, in der Übergangszeit seine Arbeitskraft möglichst vorteilhaft zu nutzen, anzuerkennen ist. Zur Prüfung, ob das für einen wichtigen Grund erforderliche Verschulden des Arbeitnehmers vorliegt und für die Bestimmung des für die Interessenabwägung maßgebenden Gewichtes seines Verschuldens ist vielmehr jeweils auf die besonderen Umstände des konkreten Falles abzustellen (so im Ausgangspunkt zutreffend Schlegelberger/Schröder, aaO, § 60 Anm. 4).
bb) Bei dieser Einzelfallwürdigung sind insbesondere folgende Umstände zu berücksichtigen:
Anders als bei Wettbewerbsverstößen durch einen Handelsvertreter sind auch die aus § 615 Satz 2 BGB herzuleitenden Interessen des Arbeitnehmers an der anderweitigen Verwendung seiner Arbeitskraft für die Beurteilung erheblich ob und mit welchem Gewicht ihm die Gründung einer Konkurrenzfirma oder die Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen vorwerfbar ist. Entgegen der Annahme von A. Hueck (aaO) macht es allerdings einen Unterschied, ob der unwirksam gekündigte Arbeitnehmer in ein bestehendes Konkurrenzgeschäft eintritt oder ob er selbst ein Konkurrenzunternehmen gründet. Im ersteren Fall liegt es näher, die Berufung auf einen Interessenkonflikt (§ 615 Satz 2 BGB), der den Schuldvorwurf ausschließen oder mindern kann, zuzulassen. Wenn der Arbeitnehmer am gekündigten Arbeitsverhältnis festhalten will, geht es ihm ersichtlich nur um eine Übergangslösung, die der Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber nicht entgegensteht und für diesen keine anhaltende Konkurrenz bedeutet. Gründet der Arbeitnehmer dagegen – wie vorliegend der Kläger – im Anschluß an die von ihm angegriffene Kündigung eine Konkurrenzfirma, dann beginnt er damit eine regelmäßig auf Dauer angelegte Konkurrenztätigkeit und bekundet zugleich seine Absicht, künftig nicht mehr im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig zu werden. Dieses Vorgehen läßt die Konkurrenztätigkeit nur dann als „weniger schwerwiegend“ erscheinen, wenn der Kläger auf einen weiteren Verdienst unbedingt angewiesen und wenn ihm eine Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses außerhalb des Handelszweiges der Beklagten nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Wie in diesem Zusammenhang weiter zu berücksichtigen ist, hat sich der Kläger aufgrund der unwirksamen Kündigung der Beklagten nicht in einer ausweglosen Zwangslage befunden, in der er eine Konkurrenztätigkeit nicht aufnehmen konnte, ohne gegen Pflichten aus dem fortbestehenden Arbeitsvertrag zu verstoßen. Er hat die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10. August 1988 nicht zum Anlaß genommen, seinerseits außerordentlich zu kündigen, um sofort eine Konkurrenztätigkeit aufnehmen zu dürfen und sich dabei Schadenersatzansprüche nach § 628 BGB vorzubehalten. Der Kläger hat es vielmehr bei seiner Kündigung vom 10. August zum 31. Dezember 1988 belassen und damit zu erkennen gegeben, daß ihm bis zum Ablauf des Jahres 1988 die Fortsetzung des Vertrages mit der Beklagten zumutbar gewesen ist. Gleichwohl hat er schon während dieses Zeitraums eine Konkurrenzfirma gegründet, die nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts schon vor dem 31. Dezember 1988 „werbend in Erscheinung getreten ist“.
Für den Grad des Verschuldens und für die Interessenabwägung kommt es weiter auf den genauen Zeitpunkt des Beginns der Konkurrenztätigkeit des Klägers, ihre Art und ihre Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb des Beklagten an.
4. Da die vorgenannten entscheidungserheblichen Umstände vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden sind, konnte der Senat über die Wirksamkeit der zweiten Kündigung nicht abschließend befinden. Es bedarf vielmehr einer Zurückverweisung des Rechtsstreites, um dem Berufungsgericht die Gelegenheit zur weiteren Sachaufklärung und zur vollständigen tatrichterlichen Würdigung des Kündigungsgrundes zu geben.
5. Das gilt auch für die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit nicht geprüft, ob der Kläger überhaupt imstande war, die bei der Beklagten ge schuldete Arbeitsleistung zu erbringen, und zwar auch in dem Zeitraum vor Ausspruch der zweiten Kündigung. Sollte der Kläger nämlich tatsächlich bereits eine gegen die Interessen der Beklagten gerichtete Tätigkeit für seine eigene Firma ausgeübt haben, so wäre nicht ersichtlich, wie es ihm zur gleichen Zeit hätte möglich sein können, trotz der eigenen Erwerbstätigkeit gleichzeitig Leistungen im Interesse der Beklagten zu erbringen, die sich dann zwangsläufig gegen ihn in seiner Eigenschaft als Gesellschafter einer konkurrierenden Firma gerichtet hätten.
Hillebrecht       Ascheid       Bitter
Nipperdey       Wolter
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Vorinstanzen:   Hessisches LAG, Urteil vom 21.06.1990, 9 Sa 1437/89; ArbG Offenbach am Main, Urteil vom 15.09.1989, 1 Ca 316/88


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