BAG – 10 AZR 737/08

BAGE 132, 283    NZA 2010, 518   

Baugewerbe – selbständige Betriebsabteilung – Verjährung

Bundesarbeitsgericht,  Urteil vom 25.11.2009, 10 AZR 737/08

Leitsätze des Gerichts

  1. Selbständige Betriebsabteilungen in Betrieben des Baugewerbes werden nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 2 VTV nur dann nicht vom betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 VTV erfasst, wenn in ihnen „andere“, dh. baufremde Arbeiten ausgeführt werden.
  2. Die Verjährung von Beitragsansprüchen der Sozialkassen des Baugewerbes, die ab dem 1. Januar 1998 fällig geworden sind, richtet sich nach § 25 Abs. 4 Satz 1 VTV idF des Tarifvertrags vom 4. Juli 2002 in Verbindung mit § 199 BGB.

Tenor:

  1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Mai 2008 – 16 Sa 1627/07 – wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, für den Zeitraum Dezember 2000 bis November 2002 Beiträge nach dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) an die Klägerin zu zahlen.

Die Klägerin ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Die Beklagte gehört zur F-Gruppe, die alle Arbeitsleistungen beim Hausbau aus einer Hand anbietet. Die Beklagte unterhält einen Mischbetrieb des Innenausbaus und ist dort als Subunternehmerin tätig. Bezogen auf die betriebliche Gesamtarbeitszeit führte sie in den Kalenderjahren 2000 bis 2002 folgende Arbeiten durch: Wand- und Deckenverkleidungen zu 17,02 %, Montage von Fenstern und Türen zu 9,9 %, Anbringen von Wärmedämmverbundsystemen zu 14,4 %, Anstreichen, Tapezieren und Verlegen von Bodenbelegen im Zusammenhang mit Estricharbeiten zu 7,14 %, Installation Sanitär einschließlich dem Verlegen von Wand- und Bodenfliesen zu 28,05 %, Montage Elektro/Beleuchtung zu 16,49 % und kaufmännische Verwaltungs- und Büroarbeiten zu 7,0 %. Im Betrieb bestehen verschiedene Abteilungen, denen die Arbeitnehmer zugeordnet sind. Den für Maler-/Lackierer-, Heizungs-/Sanitär- und Elektroarbeiten zuständigen Abteilungen steht jeweils ein Meister des betreffenden Handwerkszweigs vor. Die Beklagte ist mit dem Tischlerhandwerk, dem Maler- und Lackiererhandwerk, dem Installateur- und Heizungsbauerhandwerk sowie dem Elektrotechnikerhandwerk in die Handwerksrolle eingetragen.

Mit der am 7. Dezember 2005 wegen der Beitragsleistungen bis August 2002 erhobenen und am 19. Dezember 2006 wegen der Beitragsleistungen bis November 2002 erweiterten Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung der Höhe nach unstreitiger Beiträge in Anspruch. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte unterliege dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 391.186,15 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie habe keinen baugewerblichen Betrieb im Anspruchszeitraum unterhalten. Der Betrieb sei geprägt durch die Bereiche Elektro und Sanitär. Arbeiten aus Gewerbezweigen, die ausdrücklich aus dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen seien, hätten überwogen. Die Arbeiten in den Bereichen Heizung/Sanitär, Elektro sowie Maler/Lackierer würden zudem eigenständig in selbständigen Betriebsabteilungen verrichtet. Die Beklagte hat sich auf tarifliche Ausschlussfristen berufen und die Einrede der Verjährung erhoben. Hilfsweise hat sie mit einem Erstattungsanspruch in Höhe von 257.115,09 Euro aufgerechnet.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht entsprochen.

I. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten aus § 18 Abs. 2, § 19 Abs. 1 des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 in seiner Fassung vom 1. Dezember 2000 und 15. Mai 2001 einen Anspruch in der geltend gemachten Höhe.

1. Der Betrieb der Beklagten fiel im Streitzeitraum unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV.

a) Der betriebliche Geltungsbereich des VTV in den für den Streitzeitraum geltenden Fassungen vom 1. Dezember 2000 und 15. Mai 2001 war in § 1 Abs. 2 VTV, soweit für die Entscheidung von Interesse, wie folgt geregelt:

„Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.

Abschnitt I

Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.

Abschnitt II

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfasst, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

Abschnitt III

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I oder II erfasst, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – gewerblich sonstige bauliche Leistungen erbringen.

Abschnitt IV

Betriebe, in denen die nachstehend aufgeführten Arbeiten ausgeführt werden:

Abschnitt V

Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z. B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:

15. Fliesen-, Platten- und Mosaik-Ansetz- und Verlegearbeiten;

37. Trocken- und Montagebauarbeiten (z. B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen), einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern;

38. Verlegen von Bodenbelägen in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen;

40. Wärmedämmverbundsystemarbeiten;

Abschnitt VI

Betriebe, soweit in ihnen die unter den Abschnitten I bis V genannten Leistungen überwiegend erbracht werden, fallen grundsätzlich als Ganzes unter diesen Tarifvertrag. Selbständige Betriebsabteilungen sind Betriebe im Sinne dieses Tarifvertrages.

Werden in Betrieben des Baugewerbes in selbständigen Abteilungen andere Arbeiten ausgeführt, so werden diese Abteilungen dann nicht von diesem Tarifvertrag erfasst, wenn sie von einem spezielleren Tarifvertrag erfasst werden.

Abschnitt VII

Nicht erfasst werden Betriebe,

6. des Maler- und Lackiererhandwerks, soweit nicht Arbeiten der in Abschnitt IV oder V aufgeführten Art ausgeführt werden,

12. des Klempnerhandwerks, des Gas- und Wasserinstallationsgewerbes, des Elektroinstallationsgewerbes, des Zentralheizungsbauer- und Lüftungsbauergewerbes sowie des Klimaanlagenbaues, soweit nicht Arbeiten der in Abschnitt IV oder V aufgeführten Art ausgeführt werden,

…“

b) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird ein Betrieb dann vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst, wenn arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz oder Verdienst bzw. auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es nicht an (1. April 2009 – 10 AZR 593/08 – Rn. 16; 15. November 2006 – 10 AZR 698/05 – BAGE 120, 197, 201 f.; 18. Oktober 2006 – 10 AZR 576/05 – BAGE 120, 1, 8 f., jeweils mwN). Betriebe, die überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV genannten Tätigkeiten ausführen, fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, ohne dass die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III geprüft werden müssen. Erläutern die Tarifvertragsparteien ein solches Tätigkeitsbeispiel in einem Klammerzusatz, bringen sie damit zum Ausdruck, dass die im Klammerzusatz genannten Beispiele das Tätigkeitsbeispiel erfüllen (BAG 1. April 2009 – 10 AZR 593/08 – Rn. 16 mwN).

c) Im Betrieb der Beklagten wurden im Streitzeitraum ausschließlich gewerblich bauliche Leistungen iSd. VTV erbracht. Nach den tariflichen Tätigkeitsbeispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV fallen darunter der Einbau von Wand- und Deckenverkleidungen (Nr. 37), der Einbau und die Montage von Fenstern und Türen (Nr. 37, vgl. BAG 15. November 2006 – 10 AZR 665/05 – BAGE 120, 182, 188; 18. Oktober 2006 – 10 AZR 576/05 – BAGE 120, 1, 9), die Wärmedämmverbundsystemarbeiten (Nr. 40), das Verlegen der Bodenbelege im Zusammenhang mit Estricharbeiten (Nr. 38 und Nr. 11) und die Fliesenverlegearbeiten (Nr. 15). Alle übrigen Arbeiten werden von § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV erfasst. Die Maler- und Tapezierarbeiten wie auch Installations- und Elektroarbeiten dienten der Erstellung eines Gebäudes, da ein Bauwerk nicht schon mit der Fertigstellung des Rohbaus, sondern erst dann baulich vollendet ist, wenn es bestimmungsgemäß genutzt werden kann (vgl. BAG 13. Mai 2004 – 10 AZR 120/03 – zu II 2 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 265). Auch die kaufmännischen Verwaltungs- und Büroarbeiten dienten unmittelbar und vollständig der genannten Erbringung der baugewerblichen Leistungen und sind diesen Leistungen zuzurechnen (BAG 20. September 1995 – 10 AZR 609/94 -).

d) Der Betrieb der Beklagten war entgegen der Auffassung der Revision nicht nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 (Maler- und Lackiererhandwerk) oder Nr. 12 (Elektroinstallationsgewerbe, Zentralheizungsbauer- und Lüftungsbauergewerbe) aus dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen.

aa) Ein Betrieb wird nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV nur dann nicht vom Geltungsbereich des VTV erfasst, wenn in ihm arbeitszeitlich zu mehr als der Hälfte Tätigkeiten verrichtet werden, die als solche dem jeweiligen Handwerksoder Gewerbezweig zuzuordnen sind (BAG 18. Mai 1994 – 10 AZR 646/93 – zu II 4 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 180). Diese Voraussetzung lag für keinen Handwerkszweig vor. Weder die Maler- und Lackierarbeiten noch die Sanitär- und die Elektroinstallationsarbeiten machten für sich genommen mehr als 50 % der Gesamttätigkeit aus.

bb) Die unter verschiedene Ausnahmetatbestände des §1 Abs. 2 Abschn. VII VTV fallenden Tätigkeiten können nicht zusammengerechnet werden (st. Rspr. BAG 9. Dezember 1998 – 10 AZR 248/98 – zu II d der Gründe; 18. Mai 1994 – 10 AZR 646/93 – zu II 5 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 180). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Nach dem Wortlaut sollen nur bestimmte im Einzelnen aufgeführte „Betriebe“ nicht erfasst werden. Mischbetriebe werden in diesem Zusammenhang nicht genannt. Die Zusammenrechnung verschiedenartiger Tätigkeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V VTV steht hierzu nicht im Widerspruch. Auch die dem Abschn. VII zugrunde liegenden Tätigkeiten dienen regelmäßig als baugewerbliche Leistungen der Erstellung von Bauwerken, wie das Beispiel der Beklagten zeigt. Die Beklagte ist zu 100 % ein baugewerblich geprägter Betrieb. Die in § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV genannten Betriebe werden nur deshalb ausgenommen, weil sie als ganze Betriebe zu anderen Branchen gehören und von anderen Tarifverträgen erfasst werden.

Soweit die Revision den Grundsatz der Tarifeinheit infrage stellt und deshalb eine Zusammenrechnung mehrerer der in § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV genannten Gewerbe (nunmehr) für möglich erachtet, folgt der Senat ihr nicht. Im Zusammenhang mit der Auslegung von § 1 Abs. 2 VTV ist es unerheblich, ob an dem Grundsatz der Tarifeinheit festzuhalten ist. Die tarifliche Zielsetzung, Tarifkonkurrenz und Tarifpluralität zu vermeiden, ist legitim. Die Wahrung der Tarifeinheit kann im Rahmen bestehender rechtlicher Möglichkeiten geradezu Aufgabe der Tarifautonomie sein. Diese Zielsetzung kommt darin zum Ausdruck, dass der VTV in § 1 Abs. 2 Abschn. VII nur bestimmte Betriebe, nicht aber jede entsprechende Tätigkeit aus dem betrieblichen Geltungsbereich ausnimmt (Koch Die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes Rn. 144).

2. Der Betrieb der Beklagten wurde im Streitzeitraum vollständig vom betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 VTV erfasst. Entgegen der Auffassung der Revision waren nicht einzelne selbständige Abteilungen gem. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 2 VTV vom Geltungsbereich des VTV ausgenommen.

a) Betriebe fallen nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 1 VTV grundsätzlich insgesamt unter den VTV, wenn in ihnen die in § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V VTV genannten Leistungen überwiegend erbracht werden. Eine Ausnahme besteht nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 2 VTV für selbständige Abteilungen eines Betriebs, wenn in ihnen andere Arbeiten ausgeführt und wenn sie von einem spezielleren Tarifvertrag erfasst werden.

b) Es kann dahinstehen, ob die Betriebsabteilungen Elektro, Maler/Lackierer und Heizung/Sanitär „selbständig“ iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 2 VTV waren. In diesen Abteilungen wurden bauliche Leistungen und damit keine „anderen Arbeiten“ erbracht. Eine selbständige Betriebsabteilung in einem Betrieb des Baugewerbes wird ausschließlich unter den Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 2 VTV nicht vom VTV erfasst. Dies setzt voraus, dass in der Abteilung fachfremde Leistungen erbracht werden.

aa) Zwar sind nach dem weit gefassten Wortlaut von § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV „selbständige Betriebsabteilungen Betriebe im Sinne dieses Tarifvertrages“. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich daraus jedoch nicht, dass auch eine selbständige Betriebsabteilung, in der bauliche Leistungen nach Abschn. VII erbracht werden, nicht vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst wird.

bb) Nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang von § 1 Abs. 2 VTV wird der betriebliche Geltungsbereich in seinen Abschn. I bis V positiv nach den verrichteten baulichen Tätigkeiten bestimmt. Abschn. VI regelt, auf welche betriebliche Einheit abzustellen ist und wie die Zuordnung bei verschiedenen Tätigkeiten zu erfolgen hat (sog. Mischbetriebe). Nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 1 VTV fallen danach Betriebe grundsätzlich als Ganzes unter den Tarifvertrag, soweit die in den Abschn. I bis V genannten Leistungen überwiegend erbracht werden. Der betriebliche Geltungsbereich wird erweitert durch § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV für den Fall, dass in einem Mischbetrieb überwiegend zwar baufremde, in einer selbständigen Betriebsabteilung aber bauliche Leistungen der Abschn. I bis V erbracht werden. Insofern ist bestimmt, dass eine selbständige Betriebsabteilung mit baulichen Leistungen ein Betrieb im Sinne dieses Tarifvertrags ist und dem betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 VTV unterfällt, obwohl im Betrieb überwiegend baufremde Leistungen erbracht werden. Eine erneute Erweiterung des betrieblichen Geltungsbereichs hat der VTV durch § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV idF des Tarifvertrags vom 4. Juli 2002 (in Kraft seit dem 1. September 2002) erfahren; danach gilt in bestimmten Fällen sogar eine bloße Gesamtheit von Arbeitnehmern als selbständige Betriebsabteilung, wenn in einem Mischbetrieb mit überwiegend baufremden Leistungen die Selbständigkeit einer Betriebsabteilung mit baulichen Leistungen nicht festgestellt werden kann.

§ 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 2 VTV enthält dagegen die einzige spezifische Regelung für die Ausklammerung selbständiger Abteilungen vom Geltungsbereich des VTV. Die Vorschrift regelt den Fall, dass in einem Betrieb des Baugewerbes in einer selbständigen Betriebsabteilung baufremde Leistungen erbracht werden. Werden dort „andere Arbeiten“ ausgeführt, so wird die Abteilung dann nicht vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst, wenn sie von einem spezielleren Tarifvertrag erfasst wird (Koch Die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes Rn. 94). Dies kann zB eine selbständige Betriebsabteilung mit Handelstätigkeiten in einem Baubetrieb sein.

cc) Nach dieser tariflichen Regelungssystematik findet §1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV keine Anwendung auf die Ausnahmen vom Geltungsbereich nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV. Eine selbständige Betriebsabteilung, in der bauliche Leistungen nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV erbracht werden, kann nicht aus dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV herausfallen, weil dort keine „anderen“, baufremden Leistungen erbracht werden. Des Tarifmerkmals der „anderen“ Leistungen hätte es nicht bedurft, wenn auch die Erbringung von baulichen Leistungen nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV in selbständigen Betriebsabteilungen zur Nichtanwendung des VTV führen würde. In § 1 Abs. 2 Abschn. VII trägt der VTV der Tatsache Rechnung, dass Betriebe anderer Handwerks- und Gewerbezweige bauliche Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V erbringen, aber zu anderen Handwerks- oder Gewerbezweigen gehören. Vom betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 VTV werden nach der Tarifsystematik nur Betriebe, nicht aber selbständige Betriebsabteilungen ausgenommen, in denen überwiegend Tätigkeiten des jeweiligen Gewerbes nach Abschn. VII verrichtet werden.

dd) Soweit der Senat in der Entscheidung vom 13. Mai 2004 (- 10 AZR 120/03 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 265), ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankam, erwogen hat, ob eine selbständige Betriebsabteilung „Installation Handwerk“, in der bauliche Leistungen erbracht werden, bei der Berechnung des Anteils der Bauarbeiten an der Gesamtarbeitszeit unberücksichtigt zu bleiben hat, stellt der Senat klar, dass nur die Erbringung baufremder „anderer“ Tätigkeiten in selbständigen Abteilungen nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 2 VTV dazu führen kann, dass diese Abteilung nicht vom VTV erfasst wird.

3. Die Höhe der Forderungen ist von der Klägerin schlüssig dargelegt und von der Beklagten nicht bestritten worden.

4. Die Ansprüche sind nicht verfallen.

a) Nach § 25 Abs. 1 VTV verfallen die Ansprüche der Klägerin gegen den Arbeitgeber, wenn sie nicht innerhalb von vier Jahren seit Fälligkeit geltend gemacht worden sind. Auf die Entstehung der Ansprüche kommt es nicht an. Für den Beginn der Frist gilt § 201 BGB aF bzw. § 199 BGB nF entsprechend.

b) Die Beiträge für Dezember 2000 waren nach § 22 Abs. 1 VTV bis zum 15. Januar 2001 einzuzahlen. Entsprechend § 201 BGB aF begann die vierjährige Verfallfrist für diese und für die weiteren im Jahre 2001 fällig gewordenen Ansprüche mit dem Schluss des Jahres 2001. Für die im Jahr 2002 fälligen Ansprüche begann die Verfallfrist entsprechend § 199 Abs. 1 BGB nF mit dem Schluss des Jahres 2002. Mit der am 7. Dezember 2005 erhobenen Klage (§ 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 ZPO) hat die Klägerin die Frist für die Ansprüche bis August 2002 und mit der am 19. Dezember 2006 zugestellten Klageerweiterung (§ 261 Abs. 2 ZPO) für die weiteren Ansprüche gewahrt.

5. Die Ansprüche sind nicht verjährt. Mit der Zustellung der Klage im Dezember 2005 sowie der Klageerweiterung im Dezember 2006 wurde die Verjährung der streitgegenständlichen Ansprüche nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt.

a) Die regelmäßige Verjährungsfrist für Ansprüche der Kassen gegen den Arbeitgeber beträgt nach § 25 Abs. 4 Satz 1 VTV idF des am 1. September 2002 in Kraft getretenen Änderungstarifvertrags vom 4. Juli 2002 vier Jahre. Diese tarifliche Verlängerung der Verjährungsfrist gegenüber der seit 1. Januar 2002 nach § 195 BGB geltenden dreijährigen Verjährungsfrist ist gem. § 202 BGB zulässig (BAG 28. Mai 2008 – 10 AZR 358/07 – Rn. 43, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 301).

aa) § 25 Abs. 4 VTV erfasst, wie die Beklagte zutreffend ausführt, alle streitgegenständlichen Ansprüche einschließlich der zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 1. September 2002 bereits fälligen und noch nicht verjährten rückständigen Ansprüche der Klägerin. Weder dem Wortlaut noch dem tariflichen Zusammenhang der Norm ist eine Beschränkung auf erst nach Inkrafttreten fällig werdende Ansprüche zu entnehmen. Der Änderungstarifvertrag vom 4. Juli 2002 enthält keine Überleitungsvorschrift. Er stellt die Reaktion der Tarifvertragsparteien auf die Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist zum 1. Januar 2002 für die tariflich geregelten Ansprüche von vier Jahren (§ 197 BGB aF) auf drei Jahre (§ 195 BGB) dar. Nach Sinn und Zweck der erstmalig geschaffenen tariflichen Verjährungsfrist sollte es – gerade auch für die anderenfalls zu einem früheren Zeitpunkt von der Verjährung bedrohten bereits fällig gewordenen Ansprüche – bei der bisherigen vierjährigen Frist verbleiben. Ohne eine Übergangsvorschrift gilt nach allgemeinen Grundsätzen ohne Weiteres das neue Recht. Die tariflichen Regelungen treten mit dem Wirksamwerden des Tarifvertrags in Kraft (Däubler/Deinert TVG 2. Aufl. § 4 Rn. 5; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 1).

bb) In Anbetracht dieser eigenständigen tariflichen Verjährungsregelung kommt die Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 EGBGB zum neuen Verjährungsrecht nicht zur Anwendung. Sofern der Senat zur Prüfung der Verjährung von Beitragsansprüchen der ZVK bisher diese Vorschrift herangezogen hat (1. April 2009 – 10 AZR 134/08 -; 28. Mai 2008 – 10 AZR 358/07 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 301), wird hieran nicht festgehalten. Die streitgegenständlichen Ansprüche waren am 1. September 2002 noch nicht verjährt. Auf sie findet seit diesem Zeitpunkt § 25 Abs. 4 VTV Anwendung.

b) Aus der Anwendung von § 25 Abs. 4 VTV folgt entgegen der Auffassung der Revision keine Verjährung der Beitragsforderungen für die Monate Dezember 2000 bis Oktober 2001 und September und Oktober 2002. § 200 BGB findet keine Anwendung.

Die Tarifvertragsparteien haben in § 25 Abs. 4 VTV nur die Verjährungsfrist der Verfallfrist des § 25 Abs. 1 VTV angepasst und die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren auf vier Jahre abgeändert. Sie haben jedoch keine abschließende eigenständige Verjährungsregelung getroffen. Dies zeigt die Verwendung des gesetzlichen Begriffs der „regelmäßigen Verjährungsfrist“ in § 25 Abs. 4 VTV. Die übrigen Verjährungsvorschriften des BGB, insbesondere § 199 BGB, sollen weiter Anwendung finden. Auch aus der im Gegensatz zur Verjährungsregelung erfolgten ausdrücklichen Bezugnahme in § 25 Abs. 1 VTV auf § 199 BGB lässt sich nicht schließen, dass die Tarifvertragsparteien bei der Verjährung einen anderen Fristbeginn wollten. § 25 Abs. 1 VTV musste auf § 199 BGB verweisen, weil anderenfalls mangels gesetzlicher Regelung beim Verfall ein Fristbeginn ab Fälligkeit gelten würde. Dies war bei der Bestimmung der Frist der regelmäßigen Verjährung nicht erforderlich, weil in § 199 BGB der Verjährungsbeginn gesetzlich bestimmt ist. Der Tarifvertrag regelt erkennbar den Gleichlauf von Verfall- und Verjährungsfrist; es ist nicht anzunehmen, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien die Verjährung von Beitragsansprüchen früher eintreten sollte als der Verfall.

6. Die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einem Erstattungsanspruch ist, da tarifvertraglich ausgeschlossen (§ 18 Abs. 5 Satz 2 VTV), unzulässig und damit unwirksam.

II. Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.