Änderungskündigung – Pflicht zur Anhörung des Betriebsrats – Art und Umfang der Mitteilungspflicht des Arbeitgebers bei einer geplanten Kündigung
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.11.1989, 2 AZR 197/89
Leitsätze des Gerichts
- Will der Arbeitgeber im Wege der Änderungskündigung die Arbeitsbedingungen einseitig ändern, so hat er dem Betriebsrat das Änderungsangebot und die Gründe für die beabsichtigte Änderung der Arbeitsbedingungen mitzuteilen sowie dann, wenn er sich eine Beendigungskündigung vorbehalten und dazu eine erneute Anhörung ersparen will, zugleich zu verdeutlichen, daß er im Falle der Ablehnung des Änderungsangebots durch den Arbeitnehmer die Beendigungskündigung beabsichtigt.
- Bleibt für den Betriebsrat offen, ob die Ablehnung des Änderungsangebotes die Beendigungskündigung zur Folge haben soll, so liegt keine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates im Sinne des § 102 Abs. 1 BetrVG zu der vom Arbeitgeber ausgesprochenen Beendigungskündigung vor.
Tatbestand
Der Kläger war für die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin seit dem 1. Juli 1975 als Bezirksverkaufsleiter in der Niederlassung Berlin zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt durchschnittlich 12.000,00 DM tätig.
Seit 1980 hat die Niederlassung Berlin keinen eigenen Leiter mehr. Seit dem 1. Juli 1986 bzw. 1. Oktober 1986 blieben die Leitungsposten für das Verkaufsbüro und den Technischen Kundendienst unbesetzt. Dies stand im Zusammenhang mit einer geplanten Reorganisation des Unternehmens, wonach u.a. die Niederlassung Berlin geschlossen und die dortigen Kunden künftig von dem Regionalbüro H aus betreut werden sollten. Nachdem die Büroräume der Niederlassung Berlin geschlossen worden waren, erhielt der Kläger seine Vertriebsunterlagen von dem Regionalbüro Nord aus.
Mit Schreiben vom 24. März 1987 kündigte die Beklagte erstmals das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30. September 1987 wegen einer zum 31. März 1987 beabsichtigten Schließung der Niederlassung Berlin. Dieser Kündigung widersprach der am 31. März 1987 für die Niederlassung Berlin gewählte Betriebsobmann unter Hinweis darauf, der Kläger sei Mitglied des Wahlvorstandes und Wahlbewerber. Gegen diese Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben, über die inzwischen rechtskräftig zu seinen Gunsten entschieden worden ist (Urteil des LAG Berlin vom 23. Juni 1988 – 7 Sa 125/87 -).
Mit Schreiben vom 23. Juli 1987 machte die Beklagte dem Kläger ein Versetzungsangebot in das Vertriebsbüro Stuttgart als Verkäufer für multigraphische Produkte, das er durch Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 3. August 1987 unter Hinweis auf seine Bereitschaft ablehnte, sich nach Norddeutschland versetzen zu lassen, um weiter das Verkaufsgebiet Berlin betreuen zu können. Mit Schreiben vom 20. November 1987 unterbreitete die Beklagte dem Kläger ein neues Angebot, nämlich ab sofort als Vertriebsmitarbeiter im Bezirk W tätig zu sein. Am gleichen Tag unterrichtete sie den nach der Umstrukturierung am 15. Juli 1987 im Regionalbüro H neu gewählten Betriebsrat von einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Änderungskündigung, da eine Weiterbeschäftigung des Klägers in Berlin nicht möglich und ein anderer freier Arbeitsplatz nicht vorhanden sei. Mit schriftlichen Stellungnahmen vom 25. bzw. 27. November 1987 widersprach der Betriebsrat beiden Kündigungen u.a. mit der Begründung, es sei nicht ersichtlich, welche sozialen Gesichtspunkte die Beklagte bei der Auswahl des Klägers als zu kündigendem Mitarbeiter der Region N berücksichtigt habe, auch sei eine Weiterbeschäftigung des Klägers in Berlin unter geänderten Vertragsbedingungen als Teilzeitkraft möglich, zudem seien Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen – auch außerhalb des Vertriebsbezirkes – zumutbar.
Der Kläger lehnte auch das Angebot vom 20. November 1987 mit Schreiben vom 30. November 1987 ab, wobei er noch einmal sein Einverständnis mit einer Versetzung nach Norddeutschland zum Ausdruck brachte. Mit Schreiben vom 7. Dezember 1987 kündigte die Beklagte außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise mit gesetzlicher Kündigungsfrist zum 31. März 1988 und vorsorglich ordentlich zum 30. Juni 1988 und zwar u.a. mit der Begründung, der Kläger habe auch das Weiterbeschäftigungsangebot vom 20. November 1987 abgelehnt; im übrigen werde auf die Begründung der früheren Kündigung verwiesen.
Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger im vorliegenden Prozeß mit der Begründung, eine Stillegung des Betriebes sei von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt beschlossen worden; vielmehr halte sie in Berlin ihre Vertriebsaktivitäten aufrecht, wie ein Schreiben vom 25. Mai 1987 an ihre Kunden zeige. So habe sie im Mai mit Hotelpräsentationen neue Kunden geworben. Im Oktober 1987 habe sie auf einen Pressebericht einer Fachzeitschrift, die von einem Rückzug der Beklagten aus dem Berliner Markt berichtete, mit einer Gegendarstellung reagiert, wonach sie auch in Zukunft durch Verkauf und Technik in Berlin präsent sein werde. In der Region N gebe es sozial weniger schutzwürdige Verkäufer multigraphischer Produkte. Dabei handele es sich um vier – vom Kläger namentlich benannte – Arbeitnehmer, die jünger als er seien und über eine kürzere Betriebszugehörigkeit verfügten.
Außerdem sei nach einer Versetzung seit dem 31. Juli 1987 im Regionalbüro N die Stelle eines Verkäufers frei. Diese Stelle sei nicht neu besetzt, sondern auf drei Verkäufer aus Hamburg kommissarisch übertragen worden. Der Kläger hat auch die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten; dieser sei zu dem Versetzungsvorgang nicht nach § 99 BetrVG beteiligt worden. Die Beklagte habe auch das Anhörungsschreiben vom 20. November 1987 nicht vorgelegt und außerdem statt der geplanten Änderungskündigung eine Beendigungskündigung ausgesprochen. Schließlich hat der Kläger die Ansicht vertreten, die Niederlassung Berlin sei kündigungsrechtlich kein selbständiger Betrieb mehr, zumal die Stellung des Niederlassungsleiters schon seit langer Zeit unbesetzt sei.
Der Kläger hat unter teilweiser Einschränkung eines ursprünglich weitergehenden Feststellungsantrages in der Revisionsinstanz beantragt
festzustellen, daß das Anstellungsverhältnis der Parteien durch die Kündigungserklärung der Beklagten vom 7. Dezember 1987 – eingegangen am 9. Dezember 1987 – weder außerordentlich mit sofortiger Wirkung noch mit Wirkung zum 31. März 1988 oder durch hilfsweise ordentliche Kündigung zum 31. März 1988 oder 30. Juni 1988 aufgelöst worden ist, sondern ungekündigt jedenfalls bis 30. September 1989 fortbesteht.
Die Beklagte hat mit ihrem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, die Schließung des Büros habe zum Fortfall der Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers geführt. Vertriebsaktivitäten würden sich auf die Aufrechterhaltung bestehender Kundenkontakte beschränken. Allerdings würden neue Kunden, die an sie heranträten, auch beliefert werden. Die freie Stelle in H sei wegen des geringeren Ertrages des Verkaufsbezirks aufgeteilt und kommissarisch übertragen worden.
Der Betriebsrat sei auch ordnungsgemäß angehört worden, da ihm alle Umstände, u.a. das Angebot an den Kläger, das Beschäftigungsverhältnis an einem anderen Ort festzusetzen, mitgeteilt worden seien. Da der Kläger dieses Angebot abgelehnt habe, sei auch eine Beendigungskündigung möglich gewesen. Im übrigen hat die Beklagte die Ansicht vertreten, eine Sozialauswahl beschränke sich auf die Niederlassung Berlin. Dort sei der Kläger der einzige Vertriebsmitarbeiter gewesen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Kündigung sei wegen nicht ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung unwirksam, weil die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Änderungskündigung angehört, später jedoch eine Beendigungskündigung ausgesprochen habe. In der Berufungsinstanz hat die Beklagte hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung von höchstens 75.000,00 DM geltend gemacht.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungs- und den Auflösungsantrag weiter. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision und beschränkt seinen Antrag auf die Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis zum 30. September 1989 fortbestanden hat.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Kündigungsmaßnahme der Beklagten vom 7. Dezember 1987 verstößt gegen § 102 Abs. 1 BetrVG und ist deshalb unwirksam.
I. Das Landesarbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, beide Kündigungen seien nicht bereits wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung unwirksam. Die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers bei der Betriebsratsanhörung erstrecke sich zwar auf die Art der beabsichtigten Kündigung. So sei eine Änderungskündigung unwirksam, wenn der Betriebsrat lediglich zu einer Beendigungskündigung angehört worden sei. Eine schematische Übertragung auf den umgekehrten Fall sei aber nicht möglich. Auch bei der Anhörung des Betriebsrates zu einer Änderungskündigung sei bedeutsam, daß der Arbeitgeber eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses beabsichtige, wenn der Arbeitnehmer zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen nicht bereit sei. Dabei sei es unerheblich, ob dem Arbeitnehmer das Änderungsangebot bereits unterbreitet worden sei oder dies noch ausstehe. Nach vorbehaltloser und endgültiger Ablehnung des Änderungsangebots durch den Arbeitnehmer sei der Arbeitgeber nicht mehr verpflichtet, die Kündigung mit einem Änderungsangebot zu verbinden. Auch wenn vorliegend eine Beendigungskündigung ausgesprochen worden sei, so sei die Beklagte bei der Verwirklichung ihres Kündigungsentschlusses entsprechend der Betriebsratsanhörung verfahren und habe erst nach Ablehnung des Änderungsangebotes gekündigt.
Die außerordentliche Kündigung sei indessen wegen Versäumung der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam, weil die Schließung des Büros der Niederlassung Berlin und die von der Beklagten behauptete Reduzierung ihrer dortigen betrieblichen Aktivitäten keinen Dauertatbestand darstelle. Vielmehr sei der Kündigungsgrund „Betriebsstillegung“ abgeschlossen, sobald der einzelne Arbeitnehmer – wie hier der Kläger – nicht mehr weiterbeschäftigt werden könne. Demgegenüber stelle die Ablehnung eines Änderungsangebotes keinen eigenständigen Kündigungsgrund dar.
Auch die ordentliche Kündigung habe das Arbeitsverhältnis nicht beendet, weil die Beklagte keine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt habe. Auch wenn man mit der Beklagten davon ausgehe, aufgrund der Neuorganisation des Unternehmens bestehe kein Bedarf für eine Beschäftigung des Klägers in Berlin und die Kündigung sei deshalb an sich betriebsbedingt, so sei die Kündigung unwirksam, da die Beklagte bei der auf den Vertriebsbereich Nord (einschließlich Berlin) zu erstreckenden Auswahl des Klägers soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt habe.
Der zulässigerweise erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gestellte Auflösungsantrag sei zurückzuweisen, da die Beklagte keinerlei Umstände dargetan habe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht mehr erwarten ließ.
II. Der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann jedenfalls im Ergebnis gefolgt werden. Nach Auffassung des Senats ist die Kündigung – als außerordentliche wie auch als ordentliche – aber schon deswegen unwirksam, weil der Betriebsrat nicht zu der von der Beklagten letztlich ausgesprochenen Beendigungskündigung angehört worden ist (§ 102 BetrVG).
1. Nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ist eine ohne vorherige Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam. Die Beklagte hat zwar den beim Regionalbüro N gebildeten Betriebsrat angehört, dessen Zuständigkeit zwischen den Parteien nicht streitig ist und zugunsten der Beklagten unterstellt werden kann. Das ist aber nicht in der richtigen Form geschehen.
a) Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen, d.h. er muß dem Betriebsrat neben den näheren Informationen über die Person des betroffenen Arbeitnehmers, die Art und den Zeitpunkt sowie Gründe für die beabsichtigte Kündigung mitteilen (BAGE 30, 176 = AP Nr. 15 zu § 102 BetrVG 1972; BAGE 34, 309, 315 f. = AP Nr. 22 zu § 102 BetrVG 1972, zu B II 2 der Gründe). Hierfür genügt es in der Regel nicht, die Kündigungsgründe nur pauschal schlagwort- oder stichwortartig zu bezeichnen oder bloße Werturteile ohne Angabe der für die Bewertung maßgebenden Tatsachen anzugeben (BAGE 30, 386 = AP Nr. 17 zu § 102 BetrVG 1972). Der für den Arbeitgeber maßgebende Sachverhalt ist unter Angabe der Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluß hergeleitet wird, näher so zu umschreiben, daß der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden (BAGE 30, 386, 394 = AP, aa0, zu II 3 b der Gründe).
Beabsichtigt der Arbeitgeber eine Änderungskündigung auszusprechen, so hat er dem Betriebsrat sowohl die Gründe für die Änderung der Arbeitsbedingungen als auch das Änderungsangebot mitzuteilen (Senatsurteil vom 3. November 1977 – 2 AZR 277/76 – AP Nr. 1 zu § 75 BPersVG; BAGE 38, 106, 117 = AP Nr. 2 zu § 2 KSchG 1969; Senatsurteile vom 27. Mai 1982 – 2 AZR 96/80 – BB 1985, 56, 57; vom 20. März 1986 – 2 AZR 294/85 – AP Nr. 14 zu § 2 KSchG 1969). Kommt der Arbeitgeber diesen Anforderungen an seine Mitteilungspflicht nicht oder nicht richtig nach, unterlaufen ihm insoweit bei der Durchführung der Anhörung Fehler, dann ist die Kündigung unwirksam (BAGE 27, 209 = AP Nr. 4 zu § 102 BetrVG 1972; BAGE 30, 386 = AP, aa0), und zwar unabhängig davon, ob und wie der Betriebsrat zu der mangelhaften Anhörung Stellung genommen hat (BAGE 31, 83, 89 = AP Nr. 19 zu § 102 BetrVG 1972, zu III 2 a der Gründe; Senatsurteil vom 5. Februar 1981 – 2 AZR 1135/78 – AP Nr. 1 zu § 72 LPVG NW).
b) Vorliegend wurde der Betriebsrat nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 ZPO) zu einer „beabsichtigten Änderungskündigung“ angehört.
aa) Die Beklagte beruft sich insofern auf ein Anhörungsschreiben vom 20. November 1987, das sie jedoch im Prozeß – auch nicht anläßlich der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – vorgelegt hat. Deshalb ist eine detaillierte Nachprüfung dessen, was die Beklagte dem Betriebsrat mitgeteilt hat, nicht möglich. In ihrem Prozeßvortrag läßt sich die Beklagte dahin ein, dem Betriebsrat seien zur Änderungskündigung alle Umstände mitgeteilt worden, nämlich das Beschäftigungsverhältnis an einem anderen Ort fortzusetzen. Ob die Beklagte dabei das am 20. November 1987 dem Kläger unterbreitete Angebot auch dem Betriebsrat mitgeteilt hat – etwa durch Vorlage einer Fotokopie desselben – oder ob nur wie im Prozeßvorbringen pauschal auf ein Beschäftigungsangebot an einem anderen Ort (welchem?) verwiesen wurde, ist für den Senat nicht feststellbar. Auf eine Rückfrage des Senats hat die Beklagte in der Revisionsverhandlung vortragen lassen, es gebe keine Anhörung zum Zwecke der Versetzung, es sei auch kein Antrag nach § 99 BetrVG an den Betriebsrat gerichtet worden, weil das Angebot (welches?) vom Kläger bereits abgelehnt worden sei.
bb) Aufgrund des vom Landesarbeitsgericht für den Senat bindend festgestellten Sachverhalts (§ 561 ZPO) kann indessen nur davon ausgegangen werden, daß der Kläger mit seinem Schreiben vom 30. November 1987, also nach Abschluß des Anhörungsverfahrens beim Betriebsrat – dessen Stellungnahme zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung stammt vom 25. November 1987 und zur ordentlichen Kündigung vom 27. November 1987 – das Angebot vom 20. November 1987 abgelehnt hat. Demgemäß konnte der Betriebsrat hiervon im Anhörungsverfahren aufgrund der verwertbaren Umstände noch keine Kenntnis haben.
cc) Der Betriebsrat hat sich zudem in seiner Stellungnahme nicht auf das konkrete Angebot der Beklagten vom 20. November 1987 auf Versetzung in den Vertriebsbezirk W bezogen, sondern u.a. geltend gemacht, der Kläger könne noch in einem Teilzeitarbeitsverhältnis mit Tätigkeiten in Berlin beschäftigt werden. Auch aus den Stellungnahmen des Betriebsrats läßt sich daher nicht schlußfolgern, ihm sei das Änderungsangebot der Beklagten laut Schreiben vom 20. November 1987 an den Kläger im Rahmen des Anhörungsverfahrens mitgeteilt worden. Noch weniger können die Erläuterungen des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten, es habe keine Anhörung zum Zwecke der Versetzung und keinen Antrag nach § 99 BetrVG gegeben, dahin verstanden werden, das konkrete Angebot an den Kläger vom 20. November 1987 sei Gegenstand des Anhörungsverfahrens gewesen. Mithin fehlt es schon an der ausreichenden Darlegung der Mitteilung eines konkret bestimmten Änderungsangebotes gegenüber dem Betriebsrat, wobei dahingestellt bleiben kann, ob und ggf. wie es sich auf das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG auswirkt, wenn zu der angebotenen Versetzung der Betriebsrat nicht nach § 99 BetrVG beteiligt wird (vgl. dazu u.a. Becker/Schaffner, BlStSozArbR 1975, 273, 278; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 278; Meier, NZA 1988, Beilage 3, S. 3, 10; Meisel in Anm. zu AP Nr. 2 zu § 2 KSchG 1969).
c) Im übrigen hat die Beklagte eine Beendigungskündigung ausgesprochen, zu der sie den Betriebsrat nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt nicht angehört hat.
aa) Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, im Rahmen der Anhörung zur ursprünglich beabsichtigten Änderungskündigung sei dem Betriebsrat neben dem konkreten Änderungsangebot auch die Stellungnahme des Klägers mitgeteilt worden, reicht die Anhörung zur beabsichtigten Änderungs- nicht für die tatsächlich ausgesprochene Beendigungskündigung aus, weil die Beendigungskündigung nicht die zwingende Folge der Ablehnung des Änderungsangebotes durch den Kläger gewesen ist. Vielmehr behielt die Beklagte als Arbeitgeber die Wahlmöglichkeit, dem Kläger nach wie vor eine Änderungskündigung wie aber auch – im Falle eines ordnungsgemäßen Änderungsangebotes und dessen definitiver Ablehnung – eine Beendigungskündigung auszusprechen. Vorliegend war die Beklagte nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sogar gehalten, die dem Betriebsrat angekündigte Änderungskündigung auszusprechen, weil das Angebot, das sie dem Kläger mit Schreiben vom 20. November 1987 unterbreitet hat, nicht so abgefaßt war, daß es bei Ablehnung durch den Kläger eine Änderungskündigung hätte entbehrlich machen können. Nach dem Senatsurteil vom 27. September 1984 (BAGE 47, 26 = AP Nr.8 zu § 2 KSchG 1969) kann der Arbeitgeber nur dann nicht auf eine Änderungskündigung verwiesen werden, wenn der Arbeitnehmer ein vor Ausspruch der Kündigung unterbreitetes Änderungsangebot unbedingt abgelehnt hat, obwohl er eindeutig und unmißverständlich den Willen des Arbeitgebers erkennen konnte, das Arbeitsverhältnis für den Fall der Ablehnung des Änderungsangebotes zu beenden. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Dem Schreiben vom 20. November 1987 ist dies nicht zu entnehmen. Nach der Unterbreitung des Stellenangebotes endet es mit den Sätzen:
„Da im geschäftlichen Interesse die Besetzung der Position in Wiesbaden dringend erforderlich ist und es weitere Kandidaten gibt, erwarten wir Ihre Stellungnahme zu unserem Angebot bis spätestens 7 Tage nach Zustellung dieses Briefes. Sollten Sie sich nicht äußern, werden wir das Stillschweigen als Ablehnung werten.“
Da auch das frühere Stellenangebot vom 23. Juli 1987 (Vertriebsbüro S) keine Verknüpfung mit einer beabsichtigten Kündigung enthielt, mußte es sich weder dem Kläger noch dem Betriebsrat aufdrängen, dies sei gleichsam das letzte Änderungsangebot.
bb) Selbst dann, wenn der Arbeitgeber das Änderungsangebot mit einem ausreichenden Hinweis auf die sonst unabweisbare Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbunden hat, ist in der Anhörung ausschließlich zur Änderungskündigung noch keine Ankündigung zu einer definitiv beabsichtigten Beendigungskündigung enthalten, weil es auch dann noch im Ermessen des Arbeitgebers steht, ob er eine Änderungs- oder eine Beendigungskündigung ausspricht. Eine Änderungskündigung ist bei dieser Fallgestaltung zwar entbehrlich, aber der Senat hat es dem Arbeitgeber im Falle der vorbehaltlosen Ablehnung des Änderungsangebotes freigestellt, ob er dann eine Beendigungskündigung aussprechen will (BAGE 47, 26 = AP, aa0; vgl. auch Urteil vom 30. Mai 1978, BAGE 30, 309, 317 = AP, aa0, zu III 3 b der Gründe).
cc) Da auch in diesem Fall dem Arbeitgeber beide Gestaltungsmöglichkeiten verbleiben, muß er grundsätzlich bei der Anhörung zur beabsichtigten Änderungskündigung den Betriebsrat darauf hinweisen, daß er bei einer vorbehaltlosen Ablehnung durch den Arbeitnehmer eine Beendigungskündigung beabsichtigt, wenn er ihn zugleich auch hierüber unterrichten und sich eine weitere Anhörung zur sonst noch nicht verlautbarten Absicht einer Beendigungskündigung ersparen will.
dd) Dieses Erfordernis ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des Senates zu vergleichbaren Fallgestaltungen.
So hat der Senat im Urteil vom 12. August 1976 (- 2 AZR 311/75 – AP Nr. 10 zu § 102 BetrVG 1972, zu I 1 der Gründe) ausgeführt, die Mitteilung der beabsichtigten ordentlichen Kündigung reiche nicht als Anhörung zu der ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung aus. Eine genaue Kennzeichnung der Art der beabsichtigten Kündigung sei vielmehr schon wegen der unterschiedlich gestalteten Beteiligungsrechte des Betriebsrates erforderlich. Einer fristgemäßen Kündigung könne der Betriebsrat unter den Voraussetzungen des § 102 Abs. 3 BetrVG mit den sich aus § 102 Abs. 5 BetrVG und § 1 Abs. 2 KSchG ergebenden Rechtsfolgen widersprechen. Demgegenüber sei ein Widerspruch gegen eine außerordentliche Kündigung im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG rechtlich unerheblich. Der Arbeitgeber müsse deshalb dem Betriebsrat klar zu erkennen geben, ob er eine außerordentliche oder eine ordentliche Kündigung aussprechen wolle.
Im Urteil vom 27. Mai 1982 (- 2 AZR 96/80 – BB 1985, 56) hat der Senat die Unwirksamkeit der Änderungskündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG angenommen, weil dem Betriebsrat das Änderungsangebot nicht mitgeteilt worden war und dieser deswegen davon ausgehen mußte, es gehe um eine Beendigungskündigung. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, der Betriebsrat sei bereits über den Charakter der beabsichtigten Kündigung selbst unzureichend unterrichtet worden, weil ein wesentlicher Unterschied zwischen einer Beendigungs- und einer Änderungskündigung bestehe. Der Betriebsrat könne nur bei Kenntnis des Änderungsangebotes die Tragweite einer (Änderungs-)Kündigung ausreichend beurteilen. Das Änderungsangebot des Arbeitgebers habe bereits unabhängig von der Möglichkeit, der Kündigung nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 oder 4 BetrVG zu widersprechen, Auswirkungen auf die Beurteilung der Kündigungsgründe. Prüfungsmaßstab für die zum Zweck der Änderung erklärte Kündigung sei die sachliche Rechtfertigung der vorgeschlagenen Änderungen der Arbeitsbedingungen nach § 1 KSchG und deren Zumutbarkeit. Da die vom Arbeitgeber vorgetragenen Kündigungsgründe somit in Beziehung zu dem Änderungsangebot zu würdigen seien, habe dies zur Folge, daß auch die Stellungnahme des Betriebsrates bei Kenntnis des Änderungsangebotes anders ausfallen könne, als wenn er von einer Beendigungskündigung ausgehe.
Diese Erfordernisse für die Kennzeichnung der beabsichtigten Kündigungsmaßnahme sind auch dann nicht erfüllt, wenn statt der angekündigten Änderungs- eine Beendigungskündigung erklärt wird. Bei der Anhörung zur Änderungskündigung ist zwar noch nicht stets geklärt, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot annimmt, aber von dieser Möglichkeit wird er in der Regel ausgehen, weil dadurch die Erhaltung des Arbeitsplatzes gesichert ist. Diese durch die Ankündigung einer Änderungskündigung beim Betriebsrat geweckte Erwartung könnte dazu führen, daß er auf weitere Widerspruchsgründe im Sinne des § 102 Abs. 3 BetrVG in der Annahme verzichtet, dem Arbeitnehmer bleibe jedenfalls die angebotene Beschäftigungsmöglichkeit erhalten. Demgegenüber wird der Betriebsrat bei einer angezeigten Beendigungskündigung alle Möglichkeiten ausloten, um den Arbeitnehmer vor dem drohenden Verlust des Arbeitsplatzes zu bewahren. Im übrigen besteht auch eine tatsächliche Einschränkung der Beteiligungsrechte durch den Ausspruch einer Beendigungskündigung nach erfolgter Anhörung zu einer beabsichtigten ordentlichen Änderungskündigung insoweit, als der Betriebsrat gehindert wird, das vom Arbeitgeber im Anhörungsverfahren unterbreitete Änderungsangebot als Widerspruchsgrund nach § 102 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG im Falle des Einverständnisses des Arbeitnehmers anzuführen. Es bleibt deshalb festzustellen, daß die unterschiedlichen Auswirkungen von Beendigungs- und Änderungskündigung für die Stellungnahme des Betriebsrats wesentlich sind. Dies rechtfertigt es, von einer nicht ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung auszugehen, wenn der Betriebsrat nur zu einer Änderungskündigung als der vergleichsweise milderen Kündigungsmaßnahme angehört, dann aber die härtere Maßnahme der Beendigungskündigung gewählt wird. Die vorstehenden Bedenken werden nicht durch das formale Argument ausgeräumt, eine Änderungskündigung führe immer dann, wenn die Änderungen vom Arbeitnehmer vorbehaltlos abgelehnt werden aber sozial gerechtfertigt sind, wie die Beendigungskündigung ebenfalls zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. Senatsurteil vom 7. Juni 1979 – 2 AZR 450/72 – BAGE 25, 213, 220 [BAG 07.06.1973 – 2 AZR 450/72] = AP Nr. 1 zu § 626 BGB Änderungskündigung, zu II 2 c der Gründe). Diese Folge ändert nichts daran, daß es aus der Sicht des Betriebsrats um zwei unterschiedliche Kündigungssachverhalte geht.
2. Da die Kündigung schon wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam ist, braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob die Kündigung als außerordentliche verfristet (§ 626 Abs. 2 BGB) und ob sie als ordentliche sozial ungerechtfertigt (§ 1 KSchG) ist.
III. Das Berufungsgericht hat zu Recht den Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen. Das gilt vorliegend schon deshalb, weil der Arbeitgeber eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG nur verlangen kann, wenn die Kündigung lediglich nach § 1 KSchG sozialwidrig ist; ist die Kündigung bereits aus anderen Gründen – wie hier wegen Verstoßes gegen § 102 Abs. 1 BetrVG – unwirksam, ist dem Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Stellung eines Auflösungsantrages verwehrt (BAGE 32, 122 = AP Nr. 4 zu § 9 KSchG 1969; 35, 30, 38 = AP Nr. 6 zu § 9 KSchG 1969, zu III 1 der Gründe, m.w.N.; 40,56 – AP Nr. 9 zu § 9 KSchG 1969, zu III der Gründe, m.w.N.). Daran ist auch für den vorliegenden Fall festzuhalten.
IV. Den ursprünglich weitergehenden allgemeinen Feststellungsantrag auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses hat der Kläger auf eine Anregung des Senats im Hinblick auf eine weitere von der Beklagten zum 30. September 1989 ausgesprochene Änderungskündigung, über deren Berechtigung beim Arbeitsgericht Berlin (- 4 Ca 133/89 -) gestritten wird, eingeschränkt. Die Feststellungswirkung dieses Urteils erstreckt sich daher nur bis zu diesem Zeitpunkt (30. September 1989).
Hillebrecht Triebfürst Bitter
Brenne Nipperdey
_____
Vorinstanz:
LAG Berlin, Urteil vom 03.03.1989, 6 Sa 108/88
_____
Fundstellen:
BAGE 63, 351
DB 1990, 993
> BAG, 28.05.2009 – 2 AZR 949/07
> BAG, 28.08.2008 – 2 AZR 63/07
> BAG, 10.11.2005 – 2 AZR 623/04