BAG 5 AZB 69/08

Rechtsweg – Werkleiter eines Eigenbetriebs

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17.12.2008, 5 AZB 69/08
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Juni 2008 – 5 Ta 905/08 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 6.055,83 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung und vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs.
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Der Kläger war seit Juli 1990 bei der beklagten Stadt auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags als Amtsleiter für Kultur und Sport tätig. Im Dezember 1999 wurde sein Arbeitsverhältnis dem zum 1. Januar 2000 errichteten Eigenbetrieb „Kultur und Sport“ zugeordnet. Am 18. Juli 2000 wurde der Kläger zum Ersten Werkleiter dieses Eigenbetriebs bestellt. Im Juli 2007 schlossen die Parteien einen Altersteilzeitarbeitsvertrag. Mit Schreiben vom 18. September 2007 hat die Beklagte den Kläger als Ersten Werkleiter abberufen und das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt. Der Eigenbetrieb „Kultur und Sport“ wurde zum 31. Dezember 2007 aufgelöst.
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Mit der am 10. Oktober 2007 beim Arbeitsgericht N eingereichten Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht N verwiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers hat das Landesarbeitsgericht den Beschluss des Arbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt.
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II. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen zu Recht bejaht. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für diese bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Wirksamkeit der außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 18. September 2007.
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1. Der Kläger hat jedenfalls bis zum Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden. Die Parteien haben den Arbeitsvertrag anlässlich der Bestellung des Klägers zum Ersten Werkleiter des Eigenbetriebs nicht aufgehoben. Vielmehr haben sie im Juli 2007 das Arbeitsverhältnis in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis umgewandelt.
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2. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG steht der Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht entgegen.
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a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG „gelten … in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrag allein oder als Mitglied des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind“, nicht als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes. Die Vorschrift stellt – anders als § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG – nicht auf die Rechtsnatur des Anstellungsverhältnisses ab, sondern auf die formale Vertreterstellung des Mitarbeiters aufgrund Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags. Es handelt sich um eine Fiktion. Daher ist § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch auf Personen anwendbar, die als Arbeitnehmer iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG anzusehen sind. Eine gegenständliche Beschränkung der Vertretungsmacht, etwa auf Gesamtvertretung, auf die laufenden Geschäfte oder auf Geschäfte bestimmter Art oder nur bis zu einer gewissen Größenordnung schließt die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht aus (Senat 15. Oktober 1997 – 5 AZB 32/97 – mwN, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 39 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 26; 11. April 1997 – 5 AZB 32/96 – AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 47 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 23; BGH 25. Juli 2002 – III ZR 207/01 – zu II 3 c der Gründe, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 9) .
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b) Der Kläger war in diesem Sinne kein gesetzlicher Vertreter der Beklagten.
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aa) Die beklagte Gemeinde wird nach § 67 Abs. 1 der Gemeindeordnung für das Land Brandenburg idF der Bekanntmachung vom 10. Oktober 2001 (GO – GVBl. I 2001, 154) durch den hauptamtlichen Bürgermeister oder den Amtsdirektor vertreten. Der Kläger war dagegen Erster Werkleiter des nach § 103 GO iVm. § 1 Verordnung über die Eigenbetriebe der Gemeinden des Landes Brandenburg vom 27. März 1995 (EigV – GVBl. II 1995, 314) ohne eigene Rechtspersönlichkeit errichteten Eigenbetriebs der Beklagten. Nach § 103 Abs. 4 GO, § 5 Abs. 1 EigV führt die Werkleitung die laufenden Geschäfte des Eigenbetriebs, leitet diesen selbständig und entscheidet in allen Angelegenheiten des Eigenbetriebs, soweit diese nicht anderen Organen vorbehalten sind. Somit vertritt der Werkleiter die Kommune lediglich in den Angelegenheiten des Eigenbetriebs (§ 6 Abs. 1 EigV) . Im Übrigen vollzieht die Werkleitung die Beschlüsse der Gemeindevertretung, die Entscheidungen des hauptamtlichen Bürgermeisters und des Werksausschusses oder des Hauptausschusses (§ 5 Abs. 2 EigV) . Nach § 9 EigV kann der hauptamtliche Bürgermeister oder Amtsdirektor überdies der Werkleitung Weisungen erteilen, um die Einheitlichkeit der Gemeindeverwaltung zu wahren, die Erfüllung der Aufgaben des Eigenbetriebs zu sichern und Missstände zu beseitigen. Der hauptamtliche Bürgermeister oder Amtsdirektor muss anordnen, dass Maßnahmen der Werkleitung, die er für rechtswidrig hält, unterbleiben oder rückgängig gemacht werden. Er kann dies anordnen, wenn er der Auffassung ist, dass Maßnahmen für die Gemeinde nachteilig sind.
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bb) Damit vertritt der Erste Werkleiter des Eigenbetriebs als Mitglied der Werkleitung nicht „die“ Gemeinde als juristische Person im Sinne der von § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG geforderten umfassenden Zuständigkeit, sondern lediglich hinsichtlich der Angelegenheiten der von der juristischen Person gebildeten Untereinheit „Eigenbetrieb“, darüber hinaus in Abhängigkeit von den Weisungen des eigentlichen gesetzlichen Vertreters der Gemeinde. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG unschädliche gegenständliche Beschränkung der Vertretungsbefugnis. Werkleiter von Eigenbetrieben nehmen vielmehr nicht die Repräsentantenstellung ein, die nach dem Zweck des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG die Austragung eines Streits im Arbeitgeberlager vor den Gerichten für Arbeitssachen ausschließen soll (vgl. Senat 20. August 2003 – 5 AZB 79/02 – zu B I 1, 3 der Gründe, BAGE 107, 165) .
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III. Die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Großen Senat nach § 45 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Eine Divergenz zur Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts zu § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG (17. Januar 2002 – 2 AZR 719/00 – BAGE 100, 182) besteht nicht. Das hat der Zweite Senat bestätigt. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG bestimmt nicht, dass die dort genannten Personen „nicht als Arbeitnehmer gelten“, sondern nimmt diese Personengruppe vom Geltungsbereich der Vorschriften des Ersten Abschnitts des KSchG aus. Demgegenüber gelten nach § 17 Abs. 5 Nr. 1 KSchG in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, nicht als Arbeitnehmer iSd. § 17 KSchG. Hierzu gibt es keine abweichenden Entscheidungen des Zweiten Senats.
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IV. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsbeschwerde zu tragen.
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V. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 GKG.
Müller-Glöge       Mikosch       Laux


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