Betriebsrat – Freistellungsanspruch – Pfändung – Verjährung
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.11.2020, 7 ABR 37/19
Leitsätze des Gerichts
- Hat ein vom Betriebsrat beauftragtes Beratungsunternehmen gegenüber dem Betriebsrat in einem Zivilprozess vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit einen Zahlungstitel wegen seiner Honorarforderung erstritten und zur Durchsetzung des Zahlungstitels einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hinsichtlich des Freistellungsanspruchs des Betriebsrats nach § 40 Abs. 1 BetrVG gegenüber dem Arbeitgeber erwirkt, kann sich der Arbeitgeber als Drittschuldner gegenüber dem Beratungsunternehmen darauf berufen, der Betriebsrat habe die durch die Einschaltung des Beratungsunternehmens entstandenen Kosten nicht für erforderlich halten dürfen. Die Entscheidung in dem Zivilprozess entfaltet insoweit für den an diesem Prozess nicht als Partei beteiligten Arbeitgeber keine präjudizielle Bindungswirkung.
- Für den Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Freistellung von Honorarkosten eines Beratungsunternehmens aus § 40 Abs. 1 BetrVG gilt die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Die Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB frühestens mit dem Schluss des Jahres, in dem die Forderung, von der zu befreien ist, gegenüber dem Betriebsrat fällig wird.
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. Mai 2019 – 16 TaBV 206/18 – teilweise aufgehoben, soweit dieses die Beteiligte zu 2. verurteilt hat, an die Antragstellerin 83.752,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. März 2010 zu zahlen.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 4. Oktober 2018 – 9 BV 276/18 – wird insgesamt zurückgewiesen.
Gründe
7 ABR 37/19 > Rn 1
A. Die Antragstellerin nimmt die Arbeitgeberin im Wege der Einziehung eines gepfändeten Freistellungsanspruchs des Betriebsrats auf Zahlung einer Honorarforderung in Anspruch.
7 ABR 37/19 > Rn 2
Die Antragstellerin ist ein Unternehmen, das Betriebsräte insbesondere zu betriebswirtschaftlichen Fragen berät. Sie wurde im Hinblick auf ein bei der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin, bei der mehr als 300 Arbeitnehmer beschäftigt sind, im Jahr 2007 beschlossenes Effizienzprogramm und einen damit verbundenen Personalabbau von dem im Betrieb der Arbeitgeberin gebildeten Betriebsrat mit Beratungstätigkeiten beauftragt. Für in der Zeit vom 12. Dezember 2007 bis zum 10. März 2008 erbrachte Leistungen stellte die Antragstellerin dem Betriebsrat im Jahr 2008 mit sofortiger Fälligkeit insgesamt 86.762,90 Euro inklusive Mehrwertsteuer in Rechnung. Die vom Betriebsrat beschlossene Abtretung seines gegen die Arbeitgeberin gerichteten Anspruchs aus § 40 Abs. 1 BetrVG auf Freistellung von diesen Kosten nahm die Antragstellerin nicht an. Der in Rechnung gestellte Betrag wurde nicht beglichen.
7 ABR 37/19 > Rn 3
Die Antragstellerin nahm daraufhin zunächst den Betriebsratsvorsitzenden und die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende persönlich vor dem Landgericht Frankfurt am Main auf Zahlung von 86.762,90 Euro nebst Zinsen in Anspruch. Der Betriebsratsvorsitzende und die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende verkündeten der Arbeitgeberin im Laufe dieses Rechtsstreits mit Schriftsatz vom 13. Februar 2009 den Streit mit der Begründung, sie und der Betriebsrat hätten im Falle eines Erfolgs des Klagebegehrens Anspruch gegen die Arbeitgeberin, von ihrer Zahlungsverpflichtung freigestellt zu werden. Die Arbeitgeberin erklärte mit Schriftsatz vom 16. März 2009, sie trete auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit bei und beantrage in der Sache, die Klage abzuweisen. Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits richtete die Antragstellerin ihre zunächst nur gegen den Betriebsratsvorsitzenden und die stellvertretende Vorsitzende erhobene Klage auch gegen den Betriebsrat. Die Klage wurde zweitinstanzlich durch Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. September 2011 (- 1 U 184/10 -) zunächst abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidung mit Urteil vom 25. Oktober 2012 (- III ZR 266/11 -) auf und verwies den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht zurück. In der Folge verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den Betriebsrat mit Urteil vom 16. Dezember 2013 (- 1 U 184/10 -), an die Antragstellerin 83.752,20 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. März 2010 zu zahlen und wies die Klage im Übrigen ab. Dieses Urteil wurde rechtskräftig.
7 ABR 37/19 > Rn 4
Zwischenzeitlich hatte die Antragstellerin in einem Ende 2011 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main (- 24 BV 1054/11 -) eingeleiteten Beschlussverfahren die Arbeitgeberin (als Gesamtschuldnerin neben dem Betriebsrat, dem Betriebsratsvorsitzenden und der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden) auf Zahlung von 86.762,90 Euro nebst Zinsen in Anspruch genommen. Zur Begründung ihres Antrags hatte sie dort im Wesentlichen ausgeführt, sie sei durch Annahme eines Dauerabtretungsangebots des Betriebsrats Inhaberin des Freistellungsanspruchs gegen die Arbeitgeberin geworden. Der Antrag wurde vom Landesarbeitsgericht rechtskräftig durch Beschluss vom 15. Juli 2013 (- 16 TaBV 218/12 -) mit der Begründung abgewiesen, die Antragstellerin sei mangels wirksamer Abtretung oder Pfändung des Freistellungsanspruchs des Betriebsrats gegenüber der Arbeitgeberin nicht aktivlegitimiert. Ein im Zivilprozess vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main in der Berufungsverhandlung am 21. September 2011 vom Betriebsrat unterbreitetes Abtretungsangebot sei von der Antragstellerin nicht ausdrücklich angenommen worden; eine etwaige stillschweigende Annahme sei jedenfalls nicht rechtzeitig erfolgt. Ein „Dauerabtretungsangebot“ des Betriebsrats habe nicht vorgelegen.
7 ABR 37/19 > Rn 5
Im Juni 2014 beantragte die Antragstellerin aufgrund des beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 16. Dezember 2013 gegen den Betriebsrat erwirkten Zahlungstitels den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, mit dem der Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegen die Arbeitgeberin aus § 40 Abs. 1 BetrVG gepfändet werden sollte. Das Amtsgericht Frankfurt am Main erließ den beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss am 9. Juli 2014. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss war Gegenstand einer mehrjährigen gerichtlichen Auseinandersetzung und wurde mit Zurückweisung der Erinnerungen des Betriebsrats und der Arbeitgeberin durch Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 15. März 2018 (- 701 M 72189/14 -) bestandskräftig. Die Arbeitgeberin erklärte gegenüber der Antragstellerin mit Schreiben vom 24. April 2018, sie werde weiterhin keine Zahlung an die Antragstellerin erbringen.
7 ABR 37/19 > Rn 6
Mit ihrer am 3. Mai 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Arbeitgeberin am 22. Mai 2018 zugestellten Antragsschrift hat die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren die Arbeitgeberin im Wege der Einziehung des gepfändeten Freistellungsanspruchs auf Zahlung ihrer dem Freistellungsanspruch zu Grunde liegenden titulierten Honorarforderung nebst Zinsen in Anspruch genommen.
7 ABR 37/19 > Rn 7
Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, die Zahlungsverpflichtung der Arbeitgeberin stehe aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung des Betriebsrats durch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main fest. Aufgrund der im zivilgerichtlichen Verfahren erfolgten Streitverkündung erstrecke sich die Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichts auf die Arbeitgeberin. Dem stehe nicht entgegen, dass die Streitverkündung nicht durch den Betriebsrat, sondern durch den Betriebsratsvorsitzenden und die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende und überdies (ebenso wie der Beitritt der Arbeitgeberin) zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, in dem der Betriebsrat noch nicht verklagt gewesen sei. Sämtliche Verfahrensbeteiligten seien während des gesamten Verlaufs des zivilgerichtlichen Verfahrens davon ausgegangen, dass die Arbeitgeberin (auch) Streithelferin des Betriebsrats sei. Insbesondere habe keine der Parteien gerügt, dass die Arbeitgeberin auch nach der Klageerweiterung auf den Betriebsrat in den gerichtlichen Entscheidungen als „Streithelferin der Beklagten“ bezeichnet worden sei. Die Streitverkündung durch einzelne Mitglieder des Betriebsrats habe überdies Wirkung für das gesamte Gremium. Der Freistellungsanspruch des Betriebsrats sei aufgrund der verjährungshemmenden Wirkung der Streitverkündung im Zivilprozess nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB nicht verjährt. Er habe bis zur Pfändung und Überweisung des Freistellungsanspruchs von der Antragstellerin selbst nicht gerichtlich geltend gemacht werden können. Der Betriebsrat habe es zudem treuwidrig unterlassen, den drohenden Verjährungseintritt zu verhindern.
7 ABR 37/19 > Rn 8
Die Antragstellerin hat – soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse – beantragt,
die Arbeitgeberin zu verurteilen, an sie 83.752,20 Euro nebst Zinsen iHv. acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. März 2010 zu zahlen.
7 ABR 37/19 > Rn 9
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat den Standpunkt eingenommen, der Antrag sei aufgrund entgegenstehender Rechtskraft der Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. Juli 2013 (- 16 TaBV 218/12 -) unzulässig. Überdies bestehe der gepfändete Freistellungsanspruch des Betriebsrats nicht, weil die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 BetrVG nicht vorlägen, insbesondere habe der Betriebsrat die in Rechnung gestellten Kosten nicht für erforderlich halten dürfen. Der Beauftragung der Antragstellerin liege auch kein ausreichender Betriebsratsbeschluss zu Grunde. Außerdem sei der Freistellungsanspruch verjährt.
7 ABR 37/19 > Rn 10
Das Arbeitsgericht hat den Zahlungsantrag und einen weiteren im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr anhängigen Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat den Beschluss des Arbeitsgerichts auf die Beschwerde der Antragstellerin unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert und dem Zahlungsantrag stattgegeben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die vollständige Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Antragstellerin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
7 ABR 37/19 > Rn 11
B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, soweit dieses den erstinstanzlichen Beschluss abgeändert und dem Zahlungsantrag stattgegeben hat, und zur vollständigen Zurückweisung der Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts. Der im Rechtsbeschwerdeverfahren noch anhängige Zahlungsantrag ist zwar zulässig, aber unbegründet.
7 ABR 37/19 > Rn 12
I. Der Antrag ist zulässig. Dem steht die Rechtskraft der Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. Juli 2013 (- 16 TaBV 218/12 -) nicht entgegen. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
7 ABR 37/19 > Rn 13
1. Die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung (§ 322 Abs. 1 ZPO) steht – als negative Prozessvoraussetzung – einer neuen Verhandlung und Entscheidung über denselben Streitgegenstand entgegen (ne bis in idem). Unzulässig ist deshalb eine erneute Klage, deren Streitgegenstand mit dem eines bereits rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreits identisch ist (BGH 22. Februar 2018 – VII ZR 253/16 – Rn. 14 mwN). Dies gilt auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren. Nach dem auch in diesem Verfahren anwendbaren § 322 Abs. 1 ZPO sind Beschlüsse der Rechtskraft fähig, soweit über den durch den Antrag erhobenen Anspruch entschieden ist (BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 36, BAGE 163, 108; 5. März 2013 – 1 ABR 75/11 – Rn. 12). Der Begriff des Anspruchs in § 322 Abs. 1 ZPO bezeichnet den prozessualen Anspruch im Sinn der Streitgegenstandslehre. Die objektiven Grenzen der Rechtskraft werden durch den Gegenstand des vorangehenden Verfahrens bestimmt. Wie im Urteilsverfahren richtet sich dieser nach dem zur Entscheidung gestellten Antrag und dem zugehörigen Lebenssachverhalt, aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird (BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 37 mwN, aaO). Die materielle Rechtskraftwirkung eines Beschlusses hindert grundsätzlich, dass bei Identität der Beteiligten (subjektive Rechtskraft) und des Sachverhalts (objektive Rechtskraft) eine bereits rechtskräftig entschiedene Frage den Gerichten zur erneuten Entscheidung unterbreitet werden kann. In zeitlicher Hinsicht ist die Rechtskraft nicht begrenzt. Ein formell rechtskräftig gewordener Beschluss entfaltet auf Dauer materielle Rechtskraft (BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 37, aaO). Eine Beendigung der eine erneute Entscheidung sperrenden Rechtskraft kommt jedoch in Betracht, wenn sich die maßgebenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Das betrifft diejenigen Tatsachen oder Rechtsgrundlagen, die für die in der früheren Entscheidung ausgesprochene Rechtsfolge als maßgebend angesehen worden sind (vgl. BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 40, aaO; 6. Juni 2000 – 1 ABR 21/99 – zu B II 4 a der Gründe, BAGE 95, 47). Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt vor, wenn sich diese gegenüber denjenigen, die dem früheren Verfahren zu Grunde gelegen haben, in einem bestimmten Ausmaß modifiziert haben. Der neue Sachverhalt muss sich seinem Wesen nach von dem früheren unterscheiden (vgl. BGH 22. Mai 1981 – V ZR 111/80 – zu II der Gründe). Eine wertende Betrachtung muss ergeben, dass sich der nunmehr dem Gericht zur Entscheidung unterbreitete Streit als ein neuer darstellt (vgl. BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 40, aaO).
7 ABR 37/19 > Rn 14
2. Danach hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen, der Zulässigkeit des Antrags stehe nicht entgegen, dass bereits mit Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. Juli 2013 (- 16 TaBV 218/12 -) der Antrag der Antragstellerin, die Arbeitgeberin zur Zahlung von 86.762,90 Euro nebst Zinsen zu verurteilen, rechtskräftig abgewiesen wurde.
7 ABR 37/19 > Rn 15
a) Zwar hat das Landesarbeitsgericht dieses Ergebnis mit der unzutreffenden Erwägung begründet, die Antragstellerin habe in dem vorangegangenen Verfahren den Freistellungsanspruch aus eigenem Recht geltend gemacht, während sie nunmehr aus im Wege der Pfändung und Überweisung übergegangenem Recht vorgehe; dies sei ein anderer Streitgegenstand. Die Antragstellerin hat im Vorverfahren Ansprüche aus abgetretenem Recht geltend gemacht. Sie hat sich, wie sich aus dem tatbestandlichen Teil des Beschlusses des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. Juli 2013 (- 16 TaBV 218/12 -) ergibt, auf die Annahme eines Dauerangebots des Betriebsrats berufen, seinen gegen die Arbeitgeberin bestehenden Freistellungsanspruch an die Antragstellerin abzutreten. Wird eine Forderung – wie im Vorverfahren – zunächst aufgrund einer Abtretung und später – wie im vorliegenden Verfahren – aufgrund des durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlangten Einziehungsrechts geltend gemacht, tritt keine Änderung des Streitgegenstands ein (vgl. zur umgekehrten Reihenfolge BGH 8. Mai 2007 – XI ZR 278/06 – Rn. 18).
7 ABR 37/19 > Rn 16
b) Die Rechtskraft des Beschlusses des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. Juli 2013 (- 16 TaBV 218/12 -) steht der Zulässigkeit des Antrags im vorliegenden Verfahren gleichwohl nicht entgegen. Im Streitfall ist nach Rechtskraft dieses Beschlusses dadurch eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten, dass die Antragstellerin durch Pfändung und Überweisung des Anspruchs des Betriebsrats aus § 40 Abs. 1 BetrVG aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts vom 9. Juli 2014 nunmehr zur Geltendmachung des Freistellungsanspruchs gegen die Arbeitgeberin berechtigt ist. Die dadurch eingetretene Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist wesentlich, denn das Hessische Landesarbeitsgericht hatte den Zahlungsantrag im Beschluss vom 15. Juli 2013 gerade mit der Begründung abgewiesen, die Antragstellerin sei mangels wirksamer Abtretung oder Pfändung des Freistellungsanspruchs des Betriebsrats nicht aktivlegitimiert. Der nunmehr im vorliegenden Verfahren zur Entscheidung unterbreitete Streit stellt sich daher als ein neuer dar.
7 ABR 37/19 > Rn 17
II. Der Antrag ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts unbegründet. Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, an die Antragstellerin 83.752,20 Euro nebst Zinsen zu zahlen.
7 ABR 37/19 > Rn 18
1. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Antragstellerin könne nach § 836 Abs. 1 ZPO aufgrund der Pfändung und Überweisung des Freistellungsanspruchs des Betriebsrats von ihrer Honorarforderung gegen die Arbeitgeberin nach § 40 Abs. 1 BetrVG von dieser 83.752,20 Euro nebst Zinsen beanspruchen, hält mit der gegebenen Begründung der rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfung nicht stand.
7 ABR 37/19 > Rn 19
a) Nach § 836 Abs. 1 ZPO ist der Gläubiger aufgrund des Überweisungsbeschlusses zur Einziehung der gepfändeten Forderung befugt. Er darf gegenüber dem Drittschuldner auf Leistung an sich klagen, um gegen diesen einen Vollstreckungstitel zu erlangen. Die Begründetheit der Drittschuldnerklage setzt voraus, dass der Anspruch des Schuldners gegen den Drittschuldner besteht, gerichtlich durchsetzbar ist und dem Gläubiger wirksam überwiesen wurde. Der Drittschuldner kann dem Gläubiger zwar keine Einwendungen gegen die der Pfändung zu Grunde liegende titulierte Forderung entgegenhalten (MüKoZPO/Smid 6. Aufl. § 829 Rn. 69). Einwendungen und Einreden gegen die gepfändete Forderung, die ihm zur Zeit der Pfändung gegen den Schuldner zustanden, kann der Drittschuldner aber gemäß §§ 404 ff. BGB auch dem Vollstreckungsgläubiger entgegenhalten (BVerfG 11. Juli 2014 – 2 BvR 2116/11 – Rn. 32; BGH 13. Dezember 1984 – IX ZR 89/84 – zu II 2 b der Gründe; BAG 17. Januar 1975 – 5 AZR 103/74 – zu II der Gründe; Zöller/Herget ZPO 33. Aufl. § 829 Rn. 19 und § 836 Rn. 6; Stein/Jonas/Würdinger ZPO 23. Aufl. § 829 Rn. 112). Durch die Pfändung ändert sich weder die materiell-rechtliche Lage des Schuldners noch die Rechtsstellung des Drittschuldners im Verhältnis zum Vollstreckungsschuldner als seinem Gläubiger (vgl. BVerfG 11. Juli 2014 – 2 BvR 2116/11 – Rn. 32; Wieczorek/Schütze/Lüke 4. Aufl. § 829 ZPO Rn. 77).
7 ABR 37/19 > Rn 20
b) Danach ist das Landesarbeitsgericht mit einer rechtsfehlerhaften Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragstellerin aufgrund der Pfändung und Überweisung des Freistellungsanspruchs des Betriebsrats von ihrer Honorarforderung berechtigt sei, von der Arbeitgeberin die Zahlung von 83.752,20 Euro zu verlangen. Zwar ist das Landesarbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass sich mit der Pfändung und Überweisung der (etwaige) Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegen die Arbeitgeberin in einen Zahlungsanspruch der Antragstellerin gegen die Arbeitgeberin umgewandelt hat (vgl. für den Fall der Abtretung des Freistellungsanspruchs: BAG 18. März 2015 – 7 ABR 4/13 – Rn. 13; 29. Juli 2009 – 7 ABR 95/07 – Rn. 20). Das Landesarbeitsgericht hat aber zu Unrecht angenommen, aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2013 stehe für das vorliegende Verfahren bindend fest, dass dem Betriebsrat gegenüber der Arbeitgeberin ein Anspruch auf Freistellung von einer Honorarforderung der Antragstellerin in Höhe von 83.752,20 Euro zustehe. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts entfaltet insoweit keine Bindungswirkung gegenüber der Arbeitgeberin.
7 ABR 37/19 > Rn 21
aa) Nach § 325 Abs. 1 ZPO wirkt ein rechtskräftiges Urteil grundsätzlich nur für und gegen die Parteien des Rechtsstreits und deren Rechtsnachfolger. Die Arbeitgeberin war weder Partei noch ist sie Rechtsnachfolgerin einer der Parteien des vorangegangenen vom Oberlandesgericht rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreits. Die im vorangegangenen Zivilprozess titulierte Zahlungsverpflichtung entfaltet ihre Rechtskraftwirkung allein im Verhältnis zwischen den einander gegenüberstehenden Parteien dieses Rechtsstreits, hier also zwischen der Antragstellerin als damaliger Klägerin einerseits und dem Betriebsrat andererseits.
7 ABR 37/19 > Rn 22
bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergibt sich aus den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätzen zur präjudiziellen Bindungswirkung rechtskräftiger Entscheidungen in arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren für spätere Individualstreitigkeiten für die vorliegende Fallgestaltung nichts Anderes.
7 ABR 37/19 > Rn 23
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können rechtskräftige Beschlüsse im Beschlussverfahren über betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten auch dann präjudizielle Bindungswirkung für spätere Individualstreitigkeiten entfalten, wenn der Arbeitnehmer am Beschlussverfahren nicht beteiligt gewesen ist (BAG 23. Februar 2016 – 1 AZR 73/14 – Rn. 22 mwN, BAGE 154, 136). So ist etwa bei Entscheidungen über die Mitbestimmungspflichtigkeit einer Betriebsänderung für nachfolgende Ansprüche auf Nachteilsausgleich (§ 113 Abs. 3 BetrVG) oder eine Maßnahme des Arbeitgebers nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eine aus der Rechtskraft folgende Präklusionswirkung anzunehmen (vgl. BAG 10. März 1998 – 1 AZR 658/97 -; 31. Januar 1990 – 1 ABR 39/89 – BAGE 65, 28; 10. November 1987 – 1 AZR 360/86 – BAGE 56, 304). Von einer präjudiziellen Wirkung ist auch auszugehen, wenn in einem vorangegangenen Beschlussverfahren rechtskräftig über das Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Anrechnung von Tarifentgelterhöhungen auf freiwillige übertarifliche Zulagen befunden worden ist (BAG 23. Februar 2016 – 1 AZR 73/14 – Rn. 23, aaO). Auch eine zwischen den Betriebsparteien ergangene rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über den Inhalt einer Betriebsvereinbarung wirkt gegenüber den Arbeitnehmern, die später Ansprüche aus der Betriebsvereinbarung geltend machen (BAG 17. Februar 1992 – 10 AZR 448/91 – zu II der Gründe, BAGE 69, 367). Eine präjudizielle Bindungswirkung oder Präklusionswirkung von arbeitsgerichtlichen Beschlüssen ist danach – auch außerhalb vom Bestehen ausdrücklicher Präklusionsnormen und des vom Wortlaut des § 325 ZPO vorgegebenen Rahmens – dann gerechtfertigt, wenn die Rechtslage eines Arbeitnehmers primär durch eine kollektivrechtliche Vorfrage geprägt und daher seine individuelle Position in ein übergreifendes Bezugssystem eingebettet ist (vgl. BAG 23. Februar 2016 – 1 AZR 73/14 – Rn. 22, aaO; 18. Oktober 2006 – 2 AZR 434/05 – Rn. 44). Insoweit gründet sich die Bindungswirkung von Entscheidungen im Beschlussverfahren für einen nachfolgenden Individualrechtsstreit vor allem in der materiell- und verfahrensrechtlichen Kompetenz der Betriebsparteien. Allein dem Betriebsrat und nicht dem einzelnen Arbeitnehmer ist die Mitbestimmung in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten zugewiesen. In der Folge können einzelne Arbeitnehmer nicht von dem Betriebsrat verlangen, in einem bestimmten Sinn tätig zu werden, also etwa die Zustimmung zu einer mitzubestimmenden Maßnahme zu verweigern. Nur den Betriebsparteien – nicht den jeweiligen Arbeitnehmern – kommt die Befugnis zu, in einem Beschlussverfahren das (Nicht-)Bestehen von Mitbestimmungsrechten klären zu lassen. Entsprechend kann sich der einzelne Arbeitnehmer auch dann, wenn er an dem vorherigen Beschlussverfahren nicht beteiligt war, im nachfolgenden Individualprozess nicht darauf berufen, die Entscheidung über die kollektivrechtliche Streitfrage, die als Vorfrage auch im Individualprozess zu beantworten ist, sei unrichtig (vgl. BAG 23. Februar 2016 – 1 AZR 73/14 – Rn. 22 mwN, aaO; 10. März 1998 – 1 AZR 658/97 – zu III 2 a bb der Gründe). In diesen Konstellationen verletzt die Präjudizialität der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung den am Beschlussverfahren nicht beteiligten Arbeitnehmer als Kläger im individualrechtlichen Folgeverfahren nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Denn in diesen Fällen betrifft der Streit der Betriebsparteien über den Bestand eines Mitbestimmungsrechts oder einer anderweitigen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition des Betriebsrats und eine gerichtliche Entscheidung hierüber nur die Betriebsparteien (BAG 23. Februar 2016 – 1 AZR 73/14 – Rn. 24, aaO). Ebenso wenig verkürzt die Bindung an die in dem Beschlussverfahren ergangene Entscheidung eine originäre individuelle Rechtsposition des Arbeitnehmers (BAG 23. Februar 2016 – 1 AZR 73/14 – Rn. 24, aaO).
7 ABR 37/19 > Rn 24
(2) Diese Grundsätze sind entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts für die vorliegende Fallgestaltung nicht von Relevanz.
7 ABR 37/19 > Rn 25
(a) Bei dem vorangegangenen Rechtsstreit vor den ordentlichen Gerichten handelte es sich nicht um ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren. Im Zivilprozess vor den ordentlichen Gerichten hat die Rechtsordnung den Konflikt zwischen den Interessen Dritter, nicht mit den Folgen eines zwischen anderen Parteien geführten Rechtsstreits belastet zu werden, und dem öffentlichen Interesse an einer Vermeidung widersprechender Entscheidungen in § 325 Abs. 1 ZPO abschließend dahin entschieden, dass die Rechtskraft sich in der Regel auf die Prozessparteien beschränkt. Sie hat lediglich für – hier nicht vorliegende – Fälle, in denen ein besonderes Bedürfnis für die Erstreckung der Rechtskraft besteht, in §§ 325 – 327 ZPO Sonderregelungen getroffen. Eine Bindung des Gerichts des Folgeprozesses an die Entscheidung des Vorprozesses hat die Zivilprozessordnung darüber hinaus grundsätzlich nur bei Vorliegen der Interventionswirkung nach §§ 68 ff. ZPO vorgesehen.
7 ABR 37/19 > Rn 26
(b) Es besteht kein Bedürfnis dafür, eine präjudizielle Bindungswirkung des Urteils des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2013 für das vorliegende Verfahren ausnahmsweise anzunehmen. Die für die Drittwirkung von rechtskräftigen Beschlüssen im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren maßgebliche materiell- und verfahrensrechtliche Kompetenz der an dem Verfahren Beteiligten in Bezug auf den Streitgegenstand und die Einbettung der Rechtsposition des von der Bindungswirkung Betroffenen in ein übergreifendes Bezugssystem liegen nicht vor. Die Antragstellerin und der Betriebsrat haben in dem zivilgerichtlichen Verfahren über einen Anspruch aus einem zwischen ihnen geschlossenen Beratungsvertrag gestritten, dessen Wirksamkeit das Bestehen eines Kostenerstattungs- und Freistellungsanspruchs des Betriebsrats gegen die Arbeitgeberin nach § 40 Abs. 1 BetrVG voraussetzte (vgl. BGH 25. Oktober 2012 – III ZR 266/11 – Rn. 24 ff., BGHZ 195, 174). Dabei war ihnen keine betriebsverfassungsrechtlich begründete Kompetenz verliehen, über die für die Kostentragungspflicht der Arbeitgeberin nach § 40 Abs. 1 BetrVG maßgebliche Frage der Erforderlichkeit der Beauftragung der Antragstellerin und der Höhe der entstandenen Beratungskosten zu Lasten der Arbeitgeberin zu verfügen. Außerdem würde eine – von der Interventionswirkung nach § 74 Abs. 3 ZPO iVm. § 68 ZPO unabhängige – Bindungswirkung der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2013 für das vorliegende Verfahren die im vorangegangenen Zivilprozess nicht als Partei beteiligte Arbeitgeberin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzen. Der Arbeitgeber hat nach § 40 Abs. 1 BetrVG nur diejenigen Kosten der Betriebsratstätigkeit zu tragen, die der Betriebsrat zur sachgerechten Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben für erforderlich halten darf. Gerade in der vorliegenden Konstellation ist nicht auszuschließen, dass der vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit unmittelbar auf Zahlung in Anspruch genommene Betriebsrat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 BetrVG unstreitig stellt. Der Betriebsrat hat als Auftraggeber des Beratungsunternehmens allenfalls in Ausnahmefällen Anlass, die Erforderlichkeit der entstandenen Kosten in Frage zu stellen, zumal er wegen seiner Vermögenslosigkeit im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht in Anspruch genommen werden kann. Auch der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Betriebsratsmitglieder, die als Vertreter des Betriebsrats mit dem Beratungsunternehmen die Beratung vereinbaren, bei fehlender Erforderlichkeit nach § 40 Abs. 1 BetrVG entsprechend § 179 BGB gegenüber dem Beratungsunternehmen haften können (vgl. BGH 25. Oktober 2012 – III ZR 266/11 – Rn. 33, aaO), wird dazu beitragen, dass nicht selten die Erforderlichkeit seitens des Betriebsrats außer Streit gestellt wird. Zwar handelt es sich bei dem Begriff der Erforderlichkeit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der eine gerichtliche Würdigung erfordert. Diese kann vom Betriebsrat und dem Beratungsunternehmen nicht allgemein unstreitig gestellt werden (zutr. Lunk/Rodenbusch NJW 2014, 1989, 1990), wohl aber die der Würdigung zu Grunde liegenden Tatsachen. Damit bestünde bei der vom Landesarbeitsgericht angenommenen Bindungswirkung die Gefahr, dass – ggf. berechtigte – Einwendungen des Arbeitgebers im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Beauftragung unberücksichtigt bleiben.
7 ABR 37/19 > Rn 27
cc) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist auch nicht deshalb vom Bestehen eines Freistellungsanspruchs des Betriebsrats gegen die Arbeitgeberin auszugehen, weil die Arbeitgeberin nach § 74 Abs. 3 ZPO iVm. § 68 ZPO aufgrund der ihr gegenüber im Vorprozess erklärten Streitverkündung an die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2013 gebunden wäre. Das ist nicht der Fall.
7 ABR 37/19 > Rn 28
(1) Verkündet eine Partei einem Dritten den Streit, so sind nach § 74 Abs. 3 ZPO gegen den Dritten (Streitverkündeten) die Vorschriften des § 68 ZPO – mit einer hier nicht interessierenden Abweichung – anzuwenden. § 68 ZPO bestimmt, dass der Nebenintervenient im Verhältnis zur Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört wird, der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen habe, sei unrichtig entschieden worden. Voraussetzung für diese sog. Interventionswirkung ist, dass der Rechtsstreit durch ein rechtskräftiges Sachurteil zu Ungunsten der Hauptpartei entschieden worden ist (Zöller/Althammer ZPO 33. Aufl. § 68 Rn. 4, 6 mwN). Die Interventionswirkung tritt somit nur zu Gunsten, nicht aber zu Ungunsten der unterstützten Partei (Hauptpartei) ein. Gleiches gilt nach § 74 Abs. 3 ZPO im Falle der Streitverkündung für den Streitverkünder (BAG 24. Mai 1989 – 2 AZR 451/88 – zu B II der Gründe).
7 ABR 37/19 > Rn 29
(2) Wäre aufgrund der im Vorprozess erfolgten Streitverkündung eine Interventionswirkung zu Gunsten des unterlegenen Betriebsrats als Hauptpartei eingetreten, könnte sich auch die Antragstellerin, die im zivilgerichtlichen Verfahren Gegenpartei des Betriebsrats war, im vorliegenden Verfahren auf diese berufen. Zwar gilt die Interventionswirkung im Verhältnis zur Gegenpartei nicht (BGH 7. Oktober 1992 – VIII ZR 182/91 – zu II 1 b aa der Gründe; Zöller/Althammer ZPO 33. Aufl. § 68 Rn. 6). Die Streitverkündung ist jedoch auch zu berücksichtigen, wenn der Folgeprozess nicht von der unterstützten Hauptpartei, sondern von deren Rechtsnachfolger geführt wird (Zöller/Althammer ZPO 33. Aufl. § 68 Rn. 7). Eine etwaige Interventionswirkung zu Gunsten des Betriebsrats würde sich daher auch auf die Antragstellerin erstrecken, die als Einzelrechtsnachfolgerin den Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegen die Arbeitgeberin nunmehr aus gepfändetem Recht geltend macht (vgl. BGH 15. Mai 1997 – III ZR 46/96 – zu II 2 b aa der Gründe zur Geltendmachung eines Anspruchs aus abgetretenem Recht durch die im Vorprozess nicht beteiligte Partei).
7 ABR 37/19 > Rn 30
(3) Durch die im Vorprozess erfolgte Streitverkündung ist eine Interventionswirkung zu Gunsten des Betriebsrats nach § 74 Abs. 3 ZPO iVm. § 68 ZPO im Hinblick auf das Bestehen des gepfändeten Anspruchs aus § 40 Abs. 1 BetrVG jedoch nicht eingetreten. Im vorliegenden Verfahren ist daher ohne Bindung an den Vorprozess zu prüfen, ob der von der Antragstellerin gepfändete Anspruch des Betriebsrats auf Freistellung von ihren Honorarkosten nach § 40 Abs. 1 BetrVG entstanden ist.
7 ABR 37/19 > Rn 31
(a) Es kann dahinstehen, ob die Interventionswirkungen nach § 74 Abs. 3 ZPO iVm. § 68 ZPO überhaupt eintreten können, wenn durch eine Streitverkündung in einem Zivilprozess vor den ordentlichen Gerichten eine Bindung des Streitverkündeten in einem späteren Verfahren vor den Arbeitsgerichten herbeigeführt würde (ablehnend BGH 16. Juni 1993 – VIII ZR 222/92 – zu II 3 der Gründe, BGHZ 123, 44; grundsätzlich eine rechtswegübergreifende Interventionswirkung bejahend BSG 13. September 2011 – B 1 KR 4/11 R – Rn. 10 ff., BSGE 109, 133; vgl. auch MüKoZPO/Schultes 6. Aufl. § 68 Rn. 24). Ebenfalls dahinstehen kann, ob eine durch Streitverkündung eintretende Interventionswirkung vorliegend jedenfalls deswegen ausscheidet, weil die Heranziehung der Vorschriften der ZPO über die Nebenintervention nach § 80 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbs. ArbGG in Angelegenheiten aus dem BetrVG gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG durch die Verfahrensregelungen in §§ 81, 83 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 ArbGG ausgeschlossen ist (BAG 5. Dezember 2007 – 7 ABR 72/06 – Rn. 25 mwN, BAGE 125, 100). Es fehlt jedenfalls an einer im Vorprozess erfolgten wirksamen Streitverkündung des Betriebsrats gegenüber der Arbeitgeberin.
7 ABR 37/19 > Rn 32
(aa) Nach den vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Arbeitsgerichts hat nicht der Betriebsrat, sondern haben der Betriebsratsvorsitzende und die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der Arbeitgeberin im Vorprozess mit Schriftsatz vom 13. Februar 2009 den Streit verkündet. Zu diesem Zeitpunkt konnte eine Streitverkündung durch den Betriebsrat auch nicht erfolgen, da er bis dahin nicht Partei des Rechtsstreits war. Verklagt waren zu diesem Zeitpunkt nur der Betriebsratsvorsitzende und die stellvertretende Vorsitzende persönlich. Mit der Erklärung der Arbeitgeberin im Schriftsatz vom 16. März 2009, sie trete auf Seiten „der Beklagten“ dem Rechtsstreit bei, war demgemäß ein Beitritt der Arbeitgeberin auf Seiten des Betriebsrats nicht erfolgt, sondern nur auf Seiten der zu diesem Zeitpunkt allein beklagten Betriebsratsmitglieder.
7 ABR 37/19 > Rn 33
(bb) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin wäre von einer Streitverkündung des Betriebsrats gegenüber der Arbeitgeberin auch dann nicht auszugehen, wenn – wie die Antragstellerin vorbringt – sämtliche Verfahrensbeteiligte in dem Vorprozess angenommen hätten, die Arbeitgeberin sei Streithelferin des Betriebsrats. Die Streitverkündung unterliegt nach § 73 ZPO Formvorgaben, die (auch) dem Schutz des Streitverkündungsempfängers dienen, dem eine Entscheidung über den Beitritt ermöglicht werden soll (Zöller/Althammer ZPO 33. Aufl. § 73 Rn. 1). Nach § 73 Satz 1 ZPO erfolgt die Streitverkündung mittels eines seitens der den Streit verkündenden Partei einzureichenden Schriftsatzes, in welchem der Grund der Streitverkündung und die Lage des Rechtsstreits anzugeben ist. Dieser Schriftsatz ist dem Dritten nach § 73 Satz 2 ZPO zuzustellen und dem Gegner des Streitverkünders in Abschrift mitzuteilen. Erst mit Zustellung der Streitverkündung an den Dritten wird diese wirksam (§ 73 Satz 3 ZPO). Aus dem Streitverkündungsschriftsatz des Betriebsratsvorsitzenden und der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden vom 13. Februar 2009 ergibt sich unzweideutig, dass nur diese der Arbeitgeberin den Streit verkünden. Die Vorgaben des § 73 ZPO, die sicherstellen sollen, dass der Streitverkündete Kenntnis davon erlangt, welchen Anspruchs sich der Streitverkünder gegen ihn berühmt, können nicht durch eine etwaige gemeinsame anderweitige Vorstellung der Prozessbeteiligten über eine erfolgte Streitverkündung umgangen werden.
7 ABR 37/19 > Rn 34
(cc) Ohne Erfolg macht die Antragstellerin daher auch geltend, die durch einzelne Betriebsratsmitglieder erfolgte Streitverkündung habe vorliegend Wirkung für das gesamte Gremium. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. Dezember 2011 (- IX ZR 204/09 -) ergibt sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin nichts Anderes. Insbesondere hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung nicht angenommen, eine Streitverkündung durch einzelne Mitglieder einer (Wohnungseigentümer)Gemeinschaft habe Wirkung für die gesamte (Wohnungseigentümer)Gemeinschaft.
7 ABR 37/19 > Rn 35
(b) Eine Bindung an die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2013 über die Erforderlichkeit der in Rechnung gestellten Honorarleistungen bestünde für das vorliegende Verfahren nach § 74 Abs. 1, Abs. 3 ZPO iVm. § 68 ZPO im Übrigen auch dann nicht, wenn im Vorprozess der Betriebsrat der Arbeitgeberin den Streit verkündet hätte und diese auf Seiten des Betriebsrats dem Rechtsstreit beigetreten wäre. Nach § 74 Abs. 3 iVm. § 67 Satz 1 Halbs. 2 ZPO ist der Streithelfer lediglich berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, soweit nicht seine Erklärungen und Handlungen mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei in Widerspruch stehen. Soweit der Streithelfer im Vorprozess nach § 67 Satz 1 Halbs. 2 ZPO daran gehindert war, auf die Feststellungen Einfluss zu nehmen, weil er sich in Widerspruch zum Vorbringen der Hauptpartei gesetzt hat, bleiben ihm seine Angriffs- und Verteidigungsmittel erhalten; er kann daher im Folgeprozess neue Gesichtspunkte vorbringen, die er im Vorprozess nicht geltend machen konnte (vgl. Zöller/Althammer ZPO 33. Aufl. § 68 Rn. 12; Saenger/Bendtsen ZPO 8. Aufl. § 68 Rn. 10, 12). Im Vorprozess blieben die Einwände der Arbeitgeberin im Hinblick auf die Erforderlichkeit der vom Betriebsrat in Anspruch genommenen Beratungsleistungen nach § 67 Satz 1 Halbs. 2 ZPO unberücksichtigt (vgl. OLG Frankfurt am Main 16. Dezember 2013 – 1 U 184/10 – juris-Rn. 11). Somit wäre die Arbeitgeberin im hiesigen Folgeverfahren mit ihrem diesen Einwendungen zu Grunde liegenden Sachvortrag nach § 67 Satz 1 Halbs. 2 ZPO auch dann nicht ausgeschlossen, wenn eine Streitverkündung durch den Betriebsrat erfolgt und die Arbeitgeberin auf Seiten des Betriebsrats dem Rechtsstreit beigetreten wäre.
7 ABR 37/19 > Rn 36
2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit das Landesarbeitsgericht dem Antrag entsprochen hat. Es bedarf jedoch keiner Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, da der Senat eine abschließende Sachentscheidung treffen kann. Der Senat kann zwar auf der Grundlage der bislang festgestellten Tatsachen nicht beurteilen, ob der gepfändete Freistellungsanspruch des Betriebsrats von einer Honorarforderung der Antragstellerin in Höhe von 83.752,20 Euro entstanden ist. Dies kann jedoch offenbleiben, da der Freistellungsanspruch aufgrund der von der Arbeitgeberin erhobenen Einrede der Verjährung nicht mehr durchsetzbar wäre.
7 ABR 37/19 > Rn 37
a) Auf der Grundlage der bislang festgestellten Tatsachen kann nicht beurteilt werden, ob der von der Antragstellerin gepfändete Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegenüber der Arbeitgeberin von Honorarkosten der Antragstellerin in Höhe von 83.752,20 Euro entstanden ist.
7 ABR 37/19 > Rn 38
aa) Der Betriebsrat hätte nur dann einen Freistellungsanspruch erworben, wenn er die durch die Beauftragung der Antragstellerin entstehenden Honorarkosten für erforderlich halten durfte. Im Falle einer Betriebsänderung in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern ist zwar § 111 Satz 2 BetrVG die alleinige Rechtsgrundlage für die Heranziehung sachkundiger Personen durch den Betriebsrat zum Zwecke seiner Beratung außerhalb von arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren oder Einigungsstellenverfahren (vgl. BAG 14. Dezember 2016 – 7 ABR 8/15 – Rn. 14; 25. Juni 2014 – 7 ABR 70/12 – Rn. 27, jeweils mwN). Anders als nach § 80 Abs. 3 BetrVG ist in diesem Fall eine vorherige Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über den Gegenstand der Tätigkeit, über die Person des Beraters und über dessen Vergütung nicht notwendig. Da § 111 Satz 2 BetrVG aber keine Regelung über die Kostentragung trifft, gilt insoweit § 40 Abs. 1 BetrVG. Danach hat der Arbeitgeber auch im Anwendungsbereich von § 111 Satz 2 BetrVG nur solche durch die Beauftragung eines Beraters entstehenden Honorarkosten zu tragen, die der Betriebsrat für erforderlich halten durfte (vgl. etwa Annuß in Richardi BetrVG 16. Aufl. § 111 Rn. 53; Fitting BetrVG 30. Aufl. § 111 Rn. 122; HWK/Hohenstatt/Willemsen 9. Aufl. § 111 BetrVG Rn. 70; Schaub ArbR-HdB/Koch 18. Aufl. § 244 Rn. 25a; Oetker GK-BetrVG 11. Aufl. § 111 Rn. 226; aA DKW/Däubler BetrVG 17. Aufl. § 111 Rn. 172). Der Arbeitgeber hat zudem nur diejenigen Kosten zu tragen, die auf eine Beauftragung aufgrund eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses zurückgehen (BAG 18. März 2015 – 7 ABR 4/13 – Rn. 12).
7 ABR 37/19 > Rn 39
bb) Da das Landesarbeitsgericht – aus seiner Sicht konsequent – keine Tatsachen dazu festgestellt hat, ob der Betriebsrat die durch die Beauftragung der Antragstellerin entstehenden Honorarkosten für erforderlich halten durfte, lässt sich nicht beurteilen, ob der Betriebsrat nach § 40 Abs. 1 BetrVG gegenüber der Arbeitgeberin einen Freistellungsanspruch von den Honorarkosten der Antragstellerin erworben hat. Gleiches gilt für die Frage, ob die durch die Beauftragung der Antragstellerin entstandenen Kosten auf einen ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss zurückgehen.
7 ABR 37/19 > Rn 40
b) Diese Fragen bedürfen jedoch keiner Entscheidung. Es kann zu Gunsten der Antragstellerin unterstellt werden, dass dem Betriebsrat ein Anspruch auf Freistellung von den durch ihre Beauftragung entstandenen Kosten in Höhe des geltend gemachten Betrags zusteht und die Antragstellerin aufgrund der Pfändung und Überweisung des Freistellungsanspruchs einen entsprechenden Zahlungsanspruch zur Einziehung gegen die Arbeitgeberin erworben hat. Der Durchsetzung des Anspruchs steht jedenfalls die von der Arbeitgeberin erhobene Verjährungseinrede entgegen. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist der gepfändete Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegen die Arbeitgeberin verjährt (§§ 195, 214 Abs. 1 BGB).
7 ABR 37/19 > Rn 41
aa) Der Drittschuldner kann im Einziehungsverfahren gemäß §§ 404 ff. BGB gegen die gepfändete Forderung alle zur Zeit der Pfändung bestehenden Einwendungen und Einreden erheben und daher dem Gläubiger auch die Einrede der Verjährung der gepfändeten Forderung entgegenhalten (Stein/Jonas/Würdinger ZPO 23. Aufl. § 829 Rn. 115). War die Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Pfändung bereits abgelaufen, erwirbt der Gläubiger eine bereits verjährte Forderung, die somit bei Erhebung der Verjährungseinrede durch den Drittschuldner nicht einziehbar ist. War die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen, muss der Vollstreckungsgläubiger den teilweisen Ablauf der Verjährungsfrist gegen sich gelten lassen, er zieht also ggf. eine Forderung ein, deren Verjährungsfrist schon begonnen hat. Die Verjährungsfrist läuft ohne Rücksicht auf die Pfändung weiter (vgl. zur Abtretung BGH 2. März 1982 – VI ZR 245/79 – zu II 2 der Gründe, BGHZ 83, 162; Palandt/Grüneberg BGB 79. Aufl. § 404 Rn. 5; Jauernig/Stürner BGB 17. Aufl. § 404 Rn. 4; zum gesetzlichen Forderungsübergang BGH 10. Juli 1967 – III ZR 78/66 – zu II 1 der Gründe, BGHZ 48, 181).
7 ABR 37/19 > Rn 42
bb) Der gepfändete Freistellungsanspruch des Betriebsrats aus § 40 Abs. 1 BetrVG unterliegt mangels Eingreifens der besonderen Tatbestände der §§ 196, 197 BGB der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB (allg. Ansicht, vgl. Fitting BetrVG 30. Aufl. § 40 Rn. 98; ErfK/Koch 20. Aufl. BetrVG § 40 Rn. 14; HWK/Reichold 9. Aufl. § 40 BetrVG Rn. 10; Thüsing in Richardi BetrVG 16. Aufl. § 40 Rn. 58; Weber GK-BetrVG 11. Aufl. § 40 Rn. 101; vgl. auch BAG 14. November 1978 – 6 ABR 11/77 – zu II 3 der Gründe: Anwendbarkeit der damals „allgemeinen Verjährungsfrist“). Die dreißigjährige Verjährungsfrist für rechtskräftig festgestellte Ansprüche nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB greift vorliegend nicht ein. Durch das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2013 (- 1 U 184/10 -) wurde nicht der gepfändete Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegenüber der Arbeitgeberin, sondern der vertragliche Honoraranspruch der Antragstellerin gegen den Betriebsrat mit Rechtskraftwirkung allein im Verhältnis zwischen den einander gegenüberstehenden Parteien festgestellt.
7 ABR 37/19 > Rn 43
cc) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts begann die dreijährige Verjährungsfrist nicht erst im Jahr 2018, sondern bereits am 31. Dezember 2008.
7 ABR 37/19 > Rn 44
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und in dem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
7 ABR 37/19 > Rn 45
(2) Danach hat die Verjährungsfrist im vorliegenden Fall nicht erst im Jahr 2018 zu laufen begonnen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, für den Beginn der Verjährungsfrist sei vorliegend der Zeitpunkt des Eintritts der Bestandskraft des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses im März 2018 maßgeblich, weil der Anspruch erst zu diesem Zeitpunkt „bei der Antragstellerin“ entstanden sei, ist rechtsfehlerhaft. Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, dass für den Beginn der Verjährungsfrist die Entstehung des gepfändeten Freistellungsanspruchs des Betriebsrats maßgeblich ist und dass sich die Rechtsposition der Arbeitgeberin als Schuldnerin des Freistellungsanspruchs des Betriebsrats durch die Pfändung und Überweisung seitens der Antragstellerin nicht verschlechtert. Zwar war die Antragstellerin als Pfändungsgläubigerin erst mit Wirksamwerden des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch dessen Zustellung an die Arbeitgeberin (vgl. Zöller/Herget ZPO 33. Aufl. § 829 Rn. 15, also entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts auch nicht erst mit Zurückweisung der Erinnerungen des Betriebsrats und der Arbeitgeberin mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 15. März 2018) zur Einziehung berechtigt. Sie trägt als Vollstreckungsgläubigerin aber das Risiko der Einziehung einer bereits verjährten Forderung.
7 ABR 37/19 > Rn 46
(3) Die Verjährungsfrist für den Freistellungsanspruch des Betriebsrats hat am 31. Dezember 2008 zu laufen begonnen.
7 ABR 37/19 > Rn 47
(a) Der Anspruch des Betriebsrats auf Freistellung von den durch die Beauftragung eines Beraters verursachten erforderlichen Kosten entsteht grundsätzlich mit der Beauftragung durch den Betriebsrat (BAG 18. März 2015 – 7 ABR 4/13 – Rn. 13; 17. August 2005 – 7 ABR 56/04 – zu B I 1 der Gründe, BAGE 115, 332; vgl. zur Fälligkeit des Befreiungsanspruchs nach § 257 Satz 1 BGB BGH 7. Dezember 2017 – III ZR 206/17 – Rn. 18). Danach könnte die Verjährungsfrist bereits mit Ablauf des Jahres 2007, in dem die Antragstellerin ausweislich ihrer Rechnungsstellung erste Beratungsleistungen erbracht hatte und der Betriebsrat offenbar die Antragstellerin beauftragt hatte, begonnen haben. Nach allgemeinen verjährungsrechtlichen Grundsätzen hätte das jedoch zur Folge, dass es für den Verjährungsbeginn auf den Eintritt der Fälligkeit der Drittforderung, von der Freistellung begehrt wird, nicht ankäme. Wäre für den Lauf der Verjährungsfrist allein auf die Entstehung des Freistellungsanspruchs abzustellen, könnte der Gläubiger des Freistellungsanspruchs zur Vermeidung der Verjährung bereits zu einem Zeitpunkt zur Geltendmachung des Freistellungsanspruchs gegenüber dem Schuldner gezwungen sein, in dem die Fälligkeit der Drittforderung noch nicht absehbar ist. Eine solche Geltendmachung ohne jede wirtschaftliche Notwendigkeit wäre indes verfrüht und weder sach- noch interessengerecht. Um diese nicht sinnvollen und unbefriedigenden Folgen zu vermeiden, beginnt die Verjährungsfrist für den Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber nach § 40 Abs. 1 BetrVG frühestens mit dem Schluss des Jahres, in dem die Forderung fällig wird, von der zu befreien ist (ebenso zum Befreiungsanspruch des Treuhänders nach § 257 Satz 1 BGB BGH 7. Dezember 2017 – III ZR 206/17 – Rn. 18; 22. März 2011 – II ZR 100/09 – Rn. 16; 5. Mai 2010 – III ZR 209/09 – Rn. 21, BGHZ 185, 310).
7 ABR 37/19 > Rn 48
(b) Im Streitfall begann die Verjährungsfrist damit am 31. Dezember 2008. Die Forderung der Antragstellerin, von der die Arbeitgeberin den Betriebsrat ggf. nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu befreien hatte, wurde im Jahr 2008 fällig. In diesem Jahr hatte die Antragstellerin ihre Beratungsleistungen gegenüber dem Betriebsrat in Rechnung gestellt und der Betriebsrat von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person der Arbeitgeberin als Schuldnerin Kenntnis.
7 ABR 37/19 > Rn 49
dd) Die Verjährungsfrist für den Freistellungsanspruch des Betriebsrats endete damit nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BGB mit Ablauf des 31. Dezember 2011. Zum Zeitpunkt der Einleitung des vorliegenden Verfahrens im Jahr 2018 war der gepfändete Anspruch somit verjährt.
7 ABR 37/19 > Rn 50
(1) Der Ablauf der Verjährungsfrist ist nicht durch die im zivilgerichtlichen Vorverfahren erfolgte Streitverkündung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB gehemmt worden. Die Hemmung der Verjährung durch Zustellung der Streitverkündung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB setzt voraus, dass die Streitverkündung von der Partei eines Rechtsstreits ausgeht, die materiell-rechtlich in Bezug auf den Anspruch, um dessen Verjährungshemmung es geht, Berechtigter ist (BGH 25. April 2019 – I ZR 170/18 – Rn. 21; Palandt/Ellenberger BGB 79. Aufl. § 204 Rn. 21; Staudinger/Peters/Jacoby BGB [2019] § 204 Rn. 77). Das war hier nicht der Fall. Die Streitverkündung gegenüber der Arbeitgeberin im zivilgerichtlichen Vorverfahren erfolgte nicht durch den Betriebsrat (als dem Berechtigten des gepfändeten Freistellungsanspruchs), sondern durch den Betriebsratsvorsitzenden und die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende.
7 ABR 37/19 > Rn 51
(2) Die Verjährung des Freistellungsanspruchs des Betriebsrats ist auch nicht nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB dadurch gehemmt worden, dass die Arbeitgeberin bereits in dem Ende des Jahres 2011 durch die Antragstellerin beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingeleiteten arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren auf Zahlung der Honorarforderung in Anspruch genommen wurde. Auch die Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt voraus, dass der in Bezug auf den verjährenden Anspruch materiell Berechtigte Klage erhebt; dementsprechend hemmt die Klage eines Nichtberechtigten den Lauf der Verjährung nicht (BGH 9. Dezember 2010 – III ZR 56/10 – Rn. 9; 29. Oktober 2009 – I ZR 191/07 – Rn. 38). Berechtigter ist der Rechtsinhaber, im Fall der Abtretung auch der Zessionar (BGH 9. Dezember 2010 – III ZR 56/10 – Rn. 10; 16. September 1999 – VII ZR 385/98 – zu II 1 der Gründe). In dem vorangegangenen Beschlussverfahren hatte nicht der Betriebsrat seinen Freistellungsanspruch verfolgt, sondern die Antragstellerin den vermeintlich durch Abtretung auf sie übergegangenen Anspruch. Der Antrag der Antragstellerin wurde durch rechtskräftigen Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. Juli 2013 (- 16 TaBV 218/12 -) mit der Begründung abgewiesen, die Antragstellerin sei mangels wirksamer Abtretung oder Pfändung des Freistellungsanspruchs des Betriebsrats aus § 40 Abs. 1 BetrVG nicht aktivlegitimiert. Im Falle einer unwirksamen Abtretung hemmt die Klage des vermeintlichen Zessionars die Verjährung in Bezug auf den angeblich abgetretenen Anspruch nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht (Staudinger/Peters/Jacoby BGB [2019] § 204 Rn. 10).
7 ABR 37/19 > Rn 52
ee) Soweit die Antragstellerin unter Berufung auf § 242 BGB geltend macht, der Betriebsrat habe die verjährungshemmende gerichtliche Geltendmachung seines Freistellungsanspruchs unterlassen, führt dies nicht zur Treuwidrigkeit der Verjährungseinrede der Arbeitgeberin. Die Begründetheit der Verjährungseinrede der Arbeitgeberin hat kein für die Antragstellerin schlechthin unzumutbares Ergebnis zur Folge. Dies könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn es ihr unmöglich gewesen wäre, innerhalb der Verjährungsfrist eine Zahlung der Arbeitgeberin durchzusetzen. Das war hier jedoch nicht der Fall. Die Antragstellerin hätte das ihr innerhalb der laufenden Verjährungsfrist unterbreitete Angebot des Betriebsrats, seinen Freistellungsanspruch gegen die Arbeitgeberin an die Antragstellerin abzutreten, annehmen und die Arbeitgeberin aus abgetretenem Recht auf Zahlung in Anspruch nehmen können. Soweit die Antragstellerin zur Begründung der Ablehnung dieser Angebote ausgeführt hat, bei einer gerichtlichen Inanspruchnahme der Arbeitgeberin durch sie hätte sie ihren Geschäftsführer nicht als Zeugen benennen können, zudem hätte sie im Rahmen eines solchen arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens die Kosten ihrer Prozessvertretung tragen müssen, ist das nicht von Belang. Hierbei handelt es sich ausschließlich um prozesstaktische Überlegungen. Sie ändern nichts daran, dass für die Antragstellerin jedenfalls die zumutbare Möglichkeit bestand, durch eine gerichtliche Inanspruchnahme der Arbeitgeberin aus abgetretenem Recht den Eintritt der Verjährung zu vermeiden. Die materiell-rechtliche und prozessuale Lage des einen Betriebsrat beratenden Unternehmens resultiert aus dem ihm bekannten Umstand, dass es für einen vermögenslosen Schuldner tätig wird, dessen einzig werthaltiger Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber derjenige nach § 40 Abs. 1 BetrVG auf Freistellung von erforderlichen Kosten ist, der letztlich im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren – durch den Betriebsrat selbst oder nach Abtretung durch das Beratungsunternehmen – zu verfolgen ist. Dem eher theoretischen Risiko, dass der Betriebsrat gegenüber dem Beratungsunternehmen innerhalb der Verjährungsfrist sowohl die eigenständige gerichtliche Geltendmachung des Freistellungsanspruchs als auch dessen Abtretung verweigert, kann das Beratungsunternehmen durch die Vereinbarung einer Vorausabtretung des Anspruchs des Betriebsrats aus § 40 Abs. 1 BetrVG begegnen.
7 ABR 37/19 > Rn 53
ff) Ein etwaiger Anspruch des Betriebsrats auf Freistellung von Zinsforderungen der Antragstellerin ist nach § 217 BGB ebenfalls verjährt.
Gräfl M. Rennpferdt Waskow
Deinert Arnold
> BAG, 04.05.2022 – 7 ABR 14/21
> BAG, 08.03.2022 – 3 AZR 123/21
> BAG, 23.02.2022 – 10 ABR 33/20
> BAG, 17.08.2021 – 1 AZR 50/20