BAG – 5 AZR 125/09

Begründung eines Arbeitsverhältnisses – Arbeitsvermittlung

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.12.2009, 5 AZR 125/09

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 17. September 2008 – 2 Sa 218/07 – wird zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlussrevision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 17. September 2008 – 2 Sa 218/07 – aufgehoben, soweit es über die Kosten entschieden und den Beklagten auf den Hilfsantrag des Klägers verpflichtet hat, den Kläger weiterhin als „Aushilfsarbeiter“ iSv. § 14 der Verwaltungsordnung des Beklagten an die Hafeneinzelbetriebe des Gesamthafens Bremen/Bremerhaven zu vermitteln.

3. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit abgetrennt und an das Sozialgericht Bremen verwiesen.

4. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und über Vermittlungspflichten des Beklagten.

2

Der Beklagte ist der auf Grundlage des Gesetzes über die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für Hafenarbeiter vom 3. August 1950 (BGBl. I S. 352) idF vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848, 2904) (im Folgenden: Gesamthafenbetriebsgesetz) für Bremen-Bremerhaven gebildete Gesamthafenbetrieb. Dieses Gesetz regelt ua.:

„§ 1

(1)

Durch schriftliche Vereinbarung von zuständigen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften oder von einzelnen Arbeitgebern und Gewerkschaften kann von den Betrieben eines Hafens, in denen Hafenarbeit geleistet wird, zur Schaffung stetiger Arbeitsverhältnisse für Hafenarbeiter ein besonderer Arbeitgeber (Gesamthafenbetrieb) gebildet werden. Eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit des Gesamthafenbetriebes ist ausgeschlossen.

§ 2

(1)

Der Gesamthafenbetrieb bestimmt nach Maßgabe der geltenden Gesetze seine Rechtsform, seine Aufgaben, seine Organe und seine Geschäftsführung, insbesondere auch die Grundsätze für die Erhebung, Verwaltung und Verwendung von Beiträgen und Umlagen; er hat dabei den Begriff der Hafenarbeit im Sinne des § 1 Abs. 1 bindend festzusetzen.

(2)

Die Regelungen nach Absatz 1 bedürfen der Genehmigung durch die oberste Arbeitsbehörde des Landes; die Genehmigung ist widerruflich.

(3)

Soweit der Gesamthafenbetrieb gemäß § 2 Abs. 1 eine nichtgewerbsmäßige Arbeitsvermittlung durchzuführen hat, ist er der Aufsicht der Bundesagentur für Arbeit unterstellt und an deren Weisungen gebunden.

…“

3

In der mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, Bezirksverwaltung Weser-Ems, geschlossenen Errichtungsvereinbarung heißt es ua.:

„§ 2

Aufgaben des Gesamthafenbetriebes

I.

Der Gesamthafenbetrieb im Lande Bremen hat die Aufgabe

1.

die in den Häfen anfallenden Arbeitsgelegenheiten auf die Gesamthafenarbeiter zweckmäßig und gerecht zu verteilen.

2.

die Gesamthafenarbeiter im Rahmen der geltenden Tarife und betrieblichen Vereinbarungen sozial zu betreuen.

II.

Der Gesamthafenbetrieb im Lande Bremen ist im Rahmen dieser Aufgabe gegenüber den Gesamthafenarbeitern Arbeitgeber, soweit dieses nicht von den Hafeneinzelbetrieben wahrgenommen wird. Die Lohnansprüche aus den durch die Verteilung entstehenden Arbeitsverträgen richten sich gegen die aus ihren Bestellungen verpflichteten Hafeneinzelbetriebe.

II.

§ 3

Ausschuß für Personal und Arbeit

§ 4

Aufgaben des Ausschusses für Personal und Arbeit

Der Ausschuß hat folgende Aufgaben:

7.

Zur Schaffung stetiger Beschäftigungsmöglichkeiten für eine zweckmäßige und gerechte Verteilung der Arbeitsgelegenheiten unter Berücksichtigung der besonderen Aufgabenstellung des Gesamthafenbetriebes nach dem Gesetz über die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für Hafenarbeiter (Gesamthafenbetrieb) zu sorgen. Hierzu erlässt der Ausschuß für Personal und Arbeit eine Verwaltungsordnung mit Vorschriften organisatorischen Inhalts, die sowohl für die Hafeneinzelbetriebe als auch für die Gesamthafenarbeiter bindend ist.

V.

§ 8

Bereitstellungspflicht

Der Gesamthafenbetriebsverein im Lande Bremen e.V. ist verpflichtet, die Anforderungen der Hafeneinzelbetriebe der Häfen im Lande Bremen nach Maßgabe der Anzahl der mit Hafenarbeitskarte versehenen Gesamthafenarbeiter und der darüber hinaus von den Arbeitsämtern Bremen und Bremerhaven gestellten Arbeitskräfte unter Berücksichtigung der Vordringlichkeit zu erfüllen.

…“

4

Die vom Senator für Arbeit der Freien Hansestadt Bremen genehmigte Verwaltungsordnung für den Gesamthafenbetrieb im Lande Bremen vom 5. September 1989, gültig ab 7. Dezember 1989, (im Folgenden: Verwaltungsordnung) regelt ua.:

§ 4

Hafenarbeit, Hafeneinzelbetrieb, Hafenarbeiter

(2)

Entsprechend Ziff. 1 sind

b)

H a f e n a r b e i t e r der Häfen im Lande Bremen diejenigen gewerblichen Arbeiter, die gemäß Ziff. 1 Hafenarbeit verrichten.

Diese Hafenarbeiter sind

aa)

Hafeneinzelbetriebsarbeiter, wenn sie in einem Hafeneinzelbetrieb fest eingestellt sind und deshalb zur Belegschaft dieses Betriebes gehören,

bb)

Gesamthafenarbeiter, wenn sie zur Belegschaft des Gesamthafenbetriebes gehören und aus dieser den Hafeneinzelbetrieben wechselweise zur Arbeitsleistung zur Verfügung stehen. Ihr Arbeitsverhältnis zum jeweils beschäftigenden Hafeneinzelbetrieb ist ein unständiges.

cc)

Aushilfsarbeiter entsprechend § 14.

§ 9

Verteilung der Hafenarbeiter durch die Verteilungsstellen des Gesamthafenbetriebsvereins

(2) Die Verteilung der Gesamthafenarbeiter durch die Verteilungsstellen des Gesamthafenbetriebsvereins wird täglich morgens (Frühverteilung) und mittags (Mittagsverteilung) vorgenommen. …

§ 11

Beschäftigung von Arbeitskräften

durch einen Hafeneinzelbetrieb

(2) Gesamthafenarbeiter und Aushilfsarbeiter gehören während der Dauer der Arbeit bei einem Hafeneinzelbetrieb zur Belegschaft dieses Hafeneinzelbetriebes.

§ 14

Aushilfsarbeiter

(1) Reichen infolge Arbeitshäufung die zur Verfügung stehenden Gesamthafenarbeiter nicht aus, so hat der Gesamthafenbetriebsverein zur Ergänzung des Bedarfs vom Arbeitsamt Arbeitssuchende als Aushilfsarbeiter anzufordern. Aushilfsarbeiter ist jede Arbeitskraft, die nicht in einem festen Arbeitsverhältnis zu einem Hafeneinzelbetrieb steht und nicht über eine Hafenarbeitskarte verfügt. Der Gesamthafenbetriebsverein hat diese Aushilfsarbeiter möglichst gleichmäßig, aber auch den praktischen Erfordernissen entsprechend, an die Hafeneinzelbetriebe zu verteilen. Die Vorschriften über die Verteilung der Gesamthafenarbeiter gelten für die Aushilfsarbeiter entsprechend.

(2) Zur Gewährleistung eines ordnungsmäßigen Arbeitseinsatzes und zur Abwendung von Benachteiligungen der Gesamthafenarbeiter ist den Hafeneinzelbetrieben eine unmittelbare Anforderung von Aushilfsarbeitern vom Arbeitsamt nicht gestattet.

(3) Die Aushilfsarbeiter gehören während der Dauer ihrer Beschäftigung zur Belegschaft des sie beschäftigenden Hafeneinzelbetriebes. Zur Belegschaft des Gesamthafenbetriebes gehören sie zu keiner Zeit.

(4) Die Aushilfsarbeiter werden in der Regel jeweils nur für die Dauer einer Schicht verteilt. Eine Weiterbeschäftigung durch den Hafeneinzelbetrieb, also auch eine Wiederbestellung durch diesen, ist nur mit Zustimmung der zuständigen Verteilungsstelle des Gesamthafenbetriebsvereins zulässig. …

(5) Gegenüber dem Aushilfsarbeiter besteht weder auf seiten des ihn beschäftigenden Hafeneinzelbetriebes noch auf seiten des Gesamthafenbetriebsvereins eine Kündigungsfrist.

§ 15

Entlohnung der Gesamthafenarbeiter

(1) Der Lohnanspruch des Gesamthafenarbeiters richtet sich gegen den Hafeneinzelbetrieb, zu dem er verteilt ist.

§ 16

Entlohnung der Aushilfsarbeiter

(1) Der Lohnanspruch des Aushilfsarbeiters richtet sich gegen den Hafeneinzelbetrieb, der ihn beschäftigt hat.

(2) Die Lohnauszahlung aller Aushilfsarbeiter (auch gem. § 14 [2]) erfolgt nur durch den Gesamthafenbetriebsverein. …

…“

5

Der Kläger wandte sich im Juni 2002 an die Außenstelle Bremerhaven der Agentur für Arbeit . Diese verwies ihn an den Beklagten, von dem er die für Aushilfsarbeiter vorgesehene sog. „Rote Karte“ erhielt. Vor Aufnahme seiner Tätigkeit wurde der Kläger in einem Gespräch und durch ein Informationsblatt über die Arbeitsbedingungen informiert. Im Informationsblatt heißt es ua.:

„1.

Die Verwaltungsordnung für den Gesamthafenbetrieb (GHB) im Lande Bremen (VO) regelt die Vermittlung von Aushilfskräften (§ 14 VO).

a)

Sobald infolge von Arbeitshäufung die zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte des GHB nicht ausreichen, vermittelt der Gesamthafenbetriebsverein im Lande Bremen e.V. (GHBV) Aushilfskräfte an die Betriebe.

b)

Die Aushilfskräfte gehören ausschließlich zur Belegschaft des beschäftigenden Betriebes. Zur Belegschaft des GHB gehören sie zu keiner Zeit.

c)

Ein Beschäftigungsverhältnis entsteht jeweils nur für die Dauer einer Schicht. Kündigungsfristen entstehen zu keiner Zeit.

2.

Der Lohnanspruch der Aushilfskräfte richtet sich gegen die Hafeneinzelbetriebe, die sie beschäftigt haben. Die Lohnabrechnung und Auszahlung führt der GHBV durch.

4.

Aushilfskräfte dürfen sich, ohne die Verteilungsstellen des GHBV zur Arbeit verteilt zu sein, bei Hafeneinzelbetrieben nicht von sich aus zur Arbeit anbieten oder zur Arbeit annehmen lassen.

…“

6

Der Beklagte vermittelte den Kläger an verschiedene Unternehmen des Hafenbereichs. Er wurde in zahlreichen Schichten beschäftigt. Im Jahr 2002 erzielte der Kläger ein Gesamtbruttoeinkommen iHv. 5.018,00 Euro, im Jahr 2003 von 13.031,79 Euro, im Jahr 2004 von 15.300,85 Euro, im Jahr 2005 von 17.315,73 Euro und im Jahr 2006 iHv. 20.965,07 Euro.

7

Am 26. Februar 2007 kam es zwischen dem Kläger und dem Betriebsratsvorsitzenden des Beklagten zu einer Auseinandersetzung, deren Einzelheiten streitig sind. In der Folge sprach der Beklagte eine dauerhafte Vermittlungssperre aus.

8

Der Kläger ist der Auffassung, zwischen ihm und dem Beklagten sei ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Seit Beginn seiner Tätigkeit sei er mit durchschnittlich 220 Arbeitstagen pro Jahr einem Ganztagsbeschäftigten gleichzustellen. Es sei nicht zulässig, „Tagelöhner“ auf Dauer zu beschäftigen.

9

Der Kläger hat, soweit für die Revision noch von Interesse, beantragt

1.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund einer Befristung nicht beendet worden ist;

2.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die mündliche Kündigung des Beklagten vom 27. Februar 2007 nicht beendet worden ist;

3.

den Beklagten zu verurteilen, den Kläger als Hafenarbeiter auf der Basis einer 35-Stunden-Woche zu den bisherigen Bedingungen über den Ablauf des 27. Februar 2007 hinaus weiter zu beschäftigen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Bestandsstreits;

4.

hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, den Kläger weiterhin als „Aushilfsarbeiter“ iSd. § 14 der Verwaltungsordnung des Beklagten an die Hafeneinzelbetriebe des Gesamthafens Bremen/Bremerhaven zu vermitteln.

10

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Es bestehe kein Arbeitsverhältnis der Parteien. Der Beklagte habe lediglich die ihm durch das Gesamthafenbetriebsgesetz übertragene öffentlich-rechtliche Aufgabe der Arbeitsvermittlung erfüllt.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrags hat der Beklagte die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen gerügt. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht dem Hilfsantrag stattgegeben und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Hauptanträge weiter. Mit der Anschlussrevision begehrt der Beklagte die Abweisung des Hilfsantrags.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Berufung des Klägers gegen das die Hauptanträge abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Die Anschlussrevision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils, soweit das Landesarbeitsgericht dem Hilfsantrag des Klägers stattgegeben hat. Insoweit wird der Rechtsstreit abgetrennt und an das Sozialgericht Bremen verwiesen.

13

I. Die Feststellungsanträge zu 1. und 2. sind unbegründet. Zwischen den Parteien hat kein Arbeitsverhältnis bestanden.

14

1. Die Parteien haben keinen Arbeitsvertrag geschlossen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurden weder ausdrückliche Vereinbarungen getroffen, noch hat der Beklagte durch sein Verhalten eine auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses gerichtete Willenserklärung abgegeben, die der Kläger angenommen hat. Vielmehr ist der Beklagte dem Kläger gegenüber als Arbeitsvermittler aufgetreten. An diese tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Senat gebunden (§ 559 Abs. 2 ZPO). Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte habe keine auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses gerichtete Willenserklärung abgegeben, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar lässt der im Informationsschreiben verwendete Begriff der „Belegschaft“ Raum für Interpretationen, aus dem Gesamtzusammenhang der Information ergibt sich jedoch, dass der Beklagte nicht als Arbeitgeber auftrat, sondern lediglich als „Vermittler“ der Aushilfskräfte. Damit war nur die Herstellung des Kontakts zwischen dem Kläger und den Hafeneinzelbetrieben angesprochen. Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, dass der äußerliche Ablauf der Vermittlung zwischen dem Beklagten und den Gesamthafenarbeitern einerseits und dem Beklagten und den Aushilfsarbeitern anderseits gleich blieb. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass der langjährige Einsatz des Klägers in den Hafeneinzelbetrieben keine Willenserklärung zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses ersetzt.

15

Dass der Beklagte als Auszahlungsstelle fungierte, rechtfertigt nicht die Annahme, der Beklagte sei als Arbeitgeber der Lohnschuldner der an die Hafeneinzelbetriebe vermittelten Aushilfskräfte. Der Lohnanspruch der Aushilfsarbeiter richtet sich gem. § 16 Abs. 1 Verwaltungsordnung gegen den Hafeneinzelbetrieb, bei dem sie beschäftigt werden. Die Auszahlung der Vergütung kann auch von einem Dritten vorgenommen werden, der damit nicht, auch nicht teilweise, eine Arbeitgeberstellung gegenüber dem Lohngläubiger einnimmt (Senat 23. Februar 1961 – 5 AZR 136/60 – zu 1 b der Gründe, BAGE 11, 82, 85).

16

2. Ein Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch nicht kraft gesetzlicher Fiktion oder aufgrund eines gesetzlichen Abschlussgebots begründet worden. Ebenso wenig kommt das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses gem. § 823 Abs. 2 BGB iVm. dem Gesamthafenbetriebsgesetz als Schutzgesetz in Betracht. Es kann im Rahmen dieses Rechtsstreits dahinstehen, ob § 14 Abs. 3 Verwaltungsordnung vom Zweck des Gesamthafenbetriebsgesetzes, der gerade in der Schaffung stetiger Arbeitsverhältnisse der Hafenarbeiter zum Gesamthafenbetrieb liegt (zur rechtsmissbräuchlichen Ausnutzung der Arbeitgeberstellung des Gesamthafenbetriebs bei Aushilfsarbeitnehmern vgl. auch BAG 19. Juli 1957 – 1 AZR 161/56 – AP GesamthafenbetriebsG § 1 Nr. 1), gedeckt ist und ob das Gesamthafenbetriebsgesetz ein Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 BGB darstellt. Würde dies zugunsten des Klägers unterstellt, wären die Klageanträge zu 1. und zu 2. gleichwohl unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung und Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern das Bestehen eines solchen geltend gemacht.

17

II. Der auf vorläufige Weiterbeschäftigung während des Rechtsstreits gerichtete Antrag zu 3. ist wegen der Unbegründetheit der Klageanträge zu 1. und 2. nicht zur Entscheidung angefallen.

18

III. Die Anschlussrevision des Beklagten ist begründet. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist für den Hilfsantrag nicht eröffnet. Die Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger weiter als Aushilfsarbeiter an die Hafeneinzelbetriebe zu vermitteln, bestimmt sich nach Normen des öffentlichen Rechts und fällt in die Zuständigkeit der Sozialgerichte. Der Rechtsstreit ist insoweit abzutrennen und an das nach dem Wohnsitz des Klägers örtlich zuständige Sozialgericht Bremen zu verweisen.

19

1. Der Senat ist nicht gem. § 17a Abs. 5 GVG iVm. § 73 Abs. 2, § 65 ArbGG an die – stillschweigende – Bejahung der Rechtswegzuständigkeit durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

20

a) Nach § 73 Abs. 2, § 65 ArbGG prüft das Revisionsgericht nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist und ob das Landesarbeitsgericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Die Einschränkung der Prüfungskompetenz des Bundesarbeitsgerichts ist aber nur gerechtfertigt, wenn die Rechtswegfrage vorab in dem nach dem Gerichtsverfassungsrecht vorgesehenen Verfahren geprüft worden ist (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 11/7030 S. 36, 38; hierzu auch BAG 26. März 1992 – 2 AZR 443/91 – zu II 3 b aa der Gründe, AP ArbGG 1979 § 48 Nr. 7 = EzA ArbGG 1979 § 48 Nr. 5). Hat das Landesarbeitsgericht das in § 48 ArbGG, § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG geregelte Verfahren nicht eingehalten, tritt die Bindung des Revisionsgerichts nicht ein. Andernfalls wäre die Möglichkeit, die Zulässigkeit des Rechtswegs von einem Rechtsmittelgericht überprüfen zu lassen, aufgrund eines Verfahrensfehlers des Berufungsgerichts abgeschnitten (st. Rspr., BAG 19. März 2003 – 4 AZR 271/02 – zu I der Gründe, BAGE 105, 275, 278; 8. Juni 1999 – 3 AZR 136/98 – zu A der Gründe, BAGE 92, 1, 3; Senat 21. August 1996 – 5 AZR 1011/94 – zu II 1 a der Gründe, AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 42 = EzA ArbGG 1979 § 73 Nr. 2).

21

b) Vorliegend ist der Senat nicht gebunden. Das Landesarbeitsgericht hat entgegen § 48 Abs. 1 ArbGG, § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG nicht vorab durch Beschluss über die in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht erhobene Rechtswegrüge des Beklagten entschieden.

22

2. Die Gerichte für Arbeitssachen sind für die Entscheidung über den Hilfsantrag nicht zuständig. Es ist die ausschließliche Zuständigkeit der Sozialgerichte gegeben. Für Fragen der Arbeitsvermittlung sind gem. § 51 Abs. 1 Nr. 4 SGG ausschließlich die Sozialgerichte zuständig.

23

a) Im Rahmen der §§ 2, 2a ArbGG ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ausschließlich für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten eröffnet . Hierzu gehört die Arbeitsvermittlung nicht. Die Arbeitsvermittlung rechnet zur Arbeitsförderung und wird durch Normen des öffentlichen Rechts bestimmt (vgl. Peters/Sautter/Wolff Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit Bd. 1 § 51 Rn. 306, 307). Dies gilt auch für die vom Beklagten als Privatrechtssubjekt im Auftrag und für die Bundesagentur für Arbeit wahrgenommene Aufgabe der Vermittlung von Aushilfsarbeitern in den Häfen Bremens und Bremerhavens. Dabei handelt der Beklagte in öffentlich-rechtlicher Form. Arbeitsvermittlung iSd. Sozialrechts ist eine Tätigkeit, die darauf gerichtet ist, Arbeitssuchende mit Arbeitgebern zur Begründung von Arbeitsverhältnissen zusammenzuführen (BSG 29. Juli 1970 – 7 RAr 44/68 – zu I der Gründe, BSGE 31, 235, 242). In diesem Sinne nimmt der Beklagte für die Bundesagentur für Arbeit Aufgaben der Arbeitsvermittlung wahr. Gem. § 2 Abs. 3 Gesamthafenbetriebsgesetz ist der Gesamthafenbetrieb, sofern er nichtgewerbsmäßige Arbeitsvermittlung durchführt, der Aufsicht der Bundesagentur für Arbeit unterstellt und an deren Weisungen gebunden. Ein Handeln auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts liegt damit vor, denn der Gesamthafenbetrieb wird anstelle der für Arbeitsvermittlungen iSd. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB III zuständigen Agentur für Arbeit tätig. Er wirkt an der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe mit . Die Bindung an Weisungen der Agentur für Arbeit zeigt, dass der Beklagte Tätigkeiten auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts entfaltet und nicht wie ein Privatrechtssubjekt frei in seiner Handlungsweise ist. Für alle Streitigkeiten, die sich aus der öffentlich-rechtlich geregelten Arbeitsvermittlung ergeben, ist ausschließlich der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet (Peters/Sautter/Wolff § 51 Rn. 307).

24

3. Die Trennung des Rechtsstreits und die Verweisung an das Sozialgericht Bremen haben durch Urteil zu erfolgen, weil hierzu das angefochtene Urteil aufzuheben ist, soweit es außerhalb der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen den Beklagten zu einer Leistung verurteilt hat (vgl. BGH 20. Januar 2005 – III ZR 278/04 – zu 2 c der Gründe, MDR 2005, 644 f.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 68. Aufl. § 17a GVG Rn. 16; Musielak/Wittschier ZPO 7. Aufl. § 17a GVG Rn. 21).

25

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Müller-Glöge        Laux        Biebl

Kessel        W. Hinrichs

 

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Fundstellen:

NZA 2010, 472


Papierfundstellen:

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